USS Constitution - Vorbild für die Deutschland-Klasse ???

Begonnen von Mario, 01 Februar 2009, 19:30:10

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Ulrich Rudofsky

ZitatDiese Werte waren ja auch nach aussen hin gut erkennbar.

Meistens, aber nicht immer.  Die HMS SHANNON hatte angeblich einige kleinere Kanonen an Bord für die Ausbildung der jungen "midshipmen", damals 12-14 Jährige.
Ulrich Rudofsky

Mario

#31
Und oft wurde auch getäuscht, getarnt und getrickst.
Leider finde ich die entsprechende Seite im I-Net nicht mehr, aber es gab ein Gefecht zwischen einem Handelskonvoi der britischen Ostindien-Kompanie und einem haushoch überlegenem französischem Geschwader. Den Briten gelang es, die Franzosen eine viel stärkere streitmacht vorzutäuschen und zu entkommen, bevor den Franzosen klar wurde, das sie nur Handelsschiffe vor sich hatten.

edit:
doch noch gefunden.
http://home.arcor.de/thomas_siebe/chinafleet.html

Nauarchus

Moin allerseits!

@Urs & Matrose71

ZitatDie 64er waren im Schnitt bessere Segler/Seeschiffe als die 74er,

Das ist mir neu, wo habt ihr das her? An sich galten doch die 74er, vor allem die französischen, als gute Segler (nicht jeder, aber viele) und insgesamt als die ausgewogensten Linienschiffe ihrer Zeit (Bewaffnung, Segel- & Seeeigenschaften, Besatzung, Kosten).

Gruß Nauarchus  :-)
"Wenn ein Seemann nicht weiß, welches Ufer er ansteuern muß, dann ist kein Wind der Richtige."

Lucius Annaeus Seneca (römischer Philosoph & Dichter)

Urs Heßling

Hallo,

@Nauarchus, Deine Frage
Da muß ich noch einmal tief in meiner Bücherwelt graben gehen (nicht internet).

@vor allem die französischen ...
Deswegen freute sich ja auch jeder britische Kommandant, wenn er ein genommenes ex-franz. Schiff bekam.

@Pulo Aor/Nathaniel Dance
belegt einmal mehr den Merksatz "Nicht Schiffe, sondern Menschen kämpfen".
Der Signalfähnrich auf der "Earl Camden" war ein ganz junger Mann, der ebenfalls zur Besatzung von Flinders` "Investigator" gehört hatte: John Franklin, der später als Polarforscher zu Weltruhm kam
siehe Buch: "Die Entdeckung der Langsamkeit" (Sten Nadolny, 1983)

@Unter günstigen Windverhältnissen konnten sie es sogar mit älteren feindl. Linienschiffen aufnehmen.
Dazu aus seglerischer Sicht noch eine Anmerkung:
Was sollen "günstige Windverhältnisse" sein ?
Die Fregatte konnte sich als besserer Segler aus Luv nähern (Standard: dann konnte man selbst Beginn und Ende des Gefechts bestimmen). In diesem Fall konnte der 64er, der ja nach Lee überlag, auch die Kanonen in der unteren Pfortenreihe einsetzen. Eine Annäherung aus Lee, bei dem die untere Reihe des Gegners nicht einsetzbar war, wäre ganz ungewöhnlich gewesen. Dann war das unterlegene Schiff beim geringsten Schaden in der Takelage dem stärkeren Schiff in Luv ausgeliefert.

Gruß, Urs

"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Spee

@Urs,

die Briten schnitten allerdings den französischen Schiffen oft Bug und Heck ab und bauten nach britischen Standards (wenn man das für die damalige Zeit so nennen kann) neue an.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Mario

Hallo Urs
das mit der Luvstellung habe ich bisher noch nie so richtig begriffen. Wenn das Schiff, das die Luvstellung innehat, auf seinen Gegner zudreht, dann hat doch der Angegriffene ebenfalls die Möglichkeit, vor den Wind zu gehen und sich dem Angriff damit zu entziehen.
Ich denke eher, daß heutzutage allzuoft vom Luvvorteil gesprochen wird, ohne weitere Gegebenheiten miteinzubeziehen. Dazu zählen z.B. taktische Gegebenheiten, oder Küstenlinien, Riffe usw.

