Werften für das Ostasiengeschwader

Begonnen von Timm, 02 August 2009, 21:23:59

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Timm

Hallo Karsten,

vielen Dank für den Hinweis auf den Schlepper T1, zu dem ich aber bisher weder Bilder noch weitere Informationen finden konnte. Dafür eine weitere Rarität, das Lotsenboot 'Kiautschou' des Hafenmeisters von Tsingtau.

Viele Grüße
Timm

BS

Über Werft und Schwimmdock in Tsingtau wurde sich an dieser Stelle ausgiebig ausgetauscht. Allerdings stellte bisher niemand die Frage nach dem Charakter des Unternehmens. Wer war also Eigner und Betreiber der Werft? An einigen Stellen tauchte die Bezeichnung ,,Kaiserlich" auf. Ich selbst erlag dieser vermutlichen Fehlinformation vor Jahren auch. In meiner Schrift über die Kriegs- und Hilfsschiffbauten deutscher Werften für fremde Staaten (Schriftenreihe Heft 25 SGO Rostock 2004) schrieb ich auf S. 56 ,,Kaiserliche Werft Tsingtau". Meine damalige Quelle ist mir leider nicht mehr erinnerlich.
Boie (Bd. 2 S. 902) spricht von ,,Tsingtau Werft". Weiterhelfen dürfte dies: http://de.wikipedia.org/wiki/Tsingtauer_Werft. Die dort abgebildete Originalanzeige nennt ,,Tsingtauer Werft". Das ist identisch mit Friedeg: Führer durch Heer und Flotte Jg. 1914 S. 288. Allerdings taucht auch die Bezeichnung ,,Deutsche Staatswerft Tsingtau" auf. In DDK VIII / S. 32, 36 wird dies für ein Motorboot mit mehr als abenteuerlichem Schicksal genannt. Die Information im ,,Gröner" dürfte allerdings aus Schmidtke, Hermann: Völkerringen um die Donau. S. 171 übernommen worden sein.
Wem ist mehr bekannt?
BS

Jong

Moin,

http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/Bildprojekt/Lexikon/php/suche_db.php?suchname=Kiautschou

Gouvernementswerft. Für Tsingtau als Flottenstützpunkt und Handelshafen ist eine leistungsfähige Reparaturwerft von allergrößter Wichtigkeit. Das RMA. hatte zuerst beabsichtigt, die Errichtung einer solchen der Privatinitiative zu überlassen und diese nur durch vertragsmäßige Übertragung sämtlicher Reparaturarbeiten für das Kreuzergeschwader zu unterstützen. Es fanden sich aber keine geeigneten Unternehmer. Das Gouvernement mußte sich daher entschließen, ihre eigene, gleich nach der Besitzergreifung an der Außenreede eingerichtete Reparaturwerkstatt nach dem großen Hafen zu verlegen und zu einer Werft auszubauen. In der ersten Zeit war man wegen des gänzlichen Fehlens geschulter Eisenarbeiter auf Arbeitskräfte aus Schanghai und andern Vertragshäfen angewiesen. Um sich davon nach Möglichkeit unabhängig zu machen, wurden schon im April 1902 80 Lehrlinge aus Schantung eingestellt. Sie mußten sich zu vierjähriger Lehr- und zweijähriger Gesellenzeit verpflichten. Neben der praktischen Ausbildung durch einen deutschen chinesisch sprechenden Werkmeister erhielten sie auch Unterricht im Deutschen, im Schreiben und Rechnen. Da sich dieses Verfahren bewährte, wurden in jedem Jahr neue Zöglinge eingestellt, 1905 wurde mit der Übersiedlung der Gouvernementswerkstatt nach dem großen Hafen begonnen. Etwa gleichzeitig war dort die Montierung des 150 t Krans beendet und die Verankerung des aus Deutschland zerlegt herausgeschickten von der Gute-Hoffnungs-Hütte gelieferten und in Tsingtau zusammengesetzten 16000 t Docks bewirkt worden. Um einen Stamm ständiger Arbeiter an die Werft zu fesseln, wurde eine Wohnungskolonie für sie eingerichtet. Im Jahre 1908 stellte man eine Geleisverbindung der Werft mit der Schantung-Bahn her und legte ein Kohlenlager für das, Kreuzergeschwader an. Im Etat für 1909 ist die Werft unter die "Verwaltung der Erwerbsbetriebe" aufgenommen worden. Man nahm an, daß ihre Arbeit nach Deckung aller Unkosten einen Reingewinn für die Schutzgebietsverwaltung abwerfen werde. Um Geldmittel für den weiteren Ausbau bereit zu stellen, wurde bestimmt, daß 40% der Betriebsüberschüsse zur Bildung eines Rücklagefonds verwendet werden sollten. Um die Höhe der Überschüsse festzustellen, wurde eine kaufmännische Buchführung eingeführt. Die Tätigkeit der Werft besteht in der Hauptsache in der Ausführung der jährlichen umfangreichen Überholungsarbeiten für die Schiffe des Kreuzergeschwaders und die kleinen Kreuzer der Südseestation. Den Umstand, daß unsere Schiffe nicht mehr auf das Wohl- oder Übelwollen fremder Werften angewiesen sind, kann man, ganz abgesehen von der finanziellen Seite, nur begrüßen. In zweiter Linie betätigt sich die Werft im Bau kleinerer Eisenfahrzeuge wie Schlepper, Verkehrsboote, Lotsendampfer, Kohlenleichter und ähnlichen. Gelegentlich führt sie auch andere als schiffbauliche Arbeiten aus. So sind z.B. die 4 großen Petroleumtanks in Tsingtau je 2 für die Standard Oil Company und die Asiatic Petroleum Company von ihr montiert worden. Die Werft beschäftigte im Jahre 1912 im Durchschnitt 1300 Arbeiter. Als regelmäßiger Reparaturplatz für Handelsschiffe ist Tsingtau als Anlaufhafen gegenüber Schanghai, von wo eine sehr bedeutende Küsten- und die Yangtseschiffahrt ihren Ausgang nimmt, wesentlich benachteiligt. Auf diesem Gebiet ist eine große Entwicklung vorläufig nicht zu erwarten. Dagegen fangen fremde Kriegsschiffe, chinesische Kreuzer und der österreichische Stationär in Ostasien an, sie regelmäßig aufzusuchen.

