Forum Marinearchiv

Flotten der Welt => Die Deutsche Kriegsmarine => Deutsche Kriegsmarine - Geschichte und Einsätze => Thema gestartet von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 00:24:26

Titel: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 00:24:26
Moin,

ich möchte meinen Ehrentag heute mit einer Frage an das Forum beenden, die sich wohl vor allen an die ehemaligen oder aktiven Seeoffiziere hier richtet.

Es geht um die Auslegung einer eventuell wiedersprüchlichen Befehlslage.

Konkret geht es um den Operationsbefehl Nr. 1 des Seebefehlshabers West (Lütjens) vom 14.09.1940 und um deren mögliche Auslegung durch die Seebefehlsstelle B (von Finschel):

a) Im Befehl wird unter Ziff. 6 aa) festgelegt, dass der Schleppverband 1 unter Minensicherung der 3. M.S.-Flottille von Dünkirchen auf Weg 1 nach Raum B läuft.
b) Unter Ziff 5 aa) wird festgelegt, dass der Schleppverband 2 unter Minensicherung der 3. R.-Flotille nach zu einem Punkt 11 fährt, wo er sich an den Schleppverband 1 anhängt.

Nach dem eigentlichen Operationsbefehl hätte also wohl die 3. M.S.-Flottille die Minensicherung vor den vereinigten Schleppverbänden 1 und 2 fahren müssen.

Nun kommt aber die Anlage 3 zu dem Befehl (undatiert, Titel: Muster für die Marschformation eines Schleppverbandes):

c) hier wird unter 3.) bestimmt, dass die Minensicherung durch Räumboote erfolgt, "die wegen ihres geringeren Tiefgangs den M.-Booten gegenüber selbst vor Minen besser geschützt sind."

Hier haben wir das Dilemma: Nach dem Befehl sollen die M.-Boote vorne die Minensicherung betreiben während es nach der Anlage die besser geeigneten R-Boote besorgen sollen.

Wie entscheidet sich nun der verantwortliche Seebefehlshaber? Da wir keine Möglichkeit mehr haben Lütjens zu fragen, was er sich dabei gedacht hat, gehen wir einmal davon aus, dass eine Rückabsicherung beim Seebefehlshaber West nicht mehr möglich ist und der die Seebefehlstelle alleine eine Entscheidung darüber treffen muss, ob die Minensicherung durch die Räumboote oder durch die Minensuchboote gefahren werden soll.

Wie würdet ihr Euch in dieser Situation entscheiden?

Sofern ihr weitere Informationen zur Entscheidungsfindung benötigt, spiele ich gerne Euren Admiralstabsoffizier, der Euch nach Möglichkeit mit diesen Informationen versorgt.

Ich freue mich auf einen regen Austausch!.

Gruß

Dirk
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Urs Heßling am 09 Juni 2021, 08:16:17
moin, Dirk,
ich fange mal an, um das "Eis zu brechen"  :MZ:

Ich ginge davon aus, daß grundsätzlich der Wortlaut des Operationsbefehls einen höheren Weisungscharakter hat als eine Anlage, die ein Muster enthält.

Nun kommt der im deutschen Militär bewährte und auch vom Gegner bewunderte Grundsatz, daß der Befehlshaber in See von einer Weisung abweichen kann, wenn er der Überzeugung ist, daß damit dem Operationsziel besser gedient sei.

Die "Bevorzugung" der Räumboote für die Minensicherung bezieht sich auf deren Erhalt als Sicherungsfahrzeuge.

Nun macht es aber Sinn, die Minensucher an der Spitze des Gesamtverbandes fahren zu lassen, weil sie einem zu erwartenden Angriff von Schnellbooten oder sogar Zerstörern gegenüber kampfkräftiger sind.

Es wäre aus navigatorischer Sicht zu prüfen, ob es möglich ist, daß bei der Vereinigung beider Verbände die 3. R-Flottille hinter der 3. M-Flottille aber vor dem Gesamt-Schleppverband einschert. Damit wäre sowohl die beste Sicherung für das Schutzobjekt erreicht und dem Befehl Genüge getan.

Gruß, Urs
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 12:59:04
Moin Urs,

vielen Dank für Deine begründete Meinung. Die größere Gefährdung der Minensuchboote (Typ 1935) durch den höheren Tiefgang von 2,7m gegen 1,2 m bis 1,4m bei den Räumbooten würdest Du also in Kauf nehmen?

