Wozu eigentlich braucht's eine Bismarck ?

Begonnen von ufo, 28 Oktober 2005, 14:48:36

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

ufo

Vade retro  :twisted:  ! Das B-Schiff!


Das wollte ich Euch denn aber doch nicht vorenthalten – noch warm vom Druck – Journal of Military History, Oktober Ausgabe:
Timothy Mulligan, "Bismarck; Ship of the Line or Atlantic Raider"

Da gilt es nun etwas auszuholen. Zum Autor: Timothy Mulligan sitzt quasi direkt auf der wohl besten Quelle, die es zur Geschichte der Reichs- und Kriegsmarine Weltweit noch gibt. Der arbeitet in den National Archives, Maryland. Dort schlummern auf tausenden von Microfilmrollen die Unterlagen der Kriegsmarine.
Zur Erinnerung: Als der Krieg den Bach runtergegangen war, gab Grossadmiral Doenitz die Order aus man habe sauber und ehrenhaft gekämpft und verloren. Man habe nichts zu verbergen! Die Vernichtung von Unterlagen sei untersagt!
Damit blieb ein Schatz erhalten: die vollständigen Unterlagen von Kriegs- und Reichsmarine. Und dann – tja – dann kam der Zahn der Zeit und die Tommies. Erstmal rissen sich die Briten den Kram unter den Nagel und brachten den in eine Heidenunordnung. Von dem wüst vermischten Kram machten die Amerikaner sich dann so viele Microfilmkopien, wie sie eben schafften. Das war längst nicht alles zumal die Briten ja die ganze Zeit eifrig Unordnung machten weil sie ständig was schten aber nicht wussten was, wo und warum überhaupt. Dann plünderten diverse Stellen die Archive, um zum Beispiel Material für die Nürmberger Prozesse zu bekommen. Dann wurde das noch dreimal vermischt, vermengt und umsortiert und dann den Deutschen zurückgegeben.
Bei dem Kram, der jetzt im Bundesarchiv liegt fehlt viel, viel weiteres ist einfach nicht auffindbar. Das Microfilmarchiv in Maryland ist vermutlich tatsächlich die vollständigste Sammlung, die noch da ist. Register aber hat auch die nicht.

Da also arbeitet der Gute und guckt sich immer mal die Deutschen Unterlagen an. Er hat da inzwischen die eine oder andere Veröffentlichung über den U-Bootkrieg draus gezogen.
Er hat 2001 ebenfalls im Journal of Military History den Artikel "Bismarck; not ready for Action" zum Besten gegeben. Da zeigt sich dann auch eine Gefahr, die darin besteht wenn ein Ausländer die Geschichte einer anderen Marine zu beurteilen sucht. Er hatte sich seinerzeit die Unterlagen von Bismarcks Schiessversuchen hergenommen und anhand der ja doch eklatanten Mängelliste, die die damals in der Ostsee gefunden haben, gefragt, ob Bismarck nicht eigentlich gar nicht voll einsatzbereit war. Vom Standpunkt eines Amerikaners sicher richtig! Die US Navy hat immer eher einen strategischen Rückschlag hingenommen und dafür Einheiten später aber besser ausgebildet und eingefahren in den Kampf geworfen. (Beispiel der Trägermangel im Pazifik während die Essex Class Dampfer mit einer Eselsgeduld kampfklar gemacht wurden.) Die Kriegsmarine aber ebenso die Royal Navy haben in ähnlicher Situation immer eher das Schiff riskiert um einen strategischen Vorteil zu erringen. (Beispiele hier der Prince in der Dänemark Strasse aber eben auch Bismarck.) Was da einem Amerikanischen Autor als ein ganz unglaubliches und erstaunliches Faktum erschien, war schlicht gängige Praxis – nur eben eine andere Praxis.
Sein Artikel damals ist aber nichtsdestotrotz ausnehmend gut, da er klar die Parallelen von Operation Berlin zu Rheinübung zieht und beide Einsätze gemeinsam betrachtet. Sonst finded sich das in neuerer Literatur eigentlich nur bei Graham Rhys-Jones "The Loss of the Bismarck - An Avoidable Disaster". Deutlich wird das natürlich bei Werken wie Bidlingmaier, "Zufuhrkrieg" aber sowas ist international wenig bekannt und gelesen. Sowas ist wenn ich so recht darüber nachdenke glaube ich auch national wenig bekannt und gelesen.  

