Elektrische Kraftübertragung

Begonnen von graylion, 17 November 2005, 20:33:21

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harold

"...koenntest Du diese Aussage mal n bisschen paezisieren bitte: Der einzig wirklich unwiderlegbare Vorteil der TE-Antriebe liegt in der Verkürzung der Wellenlänge, dh. Torsionsvibrationen kommen in wesentlich geringeren Frequenzbreiten auf als bei langen Wellen."

Tu ich. Aber wieder mal per Hausverstand und nicht per Formelkram.

Spann in deine Bohrmaschine eine 1 m langen hölzernen Dübelstab ein, lagere ihn am freien Ende in einem dicken Blatt Papier, und dann gib der Maschine 5 rps Umdrehung. Das Blatt wird ausreißen, weil dein Dübelstab seitwärts vibriert.
Lagere deinen Dübelstab alle 8.3cm (also etwa 12x) in einem Papier der gleichen Stärke, gib ihm Umdrehung wie vorher - und nix passiert. Du hast die Vibration durch einen Trick unterlaufen; 11 ist eine Primzahl, elf frei schwingend mögliche Abteilungen deines Stabes gibt es, aber er hätte soo gerne irgendwas von der Reihe 1-2-4-8-16 (2-er-Potenzen) oder 1-3-9 (3-er-Potenzen).
Lagere deinen 1 m langen Dübelstab alle 11.8 cm (gibt also 8,5 Abteilungen), oder schneide deinen bisherigen Stab auf 70.8 cm ab. Umdrehungszahl wie vorher. Dir fliegen sämtliche Lagerungen in Fetzen um die Ohren.

Dieses nennt sich : laterale Vibration. Dürfte jedem bekannt sein, der mal einen zu langen Gegenstand in der Bohrmaschine hatte, und auf einer Drehbank (ich hab ne Ausbildung als Dreher, im Rahmen meiner Metallausbildung) kann das zu ganz bösen werkzeugkillenden Flattereien führen. Drum gibts (gabs) auf einer (altmodischen) Drehbank so etwas wie Reitstöcke oder Lunetten.

Und nun zur
Torsionsvibration:
Stahl ist hart, wissen wir. Er sollte (für eine Welle) jedoch auch "zäh" sein, dh. er kann Dehnungen und Stauchungen mit Elastizität beantworten.
Übertreiben wir mal schamlos und nehmen was SEHR Zähes, zB einen Hartgummi-Stab, und spannen ihn in die Bohrmaschine. Ans Ende des Stabes kommt ein Rührer, und den stecken wir in (übertreiben, tja..) Beton.
Gib mal die üblichen 5 Umdrehungen/Minute. Dein Stab wird sich verdrillen, bis er nicht mehr kann, und dann die Umdrehung in den Beton weitergeben; nur: die als "Verdrillung" gespeicherte Energie wird er wieder loswerden wollen, und sobald die Drehgeschwindigkeit im Beton die gleiche ist wie an deiner Bohrmaschine, wird er sie los - rotiert also um das bisschen, was er erst langsamer war, am Mischerende schneller. Kriegt auch gleich in proportionaler Weise (Quadratfunktion) mehr Widerstand, wird abgebremst, rotiert langsamer... und so weiter.
Der Stab wird also durch Längsverdrillung ("Torsion") einmal in Drehrichtung, einmal dagegen beansprucht.
Je länger der Stab ist, im Vergleich zu seinem Durchmesser, desto mehr Frequenzen (drehzahlabhängig) findet er, um das mit einer schön aufschaukelnden Regelmäßigkeit zu machen.
Je kürzer er ist, desto weniger.
Bleiben immer noch genügend über... aber die Beanspruchungen (hab ich schon gesagt, dass der Stab sich jedesmal ein wenig verkürzt und dann wieder streckt?) sind nicht so häufig.
Nimm Welle statt Gummistab, nimm Wasser statt Beton, Maschine statt Bohrmaschine und Schraube anstelle von Rührer; und Wellenlager anstelle von Papier.
Voilá!
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

graylion

danke Harold, ja der Vorteil mit der kurzen Welle ist mir klar, danke fuer Deine Erklaerung, jetzt weiss ich's detaillierrter :) Was ich eigentlich wissen will, ist, warumdas der einzige Vorteil des elektrischen Antriebs ist, trotz der von mir zitierten anderen? Wie kommst Du zu "Der einzig wirklich unwiderlegbare Vorteil"?

harold

Gewicht. nä!
Unterteilung bei Flutung. nä!
Querschaltung bei Flutung . nä!
Schnelle Umkehr . nä! (Massen beachten)
Magnetische Neutralität . nä!
Leistungsregelung . na-ja!
Vibrationen . jooo!

