Wem gehörte U "Hai" ex U 2365 ??

Begonnen von Karsten, 15 Oktober 2008, 07:44:15

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Karsten

Hallo Forum,

während meines Studiums habe ich einen recht interessanten Fund gemacht: Durch Zufall stieß ich in einer juristischen Fachzeitschrift auf zwei Aufsätze aus den Jahren 1957 bzw. 1958, die sich mit der Fragestellung befassten, wer Eigentümer (selbst)versenkter Kriegsschiffe ist. Gemeint waren insbesondere die (selbst)versenkten deutschen Kriegsschiffe der Kaiserlichen Marine und der Kriegsmarine.

Die Hebung von U 2365 im Juni 1956 düfte Anlass für die Veröffentlichung dieser beiden Aufsätze gewesen sein. Dieses Boot wurde nach Instandsetzung von der Bundesmarine als U "Hai" in Dienst gestellt.

Wenn der Eigentümer einer Sache ermittelt werden soll, bietet es sich an, dies chronologisch anzugehen: Es ist also zu fragen, wer ursprünglich Eigentümer der fraglichen Sache war und ob und, wenn ja an wen, er sein Eigentum verloren oder übertragen hat. Es dürfte klar sein, dass Eigentümer von U 2365 – wie auch aller anderen Schiffe der Kriegsmarine – ursprünglich das Deutsche Reich war. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist diese als Rechtsnachfolgerin in die Eigentümerstellung des Deutschen Reichs eingetreten. (Es gibt diverse juristischen Theorien zu diesem Vorgang, die zwar in der Begründung variieren, aber alle zum gleichen Ergebnis führen. Nur ganz vereinzelte, abwegige Meinungen behaupten, das Deutsche Reich würde fortbestehen.)

Sollte also das Deutsche Reich das Eigentum an U 2365 nicht verloren haben, so hätte es die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Gründung erworben. Sofern sie ihrerseits dann das Eigentum bis Juni 1956 nicht durch irgendeinen Umstand verloren hätte, wäre sie im Zeitpunkt der Hebung von U 2365 dessen Eigentümerin gewesen. Dann hätte sie der Bergefirma Beckedorf mit der Zahlung des Lohnes das U-Boot nicht ,,abgekauft", sondern lediglich die Bergungskosten erstattet.

Das Deutsche Reich hat sein Eigentum an U 2365 nicht durch dessen Selbstversenkung am 8. Mai 1945 verloren, denn in diesem Vorgang kann keine Eigentumsaufgabe (Dereliktion, § 959 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) gesehen werden. Eine solche Eigentumsaufgabe, durch die eine Sache herrenlos wird, setzt voraus, dass der Eigentümer in dem Willen, sein Eigentum aufzugeben, seine tatsächliche Herrschaft über diese Sache aufgibt. Mit anderen Worten: Der Eigentümer muss die Sache quasi in der Absicht, diese loszuwerden, wegwerfen. Sofern Kommandanten gegen Kriegsende ihre Schiffe aufgrund eines Befehls versenkten, stellte dies keine Eigentumsaufgabe dar, denn das Reich wollte dadurch die Schiffe nur dem Zugriff der Alliierten entziehen, nicht aber sein Eigentum an ihnen aufgeben. Sofern Kommandanten ihre Schiffe ohne Befehl dazu aus eigenem Antrieb selbst versenkten, fehlte es ihnen an der nötigen Verfügungsbefugnis, um über das Eigentum des Deutschen Reiches disponieren zu können. Auch dadurch hat das Reich sein Eigentum also nicht verloren. So oder so: In jedem Fall der freiwilligen Selbstversenkung – wie auch im Fall der ,,erzwungenen" Versenkung aufgrund feindlicher Einwirkung – fehlte es dem Deutschen Reich an dem Willen, sein Eigentum an den Schiffen aufzugeben. Es ist damit Eigentümer der Schiffe der Kriegsmarine geblieben.

Auch in den Folgejahren hat es sein Eigentum an ihnen nicht verloren. Aufgrund der Besatzung durch die Alliierten konnte es sein Eigentum lediglich tatsächlich nicht ausüben. Diese ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt (§ 856 Abs. 2 BGB) führt nicht zu einem Besitz- und damit auch nicht zu einem Eigentumsverlust. Folglich ist die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Gründung Eigentümerin dieser Schiffe geworden.