Ja – und nun hat Mulligan sich also die ewig alte Frage hergenommen wozu um alles in der Welt man eigentlich eine Bismarck gebraucht hat.
Sehr berechtigte Frage!
Sehr!
In Angelsächsisch deminierten Foren (kbismarck.com, hmshood, in Anklängen auch in Bismarck-class.dk) finded sich meist genau wie in eher reaktionär, revanchisischen Deutschen Kreisen die Vorstellung, dass das Hitlers Überschlachtschiff war, welches die Weltmeere beherrschen sollte. Die Ansicht kommt in verschiedenen Nuancen aber meist so oder so ähnlich daher.

Will man der Frage gerecht werden, muss man schon tief in der Geschichte des Designs von Ersatz-Hannover buddeln."Battleships of the Bismarck Class" von Koop und Schmolke gehen da etwas ins Detail, was die technische Seite des Designs betrifft ebenso Garzke, Dulin. Bei Salewski, "Seekriegsleitung" finded sich etwas über die militärstrategische Seite.
Das alles zusammen aber, gut dokumentiert kenne ich so bisher nicht wirklich.

Nun hat Mulligan es aufgeschrieben. Sehr feiner Artikel! Auch merkt man die vier Jahre zwischen "Bismarck; not ready for Action" und "Bismarck; Ship of the Line or Atlantic Raider". Viel reichlicher taucht Deutsche Grundlagenliteratur (Beispielsweise Artikel in Militärgeschichtliche Mitteilungen ) auf – Kram, der auch bei Salewski in der Literaturliste steht. Das Lesen desselben scheint manches noch etwas besser in den Rahmen gerückt zu haben.


Das Biest hat knapp 4o Seiten. Verzeiht mir dass ich denn jetzt nicht en detail zum Besten gebe.

Er geht im Detail auf die Vorentwürfe ein, auf Diesel, Turbo-elektrisch oder Hochdruckturbinen. Er zeigt anhand verschiedener Quellen die Debatte um die Reichweite auf.
Die Entwicklung in der Kaliberfrage wird nachgezeichnet und die lange, lange Ambivbalenz – was soll das Schiff eigentlich sein, wenn es fertig ist?

Irgendwann stand dann der letzte Entwurf fest und wurde in Stahl und Eisen gehämmert.


Lange herscht innerhalb der Marineleitung Einigkeit, dass die Panzerschiffe den Handelskrieg im Atlantik führen, die Schlachtschiffe D bis G als 'Home Fleet' die Zugänge zur Ostsee und zum Nordmeer sichern. Für den Handelskrieg sind alle vier denkbar ungeeignet!

Langsam dann, getrieben vor allem wohl von Raeder, tauchen die Schlachtschiffe auf einmel auch im Handelskrieg auf. Aber selbst im letzten Kriegsspiel vor dem Ausbruch des Krieges hat das noch unfertige Schlachtschiff F nur die Rolle den Schwestern bei der Ausfahrt ins Nordmeer beizustehen. Handelskrieg im Atlantik führen die Schwestern dann allein.

Und immer finded sich Kritik am Einsatz der Schlachtschiffe ausserhalb von Nord- und Ostsee. Viel zu kurzbeinig! Zu häufig tanken, zu unzuverlässige Maschienanlagen. Zu anfällig gegen auch nur wenige Treffer.
Das sind Aufgaben für Panzerschiffe oder die Schlachtschiffe H bis M. Die Schwestern und Bismarck und Co sind dazu wenig geeignet! Raeders Lager ignoriert die Einwände entweder oder stellt Gegenthesen auf. Doch, doch – das geht schon!