zum Etat
http://tsingtau.info/index.html?vorkrieg/etat1914a.htm

Gruß
Jong

BS

Vielen Dank! Beide Links ermöglichen interessante Einblicke. Da Tsingtau dem RMA unterstand, war die Werft letztlich ein Unternehmen der Kaiserlichen Marine. Allerdings dürfte sie sich in der Struktur erheblich von den drei Kaiserlichen Werften im ,,Mutterland" unterschieden haben. Die standen nur der Kaiserlichen Marine zur Verfügung. Demgegenüber arbeitete man in Tsingtau offenbar gewinnorientiert und bediente auch den zivilen Sektor, hatte also eine gewisse Zwitterstellung. Es könnte vermutet werden, daß sich auf der Werft auch ein kleines Ausrüstungsressort für das Kreuzergeschwader und für die in China stationierten Fahrzeuge befand – analog zu den Kaiserlichen Werften in Deutschland.
Den Kaiserlichen Werften stand immer ein aktiver Seeoffizier vor. Das wird für Tsingtau nicht zutreffen. Ein Stabsoffizier dürfte es weit unter seiner Würde gehalten haben, sich mit Akquise, Werbung u.ä. beschäftigen zu müssen. In diesem Zusammenhang wären Einzelheiten über die deutsche Unternehmensleitung interessant (Wer waren z.B. die Werftdirektoren?).
Der personelle Besatz mit 1300 Beschäftigten erstaunt. Die ,,schiffsfremden" Arbeiten dürften weit über den Bau der genannten Tanklager hinausgegangen sein. Hier wäre interessant zu wissen, ob und in wie weit metallverarbeitende Leistungen für das chinesische Hinterland erbracht wurden.
BS

Rudergänger

Hallo BS,

Direktoren der Werft Tsingtau waren:

11.10.1900 bis 20.07.1912 Marinebaumeister bzw Marine Baurat Dipl.Ing. Breymann, Stats

16.01.1913 bis 07.11.1914 Marine Baurat bzw Marine Oberbaurat Hartmann, Hans

Quelle H. H. Hildebrand "Die organisatorische Entwicklung der Marine nebst Stellenbesetzung 1848 bis 1945 Band 3 Seite 40

Weitere Angaben habe ich leider nicht.