Aber auch sie hat ihrerseits das Eigentum an ihnen nicht verloren. Zwar hat sie in den Anfangsjahren ihres Bestehens keine oder nur wenige aktive Schritte unternommen, um ihr Eigentum an diesen Schiffen zu sichern, doch kann dieses Unterlassen nur dann in eine Eigentumsaufgabe umgedeutet werden, wenn sie die Pflicht gehabt hätte, ihr Eigentum zu behaupten. Ein Unterlassen steht nämlich nur dann einem aktiven Handeln gleich, wenn eine Pflicht zum Handeln besteht. Und eine solche Pflicht, sein Eigentum durch aktives Handeln regelmäßig zu behaupten, besteht für einen Eigentümer gerade nicht. Damit war die Bundesrepublik im Jahre 1956 noch Eigentümerin von U 2365. Zu diesem Ergebnis kommen auch die beiden Verfasser der eingangs genannten Aufsätze. (Eine unterschiedliche Auffassung vertreten sie allerdings hinsichtlich der Schiffe der Kaiserlichen Marine: Nach der Meinung des einen Verfassers sei seit ihrer (Selbst)Versenkung eine so lange Zeit vergangen, dass von einer Eigentumsaufgabe auszugehen sei. Insbesondere die Schiffe in Scapa Flow seien damit herrenlos. Dem widerspricht aber der andere Autor.)

Wie dem einen Aufsatz zu entnehmen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland übrigens bei allen Verhandlungen und allen Verträgen immer die Auffassung vertreten, dass sie Eigentümerin der Schiffe der ehemaligen Kriegsmarine sei. Diese Auffassung wurde in einem Urteil des Bundesgerichtshof vom 17. März 1994 (Az. X ZR 80/92) bestätigt: Wie selbstverständlich ging auch dieser davon aus, dass die Bundesrepublik Deutschland Eigentümerin des in der Straße von Malakka gesunkenen U 859 war. Mit Vertrag vom 10. Dezember 1970 hatte die Bundesrepublik Deutschland der Klägerin dieses Verfahrens die Bergung dieses U-Boots gestattet. Von Zweifeln an der Eigentümerstellung der Bundesrepublik ist in diesem Urteil nichts zu lesen. Dies zeigt, dass obige Diskussion doch eher theoretischer bzw. akademischer Natur war.

Wer die beiden Aufsätze nachlesen möchte, hier ihre Fundstellen:

  • Dr. Ewald, ,,Besitz und Eigentum an versenkten Schiffen", in: Monatsschrift für Deutsches Recht (abgekürzt: MDR) 1957, S. 134 ff.
  • Werner Reich, ,,Besitz und Eigentum an versenkten Schiffen", in: MDR 1958, S. 890 ff.

Das oben genannte Urteil des Bundesgerichtshofs ist zu finden in der Neuen Juristischen Wochenschrift (abgekürzt: NJW) 1994, S. 2613 f.

Weitere Urteile zu dieser Thematik:

  • Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12.08.1953, Az. Ss 239/53, in: Schleswig-Holsteinische Anzeigen (abgekürzt: SchlHA) 1953, S. 295 f. (zu einem 1945 von der Kriegsmarine selbstversenkten dänischen Küstenpanzerschiff)
  • Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 02.09.1953, Az. 2 W 282/53, in: SchlHA 1953, S. 265 f. (zu einem nach Kriegsende 1951 gefischten Torpedo der Kriegsmarine)

Viele Grüße,

Karsten
Viele Grüße,

Karsten

Teddy Suhren

Hai

Passt zwar nicht ganz zur Überschrift, aber:
Wem gehört den dann SMS Breslau / Midilli?
Gruß
Jörg

WoWs Nick: Teddy191

Huszar

hmmm..

Deutschland auf keinem Fall, da sie offiziell an das Ottomanische Reich abgetreten wurde. Wenn davon ausgegangen werden kann, dass die BRD Nachfolger des 3.Reiches ist, welches Nachfolger des Deutschen Kaisserreiches ist, kann auch davon ausgegangen werden, dass die Türkei der Nachfolger des Ottomanischen Reiches ist.
Insofern würde sich die Breslau/Midili im Besitzt der Türkei befinden.