Bei der Transportflotte C wurde die Räumboote nach vorne gestellt und die M-Boote folgten dann an der Spitze des Schleppverbandes als kampfstärkste Boote. Den Schutz zur Seite sollten dort dann Vorpostenboote u.ä ubernehmen.

Gruß

Dirk

Nachtrag: Bei der Transportflotte C sollten aber auch die Räumboote nach dem Operatrioonsbefehl, die Minensicherung übernehmen.
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Urs Heßling am 09 Juni 2021, 13:13:29
moin, Dirk,

Zitat von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 12:59:04
Die größere Gefährdung der Minensuchboote (Typ 1935) durch den höheren Tiefgang von 2,7m gegen 1,2 m bis 1,4m bei den Räumbooten würdest Du also in Kauf nehmen?
Ja.

Zitat von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 12:59:04
Bei der Transportflotte C wurde die Räumboote nach vorne gestellt und die M-Boote folgten dann an der Spitze des Schleppverbandes als kampfstärkste Boote. Den Schutz zur Seite sollten dort dann Vorpostenboote u.ä ubernehmen.
Das erscheint auch als eine gute Möglichkeit.
Allerdings sollten dann meiner Meinung nach die Vp-Boote und die M-Boote die Positionen tauschen, denn beim Angriff auf einen erkannten Schleppverband ist ein (besonders Torpedo-) Angriff aus stumpfem Winkel bis querab wahrscheinlicher. Insofern revidiere ich meine zuerst geäußerte Meinung, die M-Boote nach vorn zu stellen und setze sie lieber als Flankenschutz ein.

Gruß, Urs
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 19:13:47
Moin Urs,

hier noch ein paar Zusatzinfos zum Schleppverband:
- Der Schleppverband soll 16,5 km lang sein und 1000m breit.
-  Der Geleitschutz besteht aus 7 M-Booten 35, 8 R-Booten, 16 VP-Booten, 7-8 Fischkuttern der 11. R-Flottille un 9 LATs
- Der Weg führt zunächst entlang der Küste bis ca. Calais, von dort Richtung Folkestone bis Dover ca. querab liegt und dann so grob Kurs 215° entlang der Kpste bis die Wenung senkrecht zur Küste zu den Landungsabschnitten Littlechurch- Hythe erfolgt.
- Was der Seebefehlsteller nicht bekannt ist, das die Patrouille OE 1 des Dover Commands mit wohl 3 Zerstörern ab Dungeness mit Kurs 135° NE führt und nach einer Überlagerung der Karten diese Zerstörer wohl frontal auf den Schleppverband hätten treffen müssen.

Ändert diese Lage etwas an Deinem Entschluss?

Dank und Gruß

Dirk
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Urs Heßling am 09 Juni 2021, 21:05:48
moin,

Zitat von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 19:13:47
Ändert diese Lage etwas an Deinem Entschluss?
Sie bestätigt nur meine innere Überzeugung, daß das ganze Unternehmen sinnfrei und von vornherein zum Scheitern verdammt ist (bzw. war)

Es fehlten mindestens die seit April rund um Narvik versunkenen zehn Zerstörer und die anderen, die seit "Weserübung" in der Werft lagen, und ... und ... und ...

Ein Vergleich mit den bei der Invasion eingesetzten hunderten von Geleiteinheiten beleuchtet die unglaubliche Naivität, mit der die deutsche Seite an diese Planung heranging :roll:
Zitat aus der Chronik vom 6.6.1944
Alles in allem werden auf alliierter Seite 7 Schlachtschiffe, 2 Monitore, 23 Kreuzer, 3 Kanonenboote, 105 (!) Zerstörer und 1073 kleinere Kriegsschiffe eingesetzt.

Gruß, Urs
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 23:51:52
Moin Urs,

danke! Damit triffst Du strategisch natürlich meine Einschätzung und ich kann es auch verstehen, wenn Du Dich damit aus dieser Fragestellung verabschiedest,

Für mich bleibt es immer noch eine interessate Fragestellung, da auf den M-Booten wesentliche Teile der Vorausabteilungen eingeschifft sein sollten un da ich coen einem Aufeinandertreffen der Spitze des Schleppverbandes mit den Zerstörern der Patrouille  OE 1 ausgehe. In der Gesamtsicht spielt dies kleine Problem betsimt keine Rolle, aber ich finde es irgendwie spannend solche Probleme bis in die Details zu untersuchen.

