TA 35 ex Giuseppe Dezza Ein Schiff mit Geschichte

Begonnen von Ferenc, 03 Februar 2007, 22:57:37

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Ferenc

TORPEDOBOOT AUSLAND 35

Die wechselhafte Geschichte eines kleinen Kriegsschiffes



Als am frühen Morgen des 17. August 1944 eine starke Explosion das alte ehemals italienische Torpedoboot TA 35 in der nördlichen Adria in zwei Teile zerriss und 71 Mann der Besatzung mit in die Tiefe nahm, fand das Leben eines bemerkenswertes Schiffes sein dramatisches Ende.

Es begann bereits vor dem Ersten Weltkrieg als die italienische Regierung
bei den Firmen N.Odero & Co in Sestri und O.C.N. (Pattison) in Neapel 8 Zerstörer der ROSOLINO PILO Klasse bestellte, die ab 1913 gebaut und zwischen Mai 1915 und Jänner 1916 fertiggestellt wurden.
Einer dieser Zerstörer wurde am 01.01.1916 unter dem Namen PILADE BRONZETTI (Kennung BR) in den Dienst gestellt

Pilade Bronzetti, (*1832 +1860) war ein "Patriot", der am Aufstand gegen Österreich 1848 sowie an der Verteidigung von Rom ein Jahr später teilgenommen hat. Während der Schlacht von Volturno 1860 (im Zuge der italienischen Einigungskriege) wurde Bronzetti verwundet und starb.

Die Schwesterschiffe waren FRANCESCO NULLO, welches später in FRATELLI CAIROLI (Kennung: CL) umbenannt wurde; GIUSEPPE CESARE ABBA (Kennung: AB); GIUSEPPE MISSORI (Kennung: MS);  ANTONIO MOSTO (Kennung: MT);  ROSOLINO PILO (Kennung: PL), SIMONE SCHIAFFINO (Kennung: SF) und IPPOLITO NIEVO.

Einteilung und Einsätze während des 1. Weltkrieges:
Nach der Indienststellung wurde der Zerstörer der 7. (später die 1.) Squadriglia Cacciatorpediniere (Zerstörerflottille) zugeteilt.
Im Mai 1916 wurde er zur Division der Spähschiffe (Esploratori) verlegt, die sich in Brindisi in Süditalien befand. Das Einsatzgebiet umfasste die südliche Adria und die griechischen Gewässer.
Im Oktober 1917 bildete BRONZETTI mit NIEVO, PILO, u. SCHIAFFINO die "6. Zerstörerdivision".
Bei der Neugliederung im Jänner 1918 wurde PILADE BRONZETTI der "4. Zerstörerdivision" zugeteilt, bei der sie zumindest bis Kriegsende blieb.

Die Aufgaben während des Ersten Weltkrieges bestanden großteils aus Aufklärungsvorstößen Sicherungsaufträge und Teilnahme an Minenoperationen.
Erwähnenswert sind folgende Einsätze
07.02.1916,
PILADE BRONZETTI deckt mit dem engl. Kreuzer WEYMUTH u franz. Zerstörer BOUCLIER den Seeweg Brindisi – Durazzo. Dabei kommt es zu einer kurzen Gefechtsberührung zwischen der PILADE BRONZETTI und dem öst. Zerstörer WILDFANG, der gerade eine Sonderoperation mit zwei Seeflugzeugen durchführt.

17.04.1916
PILADE BRONZETTI und der Kreuzer MARSALA bringen den serbischen Prinzen von Brindisi nach Malta

15./16.06.1916
In Begleitung der Zerstörer AUDACE und ANTONIO MOSTO; sichert der Zerstörer die PN-Boote 35 PN und 37 PN welche die MAS 5 u 7 schleppen ab. Der Verband wird von österr. Küstenbatterien und dem Zerstörer WILDFANG entdeckt und beschossen.

19.10.1917,
Als Teilnehmer eines Flottenverbandes ausgelaufen um einen georteten österr. Flottenverband (HELGOLAND, LIKA, TRIGLAV u. CSEPEL) abzufangen. die österr. Schiffe werden jedoch lediglich von einem Flugzeug gesehen.