Mulligan hat auf einem Microfilm reel eine erste Version von Kapitän Heyes England Denkschrift aufgetan. Sehr spannend! Da heist es noch sehr deutlich dass die Schlachtschiffe D, E, F und G im Kriege gegen England praktisch keine Rolle zu spielen haben.
Würde einer von denen sich im Atlantik herumtreiben, so würde der wenig erreichen und dann wohl verloren gehen. Prophetisch! Tauchtin der Endversion aber nicht mehr auf.
Da wird den Dampfern dann eine Rolle im Zufuhrkrieg regelrecht aufgedrängt!

Spät werden die Schlachtschiffe dann mehr und mehr an die Rolle im Handelskrieg adaptiert. Torpedos gehen an Bord oder in Bismarcks Fall – sollten an Bord gehen.

Was noch?
Es gibt eine Studie der Kriegsmarine 'Bismarck versus Richelieu'. Spannend! Das wäre ja doch nun sehr erhellend, wenn man die ma' irgendwo auftun könnte. Da würd' man viel von lernen können über Selbsteinschätzung, über Schwerpunkte, die gesetzt und Kompromisse, die gemacht worden sind. Da darf man doch hoffen, dass die Studie mal irgendwo in Druck geht.  

Der Schluss ist nicht unerwartet oder neu aber gut dokumentiert und belegt: Graf Spee war ein Raider, der die Aufgaben eines Raiders erledigt hat und letztendlich einem kalkulierten Risiko zum Opfer gefallen ist.
Bismarck war ein Schlachtschiff, mit den Kompromissen eines Schlachtschiffes, manche gelungen andere unglücklich. Für die Operation, der sie letztendlich zum Opfer fiel war sie nur mässig gut geeignet.
Das sie die Operation überhaupt fuhr, lag in einer unglücklichen Mischung aus Sachzwängen und Wunschdenken innerhalb der Kriegsmarine, vornehmlich bei Admiral Raeder selbst.  

Lesenswerter Artikel! Echt!


Ufo


P.S.
Als ob es nicht genügend Bücher zum B-Schiff gäbe (Anatomy of the ship is' grad raus), bin ich fast sicher, dass Timothy Mulligan auch ein Manuskript in der Schreibtischschublade hat. Man darf gespannt sein. Der weiss wovon er schreibt!

Ralf

Wo bekommt man den?

Auch eine super Artikel von Dir. Aber da wiederhole ich mich... :-)
Gruß
Ralf
___________________________________________
,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

harold

Danke, Danke, Danke!

Wenn ich so deine Zusammenfassung lese, merk ich wieder mal, welche Gabe Naturwissenschaftler haben (und du im Besonderen):
Verkürzt, aber nicht verstümmelt wiederzugeben.
Ein Kondensat, und kein Kastrat!

Ciao,
Harold

(ich send dir noch was Physikalisches offboard)
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Peter K.

Hallo UFO!

Herzlichen Dank für deine lesenswerte Zusammenfassung!

Leider kenne ich den von dir erwähnten Artikel von Timothy Mulligan, "Bismarck - not ready for action" nicht, aber als ich vor einiger Zeit den mir vorliegenden AVKS-Bericht vom 31.05.1941 (!!!) über die Artillerieversuche auf BS durchblätterte, fiel mir auf, unter welchem Zeitdruck diese Erprobungen durchgeführt wurden.

Die Versuche in See begannen beispielsweise erst am 19.03. und dauerten nur bis 02.04. - die durchgeführten Schießübungen mußten daher vorwiegend für die Ausbildung des Besatzung und zur Herstellung der materiellen Einsatzbereitschaft der gesamten Artillerieanlage benutzt werden. Alle Versuche, die für die Weiterentwicklung vorgesehen waren, und das Treffbildschießen zur Feststellung der Batteriestreuung mußten aber gestrichen werden!

Soweit meine schnellen Anmerkungen dazu ...