Nochmals Danke!  :TU:)

Dirk
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Urs Heßling am 10 Juni 2021, 09:44:11
moin, Dirk,

Zitat von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 23:51:52
ich kann es auch verstehen, wenn Du Dich damit aus dieser Fragestellung verabschiedest
Nein, so einfach "kneife" ich nicht ...  :O/Y
... zumal sich ja sonst niemand "getraut" hat :wink:

Zitat von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 23:51:52
... eine interessate Fragestellung, da auf den M-Booten wesentliche Teile der Vorausabteilungen eingeschifft sein sollten
Siehst Du, das wußte ich nicht einmal.
Aber es unterstreicht noch mehr meinen Vorwurf der "Naivität".
Die M-Boote hatten also eine dreifache Rolle
- Minenräumen
- Verteidigung gegen (überlegene!) gegnerische Seestreitkräfte
- Anlanden (wo, bitte ?) von Vorausabteilungen
Das konnte/kann nicht gutgehen ...

Gruß, Urs
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: 2M3 am 10 Juni 2021, 09:52:51
Zitat von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 19:13:47

- Der Schleppverband soll 16,5 km lang sein und 1000m breit.
-  Der Geleitschutz besteht aus 7 M-Booten 35, 8 R-Booten, 16 VP-Booten, 7-8 Fischkuttern der 11. R-Flottille un 9 LATs

Moin,

ein paar kleine Einwände von mir.

Wie will man mit 7 M-Booten und 8 R-Booten einen 1 km breiten Räumstreifen zustande bekommen?
Konnten Minensucher der Kriegsmarine gleichzeitig Räumkombinationen gegen Kontakt- als auch Fernzündminen fahren? Wenn nicht, müsste sich die Anzahl der Räumkräfte verdoppeln.
Über Fernzündminen sollten auf Grund der einstellbaren Zählschritte auch mehrere Überläufe stattfinden.

Nur mal so aus meiner Froschperspektive mit jahrelangem Blick aufs Räumdeck eines Minensuchers und auf die nachfolgenden Einheiten   :wink:

Gruß Frank
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 10 Juni 2021, 21:37:02
Moin,

ZitatNein, so einfach "kneife" ich nicht ...  :O/Y
... zumal sich ja sonst niemand "getraut" hat
:TU:)

ZitatSiehst Du, das wußte ich nicht einmal.
Aber es unterstreicht noch mehr meinen Vorwurf der "Naivität".
Die M-Boote hatten also eine dreifache Rolle
- Minenräumen
- Verteidigung gegen (überlegene!) gegnerische Seestreitkräfte
- Anlanden (wo, bitte ?) von Vorausabteilungen
Das konnte/kann nicht gutgehen ...
Da stimme ich Dir zu. Bei den anderen Transportflotten waren aber immer die R-Boote mit dem Räumen beauftragt. Die Vorausabteilungen sollten auf den M-Booten (ca. 100 Mann je Boot) und den anderen Geleitkräften der KM eingeschifft werden und dann mittels Sturmbooten und Floßsäcken anlanden. Dazu kamen je VA noch 2 Schleppzüge, die aber meist eher eine 2. Welle der VA darstellten.

Die 3. MS-Flottille hätte 4 Boote for die Vorausabteilung der 35. Div und 3 Boote für die Vorausbateilung Dünkirchen der 17. Div. stellen sollen.  Die VA der 35. Div. sollte beiderseits Littlestone at Sea landen und die VA Dünkirchen zwischen Dymchurch und der Dymchurch Redoubt.

@Fank:
ZitatWie will man mit 7 M-Booten und 8 R-Booten einen 1 km breiten Räumstreifen zustande bekommen?
Gute Frage, für den Landraum C (Rye-Bucht) sollte die 4. R-Flottille mit 9-10 Booten den Weg auf einer Breite von 1.500-2.000m absuchen. Die Art des Suchgeräts war dem Flottillenchef überlassen. Bei Auftreffen auf Minen sollten 2 Sperrlücken hergestellt werden, die durch Laternenbojen zu kennzeichnen waren. Sollte der Abstand zum Schleppzug dies nicht zulassen, so sollte die Sperre umgangen werden (frag mich nicht wie das in den beengten Gewässern geschehen sollte).

