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Flotten der Welt => Die Deutsche Kriegsmarine => Deutsche Kriegsmarine - U-Boote => Thema gestartet von: Rheinmetall am 03 September 2019, 23:32:13

Titel: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Rheinmetall am 03 September 2019, 23:32:13
Guten Abend in die Runde !

Wieder trägt ein Tag (diesmal der fast vergangene 03. September 2019) ein historisches Ereignis, welches jedoch nur dem fachspezifischem Interessenten aufgefallen sein dürfte.
Heute vor 80 Jahren erfolgte die erste Torpedierung eines Schiffes durch ein U-Boot des Zweiten Weltkrieges.

Um 19:39 Uhr torpedierte U 30 (Oblt. z.S. Lemp) den abgeblendet und im Zickzack-Kurs westwärts fahrenden Briten "Athenia" (Kapitän James Cook) ca. 250 Seemeilen nordwestlich von Irland.
Das Schiff sank daraufhin um 10:00 Uhr des darauffolgenden Tages unter dem Verlust von 112 Toten (darunter 28 US-Bürger des neutralen Amerikas).
Lemp hatte das Schiff für einen Hilfskreuzer gehalten, weshalb er dieses sofort mit seiner Torpedos angriff, statt gemäß der Prisenordnung vorzugehen.

Später wurde das Kriegstagebuch von U 30 in diesem Bezug hin abgeändert.
Dies geschah während des gesamten Krieges nur insgesamt zwei Mal.

Weiß jemand von Euch, ob es sich bei der "Athenia" auch um das allererste Schiff handelte, dass insgesamt in diesem neuen Weltkrieg verloren ging ?

Mit den besten Wünschen grüßt Euch,

Matze
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Urs Heßling am 04 September 2019, 15:16:07
moin,

Zitat von: Rheinmetall am 03 September 2019, 23:32:13
.. ob es sich bei der "Athenia" auch um das allererste Schiff handelte, dass insgesamt in diesem neuen Weltkrieg verloren ging ?
Nein: Bereits am 1.9. versenkten Ju 87 polnische Kriegsschiffe, siehe Chronik des Seekriegs.

Gruß, Urs
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: TW am 04 September 2019, 15:33:10
Zitat von: Rheinmetall am 03 September 2019, 23:32:13
Lemp hatte das Schiff für einen Hilfskreuzer gehalten, weshalb er dieses sofort mit seiner Torpedos angriff, statt gemäß der Prisenordnung vorzugehen.

Lemp war ein regimetreuer Ehrgeizling und wollte den Passagierliner unbedingt versenken.
Er hätte, da er das Schiff lange bei Tageslicht verfolgte, sich in aller Ruhe kundig machen können, dass es sich um ein ziviles Schiff handelte. Passagiere spazierten übers Promenadendeck. Die Royal Navy hatte Anfang September noch keine Hilfskreuzer.

Außerdem waren Hilfskreuzer später bei der britischen Marine keine Kaperschiffe, wie die deutschen, sondern dienten als Ocean Escorts, zu Sicherung gegen deutsche "Lemps".

Die Legende vom Irrtum ist offenbar nicht aus der Welt zu bringen.  flop
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Axel Niestle am 04 September 2019, 19:15:14
Hallo Thomas,

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, lautet das Schrichwort!

Mit den besten Grüßen

Axel
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: wirbelwind am 04 September 2019, 21:16:07
Hallo Axel,

Du meintest sicherlich ,,Sprichwort" 8-)

MfG Wirbelwind
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Rheinmetall am 05 September 2019, 18:28:16
Guten Abend zusammen,

vielen Dank für die neuen Erkenntnisse.  top
Dass es sich bei der Verwechslung der "Athenia" mit einem britischen Hilfskreuzer um eine "Legende" handelte, wusste ich bislang nicht.  :-o
Die Erkenntnis hierüber habe ich bei uboat.net gelesen und habe diesem Bericht Glaubwürdigkeit geschenkt, da Guðmundur Helgason auch nicht erst seit gestern mit dabei ist. :roll:4er

Stimmte es auch tatsächlich nicht, dass die Athenia abgeblendet, in einem Zick-Zack Kurs lief und mit Deckgeschützen ausgestattet war ?

Ebenfalls verstehe ich das Sprichwort von Axel Niestle in diesem Zusammenhang nicht.  :?