Interessanter ist die Sache eher bei der im 1wk untergegangenen kuk-Schiffen.  :-D

Die aktiven Schiffe wurden ja vom letzten Kaiser an die Südslaven-Allianz abgetreten, was ist aber mit Wracks? Ist Österreich und/oder Ungarn Rechtsnahfolger der kuk-Monarchie, oder werden auch Wracks an die Südslaven abgetreten?
Und wenn das Serbisch-Kroatische-Slowenische Königreich->Jugoslawien->Jugoslawische Volksrepublik der Besitzter war, wer ist Besitzter nach dem Zerfall des Landes?  :-D :? 8-)

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Wilfried

... bezogen auf die beiden U-Böte HAI und HECHT - sicherlich die Bundesrepublik als Nachfolger ... wurde ja schon explizit hier und an anderer Stelle erklärt. Viel wichtiger in solchen Dingen ist nicht, wem es gehört, sondern wer bezahlt - das macht das Verständnis einfacher!

Mit einem lieben Gruß
der Wilfried
... Tradition pflegen, bedeutet nicht, Asche aufzubewahren sondern Glut am Glühen zu halten ...
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http://www.forum-marinearchiv.de - wenn Marine Dein Ding ist!

Spee

@Alex,

im Zusammenhang mit "Breslau/Midilli" liegst du, sorry, falsch.
"Goeben", "Breslau" und weitere Schiffe sollten nach Kriegsende an die Türkei verkauft werden. Das wurde im August/September 1917 so beschlossen, aber nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches hat das niemanden mehr interessiert. Im Falle der "Breslau/Midilli" eh egal, da sie als Wrack unter Wasser eh kein Handelsobjekt mehr darstellte. Bis zu ihrem Untergang war "Breslau/Midilli" Eigentum des deutschen Kaiserreiches.
(De facto gehört das Wrack der Bundesrepublik Deutschland, aber das interessiert ebenfalls niemanden  :-) .)
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Teddy Suhren

Hai

Zitat von: Spee am 15 Oktober 2008, 20:33:25
[...]
(De facto gehört das Wrack der Bundesrepublik Deutschland, aber das interessiert ebenfalls niemanden  :-) .)

...wurde mir auch per PN mitgeteilt...vielen Dank Bernd.  :-)
Gruß
Jörg

WoWs Nick: Teddy191

Spökenkieker

Spannendes Thema! Die Rechtsnachfolge und damit der Übergang der Eigentumsfragen ist ja im Grundgesetz geregelt. Delikat ist das insbesondere bei der BLÜCHER, bei dem die Bundesrepublik m. E. nicht unbedingt darauf erpciht ist, für Folgekosten einzustehen.

Ich gestehe: es ist selten, dass die Juristerei so interessant klingt. Danke für die sehr genaue Darstellung des Sachverhalts!

Gruss vom Spökenkieker

Karsten

Hallo zusammen,

gefallen hat mir der Hinweis von Wilfried: Es kommt letzlich darauf an, wer bezahlt ... (Das ist dann die normative Kraft des Faktischen, wie der Jurist so sagt!)

Spöki meint Art. 134 Abs. 1 Grundgesetz - darin steht, dass das Vermögen des (3.) Reiches grundsätzlich Bundesvermögen wird. Geregelt ist darin und in den drei folgenden Absätzen dieses Artikels explizit die Frage, WER Träger des Reichsvermögens wird: der Bund, die Länder oder eine andere öffentlich-rechtliche Einrichtung/Körperschaft. Implizit wird von Art. 134 GG als selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Vermögensübergang als solcher überhaupt stattfindet. Vor dem Hintergrund des Art. 134 GG haben meine obigen Ausführungen vor allem die Frage im Fokus, ob nicht schon das Reich das Eigentum an den (selbst)versenkten Schiffen verloren hat.

Interessant ist die von Spöki aufgeworfene Frage, wer für die Kosten, die diese Schiffe heute noch verursachen, einzustehen hat. Nach einer Meldung in der Stuttgarter Zeitung vom 15.02.2007 beispielsweise soll U 864, das versenkt vor Norwegen liegt, einbetoniert werden, um das Austreten der rund 65 t Quecksilber an Bord zu verhindern. Das ist eine Frage des internationalen Rechts, die zu beantworten ich mir ohne Weiteres nicht zutraue.

Angehängt habe ich Scans der beiden von mir erwähnten Aufsätze - vielleicht ist ja jemand an der Lektüre interessiert. (Hinweis an die Moderatoren: Das schriftliche Einverständnis des Verlages dazu liegt mir vor.)

Grüße,

Karsten
Viele Grüße,

Karsten

kalli

ZitatHinweis an die Moderatoren: Das schriftliche Einverständnis des Verlages dazu liegt mir vor.

ohne jetzt den Inhalt zu kommentieren- sowas gefällt mir sehr und es sollten Beispiele folgen top

Die beiden Texte drucke ich mir aus.

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