Und da fällt mir auf, dass ich noch eine Info zu den M-Booten vergessen hatte: Je 2 M-Boote sollten noch (zusätzlich zun Transport der VA) als Bojenboote eingesetzt werden.

So wie ich es sehe , war für die eigentliche Überfaht der Transportflotten wohl eher keine Minensicherung gegen Fernminen geplant. Englische Grund-Magnetminen wurden zu der Zeit auch noch nur recht vereinzelt von Flugzeugen geworfen. Erst nachdem am 24.09.40 die auf dem Weg nach Landezone B liegende Ankertausperre (wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht Sperre MU), für die Briten erkennbar aufgeklärt worden ist, wurde eine weitere Sperre mit Ankertau-Magnetminen gelegt.

Für das SSG ist eine Räumbreite von 75m überliefert, insoweit ist Dein Einwand  wie die Gesamträumbreite zustande kommen soll wohl absolut berechtigt. Da galt wohl das Prinzip Hoffnung...

@Urs zum 2.:
Zitat
Es wäre aus navigatorischer Sicht zu prüfen, ob es möglich ist, daß bei der Vereinigung beider Verbände die 3. R-Flottille hinter der 3. M-Flottille aber vor dem Gesamt-Schleppverband einschert.
Das ist auch ein sehr guter Einwand. Da muss ich nochmal die Daten zusammensuchen, damit wir prüfen können, ob und wie die R-Flottille nach vorne kommen kann (da ich jetzt viele Feiern habe, wird das wohl frühestens Sonntag was).

Viele  Grüße

Dirk
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Urs Heßling am 10 Juni 2021, 23:36:23
moin,

Zitat von: Bergedorf am 10 Juni 2021, 21:37:02
Englische Grund-Magnetminen wurden zu der Zeit auch noch nur recht vereinzelt von Flugzeugen geworfen.
Das erscheint seltsam, weil die RN diese Waffe erstmals schon im Jahre 1918 erfolgreich vor Flandern einsetzte.

Gruß, Urs
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 11 Juni 2021, 01:00:57
Zitat von: Urs Heßling am 10 Juni 2021, 23:36:23
moin,

Zitat von: Bergedorf am 10 Juni 2021, 21:37:02
Englische Grund-Magnetminen wurden zu der Zeit auch noch nur recht vereinzelt von Flugzeugen geworfen.
Das erscheint seltsam, weil die RN diese Waffe erstmals schon im Jahre 1918 erfolgreich vor Flandern einsetzte.

Gruß, Urs
Moin Urs,

ja, es erscheint seltsam, ist aber so. Roskill hat auch die Zahlen:
Juni 40:158
July 40:245
August 40: 188
Sept 40:80
jeweils geworfene Minen im entsprechenden Monat.

Gruß

Dirk

Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Urs Heßling am 15 Juni 2021, 16:37:54
moin, Dirk

Zitat von: Urs Heßling am 09 Juni 2021, 21:05:48
Sie bestätigt nur meine innere Überzeugung, daß das ganze Unternehmen sinnfrei und von vornherein zum Scheitern verdammt ist (bzw. war)
In diesem Zusammenhang gefunden : Kriegsspiel SEELÖWE 1974 (https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Sea_Lion_(wargame)) - war das bekannt ?
(Auf deutscher Seite mit Prof. Jürgen Rohwer, Autor der "Chronik des Seekriegs 1939-1945")

Gruß, Urs
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 16 Juni 2021, 01:51:05
Zitat von: Urs Heßling am 15 Juni 2021, 16:37:54
moin, Dirk

Zitat von: Urs Heßling am 09 Juni 2021, 21:05:48
Sie bestätigt nur meine innere Überzeugung, daß das ganze Unternehmen sinnfrei und von vornherein zum Scheitern verdammt ist (bzw. war)
In diesem Zusammenhang gefunden : Kriegsspiel SEELÖWE 1974 (https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Sea_Lion_(wargame)) - war das bekannt ?
(Auf deutscher Seite mit Prof. Jürgen Rohwer, Autor der "Chronik des Seekriegs 1939-1945")

Gruß, Urs

Moin Urs,

das alte Sandhurst Wargame... natürlich ist es bekannt. Der Spielleiter hat in einem Buch über Wargames, dass ich irgendwo habe selbst gesagt, dass man es nicht überbewerten solle. Trotz der unrealistischen Annahme das die erste Überfahrt weitgehend ungestört gelingt, kam das Kriegsspiel zu dem realistischen Ergebnis, dass die KM die Versorgung und Verstärkung der gelandeten Truppen nicht bewerkstelligen konnte....