Grüße aus Österreich
Peter K.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Reiner

@Ufo
Also meiner Sicht waren die deutschen Schlachtschiffe vollkommen unnötig. Es gab einfach keinen Einsatzraum für Sie. Ich hab bis jetzt noch nie verstanden wozu man die überhaupt gebaut hat. Maximal als Statussymbole für ein paar grössenwahnsinnige Welteroberer? :?
Als Raider waren sie nicht konzipiert und auch nicht einzusetzen und nur um Nord- und Ostsee zu verteidigen waren sie ein bisschen überdimensioniert. Aber darüber kann man aus heutiger Sicht endlos diskutieren, im Endeffekt führt das alles zu keinem vernünftigen Ergebnis.
Und zum Schluß noch der immer passende Satz : Aber schön waren sie!!

Gruß
Reiner

Scheer

Ich versuche diesen Thread wieder an seine Wurzeln zu führen.
Daher hab ich schon mal einiges abgetrennt.
Er bleibt aber vorrübergehend gesperrt, da noch einiges wieder eingebaut werden muß.
Sorry für die Verzögerung.

Scheer

Nachfolgend die zum Thema passenden Antworten, die bei der Teilung verloren gingen:


Zitat von: MarioDanke ufo, was wäre das Forum nur ohne Dich... ???

Wie wohl der Artikel ausgefallen wäre, wenn die Bismarck nicht die HMS Hood, sondern z.B. die USS North Carolina versenkt hätte ???
Wenn man über Sinn und Unsinn eines Einsatzes als Raider nachdenkt, muß man aber auch bedenken, daß die Deutschen zum einen nix anderes hatten und zum anderen keine anderen Einsatzmöglichkeiten für ihr neues Schlachtschiff. Also mußte sie raus in den Atlantik.
Letztendlich ist sie in die Kriegsgeschichte als das Schiff eingegangen, daß die HMS Hood vernichtet hat und anschließend einer Übermacht und dem Zufall erlegen ist. Die Tirpitz hingegen war lediglich die "gejagde Königin".
Stellt Euch doch mal vor, die Briten hätten aus irgendwelchen Gründen 1905 ihre gesamte Navy in der Mitte des Atlantiks versenkt. 1907 bricht der 1.Weltkrieg aus. Dann würden sich heute alle fragen, wozu sie denn nur ihre HMS Dreadnought gebaut haben.


Zitat von: Ufo@Mario
Wenn ich mir die Arbeiten von Timothy Mulligan zu den Deutschen U-Booten anschaue, habe ich nicht den Eindruck, dass seine Arbeit anders ausgefallen wäre, wenn das B-Schiff sämmtliche Carolinas und Dakotas versenkt, und danach die Freiheitsstatue in den Matsch des Hudson gerammt hätte.

Die Arbeit bezieht sich sehr ausdrücklich auf die Zeit bevor Bismarck auch nur den ersten Schuss abgegeben hat und abgesehen von eher unrümlichen Ausnahmen gehen die meisten Historiker solche Fragen doch eher unparteieisch an. (Nicht ohne die Einflüsse und Strömungen ihres Umfeldes natürlich! Jeder ist ein Kind seiner Zeit! Das muss man schon bedenken bei Büchern und Artikeln! Aber ich denke "Abrechnungsgeschichte" gibt es eher wenig und Mulligan gehört meines Erachtens nach nicht dazu.)



Die Reichsmarine stellt schon eine ungewöhnliche Marine dar als eine Einheit, die durch fast die gesammte Zeit der Republik keinen vom Parlament oder der Regierung definierten militärischen Auftrag hatte. Deren strategische Konzepte, deren Aufgabenstellungen, deren potentielle Gegner, das haben die alles selbst gemacht. Das ist schon ein sehr ungewöhnlicher Zustand in der Geschichte von Seestreitkräften.
Auch in der Anfangsphase der Diktatur hat die Marine dann eigentlich Schalten und Walten können wie's beliebte. Mit all den Problemen, die daraus erwuchsen!
Es wäre sehr interessant zu spekulieren, wie die Kriegsmarine ausgesehen hätte, wenn da jemand 1933 mit harter Hand alles auf die Kriegsziele der Nationalsozialisten getrimmt hätte! (Appeasement gegenüber dem Empire, Küstenschutz und Krieg gegen die Sovietunion) Ganz, ganz anders, ohne Zweifel!