Allerdings sehe ich bei einem Kampf zwischen feindl. Geschwadern oder Flotten sehr wohl den Vorteil der Luvstellung. Aufgrund der damals recht spärlichen Kommunikationsmiteln war es sehr schwer, einen Flotte einheitlich zu bewegen, vor allem, wenn es auf wenige Minuten ankommt.

Urs Heßling

Hallo, Mario

@Wenn das Schiff, das die Luvstellung innehat, auf seinen Gegner zudreht, dann hat doch der Angegriffene ebenfalls die Möglichkeit, vor den Wind zu gehen und sich dem Angriff damit zu entziehen
Nur wenn es seglerisch überlegen ist / dem Kampf ausweichen will und nichts das weitere zutrifft ...

@Ich denke eher, daß heutzutage allzuoft vom Luvvorteil gesprochen wird, ohne weitere Gegebenheiten miteinzubeziehen. Dazu zählen z.B. taktische Gegebenheiten, oder Küstenlinien, Riffe usw.
Ja, deswegen konnte u.U. ein seglerisch unterlegenes, stärkeres Schiff einen Gegner vor einer Leeküste (kein Ausweg) stellen und besiegen.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Ulrich Rudofsky

Zitatvor den Wind zu gehen und sich dem Angriff damit zu entziehen

Wenn das Schiff vor den Wind geht kann es eventuell nicht entkommen, da der Gegener raumschots herunter kommen weil er schneller segeln kann.
Ulrich Rudofsky

Mario

Letztendlich muß man sagen, das es damals viel mehr auf einen guten Kommandanten ankam. Er mußte beurteilen können, bei welchem Kurs sein Schiff die besten Segeleigenschaften ausspielen konnte. Gleichzeitig mußte er den Gegner beurteilen können. Nicht von ungefähr kam es damals zu Gefechten, die unter Umständen Tage dauerten, bis es zu einer Entscheidung kam.

Nauarchus

Hallo Urs!

ZitatDa muß ich noch einmal tief in meiner Bücherwelt graben gehen (nicht internet).
Mach mal bitte (wenn es zeitlich passt) und schon mal Danke im voraus.  :-) Werde ich auch machen, mal sehen was wir zutage fördern.

ZitatDeswegen freute sich ja auch jeder britische Kommandant, wenn er ein genommenes ex-franz. Schiff bekam.
Dito.

@Spee
Zitatdie Briten schnitten allerdings den französischen Schiffen oft Bug und Heck ab und bauten nach britischen Standards (wenn man das für die damalige Zeit so nennen kann) neue an.
:? Das ist mir ebenfalls neu, da bitte ich Dich mal um eine genauere Erklärung. Was sollte das bei einem intakten oder nur leicht beschädigten Rumpf bringen? Bei einem schwer beschädigten Schiff ist das natürlich was anderes. Mit gutem Schiff-Bauholz sah es Endes des 18., Anfang des 19. Jh. auf der Insel schon etwas mau aus. Bei der Knausrigkeit der Admiralität kann ich mir nur schwer vorstellen, das die Geld für solche (an sich unnötigen?) Umbauten/Reparaturen ausgegeben haben. Aber natürlich nicht unmöglich.

Viele Grüße

Nauarchus  :-)
"Wenn ein Seemann nicht weiß, welches Ufer er ansteuern muß, dann ist kein Wind der Richtige."

Lucius Annaeus Seneca (römischer Philosoph & Dichter)

Spee

@Nauarchus,

der Mythos der exzellenten französischen Schiffe ist ein britischer. Die Franzosen waren in der Bewertung ihrer Schiffe deutlich zurückhaltender. Die Gründe dafür sind verschieden. Fangen wir mit den subjektiven an.