Gruß

Harald

Matthias Strauß

In der vollständigen Rangliste für 1913 sind für die Tsingtauer Werft verzeichnet:

1. Direktor - Marine-Baurat für Schiffsbau, Ltn. b. SW a.D. Hartmann (Marinestation der Ostsee)
2. Marine-Schiffbaumeister, Ltn. z. S. d. Res. Klemann (Marinestation der Ostsee - zugleich Kr.-Geschwader)
3. Marine-Maschinenbaumeister, Ltn. d. Res. Peters (Marinestation der Nordsee)
4. Marine-Maschinenbaumeister, Ltn. d. Res. Langenbach (Marinestation der Ostsee)

Jack

bettika61

ZitatEtwa gleichzeitig war dort die Montierung des 150 t Krans beendet und die Verankerung des aus Deutschland zerlegt herausgeschickten von der Gute-Hoffnungs-Hütte gelieferten und in Tsingtau zusammengesetzten 16000 t Docks bewirkt worden.

Hallo,
das Schwimmdock ist nicht allein von der Gute-Hoffnungshütte gebaut worden. Diese hat 3 Pontons und die Seitenwände geliefert. Die HDW, die  schon fühzeitig  ein Angebot für das Dock von
3.025.000 M abgegeben  hatten , erzielten einen Teilerfolg und lieferten 2 Pontons und die sonstigen Einrichtungen. Das 1903 begonnene und 1905 abgeliefert Dock wurde neben der Schiffsreparatur für die kaiserliche Marine auch für die Handelsschifffahrt genutzt.
(Quelle: "Von Howaldt zu HDW" C.Ostersehlte)

Grüsse
Beate
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

Timm

Hallo,

vielen Dank an Euch alle für die mir weitgehend unbekannten Informationen zur Werft. Hat einer von Euch ggf. auch noch das Datum parat, an dem das Schwimmdock übergeben wurde. Ich habe unter anderem in meiner Sammlung die angehängte Aufnahme, leider undatiert.

In der Tat wurden auch Handelschiffe im Schwimmdock repariert, zwei mir bekannte Aufnahmen zeigen die Istria und Setania im Dock.

Grüße
Timm

bettika61

Hallo Timm,
falls noch nicht bekannt ,Foto aus dem Kolonialen Bildarchiv
Über den Kran im Polytechnischnen Journal

Grüsse
Beate
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

Timm

Hallo Beate,

besten Dank für beide Links. Habe auf jeden Fall etwas dazugelernt, den Begriff "Hammerwippkran" kannte ich bisher nämlich noch nicht!  :-)

Grüße
Timm

Timm

Hallo zusammen,

mal kein deutsches Kriegsschiff im Schwimmdock! Anbei drei Bilder von SM Torpedorammkreuzer Kaiserin Elisabeth in Tsingtau. Das Schiff war 23. April 1909 östlich von Shanghai im dichten Nebel auf Grund gelaufen und musste mit schwerer Schlagseite nach Tsingtau zur Reparatur. Die Reparatur dauerte vom 3. bis 18. Mai 1909. Die verbogenen Streben im dritten Bild zeigen ganz deutlich, dass die Schäden in der Tat erheblich waren.
Weiß einer der Experten wie solche Verformungen damals behoben wurden?

Grüße
Timm

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Timm am 15 November 2013, 20:26:55
Die verbogenen Streben im dritten Bild zeigen
Spanten !

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Timm

Moin Urs,

danke für die Korrektur, hat bei mir halt nur zum Aufklärenden Artilleristen gereicht!  :cry:

Grüße
Timm

Timm

Hallo zusammen,

die in diesem Thema noch fehlende Nürnberg im Schwimmdock von Tsingtau. Zeitpunkt der Aufnahme 1911 (laut Beschriftung).

Grüße
Timm

Timm

Hallo,

zwei weitere Bilder von der Tsingtauer Werft:

Der auslaufende Truppentransporter Patricia passiert die Werft. Im Vordergrund links das Schwimmdock, halb verdeckt dahinter SMS Emden und der Kran

Der gesprengte Kran nach der Einnahme von Tsingtau durch die Japaner

Grüße
Timm

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