Aus der relativ führungslosen Zeit stammt das Schlachtschiff F. Die Konzeption, die Rahmenbedingungen aber auch Detaillösungen, das alles stammt von einer Marine, der eigentlich keiner gesagt hat, was sie denn in einem Krieg mal machen soll.
Verheizt worden ist das Schiff dann in einem Krieg dessen Natinoalsozialistische Ziele die Seekriegsleitung zumindest bis zum Übergang zur Führung durch Doenitz offenbar überhaupt nicht begriffen hat.
Ich hatte das anderswo ja schonmal angedeutet. Die haben überlegt, wie man das Empire in die Knie zwingt, das Mittelmeer erobert, Stützpunkte in Afrika und Asien erringt und den Britischen Einfluss in Afrika zurückdrängt, während der Rest im OKW 'Barbarossa' geplant hat. Die waren ganz lange im falschen Krieg bei der Skl. Es ist nicht so überraschend, dass sie dann auch mit den falschen Schiffen angetreten sind.


Timothy Mulligan geht der spannenden Frage nach wofür war Bismarck den nun eigentlich gedacht. Wie hat sich das entwickelt. Welche Einflüsse und Fraktion innerhalb der Reichs- und Kriegsmarine hat es da gegeben?

Und – nun – da steht Schlachtschiff F (in der Frühphase der Entwicklung bezeichnenderweise in einigen Quellen noch Panzerschiff F) dann wirklich als ein Schiff der 'Home Fleet' da. Ein Schiff, welches die Deutsche Kontrolle über die gesammte Nordsee gerantieren soll, den Kanal gegen Französische Durchbrüche sichern und natürlich die Ostsee zum 'mare nostrum' machen soll.
Und dann – während noch geplant und designed wird, taucht das Schiff auf einmal als Teil der Panzerschiff-Flotte auf und bekommt mehr und mehr Handelskriegsaufgaben zugewiesen.
Gegen den Rat und den Widerstand von Teilen der Marineleitung.

Ja und spannend ist dann wirklich wie es in der ersten Version der England-Denkschrift keinerlei Rolle zu spielen hat und dann in der Endversion auf einmal eine Art Westentaschen H-Klasse wird ... nur leider ohne deren Maschienen und deren Tanks.


Ich denke die im Fleuzer Thread herausgearbeitete Charakteristik schwerer Deutsche Einheiten jener Zeit als eierlegende Wollmilchsau in See zu stechen, reflektiert zu einem gewissen Grade die Unsicherheit der Marineleitung darüber was die Dampfer eigentlich ma' machen sollten.

Für jede Eventualität gerüstet zu sein klingt zwar attraktiv, gibt aber gegebenenfalls auch einfach nur ein überkompliziertes und überladenes Schiff.

Ufo


Zitat von: Spee@ufo,

widerspricht der Artikel von Mulligan dann nicht der Mär vom hervorragend eingefahrenen deutschen Schiff? Mir deucht, daß "Bismarck" eigentlich garnicht richtig eingefahren war und das die "Tirpitz" zu diesem Zeitpunkt unter keinen Umständen einsatzbereit war. Das gern gemalte Szenario, daß beide Schiffe zusammen hätten zur Operation "Rheinübung" auslaufen sollen, hätte dann wirklich zum absoluten Fiasko werden können, oder nicht?