Jeder Captain hält sein Schiff für das beste der Flotte. Mit dem britischen Selbstverständnis der Überlegenheit zur See gegenüber anderen Staaten und der Tatsache, daß ca. 1/10 der Royal Navy aus gekaperten Schiffen bestand, plus dem Ansehen des Captains wuchs das Ansehen des Schiffes und seiner Fähigkeiten. Als Beispiel: Die "San Joseph", ehemals der spanische Dreidecker "San José" (nach französischen Plänen gebaut) und bei Cape Vincent von den Briten (Nelson) erobert, war danach eine Zeit lang Nelsons Flaggschiff. Er bezeichnete sein Schiff als "the finest ship of the line", obwohl er niemals mit ihr in See war. Aber wer wollte einem Nelson widersprechen?
Ein weiterer Grund ist die "Prämie", die ein gekapertes Schiff einbringt. Je besser der Fang, desto höher die Prämie. Also lobt man die gegnerischen Schiffe, um eine gute Prämie zu erzielen.

Nun die objektiven Dinge.

Die französischen Schiffbauer und Architekten haben bei der Formgebung (speziell der Mittschiffsektion) sehr gute Arbeit geleistet, keine Frage. Allerdings haben sie Bug- und Hecksektion zu leicht und zu scharf gebaut, was etwas Vor-, aber mehr Nachteile brachte. Zudem waren die französischen Schiffe in ihrer inneren Struktur schwächer als britische Schiffe, was sich mit den zu leichten Enden weiterhin nachteilig auswirkte. Französische Schiffe neigten zu einem deutlicheren Sagging als britische Schiffe, mangels Auftrieb an den Enden des Schiffes, inklusive stärkerer Verwindungen im mittleren Rumpfbereich. Dieser Mangel an Auftrieb führte dazu, daß französische Schiffe bei zunehmenden Windstärken und Seegang immer langsamer wurden (werden mußten) als britische Schiffe. Britische Fregatten fuhren noch volles Zeug, wo französische Kommandanten schon lange Segel reffen mußten.

Vermischt man objektive und subjektive Gründe, dann fällt natürlich mehr auf, daß die französische Fregatte dem britischen Verfolger bei leichten Winden wegen ihrer leichteren und schnittigeren Bauweise davonfuhr.
Aber es bleibt nicht immer schön und die stämmigere britische Fregatte holt irgendwann auf und kann dank ihrer stabileren Bauweise, der stärkeren Bewaffnung und der oft besser trainierten und selbstbewußteren Besatzung den Sieg für sich verbuchen. Da sprechen die Daten für die Briten. Die Royal Navy verlor zwischen 1793 und 1815 fünf Linienschiffe und 16 Fregatten auf See an ihre Gegner, die französische Flotte dagegen 56 Linienschiffe und 135 Fregatten.
So nebenbei, die französische 44-Kanonen-Fregatte "Presidente" wurde von den Briten als Grundmuster für einen neuen Fregattentyp 2.Ranges benutzt. Die Performance des Schiffes (besser der Besatzung) lud nicht zu dieser Überlegung ein. Sie wurde nach 12-stündiger Jagd von der britischen 18-Kanonen-Sloop "Despatch" genommen. Sloops hatten nicht den Ruf, Rennpferde zu sein.

Bezüglich Holzmangel; es fehlte den Briten nach dem Verlust der "amerikanischen Kolonien" hauptsächlich an Langhölzern für die Masten. Sie bauten als Ersatz Masten aus Stücken, die mit Eisenbändern verbunden wurden. An Kurzholz mangelte es nicht. Dieser Umstand war um 1805 für eine neue Rumpfkonstruktion verantwortlich, welcher revolutionär wurde. Aber das würde zu weit offtopic führen.


Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Ulrich Rudofsky

Es gab auch eine Zeit im 17. JHD. wo die Briten glaubten, dass die "Dutch ships" besser gebaut waren als ihre eigenen.  Angeblich dachten sie, die Holländer hätten eine bessere Heck-Konstruktion erfunden.  Um was handelte es sich?
Ulrich Rudofsky

Nauarchus

Hallo Spee!