Aber mir geht es hier ja gar nicht um eine Gesamteinschätzung, sondern um eine kleine Detailfrage...

Zum Thema Vorziehen der R-Boot-Flotille:
Um S- 9 1/2 sollte der Schleppverband 2 auf den Schleppverband 1 treffen, der zu diesem Zeitpunkt seinen Versammlungsraum verlassen sollte. Die Schleppverbände sollten mit 5 kn Grundfahrt marschieren, so dass wir wohl davon ausgehen können, dass die R-Boote mit gut 15 kn Fahrtüberschuss den Schleppvernad 1 hätte überholen können. Bei einer Gesamtlänge beider Schleppverbände von 16,5 km hätte der Schleppverband 1 (der 3/4 des Gesamtverbandes ausmachte) eine Länge von etwas mehr woe 12 km gehabt. Die R-Boote hätten den Schleppverband also in weniger als einer halben Stunde überholen können. Wenn wir noch Zeiten für das Einholen und wieder Ausbringen des Räumgeräts hinzurechnen und davon ausgehen, dass alles dann vielleich eine Stund dauert, dann wäre der Schleppzug lediglich 5 sm weit gekommen und damit wohl noch in einem Seeraum der bereits in den Tagen zuvor abgesucht wurde. Ein Vorziehen der R-Boote erscheint mir damit möglich.

Ich sehe gerade, dass ich noch einen Punkt übersehen habe... ein Räumboot (Nebelträger) solte noch als "Leuchtschiff" auf 51°0,5´N, 1°22,5´Ost liegen, bis die Schleppverbände vorbei sind. Der Minenschutz hätte also entweder von 5 (7 abzgl. 2 Bojenboote) M-Booten oder von 7 R-Booten gefahren werden können.

In Anbetracht der genannten Räumbreite je Gerät erscheint die Minensicherung durch die M-Boote doch extrem löchrig.

@Urs: bleibt es bei Deinen Entschluss die R-Boote nach vorne zu ziehen und die M-Boote zum Flankenschutz einzusetzen?

Gruß

Dirk
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Urs Heßling am 16 Juni 2021, 09:27:48
moin, Dirk,

Zitat von: Bergedorf am 16 Juni 2021, 01:51:05
@Urs: bleibt es bei Deinen Entschluss die R-Boote nach vorne zu ziehen und die M-Boote zum Flankenschutz einzusetzen?
Ja
- Ich stelle mir die See-Hauptbedrohung von der Seite vor, die Luft-Hauptbedrohung von vorn.
Gegen Luftangriffe von vorn sind auch die M-Boote relativ schwach geschützt.

- Wenn wir Vp-Boote zur Verfügung haben, könnten die in zweiter Reihe hinter den R-Booten vor dem Schleppzug oder auch an den Flanken fahren, um die Luftabwehr zu verstärken.

- Es wäre zu prüfen, ob die Aufgabe, die Vorausabteilungen abzusetzen, nicht an die "alten" Schnellboot übertragen werden kann, die zur selben Zeit für die "schnelle U-Jagd-Gruppe" umgebaut werden.

Gruß, Urs
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: mhorgran am 16 Juni 2021, 10:57:48
Zitat von: Urs Heßling am 09 Juni 2021, 21:05:48
moin,

Zitat von: Bergedorf am 09 Juni 2021, 19:13:47
Ändert diese Lage etwas an Deinem Entschluss?
Sie bestätigt nur meine innere Überzeugung, daß das ganze Unternehmen sinnfrei und von vornherein zum Scheitern verdammt ist (bzw. war)

Es fehlten mindestens die seit April rund um Narvik versunkenen zehn Zerstörer und die anderen, die seit "Weserübung" in der Werft lagen, und ... und ... und ...

Ein Vergleich mit den bei der Invasion eingesetzten hunderten von Geleiteinheiten beleuchtet die unglaubliche Naivität, mit der die deutsche Seite an diese Planung heranging :roll:
Zitat aus der Chronik vom 6.6.1944
Alles in allem werden auf alliierter Seite 7 Schlachtschiffe, 2 Monitore, 23 Kreuzer, 3 Kanonenboote, 105 (!) Zerstörer und 1073 kleinere Kriegsschiffe eingesetzt.