12./13.05.1918,
Mit dem Zerstörer. NIEVO die MAS 99 u 100 zu einem Einsatz nach Durazzo geschleppt.
Bei dieser Aktion wird der österreichische Dampfer BREGENZ torpediert.



Zwischenkriegszeit
Nach Ende des ersten Weltkrieges wurde PILADE BRONZETTI bis 1919 in griechischen und türkischen Gewässern eingesetzt.
Dort waren die Kampfhandlungen zwischen der Türkei und Griechenland noch nicht zu Ende. Von Smyrna/Izmir aus, drangen 1919 griechische Truppen in Anatolien vor und besetzten einen Teil davon. Sie wurden jedoch später von den Türken unter Mustafa Kemal (Atatürk) zurückgeschlagen und besiegt, wobei die seit der Antike an der Westküste Anatoliens ansäßigen Zivilisten griechischer Angehörigkeit vertrieben oder getötet wurden.
Anschliessend wurde der Zerstörer zur Disposition des Oberbefehlshabers in Albanien gestellt und 1920 in Antivari/Bar stationiert.
Im November 1920 wurde das Schiff in die Nordadria verlegt.

Am 08.12.1920 wurde PILADE BRONZETTI nach Fiume/Rijeka geschickt, als von einem Freiwilligenkorps unter Gabriele D'Annunzio die freie Stadt Fiume besetzt wurde. Italien hat, obwohl die Besetzung Fiumes von der Regierung stillschweigend geduldet wurde, eine Flottenabteilung dorthin entsandt um "die Ordnung" wieder herzustellen. Die Flottenentsendung geschah offensichtlich um die Weltöffentlichkeit zu beruhigen
In Fiume hat aber ein Teil der Besatzungen die Schiffe verlassen und sich auf die Seite der "Legionäre" D'Annunzios gestellt.
Nach Abschluss des "Fiumaner Abenteuers", Anfang Jänner 1921, wurde der Zerstörer nach Pola verlegt
Die "Meuterei" wurde durch eine Umbenennung der daran teilnehmenden Schiffe ,,bestraft".
Von dieser Bestrafung waren 3 Zerstörer betroffen. Einer davon war PILADE BRONZETTI. Der Name wurde am 16.01.1921 in GIUSEPPE DEZZA (Kennung DZ) geändert. Gleichzeitig erhielt das ebenfalls an dieser Aktion beteiligt gewesene Schwesterschiff FRANCESCO NULLO den Namen  FRATELLI CAIROLI (Kennung CL).

Giuseppe Dezza, General (*1830 +1898), zuerst Ingenieur, schloss sich als  Freiwillliger dem italienischen Freiheitshelden Giusepe Garibaldi 1860 bei dessen "Zug der Tausend" an. Er nahm an der Schlacht bei Custozza 1866 teil und führte nach der Niederlage den Rückzug der Truppen. Er machte eine militärische Karriere und wurde mehrfach ausgezeichnet. 1876 wurde Dezza Rechtsabgeordneter und 1889 zum Senator ernannt.


Am 01. Oktober 1929 wurden die Zerstörer der ROSOLINO PILO-Klasse altersbedingt als Torpedoboote um- bzw. abklassifiziert

GIUSEPPE DEZZA wurde bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges für Schulzwecke verwendet (Schleppen von Zielscheiben etc).

Einsätze und Schicksal im Zweiten Weltkieg
Im Juni 1940 bildeten GIUSEPPE DEZZA, GIUSEPPE CESARE ABBA, FRATELLI CAIROLI und SIMONE SCHIAFFINO die "5. Torpedoboot-Division". Der Standort Dieser Einheit war Neapel.
Zu dieser Zeit dürfte keines der bereits veralteten Boote mehr als 25 Knoten gelaufen sein.
Deswegen wurde die Division im 2. Weltkrieg mit dem Küstenschutz sowie dem Geleitsicherungsdienst beauftragt.

Jänner 1941, Teilnahme an der erfolglosen Jagd nach dem britischen U-Boot HMS PANDORA (Kptn Linton), der am 09.01.1941 vormittags, beim Kap Carbonara, die italienischen Dampfer PALMA (2.715t) und VALDIVAGNA (5.400t) versenkt hatte.