Beste Grüße,

Matze
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: TW am 05 September 2019, 19:05:21
Die Diskussion um Irrtum oder nicht, ist im FMA ausführlich behandelt worden,
Axel ist anderer Meinung als ich und fände es besser, wenn ich meine Ansicht für mich behalte.
Die Athenia war definitiv kein Hilfsschiff der Royal Navy und hatte kein Deckgeschuetz.
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: wirbelwind am 05 September 2019, 20:04:04
Hallo,
das finde ich nun doch etwas merkwürdig, wenn Usern, die eine andere Meinung vertreten als Axel geraten wird, doch lieber den Mund zu halten, Stellt sich für mich die Frage, warum? :? Selbst wenn TW falsch liegen sollte, gehört sich dergleichen ausdiskutiert. Gerade auch im Falle der ,,Athenia". Das Lemp das Zacken der ,,Athenia" und das abgedunkelte Fahren des Passagierschiffes zum Anlass nahm, es abzuschießen, hatte ich gelesen. Die Variante,,Hilfskreuzer" kannte ich nicht. Die ,,Athenia" soll das erste von einem U-Boot versenkte Schiff gewesen sein.
Mich würde interessieren, welcher Vorfall führte dazu, dass ein zweites Mal ein KTB umgeschrieben wurde? Hängt das mit dem U-Boot-Kommandanten Eck zusammen?
MfG Wirbelwind
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Theo am 05 September 2019, 21:40:16
Hallo!!

"Zu allen diesen Erschwerungen des Handelskrieges nach Prisenordnung,die durch die Maßnahmen des Feindes bewirkt wurden,kam eine von deutscher Seite angeordnete weitere Einschränkung im U-Bootkrieg. Anlaß hierzu war ein gleich bei Kriegsbeginn eingetretenes Ereignis: U 30 versenkte am 3.9.1939 den englischen Passagierdampfer "Athenia". Das Schiff hatte abgeblendet mit Zick-zack-Fahrten einen ungewöhnlichen Generalkurs gesteuert. Der Kommandant hielt das Schiff daher für einen Hilfskreuzer und versenkte es.Trotz der berechtigten Auffassung,daß der Kommandant in gutem Glauben gehandelt habe,wurde er von mir bestraft,weil er bei größerer Sorgfalt doch vielleicht hätte erkennen können,daß es sich nicht um einen Hilfskreuzer handelte."

Quelle: Karl Dönitz,"Zehn Jahre und Zwanzig Tage" Seite 57,58

Wenn die Royal Navy am Anfang des Krieges noch keine Hilfskreuzer hatte frage ich mich warum sie dann von Lemp sowohl
auch von Dönitz erwähnt werden.

Gruß Rainer
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: TW am 05 September 2019, 21:41:27
Am 19.12.40 wurde das französische Uboot SFAX  versehentlich von U 37 versenkt. Der Kommandant schrieb daraufhin für die fragliche Uhrzeit in sein KTB eine Position, die in der Sahara liegt, und dazu den Satz "Kein Fahrzeug in Sicht".
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: TW am 05 September 2019, 21:52:33
Zitat von: Theo am 05 September 2019, 21:40:16
Wenn die Royal Navy am Anfang des Krieges noch keine Hilfskreuzer hatte frage ich mich warum sie dann von Lemp sowohl
auch von Dönitz erwähnt werden.

Auf diese kritische Frage hin wurde später unterstellt, dann habe Lemp die Athenia eben fuer einen Truppentransporter gehalten.
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Axel Niestle am 06 September 2019, 09:28:08
Laut dem für alle zugänglichen Wiktionary heißt es:

Re·den ist Sil·ber, Schwei·gen ist Gold

Bedeutungen:
[1] Manchmal ist es besser, zu schweigen, statt Unpassendes oder Überflüssiges zu sagen.

Und genau so war der Beitrag gemeint.

Zitat von: TW am 04 September 2019, 15:33:10
Zitat von: Rheinmetall am 03 September 2019, 23:32:13
Lemp hatte das Schiff für einen Hilfskreuzer gehalten, weshalb er dieses sofort mit seiner Torpedos angriff, statt gemäß der Prisenordnung vorzugehen.