Erstmal vielen Dank für die ausfühliche Erklärung. Dafür liebe ich dieses Forum - man lernt immer wieder was neues hinzu. :-)

ZitatAn Kurzholz mangelte es nicht.
Aber wenn es nicht an Kurzholz mangelte, warum bauten sie dann Fregatten aus Fichten- oder Kiefernholz? Nicht das das nicht funktioniert hat (technisch gesehen), aber diesen Schiffen war kein langes Leben vergönnt. Nur ein Experiment?

ZitatDieser Umstand war um 1805 für eine neue Rumpfkonstruktion verantwortlich, welcher revolutionär wurde. Aber das würde zu weit offtopic führen.
Das würd mich natürlich auch noch interessieren. Aber Du hast recht, wir haben uns damit eigentlich schon ziemlich weit von Mario's Frage entfernt. Müssten wir eigentlich ein neues Thema draus machen.

Viele Grüße

Nauarchus  :-)
"Wenn ein Seemann nicht weiß, welches Ufer er ansteuern muß, dann ist kein Wind der Richtige."

Lucius Annaeus Seneca (römischer Philosoph & Dichter)

Urs Heßling

Hallo, Thomas,

@franz./brit.:  Bravo Zulu  top top

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Spee

@Nauarchus,

Kiefer und Fichte waren Standardhölzer für den damaligen Schiffbau. Hier mal die Aufstellung der in der Royal Navy üblicherweise verwendeten Holzsorten:

Britische Eiche
Danziger Eiche
Danziger Tanne
Ulme
Kiefer
Afrikanischer Teak
Indischer Teak (Malabar, Rangoon)
Lärche
Rigaer Tanne
Neu-England Tanne
Buche
Zeder
Esche

Die Länge des Lebens einer Holzschiffes hängt nicht zwingend von der Holzsorte ab, das ist ein Trugschluß.
Viel wichtiger ist die vorherige Trocknung, die Stabilität der Schiffkonstruktion und die Wartung.
Holzknappheit dürfte nur während der Kontinentalsperre entstanden sein, aber diese wurde auch mit schöner Regelmäßigkeit umgangen. Zudem die Briten ab 1816 dazu über gingen, vorgefertigte Teile einzuführen. Belegt ist, daß die "Ganges" (in Indien gebaut) Spanten für ein weiteres Schiff mit nach Großbritannien brachte (wahrscheinlich "Indus"). Es folgten "Asia", "Repulse" und "Calcutta", die Bauteile für "Vengeance", "Hindustan" und "Goliath" mitbrachten.

Nachträglich noch etwas zu den französischen Schiffen. Der französische Schiffbauer Bouvet schrieb 1828 über die eigenen Schiffe:

"They have never, by any chance, taken or preserved any advantage over their adversaries, or succeeded in eluding or flying from disastrous engagement. Our ships of all rates, whether in company or alone, have rarely escaped pursuit of those of the enemy that have fallen in with them while cruising... The fault may in great measure be attributed to the French ships being too sharp and constricted at their extremities; they are not what is termed good sea-boats; this peculiarity, which has been imagined to lead to superiority in point of swiftness, has produced a contrary effect, at least in rough seas."

Gardiners Beurteilung der französischen Schiffe aus dem Jahr 1984 trifft damit den Kern:

a. Light construction which may have given a slight advantage in speed when new. However, lack of strength led to rapid distortion of the hull, causing a loss of speed.
b. A high speed in optimum conditions, usually on one point of sailing only.
c. Less stability at large angles of heel and hence able to carry less sail in high winds but able to 'ghost' in light breezes.
d. Relatively leewardly.
e. Lower fire power than British ships of the same size.

Quelle: D.K. Brown; Before the ironclad, Development of ship design, propulsion una armament in the Royal Navy, 1815-60





Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Impressum & Datenschutzerklärung