Weitere Geleitzugsfahrten nach Lybien zum Schutze der Nachschubfrachter für die Truppen in Africa.
Bei den Geleitzugseinsätzen wurde am 20.08.1941, gegen 10.17 Uhr aus einem unter anderem von G. DEZZA abgesicherten Geleit von 4 Truppentransportern, der ital. Dampfer ESPERIA (11.389 t.) ca 11 m nw von Tripolis vom brit. U-Boot UNIQUE (Kptn Hezlet) versenkt. G.DEZZA wirkte an der anschliessenden Rettung der im Wasser treibenden Überlebenden mit.
Am 09. Jänner 1943 kam es dem beschädigten Zerstörer MAESTRALE zu Hilfe. Am 01. März 1943 suchte es erfolglos vor Pola nach einem britischen U-Boot.
Im August 1943 fuhr G.DEZZA zur Reparatur nach Fiume. 

Als Italien Anfang September 1943 mit den Westallierten ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet hatte, wurde die GIUSEPPE DEZZA vermutlich am 08. September 1943 von der eigenen Besatzung im Hafen von Fiume/Rijeka selbst versenkt, um das Schiff nicht in (nunmehr feindliche) deutsche Hände fallen zu lassen.
Da die deutsche Marine in der Adria über viel zu wenige Schiffe verfügte,  wurde das alte Torpedoboot wieder gehoben und in Stand gesetzt. Aufgrund der allierten Luftüberlegenheit wurde die Fla-Bewaffnung verstärkt. Ein 2 cm Vierlingsgeschütz wurde zusätzlich montiert
Nach langer Reparaturzeit wurde das Boot als TA 35 (TA steht für Torpedoboot Ausland) am 09. Juni 1944 unter Kapitän Oblt z.S. Keck, wieder in Dienst gestellt und der 2. Geleitflottille (Kommandant:: Korv.Kpt d R. v. Kleist) unterstellt. Die Aufgabe dieser Flottille war die Geleitsicherung entlang der dalmatinischen Küste. Ab Juli 1944 wurde Lt. z.S Dirks Kapitän von TA 35.
In der 2. Geleitflottille stand bereits das Schwesterschiff GIUSEPPE MISSORI als TA 22 im Einsatz. TA 22 wurde schon am 25. Juni 1944 bei einem Angriff feindlicher Jagdbomber schwer beschädigt und am 1. August 1944 in Triest außer Dienst gestellt. Unmittelbar vor dem Kriegsende am 03. Mai 1945 versenkte sich MISSORI in Muggia bei Triest selbst.

TA 35 , das zeitweilig zur Abgabe an die kroatische Marine des "Ustascha"-Staates des Ante Pavelic vorgesehen war, lief am 17. August 1944, gegen 04.58 Uhr südwestlich von Rovinj/nördlich der Brionischen Inseln auf eine eigene Mine. Das Schiff zerbrach in zwei Teile und sank sofort. 71 Seeleute kamen dabei ums Leben.

Das Wrack heute:
Die zwei Teile des Schiffes liegen  etwa 70 Meter voneinander entfernt in ca 34 Metern Wassertiefe.  Wegen dieses Abstandes braucht man zwei Tauchgänge um die beiden Wrackteile zu erforschen. Das etwas größere Heckteil liegt aufrecht am flachen Grund, während der Vorderteil auf der Backbordseite zum Liegen gekommen ist.
Imponierend sind noch immer die beiden 10,2 cm Geschütze L 45. Deutlich erkennbar sind auch zwei 2cm Vierlingsgeschütze. Eine der Geschützplattformen ist umgestürzt die Zweite jedoch steht noch in ursprünglicher Position und die  Geschützrohre ragen drohend in die Höhe.
Die beiden Vierlingsgeschütze stehen im Widerspruch zu der in der Literatur angeführten letzten Bewaffnung des Torpedobootes. Es wird lediglich ein Vierlingsgeschütz angegeben.
Im Bereich des Maschinenraumes ist das Boot auseinandergebrochen. Dieser Teil ist zerstört bzw fehlt.
Der hintere Teil endet in einem Trümmerfeld kurz nach dem umgebrochenen Vierlingsgeschütz.
Der Bugteil endet kurz hinter der Brücke.
Die Steuereinrichtungen fehlen leider bereits.
Beim Entlangtauchen neben dem Wrack wird man erinnert, dass es sich um ein Kriegsgrab handelt. Es liegen noch immer Schuhe und Stiefel der Besatzung neben dem Wrack.
Beim langsamen Aufstieg entschwinden die Reste des Torpedobootes langsam im Blau der Tiefe. Während der Dekompressionspause hat man Zeit die Eindrücke zu verarbeiten und über das Schicksal der Mannschaft nachzudenken.