Lemp war ein regimetreuer Ehrgeizling und wollte den Passagierliner unbedingt versenken.
Er hätte, da er das Schiff lange bei Tageslicht verfolgte, sich in aller Ruhe kundig machen können, dass es sich um ein ziviles Schiff handelte. Passagiere spazierten übers Promenadendeck. Die Royal Navy hatte Anfang September noch keine Hilfskreuzer.

Außerdem waren Hilfskreuzer später bei der britischen Marine keine Kaperschiffe, wie die deutschen, sondern dienten als Ocean Escorts, zu Sicherung gegen deutsche "Lemps".

Die Legende vom Irrtum ist offenbar nicht aus der Welt zu bringen.  flop

Es liegt mir fern, Thomas oder anderen Mitstreitern den Mund zu verbieten, nur sollte bei allen Posts vorab immer eine selbständige Qualitätskontrolle erfolgen, um bei den Fakten zu bleiben. Andernfalls greift das Sprichwort in seiner vorgenannten Bedeutung. Im vorliegenden Fall sehen die Fakten so aus:

(1) die persönliche Herabsetzung von Lemp und die Unterstellung vorsätzlichen Falschhandelns aus persönlichen Gründen  ist durch keinerlei Akten oder Aussagen von Zeitzeugen belegt. Die Seriosität gebietet es daher, auf solche Aussagen zu verzichten.
(2) Auch U 30 hat sich mit größter Wahrscheinlichkeit an die taktischen Vorgaben des FdU gehalten, an einem bei Tageslicht festgestellten schnellen Gegner, der nicht im sofortigen Unterwasserangriff angenommen werden kann, an der Grenze der Sichtweite oder auf dem zuvor erkoppelten Generalkurs Fühlung zu halten bis zur Gelegenheit für einen Angriff während der Dunkelheit. Wie sollte Lemp bei einem 15 kn schnellen Schiff, dessen Masten oder Aufbauten allenfalls in der Ferne sichtbar waren, um nicht selbst gesichtet zu werden, Gelegenheit haben, mögliche spaziergehende Passagiere auf dem Promenadendeck zu beobachten? Beim Angriff in der Dunkelheit war dazu sicher auch keine Gelegenheit. Die im Post beschriebene Vorgehensmöglichkeit gilt deshalb eher für Hollywood-Drehbücher als für den normalen Kriegsalltag, wie er auch in unzähligen Kriegstagebüchern anderer U-Boote nachzulesen ist.
(3) Die Royal Navy hat auch bereits vor Beginn des Krieges wegen der drohenden Kriegsgefahr geeignete Schiffe requiriert und zum Umbau als AMC bestimmt. Einschlägige Schiffslisten waren auch der Kriegsmarine bekannt.
(4) Der Hinweis auf die britischen AMC als Ocean Escorts im Zusammenhang mit dem Vorgang Athenia erschließt sich mir leider nicht. Hilfskreuzer sind immer legitime Ziele und eine Unterscheidung in "gute" und "böse" Hilfskreuzer erscheint willkürlich.
(5) Statt angeblichen Legenden täte es generell zur weiteren Erhellung des Vorganges gut, wenn die historische Forschung sich bemühen würde, u.a. die Funksprüche und Anweisungen der britischen Admiralität an die Schiffsführung der Athenia zu beleuchten, die zum Abdunkeln des Schiffes, militärischem Zick-Zack-Kurs und einem Generalkurs abseits der üblichen Verkehrslinien geführt haben. Das waren ja keine selbständigen Entscheidungen des Schiffskapitäns. Ein genaues Studium des Operationsbefehls für U 30 ist ebenso hilfreich. Das ständige Herunterbeten bekannter Fakten oder auch Nicht-Fakten bringt allerdings keinen Erkenntnisgewinn.

Das soll es dann aber auch gewesen sein, zumal ich Thomas und seine wertvolle Arbeit sehr schätze.

Wie immer mit den besten Grüßen

Axel
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: TW am 07 September 2019, 08:59:32
Hi, Axel.
Mit den Sprichworten ist es immer so eine Sache. Ich bin auf Gold (anstelle von Silber) gar nicht scharf. Aber ich weiß was Du meinst. Es gibt ein ähnliches Sprichwort, das hätte besser gepasst: "Wenn Du geschwiegen hättest, wärest Du weise gewesen". Ok, ich bin in meiner Art oft impulsiv, Du gehörst zu den zurückhaltenden, klugen Menschen.