Gruß, Urs
Wenn ich mich mal kurz einhaken darf.

1.) Allerdings sollte man folgendes bei der Beurteilung mit einfließen lassen. Bergedorf hat selbst geschrieben das er beweisen möchte das Seelöwe nicht erfolgreich sein konnte. Nein, ich werde nicht danach suchen, auch weil die Aussage möglicherweise im Panzerarchivforum getätigt wurde.
Wenn man dann auf folgende Aussage trifft:
- Was der Seebefehlsteller nicht bekannt ist, das die Patrouille OE 1 des Dover Commands mit wohl 3 Zerstörern ab Dungeness mit Kurs 135° NE führt und nach einer Überlagerung der Karten diese Zerstörer wohl frontal auf den Schleppverband hätten treffen müssen.
sollte man sich doch vergegenwärtigen was die gesetzten Grundvoraussetzungen für Seelöwe überhaupt waren.

2.) "Naivität in den deutschen Planungen" und als "Nachweis" dafür der Kräfteansatz bei "Overlord".
* gegen welchen Gegner traten die allierten "7 Schlachtschiffe, 2 Monitore, 23 Kreuzer, 3 Kanonenboote, 105 (!) Zerstörer ..." denn an?
laut Wiki 5 Zerstörer, 6 Torpedoboote und 39 Schnellboote.

* Die westallierten Luftwaffen setzten bei Overlord welche Kräfte ein, welche die deutsche Luftwaffe?
* Stichwort Enigma usw., welches Wissen war auf allierter Seite über die deutschen Abwehrplanungen bekannt.

Mit diesem Kräftevergleich könnte man den westallierten Kräfteansatz als absolut maßlos überzogen festhalten.
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 17 Juni 2021, 01:54:06
Moin,

Zitat- Ich stelle mir die See-Hauptbedrohung von der Seite vor, die Luft-Hauptbedrohung von vorn.
Gegen Luftangriffe von vorn sind auch die M-Boote relativ schwach geschützt.
Ich hatte noch nicht erwähnt (als bekannt vorausgesetzt), dass der Marsch im Schutze der Dunkelheit erfolgen sollte (Anlandung bei Büchsenlicht). Theoretisch hätte auch Luftüberlegenheit herrschen sollen, die allerdings mal wieder unrealisch war.

Flankenbedrohung:
Ich habe gerade die Karte der Dover-(Mine-)Barrage gefunden. Aus Sicht der KM wäre die Flanke von den Goodwin Sands bis zum selbst beherrschten Seeraum beim Dyck Feuerschiff durch alte englische Minensperren geschützt. Dazu sollten noch eigene Sperren vom nördlichen Ende der Goodwin Sands in grob östliche Richtung kommen. Der Bereich zwischen Goodwin Sands und der Küste (The Downs) sollte durch Luftminen verseucht werden. Die Sperre zwischen Calais und Dover die ich zuvor erwähnt hatte und die am 24.09.40 aufgeklärt wurde war nach der Karte die Sperre MS, nach deren Aufklärung dann die Sperre MU mit Ankertau-Magnetminen weiter nordwestlich geworfen wurde.

Der Hafen von Dover wurde aufgrund der Luftgefährdung bereits nicht mehr mit Zerstörern belegt. Von dort hätte man maximal mit MTBs und Bewachern bzw. Hilfsminensuchern rechnen müssen. Sofern man nicht von der Patrouille zwischen Dungeness und Dover ausgeht, denke ich also, dass die wahrscheinlichste Bedrohung durch Zerstörer u.ä . aus Sicht der Seebefehlsstelle wohl aus den Downs  bestanden hätte, insofern, kann ich Deinen Entschluss nachvollziehen (Danke dafür, ich war bisher noch davon ausgegangen, dass der richtige Ort der M-Boote vorne gewesen wäre).

Bei der Transportflotte C (Calais-Rye Bay) wäre die Lage ja insofern anders gewesen, dass die Steuerbordflanke durch die Transportflotte B gedeckt gewesen wäre, weshalb es dort logisch erscheint, die M-Boote direkt hinter den R-Booten vorne marschieren zu lassen?!