(immer beachten. wir reden über die 3o-erJahre! Heut schauts anders aus)

Dies als Kurzfassung... :)
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Spee

@graylion,

vom Prinzip her sieht der turbo-elektrische Antrieb gut aus. Aber wie Goodall eben ausführte, ein Kontrollraum. Man kann nicht mehrere einbauen. Das sieht nur nach Redundanz aus, ist realistisch betrachtet aber der Aufbau von zusätzlichen möglichen Störquellen. Strom fliesst nun einmal immer und überall und löst einen Kurzschluß im gesamten System aus, egal wo dieser entsteht. Je mehr Kontrollräume, desto mehr Störquellen.

Hier mal ein Statement von 1938:

"Der Grund für die späte Entwicklung ist darin zu suchen, daß beim elektrischen Schiffsantrieb die Energie von Kraftmaschinen (Turbinen, Dieselmotoren) geliefert wird, die an sich auch für den unmittelbaren Schiffsantrieb geeignet wären. Es schien daher zunächst nur nachteilig und als ein Umweg, diese Energie über Stromerzeuger und Elektromotor nochmals umzuformen, statt sie unmittelbar (beim Dieselantrieb) oder über Getriebe (beim Turbo- oder Dieselantrieb) der Welle zuzuleiten. Als solche Nachteile wurden Mehrgewicht und Mehrpreis, Verminderung der Betreibssicherheit durch Störungen in der elektrischen Anlage und die Verluste der elektrischen Maschinen angeführt. Der Vergleich der Betriebsergebnisse des turbo-elektrischen Ostasienschiffes "Scharnhorst" mit seinem Schwesterschiff "Gneisenau", das Getriebeturbinen besitzt, hat einwandfrei ergeben, daß ein erhöhter Brennstoffverbrauch nicht auftritt. Mehrgewicht und Mehrkosten sind für das ganze Schiff nicht vorhanden oder geringfügig; die elektrische Übertragungsanlage hat sich in allen Fälle als betriebssicher erwiesen."

Klingt soweit gut, aber:

Erhöhter Platzbedarf ist trotzdem reel. Man muß 2 Antriebssysteme installieren, Turbinen/Dieselmotoren und E-Motoren. 100% mehr Ausfallquellen. Nicht wirklich für ein Kriegsschiff von Vorteil, oder?
Weiter im Text:

"Für die Übertragung der hierbei zu beherrschenden großen Leistungen (4000 bis 13000PS je Welle [wir brauchen deutlich mehr!!]) kommt als Stromart nur Drehstrom von etwa 3000 bis 6000V unter Anwendung von Synchronmaschinen als Stromerzeuger und Antriebsmotoren für die Schiffsschraube in Frage. Gleichstrom würde große und teuere Maschinen erfordern, die zudem noch mit empfindlichen Stromwendern und vielen kommutierenden Bürsten ausgerüstet wären. Ferner verlangt die beschränkte Höhe der Spannung bei Gleichstrom eine hohe Stromstärke, die ihrerseits wieder schwere und teure Schaltgeräte und Kabel im Gefolge hat. Für die Gestaltung der elektrischen Maschinen ergeben sich besondere Aufgaben aus den gedrängten Raumverhältnissen an Bord, der Rücksichtnahme auf ungünstige Betriebsverhältnisse (feuchte salzhaltige Luft, Tropenhitze), den Erschütterungen des Schiffskörpers u.a. Die Verwendung von Synchronmotoren als Antriebsmotor für die Schiffsschraube erlaubt einen großen Luftspalt (5 bis 10mm), der aber in Anbetracht der Größe der Maschinen bzw. des Außendurchmessers verhältnismäßig klein ist. Würde man die Läufer in Stehlagern auf dem Schiffskörper lagern, so bestände die Gefahr, daß bei Durchbiegungen, die der Schiffskörper infolge des Seeganges erfährt, unerwünschte Luftspaltschwankungen eintreten. Es muß daher Vorsorge getroffen werden, daß solche Schwankungen möglichst unterdrückt werden. Bei Ausführung der Maschinen mit Stehlagern wird deshalb der Doppelboden so starr gemacht, daß eine nennenswerte Durchbiegung des Schiffskörpers an dieser Stelle im Seegang nicht auftritt."