Zitat von: UfoZwei Anmerkungen noch zum Thema:

@Rainer

Ich stimme Dir im Wesentlichen zu, dass die Schlachtschiffe der Kriegsmarine eher keinen definierten Aufgabenbereich zu haben scheinen.
Nur (!) die grössenwahnsinnigen Welteroberer, die sich damit schmücken könnten, waren noch weit weg von der Macht, als die Schlachtschiffe angedacht wurden. Und selbst von 1933 bis wenigsten 1936 sehe ich den Einfluss der Nationalsozialisten auf die Baupolitik der Reichs-, Kriegsmarine als eher marginal an.

Ich finde es spannend den Ideen und Denkweisen derer zu folgen, die diese Schiffe (trotzdem) entworfen und gebaut haben und ich finde der in der Einleitung vorgestellte Artikel bringt zumindest ein wenig Licht in die Sache.

@Spee

Ich denke nach Deutschen Standarts war Bismarck einsatzbereit. Klar würden die Designer immer noch gern länger an irgendwelchen Problemen rumfizzeln, wenn man sie liesse und natürlich hatte sie 'nur' eine eingefahrene, keiner erfahrene Crew. Aber irgendwann muss man jedes Schlachtschiff mal in eher feindliches Wasser schmeissen.
Ich denke schon, dass die Entscheidung sie loszuschicken von Bismarcks Ausbildungszustand und technischer Erprobung korrekt war. Bliebe die Frage ob man auf bessere Rahmenbedingungen (Gneisenau, Scharnhorst, Tirpitz etc.) hätte warten sollen.

So – ich denke ich mach hier ma' Schluss.

Ufo



Zitat von: Spee@ufo,

he, Flucht gilt nicht Smile !
Es ist nun mal so, daß sich hier die Geister scheiden und man viele Aspekte einbringt, passend oder nicht. Ich diskutiere z.T. stundenlang mit John darüber, obwohl die eigentliche Frage sich auf "Weserübung" bezog. Es ist ein schwieriges Fahrwasser, da sich oft Märchen und Wahrheiten vermischen.
Steht deine Frage nach dem Sinn der "Bismarck" nicht stellvertretend für "Graf Zeppelin" oder "Prinz Eugen"? Für alle drei Schiffe wurde der Bauauftrag am selben Tag vergeben.
Nur was wollen wir eigentlich mit diesen Einheiten? Die Schiffe passen so garnicht in unser bisheriges Konzept. Oder war es die Gier, jetzt aber mal schnell große Schiffe her, jetzt können wir wieder?

harold

Zur Geschichte der Entwürfe:

1) meines Wissens (ich lass mich da gerne korrigieren!) beginnt die Chose ja schon früher ... mit "D" und "E". "Das verbesserte Panzerschiff" war ja keins...

Zuerst die Studien, wie man schneller und "Dunkerque"-angemessen gepanzert/bewaffnet aus 17.500 ts noch 34 kn herausholen könnte, und dabei noch 8 X 30.5cm tragen - da gehts ja schon los mit der eierlegenden Wollmilchsau!

-Entweder schneller sein, wesentlich schneller als der zu erwartende Gegner; und diese Schnelligkeit auch panzerungsmäßig entsprechend schützen ... ist das Konzept "tip-and-run" eines Raiders; und der rechnerische sowie erprobte Geschwindigkeitsüberhang einer Dunkerque gegen eine Spee war grad mal ein (!) Knoten [29.5 vs. 28.5 kn]. Also mit a bissl Rumpf- und Maschinentuning bekommt man das locker hin.

-Oder artilleristisch/panzerungsmäßig dem zu erwartenden Gegner annähernd ebenbürtig sein ... aber dafür an Geschwindigkeit nicht sonderlich zulegen, vielleicht bis hin an 30, 30.5 kn ... aber bitte (!!) nicht 34 kn, das bedingt eine "Explosion" der benötigten Leistung, des dafür benötigten Gewichts, etc etc...

2) BEIDES zu wollen, zeigt ein weitgehendes Missverstehen der ursprünglichen Konzeption - entweder will ich einen quicken, ausdauernden Raider, der gegen Kreuzer bestehen kann, oder ihnen sogar davonlaufen; und dem schnellsten Gegner mit gefährlicherer Artillerie allemal noch entwischen kann; oder ich will ein "kleines Schlachtschiff" ohne definierte Aufgaben.