Schiffsdaten:

NAME   TA 35 ex GIUSEPPE DEZZA (Kennung DZ) ex PILADE BRONZETTI (Kennung BR)
ART   Zerstörer; ROSOLINO PILO – Klasse
Ab 01.10.1929 als Torpedoboot abklassifiziert
EIGNER   Ital. Kriegsmarine
WERFT   N. Odereo & Co
BAUORT   Sestri Ponente/italien
BAUJAHR   Kiellegung: 12.09.1913
Stapellauf: 26.10.1915
Indienststellung: 01.01.1916
LÄNGE   73 Meter
BREITE   7,34 Meter
TIEFGANG   2,72 Meter (mittlerer)
EINSATZVERDRÄNGUNG   900 t / 914 t
STANDARDVERDRÄNGUNG   615 t / 625 t
PS   2 x 15.500 WPS
MASCHINE   Vier Thornycroft-Kessel, 2 Sätze Tosi-Turbinen,
2 Wellen,
GESCHWINDIGKEIT   30 kn
BEWAFFNUNG   5 x 10,2 cm Geschütz L/35 v. Schneider Armstrong od. Terni; 2x 4 cm, vier Torpedorohre 45,7 cm,
10 St Seeminen,
ABÄNDERUNG   Die 10,5 cm Gesch. wurden auf 2 verringert
6 x 2 cm/L65 Geschütze kamen an Bord
1 Torpedorohr wurde entfernt
Letzte Bewaffnung als TA 35:
2 x 10,2 cm L/45, 2 x 3,7 cm (Doppelgeschütz),
9 x 2 cm (1 x Vierlingsgeschütz  u. 5 x 1 Oerlikon)
2 x 8,6 cm R.A.G., 4 TR 45 cm
BESATZUNG   95 Mann
UNTERGANGSDATUM   17.08.1944
UNTERGANGSORT   nördlich der brionischen Inseln
UNTERGANGSURSACHE   Auf eine Mine gelaufen
GPS   44.58.34N 13.35.16E
TIEFE   min: ca 28 Meter
max: ca 34 Meter

QUELLENANGABE UND LITERATURHINWEISE   
Zerstörer im Zweiten Weltkrieg v. M.J. Whitley
Die deutschen Kriegsschiffe  1815-1945 Bd. 2
von Erich Gröner
Z-Vor 1914-1939 v. Harald Fock
Marine-Arsenal Bd 46, Beute-Zerstörer u. Torpedoboote der Kriegsmarine v. Z. Freivogel
Torpedopboote u Zerstörer im Einsatz 1939-1945
von Volkmar Kühn
Die Flottille v. Wirich von Gartzen
Auf verlorenem Posten v. Birnbaum/Vorsteher
Kampffeld Mittelmeer v. Franz Kurowski
I Cacciatorpediniere Italiani 1900-1971
von Fioravanzo/Pollina/Ricccardi/Gnifetti
Italian Warships of World War II v. Aldo Fraccaroli
Navi Militari Perdute Volume II  v. ufficio storico della Marina Militare
Jane's Fighting Ships of world War I
Allied submarine attacks of World War Two
v. Jürgen Rohwer


mfg
Ferenc
:MG:


Ferenc


Peter K.

VIELEN DANK für diese wunderbare Abhandlung, FERENC!  :MG:
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Albatros

Hallo Ferenc,


Interessanter Bericht,tolle Fotos.

Danke :TU:)

Gruß, :MG:

Manfred

Tri

Hallo,

ich möchte mich da Peter K. und Albatros anschließen. Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag und die Fotos.  :TU:)


Grüße
Tri
Wozu brauchen wir Bürgerrechte, wir leben doch in der EU.

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