Zitat- Wenn wir Vp-Boote zur Verfügung haben, könnten die in zweiter Reihe hinter den R-Booten vor dem Schleppzug oder auch an den Flanken fahren, um die Luftabwehr zu verstärken.
Wie gesagt. 16 Vp-Boote in 2 Flottillen vorhanden, es erscheint also, durchaus möglich die Flotille aus Dünkirchen vorne marschieren zu lassen, wärend diejenige aus Ostende, die mit dem Schleppzug 2 kam die Flankensicherung verstärkt.

Zitat- Es wäre zu prüfen, ob die Aufgabe, die Vorausabteilungen abzusetzen, nicht an die "alten" Schnellboot übertragen werden kann, die zur selben Zeit für die "schnelle U-Jagd-Gruppe" umgebaut werden.
Das war entschieden. Die Vorausabteilungen wären auf die Gleitboote gekommen. Die schnelle U-Jagd-Gruppe hätte auch kaum ausreichende Truppen an Bord nehmen können und zeichnete sich zu der Zeit durch extrem unzuverlässige Maschinen aus.

Soweit, hier erst nochmal vielen Dank an Urs, wenn man so Sachen durchspielt, wird man doch häufig auf Details/Gedankenfehler aufmerksam, auf die man sonst nicht gekommen wären.  :TU:)

Räumbreite SSG: Weiß jemand (bzw. hat eine begründete Einschätzung) darüber, ob sich die von mir gefundene Räumbreite für das SSG von 75 m auf das Boot oder auf die jeweilige Seite des Bootes bezieht?

Viele Grüße

Dirk

P.S.: Auf die Trollversuche eines von mir schon seit langer Zeit gesperrten Users gehe ich weiterhin nicht ein. 
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Richard Aigner am 17 Juni 2021, 11:07:41
an mhorgran: "Mit diesem Kräftevergleich könnte man den westallierten Kräfteansatz als absolut maßlos überzogen festhalten."

Für die artilleristische Unterstützung der Landung waren diese Kräfte durchaus nützlich und entscheidend.

Richard
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: mhorgran am 17 Juni 2021, 15:54:13
Das mag schon sein. Allerdings, welcher Kräfteansatz war dazu eingeplant.

Hier findest du die Schiffe https://de.wikibooks.org/wiki/Operation_Overlord:_Erste_Aufeinandertreffen_und_D-Day#/media/Datei:Naval_Bombardments_on_D-Day.png

Hier eine entsprechende Karte u.a. mit den für den Landbeschuß eingesetzten Schiffen. https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Allied_warships_in_the_Normandy_landings

Ob sie entscheidend war ist diskussionswürdig, sie waren mit Sicherheit hilfreich.

Im übrigen wurden die Kanaleingänge beidseitig durch Minenfelder verriegelt.
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Peter K. am 17 Juni 2021, 20:28:28
ZitatRäumbreite SSG: Weiß jemand (bzw. hat eine begründete Einschätzung) darüber, ob sich die von mir gefundene Räumbreite für das SSG von 75 m auf das Boot oder auf die jeweilige Seite des Bootes bezieht?

... gemäß D.M.R.V. Nr.12:
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 17 Juni 2021, 21:21:31
Danke Peter,

da hast du mich vor einem Gedankefehler bewahrt. Ich hatte für die Magnetminen nur das KFRG im Kopf und dann das SSG mit mit dem SDG (Scherdrachen-Gerät) verwechselt.

Das SDG hat nach Ruge für M-Boote eine Räumbreite von 170- 210 m und für R-Boote 90-120 m, Bei 5 M-Booten kommen wir also auf 850-1050m Gesamträumbreite und bei 7 R-Booten auf 630-840m Räumbreite.

Ottergeräte sollen eine Räumbreite von 115-140 m gehabt haben. Weiß jemand aus dem Kopf, ob die R-Boote auch Ottergerät fahren konnten?

Gruß

Dirk
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 18 Juni 2021, 03:23:33
Moin,

bei Richard Lakowski habe ich anscheinend die Antwort auf meine Frage gefunden. Hiernach war das Otter-Räumgeröt bei den R-Booten einsetzbar mit einer Räumbreite von 115-140 m. Die Flottille hätte somit also eine Gesamträumbreite von 805-980 m erreichen können.