Ein anderes Sprichwort, dass ich auch nicht leiden kann, lautet: "Der Klügere gibt nach".  8-)
Aber so schafft man keine Irrtümer, keine Dummheit und keine Lügen aus der Welt.
Man räumt ihnen sogar Platz ein. Das will ich vermeiden. Darum rede ich, und darum streiten wir uns hier - in freundschaftlicher und angemessener Form.

Nun zu den Fakten:

(1) die persönliche Herabsetzung von Lemp und die Unterstellung vorsätzlichen Falschhandelns aus persönlichen Gründen ist durch keinerlei Akten oder Aussagen von Zeitzeugen belegt. Die Seriosität gebietet es daher, auf solche Aussagen zu verzichten.

Im ersten Punkt gebe ich Dir Recht. Ich kann allerdings ein Urteil auf Indizienbasis fällen, dies darf aber erst am Schluss einer Argumentation stehen, und muss dann auch durch die Argumente gedeckt sein. Das Wort "regimetreu" nehme ich daher zurück.

(2) Auch U 30 hat sich mit größter Wahrscheinlichkeit an die taktischen Vorgaben des FdU gehalten, an einem bei Tageslicht festgestellten schnellen Gegner, der nicht im sofortigen Unterwasserangriff angenommen werden kann, an der Grenze der Sichtweite oder auf dem zuvor erkoppelten Generalkurs Fühlung zu halten bis zur Gelegenheit für einen Angriff während der Dunkelheit. Wie sollte Lemp bei einem 15 kn schnellen Schiff, dessen Masten oder Aufbauten allenfalls in der Ferne sichtbar waren, um nicht selbst gesichtet zu werden, Gelegenheit haben, mögliche spaziergehende Passagiere auf dem Promenadendeck zu beobachten? Beim Angriff in der Dunkelheit war dazu sicher auch keine Gelegenheit. Die im Post beschriebene Vorgehensmöglichkeit gilt deshalb eher für Hollywood-Drehbücher als für den normalen Kriegsalltag, wie er auch in unzähligen Kriegstagebüchern anderer U-Boote nachzulesen ist.

Es sind nicht die taktischen Vorgaben, die Lemp verletzt hat, sondern es ist die Anmaßung, der "Athenia" die Identität ein Hilfskriegsschiffes zu unterstellen, was durch keinerlei Beobachtung zu rechtfertigen war. Wenn Du jetzt wieder mit Abdunklung und Zickzack-Kurs kommst, dann kann ich nur sagen, dass Niemandem, der zu seiner eigenen Sicherheit Maßnahmen ergreift, deswegen böse Absichten unterstellt werden dürfen. Axel, Du spricht vom ,,normalen Kriegsalltag" aus einer Warte von 1942/43, als die Moral längst verdorben war. Der Krieg war am 3. August erst wenige Stunden zuvor erklärt worden. Lemp schießt gleichsam mit Kanonen auf Spatzen. Die "Athenia" war, deutlich sichtbar, nicht auf dem Weg in deutsches Hoheitsgebiet, sondern weg vom Kriegsschauplatz auf dem Weg nach Amerika. Truppen waren ebenfalls nicht an Deck zu sehen, wenn Du so willst (ja, mit Recht): ebensowenig wie Passagiere.

3) Die Royal Navy hat auch bereits vor Beginn des Krieges wegen der drohenden Kriegsgefahr geeignete Schiffe requiriert und zum Umbau als AMC bestimmt. Einschlägige Schiffslisten waren auch der Kriegsmarine bekannt.

Lemp waren sie offenbar nicht bekannt. Axel, Du kommst mir mit dieser Argumentation an der Tatsache nicht vorbei: die RN hatte noch keine Hilfskreuzer im Dienst. Wenn Lemp die Liste der Hilfskreuzer nicht bekannt war, hätte er nicht unterstellen dürfen, dass die "Athenia" einer war.

(4) Der Hinweis auf die britischen AMC als Ocean Escorts im Zusammenhang mit dem Vorgang Athenia erschließt sich mir leider nicht. Hilfskreuzer sind immer legitime Ziele und eine Unterscheidung in "gute" und "böse" Hilfskreuzer erscheint willkürlich.