Im ersten Fall bau ich eben ein "verbessertes" Panzerschiff, "verbessert" was Geschwindigkeit und Standfestigkeit gegen Kreuzer angeht.
Aber keinen "leichten Schlachtkreuzer", wie ihn der Entwurf 34 vorsieht.

Dass (Fall2) aus einem solchen Entwurf dann (konsequenterweise) 35 eine SH/GU wird ... zwar flink (31.5 kn), und gut gegen französische 33cm gepanzert, aber im Vergleich zu den Panzerschiffen von zweifelhafter Fahrstrecke...
... hier liegt meiner Meinung nach der Abzweigepunkt zu zwar schönen, doch im strategischen Konzept extrem unpraktischen Schiffen.

3) Soweit mal zu den Vorläufern von "F" und "G".
Nicht nur das technische, sondern gerade das strategische Konzept von "welches Schiff brauchen wir" scheint schon 1934 mit den 17.5oo-ts-Entwürfen auf eine Bahn gelenkt, die "magisch" auf Schiffe hinzielt, welche im Konzept eines atlantischen Zufuhrkrieges nur noch bedingt tauglich sind, und die als Herausforderer oder Verteidiger in nahen Gewässern schlicht überdimensioniert sind.

Mir ist die Quellenlage über die Nachfolge-Entwürfe zu "C" noch zu mager (2 x Breyer, 1 X Garzke/Dulin), aber vielleicht hat jemand was Substantielleres, um dieser Spur mal nachgehen zu können, WER da um 34 der Meinung war, man "müsse" beide Entwurfslinien unbedingt mit EINER Antwort zufriedenstellen.

MfG
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

ufo

@Spee

Ich sehe die Graf Zeppelin schon etwas als einen eigenen Entwicklungszweig. Ich kenne keine richtig frühen Quellen, wo zum Beispiel gleich angedacht gewesen wäre Schlachtschiff F und Träger A zusammen einzusetzen.
Da würden vergleichbare Fahrbereiche, plus/minus identische Maschienanlagen und so ja Sinn machen. Hat es aber glaube ich so nicht gegeben.

Jemand von uns – ich glaube Mario – schrieb irgendwo mal die Hippers seien gebaut worden, weil alle anderen auch Washington Type Cruiser hatten. Klingt skuril aber in gewissem Masse wirkt das wirklich so.
Ich kenne aber wenig aus der Frühphase der Entwürfe für die schweren Kreuzer. Ich sehe die ganz klar als 'Home Fleet' Schiffe. Ich denke die sollten den Franzosen einen Durchbruch in die Ostsee verleiden, um eine 'Brücke' Frankreich Polen zu verhindern. Ich denke die waren ein wenig Säbelrasseln gen Sovietunion. Und ich denke die sollten die Deutschen Einfuhren vom Englischen Kanal bis Narvik sicherstellen.
Ist schon ein wenig ein Treppenwitz der Geschichte das ausgerechnet einer von denen es geschafft hat zweimal auf Kriegszug im Atlantik zu gehen und dabei eine vorgeschobene Basis zu nutzen.

Aber ich denke die Entwicklung von Schlachtschiff F ist eher parallel gelaufen als mit Graf Zeppelin und Hipper Klasse eng verknüpft.

@Harold

Stimmt – viele Weichen sind schon von Panzerschiff C nach D gestellt worden. Ja – da hat denke ich die Duinkerque kräftig Druck gemacht. Ohne die hätte man glaube  ich mehr auf die Weiterentwicklung der Diesel gesetzt, nicht so viel Panzerung verbaut und mehr Fahrbereich genommen.