Klingt für mich nach einer ziemlich empfindlichen Angelegenheit. Was ist mit Erschütterungen durch Minen, Torpedos oder einer Vollsalve der eigenen SA? Erscheint mir für ein Kriegsschiff nicht brauchbar.
Aber weiter:

"Bisher ist jedoch eine Lösung bevorzugt, in der die Motoren als Lagerschildmaschinen gebaut werden. In dieser Bauart bleiben Formänderungen vom Schiffskörper ohne Wirkung auf den Luftspalt des Propellermotors. Die so gebauten Maschinen dürften die größten Lagerschildmaschinen überhaupt sein. Ferner wird auf geringstes Gewicht geachtet; daher wird das Gehäuse, vielfach auch der Läuferkörper, geschweißt. Alle Maschinen erhalten in sich geschlossenen Kreislauf der Kühlluft, die in angebauten Luftkühlern rückgekühlt wird. Hierdurch wird in wirksamer Weise das Eindringen von Feuchtigkeit oder Öldunst in die Maschinen vermieden, was mit Rücksicht auf die Lebensdauer der Wicklungen wichtig ist."

Soweit mal ein Teil des Textes. Das ist alles ziemlich kompliziert und aufwendig. Dabei wurden eben die kriegsschifftypischen Dinge nicht mit einbezogen. Wie verhält sich die E-Antriebsanlage bei Treffern usw.?
Auch die Lagersschildmotoren haben eine entscheidenden Nachteil. Zusätzliche Kühlaggregate. Was geschieht bei Ausfall dieser Aggregate?
Gerade im Kriegsschiffbau sollten so wenig wie möglich Hilfs- und Zusatzanlagen eingebaut werden und diese so wenig als möglich empfindlich sein. Einfachheit ist Trumpf. Die durchaus angesprochenen Vorteile haben gerade für ein Kriegsschiff weniger Wert, da sie mit einigen Nachteilen behaftet sind, die den Kampfwert deutlich herabsetzen. Ein gutes Beispiel für die Probleme mit Hilfsmaschinen/Hilfsaggregaten ist die "Admiral Graf Spee" und ihr Problem mit der Dieselreinigungsanlage.

Die Textauszüge sind aus dem Aufsatz von W.Putz: "Neue Entwicklungen im Bau elektischer Maschinen" Kapitel "Elektrische Schiffsantriebe", erschienen 1938 in der VDI-Zeitschrift Bd.82 Nr.34 vom 20.August 1938. Enjoy it!
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

graylion

Das war zumindest die deutsche Meinung - und allein deswegen koennen wir das Ding schon fuer den Fleuzer ad acta legen. SS Normandie mit 160.000 PS hat ja irgendwie auch geklapp, und ganz schoen lange.

@Harold. was machste denn mit der story von der wild manoevrierenden USS Maryland - also besser als Turbinen scheint's gewesen zu sein. Ob besser als Diesel kann ich natuerlich nicht sagen. okis, ich seh's ein. *kuckt leise weinend seiner schoenen idee hinterher ....*

Spee

@graylion,

bitte genau lesen. "Normandie" war ein Zivilschiff, kein Kriegsschiff. Deshalb kann es nicht nur die deutsche Meinung sein. Warum hatten z.B. "Richelieu" und Co. Getriebeturbinen und keine turbo-elektrische Antriebsanlage? Vergleichsmöglichkeiten waren doch vorhanden.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

graylion

heh, ich hab mich doch schon geschlagen gegeben - please don't rub it in ...

Spee

@graylion,

so war's nicht gemeint  :)  . Wollte nur nochmal auf die Fakten hinweisen, auch betreffend andere Staaten.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

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