Der Hinweis galt auch nicht Dir, sondern jenen, die bei dem Wort Hilfskreuzer sofort an die versenkungswütigen deutschen Hilfskreuzer denken und sozusagen ,,Gefahr im Verzug" wittern und Lemp damit ein präventives ,,Notwehr"-Handeln zugestehen wollen. Die "Athenia" war kein Hilfskreuzer, stand auf keiner RN-Liste, und Lemp handelte unüberlegt und nicht in Notwehr.

(5) Statt angeblichen Legenden täte es generell zur weiteren Erhellung des Vorganges gut, wenn die historische Forschung sich bemühen würde, u.a. die Funksprüche und Anweisungen der britischen Admiralität an die Schiffsführung der Athenia zu beleuchten, die zum Abdunkeln des Schiffes, militärischem Zick-Zack-Kurs und einem Generalkurs abseits der üblichen Verkehrslinien geführt haben. Das waren ja keine selbständigen Entscheidungen des Schiffskapitäns. Ein genaues Studium des Operationsbefehls für U 30 ist ebenso hilfreich. Das ständige Herunterbeten bekannter Fakten oder auch Nicht-Fakten bringt allerdings keinen Erkenntnisgewinn.

Du forderst das Studium von Dokumenten, die noch keiner gefunden hat, und bis dahin gilt für Lemp die Unschuldsvermutung? Wenn ich Lemp Ehrgeiz unterstelle (den Ehrgeiz, als Held gefeiert zu werden und die Wohltat, dass seine (Un-)tat nach 80 Jahren immer noch hervorgehoben wird), ja, dann ist das (m)eine Schuldvermutung. Die ist aber nicht mieser, als eine Schuldvermutung, die sich darauf stützt, dass ein Schiff abgedunkelt und im Zickzackkurs fährt, um seine Sicherheit zu wahren. Von welcher Seite in diesem Krieg, und das gleich von Anfang an, die größere Gefahr und die größere Rücksichtslosigkeit ausging, darüber werden wir uns nicht streiten.

Herzliche Grüße, Thomas
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Axel Niestle am 07 September 2019, 10:08:07
Guten Morgen Thomas,

top

Herzliche Grüße

Axel
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Besitzer am 07 September 2019, 14:51:13
Moin :MG:


Zitat :   "Wenn Du jetzt wieder mit Abdunklung und Zickzack-Kurs kommst, dann kann ich nur sagen, dass Niemandem, der zu seiner eigenen Sicherheit Maßnahmen ergreift, deswegen böse Absichten unterstellt werden dürfen."

Deine Meinung sei dir unbenommen, aber es ist eben nur deine Meinung und keine Priesenordnung.
Laut damaliger  Priesenordnung musste ein Neutrales Schiff die Nationalität an der Bordwand gut sichtbar und des Nachts Beleuchtet tragen. Wer dagegen verstösste durfte als Feindlich eingestuft werden Punkt.
Die von Dir erwähnte "eigene  Sicherheit" wurde ja gerade von dem Abgedunkelten Schiff unterlaufen. Hätte es, wie Vorgeschrieben, einen geraden erkenntlichen Kurs gefahren und hätte  das Schiff nicht abgedunkelt und die Seitenwände ordentlich deklariert, hätte es weiterschippern können.Punkt.



:MG:
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: TW am 07 September 2019, 15:14:53
Zitat von: Besitzer am 07 September 2019, 14:51:13
Die von Dir erwähnte "eigene  Sicherheit" wurde ja gerade von dem Abgedunkelten Schiff unterlaufen. Hätte es, wie Vorgeschrieben, einen geraden erkenntlichen Kurs gefahren und hätte  das Schiff nicht abgedunkelt und die Seitenwände ordentlich deklariert, hätte es weiterschippern können.Punkt.

Der letzte Abschnitt ist leider Unsinn.

Artikel 56
Die Anhaltung umfaßt das Verfahren von der Aufforderung zum Stoppen bis zur Prüfung der Schiffspapiere einschließlich.

Artikel 57
Für die Anhaltung gilt folgendes Verfahren:
1.Das anzuhaltende Fahrzeug wird durch Signal oder  durch einen Warnungsschuß zum Stoppen aufgefordert. Spätestens mit dieser Aufforderung setzt das Kriegsschiff  seine Flagge. Stoppt das Fahrzeug nicht, so wird ein scharfer Schuß  über das Fahrzeug hinweg oder vor seinen Bug abgegeben. Stoppt das Fahrzeug auch dann nicht oder leistet es  Widerstand, so wird es mit Gewalt zum Stoppen gezwungen.
 