Ich finde das ist ein klassisches Beispiel für Rüstungswettlauf, der manchmal das Zweitbeste favorisiert. Selbst mit den Duinkerques waren ja denn auch 'nur' zwei Schiffe mehr unterwegs, die ein 'altes' Panzerschiff einholen und zusammentreten konnten.
Das Empire sollte eigentlich sowieso kein Gegner sein zu der Zeit, damit kann man die drei alten Schlachtkreuzer eigentlich aus der Rechnug herauslassen. Aber ich bin ziemlich sicher, dass sich Dieselantrieb für Panzerschiff D erledigt hatte mit den Französischen Neubauten.

Auffallend ist ja, dass D im urprünglichen Entwurf genau wie die anderen Panzerschiffe zwei (!) Drillinge hatte. Sie ist ja sogar zweimal auf Kiel gelegt worden. Einmal im Februar 1934 und nachdem der Entwurf im Sommer 1934 auf draengen von Raeder selbst überarbeitet worden ist und man den dritten Turm eingeplant hatte, hat man sie wieder abgerissen und 1935 nochmal auf Kiel gelegt.
Dabei wäre der erste Entwurf ja genau, was Du schriebst ein Schiff welches schneller, nicht aber kampfstärker ist, als eine Duinkerque. Eben ein Panzerschiff.

Und – Ja – da hast Du sicher recht. Mit Panzerschiff D entsteht schon ein Mischtyp zwischen Raider und 'Home Fleet' Schlachtschiff.

Ich denke die Französchen Bauten haben einen sehr direkten Einfluss auf die Deutschen Bauten gehabt.

Auch die Tatsache, dass man bei der Kriegsmarine eine Studie anfertigte, die Richelieu en detail mit Bismarck vergleicht, macht deutlich, dass man Frankreich als den potentiellen Gegner Nr. 1 und als Messlatte, die es zu überwinden galt ansah.

Ciao,
Ufo

Ralf

@Ufo: Sag mal, kann man diese Studie irgend wo einsehen?
Gruß
Ralf
___________________________________________
,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

ufo

Die Studie wurde erstellt von Chef des Hauptamtes Kriegschiffbau an die Skl auf Anforderung Raeders hin, heisst "Vergleich zwischen Richelieu und Bismarck" und datiert vom 13. März 1941.
Eine Kopie liegt in den National Archives, College Park, Maryland unter
T1022/2103/PG 33570
Also: T1022 sind die von den Deutschen erbeuteten Marineunterlagen.
Die 2103 gibt die Rolle an, wo das liegt und 33570 ist dann die Seite auf der entsprechenden Rolle.

Ich kenne keine Abschrift der Studie in irgendeiner Publikation.

Tja – man kann hoffen und warten, ob jemand das mal in sein Buch mit rein nimmt oder man muss investieren.

Man kann sich Kopien von Microfilmrollen zuschicken lassen. Kostet nur ein kleines Vermögen. Dann muss man damit in die nächste Bücherei, die ein Lesegerät hat. Ich tippe mal Flensburg in Deinem Falle und dann kann man lesen, lesen, lesen, lesen.
Man bekommt halt immer eine komplette Rolle. Kopien von Auszügen machen die nicht gern.  

Ufo

Ralf

Aha... Hast Dú auch eine Adresse von dem Laden? Ich werde mal ganz dumdreist fragen...
Gruß
Ralf
___________________________________________
,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

ufo


Ralf

Puh ist mein English eingerostet... Ich habe da mal ganz dumm hingeschrieben... Mal sehen, ob die sich überhaupt melden...
Gruß
Ralf
___________________________________________
,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

Graf Luckner

@ Ralf :

und wenn Du wider Erwarten Deine Kopie bekommst(auch wenns ein kleines Vermögen kostet,was ja nichts macht,denn es ist ja net UNSER Geld :D ),dann sei doch bitte so freundlich,alles auch hier einzuschreiben...
Was hälste davon?Ich denke,da wären viele hier für zu haben...
Sind doch NUR 33570 Seiten :D  :D  :D

Gruß Joe
Überlege,bevor du redest-
die meisten Kriege fingen
mit einem falschen Wort an...

Impressum & Datenschutzerklärung