Gruss

Dirk
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Knouterer2 am 23 Juni 2021, 07:41:36
Was die Einschiffung der Vorausabteilungen betrifft: ich blättere da ein Bisschen in Gröner, Band 6, und bei der Beschreibung des Schleppers Arngast (p. 94-95) ist vermerkt: "Zuladung ggf. 400 Mann".
Das war ein grosser speziell für die Marine gebauter Schlepper (1600 PS) der (laut Gröner) in August nach Calais kam, also Teil der Invasionsflotte C, nehme ich an.
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 23 Juni 2021, 17:41:01
Zitat von: Knouterer2 am 23 Juni 2021, 07:41:36
Was die Einschiffung der Vorausabteilungen betrifft: ich blättere da ein Bisschen in Gröner, Band 6, und bei der Beschreibung des Schleppers Arngast (p. 94-95) ist vermerkt: "Zuladung ggf. 400 Mann".
Das war ein grosser speziell für die Marine gebauter Schlepper (1600 PS) der (laut Gröner) in August nach Calais kam, also Teil der Invasionsflotte C, nehme ich an.
Moin Gerard,

ja der Schlepper war für Calais vorgesehen. Erst mal ein paar grundsätzlich Anmerkungen:
1. Arngast hatte einen Tiefgang von 4,41m, was deutlich mehr gewesen wäre als bei den Minensuchern (2,65m). Somit hätte der Schlepper die Vorausabteilung weiter weg von der Küste absetzen müssen. Allerdings hatten auch vereinzelte Vorpostenboote ähnliche Tiefgänge.
2. Ich gehe davon aus, dass der Schlepper mit 400 Mann an Bord kein Schleppgeschirr hätte fahren können. Da sowieso ein Mangel an Schleppern bestand häte man dies wohl nicht hingenommen.

Was die speziellen Seelöwe-Planungen anbetrifft, sei zunächst gesagt, dass , sobald genügend Sturmboote vorhanden waren, auch die Schlepper mit Sturmbooten bestückt werden sollte und Truppen im Rahmen der Vorausabteilung (ob sie der Vorausabteilung entnommen werden sollten oder der sonstigen Truppe geht aus den Untelagen nicht klar hervor) anlanden sollten. Hierbei handelte es sich jedoch jeweils nur um 1-2 Sturmbootladungen. Dies hat auch einen guten Grund, womit wir dann wieder zu Arngast kommen...

Selbst wenn Arngast mit 4-6 Sturmbooten und ein paar Floßsäcken bestückt worden wäre, hätte die Anlandung von 400 Mann unzumutbar lange gedauert. Wichtig für die Anlandung der Vorausabteilungen war es möglichst viele Truppen gleichzeitig an Land zu bringen. Dies hätte schon bei der geplanten Verteilung der Vorausabteilung auf die relativ zahlreichen Geleitkräfte nur unzureichend funktioniert.

Gruß,

Dirk
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: TW am 27 Juni 2021, 13:14:26
Zitat von: Bergedorf am 17 Juni 2021, 21:21:31
Ottergeräte sollen eine Räumbreite von 115-140 m gehabt haben. Weiß jemand aus dem Kopf, ob die R-Boote auch Ottergerät fahren konnten?

Wir (von der DB Minensucher) sind bisher nirgendwo darauf gestoßen.
Ich vermute, den R-Booten fehlte der Kran, mit dem die Otter aus dem Wasser gehievt werden mussten, bevor man irgendwo einlaufen konnte.
Gruß, Thomas
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: Bergedorf am 29 Juni 2021, 00:23:08
Hallo Thomas,

danke für die Info. Ich bin mir auch nicht so ganz sicher wie zuverlässig der Eintrag bei Lankowski ist. Dort ist in einer Tabelle über die Räumgeeräte für die Otter der Eintrag M-R-Boote. Sont sind die Boote dort immer einzeln als M-Boote bw. R-Boote angegeben.

Gruß

Dirk
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: JensA am 29 Juni 2021, 08:44:17
ZitatIch vermute, den R-Booten fehlte der Kran, mit dem die Otter aus dem Wasser gehievt werden mussten, bevor man irgendwo einlaufen konnte.

Ich denke nicht, dass diese Vermutung zutrift.
Auf dem angehängten Bild aus Kattegat 20. april 1940 sieht man das Hinterdeck von einem Räumboot der 1., 2. oder 3. Räumbootsflottille.

mfg.
Jens
Titel: Re: Geburtstagsfrage: Befehlsdilemma bei Seelöwe
Beitrag von: TW am 29 Juni 2021, 20:12:50
Danke für den Bildbeweis, Jens!
Gruß, Thomas