  2.Hat das Fahrzeug gestoppt, so wird ein Kommando an  Bord gesandt. Der Führer des Kommandos prüft die  Schiffspapiere.   Ist aus besonderen Umständen die Entsendung eines  Kommandos nicht möglich, so darf ausnahmsweise  verlangt werden, daß die Schiffspapiere zur Prüfung an  Bord des Kriegschiffs gebracht werden.

Für eine warnungslose Versenkung bestand auch nach deutscher (!) Prisenordnung kein Recht.
Schönen Gruß
TW


Prisenordnung: http://www.u-boote-online.de/krieg/prisenordnung/priseno/inhalt.php
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Besitzer am 07 September 2019, 15:45:29
 :MG:

Nehmen feindliche Handelsschiffe Angriffshandlungen vor oder
versuchen sie ein Anhaltungs-, Durchsuchungs- und Wegnahmerecht auszuüben,
so unterliegen die Schuldigen der kriegsrechtlichen Aburteilung.



Anhaltung, Durchsuchung, Wegnahmerecht:

Das war ja der Zweck der Verdunkelung, sich der Kontrolle zu Entziehen, also ein kriegsrechtlicher Verstoß, und somit unterlag der Schuldige der kriegsrechtlichen Aburteilung. Also, so zu Behandeln wie ein feindliches Kriegsschiff, das ohne Vorwarnung angegriffen werden durfte.


:MG: Uwe


   
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: ufo am 07 September 2019, 18:13:21
Zitat von: Besitzer am 07 September 2019, 15:45:29
:MG:

Nehmen feindliche Handelsschiffe Angriffshandlungen vor oder
versuchen sie ein Anhaltungs-, Durchsuchungs- und Wegnahmerecht auszuüben,
so unterliegen die Schuldigen der kriegsrechtlichen Aburteilung.



Anhaltung, Durchsuchung, Wegnahmerecht:

Das war ja der Zweck der Verdunkelung, sich der Kontrolle zu Entziehen, also ein kriegsrechtlicher Verstoß, und somit unterlag der Schuldige der kriegsrechtlichen Aburteilung. Also, so zu Behandeln wie ein feindliches Kriegsschiff, das ohne Vorwarnung angegriffen werden durfte.


:MG: Uwe




Dieser Rechtsauslegung wiederspricht Dietrich Steinicke in "Handelsschiffahrt und Prisenrecht", Werkhefte No. 20, Forschungsstelle fuer Voelkerrecht und auslaendisches oeffentliches Recht der Universitaet Hamburg.

Er untersucht die Rechtsauslegung verschiedener Nationen zum Handelskrieg im Jahre 1973 und macht hierbei deutlich, dass die Rechtsauffassung der Bundesrepublik Deutschland eine Fortschreibung des Prisenrechts von 1939 darstellt.

Zur Anwendung von Waffengewalt schreibt er:

"Setzt das Handelsschiff der Ausuebung des Prisenrechts (Anhaltung, Durchsuchung, Kursanweisung, Aufbringung bzw. Beschlagnahme) aktiven (gewaltsamen) Widerstand entgegen, so kann dieser mit Gewalt gebrochen werden. Passiver Widerstand berechtigt demgegenueber nicht zur Gewaltanwendung, ..."

Verdunklung und Zick Zack Kurs allein berechtigten also durchaus nicht zu einer warnungslosen Versenkung. Solange die Athenia eindeutig als Handelsfahrzeug angesprochen wurde, war eine warnungslose Versenkung lediglich in bewaffnetem Geleit oder bei erkannter Eigenbewaffnung rechtens.


Auch Heinrich Dietz in "Voelkerrecht und Deutsche Prisenrechtsprechung im Zweiten Weltkrieg" in der Reihe 'Das geltende Seevoelkerrecht in Einzeldarstellungen' vom Institut fuer Internationale Angelegenheiten der Universitaet Hamburg macht deutlich:

"Die Prisenordnung erlaubt die Versenkung feindlicher Schiffe, sofern diese Aufgebracht sind und ihre Einbringung unzweckmaessig oder unsicher erscheint. Soweit keine Visitation oder Aufbringung geschehen, darf eine Zerstoerung in den Faellen des Fluchtversuches oder des gewaltsamen Widerstandes erfolgen."

Die Verdunklung allein stellt keinen Fluchtversuch dar. Erst nach der Ansprache durch das kontrollierende Fahrzeug kann das Handelsschiff ueberhaupt fluechten. 

Ufo
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Besitzer am 07 September 2019, 20:22:52
 :MG: + top


   Danke für die Aufklärung :MG: ...und  für die Mühe die du eingesetzt hast!

   Die Prisenordnung war wohl auch ein ordentlicher Hemmschuh im Damaligen  für die Bootsführer.

   Gruß Uwe :OuuO:

Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Urs Heßling am 15 September 2019, 12:13:26
moin,

Zitat von: Besitzer am 07 September 2019, 14:51:13
Laut damaliger  Priesenordnung musste ein Neutrales Schiff die Nationalität an der Bordwand gut sichtbar und des Nachts Beleuchtet tragen. Wer dagegen verstösste durfte als Feindlich eingestuft werden Punkt.
Die von Dir erwähnte "eigene  Sicherheit" wurde ja gerade von dem Abgedunkelten Schiff unterlaufen. Hätte es, wie Vorgeschrieben, einen geraden erkenntlichen Kurs gefahren und hätte  das Schiff nicht abgedunkelt und die Seitenwände ordentlich deklariert, hätte es weiterschippern können.Punkt.
Dazu ist allerdings einzuwenden:
a. Die Athenia war noch in Friedenszeiten ausgelaufen; vorheriges Anbringen von Kennzeichnungs-Maßnahmen wäre widersinnig.
b. Seit Kriegsbeginn war die Athenia Schiff eines kriegsführenden Staates, eine Kennzeichnung als Neutraler wäre daher eine Verletzung der Seekriegsordnung gewesen.
c. Es ist denkbar, daß der Befehl der Admiralität an einzelfahrende Handelsschiffe, abzudunkeln und Zickzack zu fahren, erst bei Anbruch der Nacht kam und die Athenia bei Tageslicht noch "geradeaus" fuhr.

Gruß, Urs
Titel: Re: 80 Jahre Athenia-Zwischenfall
Beitrag von: Pam am 20 September 2019, 10:11:53
Zitat von: TW am 04 September 2019, 15:33:10
Zitat von: Rheinmetall am 03 September 2019, 23:32:13
Lemp hatte das Schiff für einen Hilfskreuzer gehalten, weshalb er dieses sofort mit seiner Torpedos angriff, statt gemäß der Prisenordnung vorzugehen.

Lemp war ein regimetreuer Ehrgeizling und wollte den Passagierliner unbedingt versenken.
Er hätte, da er das Schiff lange bei Tageslicht verfolgte, sich in aller Ruhe kundig machen können, dass es sich um ein ziviles Schiff handelte. Passagiere spazierten übers Promenadendeck. Die Royal Navy hatte Anfang September noch keine Hilfskreuzer.

Außerdem waren Hilfskreuzer später bei der britischen Marine keine Kaperschiffe, wie die deutschen, sondern dienten als Ocean Escorts, zu Sicherung gegen deutsche "Lemps".

Die Legende vom Irrtum ist offenbar nicht aus der Welt zu bringen.  flop



Moin zusammen,

uah Lemp als Regimetreuen Ehrgeizling zu betitel ist schon ein Hammer.... Hast Du ihn persönlich gekannt ???
Ich denke mal eher nicht...  mein Großvater R.Wolf und Georg Högl (seine Bücher sind bekannt) waren damals genau zu diesem Zeitpunkt auf U-30 und wenn Lemp eines zu 100% nicht war, dann war es die Ihm nachgesagte Regimetreue...  Für ihn kamen nach den Befehlen die für alle Kommandanten an erster Stelle standen... die Besatzung. Und jeder Kommandant und auch die Besatzung hatten die BRT vordergründig im Kopf zu jener Zeit.
Seine persönliche Einstellung zum Regime war wie bei den meisten U-bootfahrern eine ganz andere.
Es ist heute ein leichtes über Menschen in Führungspositionen von damals einfach mal zu Urteilen. Auch wenn es vielleicht nicht ins Bild der Historie passt aber es gab durchaus "MENSCHEN" und "MENSCHLICHKEIT" bei der Kriegsmarine in jener schrecklichen Zeit.

Ostseegrüße von der Pam