Volumensberechnung Unterwasserschiff

Begonnen von harold, 23 Oktober 2005, 21:24:37

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harold

Schiffbauer schrieb, anlässlich der Volumensberechnung im Fleuzer-thread:

,,Ist Dir die Simpson-Regel bekannt ( Volumen- und Schwerpunktsberechnung von unregelmäßigen Volumenkörper, wie z. B. Schiffsrümpfe)?"

Da hat er mich also wieder mal gekitzelt, dass ich was drüber schreibe, wetten?  :)  , also :

Ein Schiffskörper ist zwar spiegelsymmetrisch, was seine Breitendimension angeht, aber das war´s auch schon.
Jeder (Konstruktions-)Spant schaut anders aus, am Bug sind die horizontalen Linien in der Draufsicht feiner zulaufend als am Heck ... –und sowas nu berechnen?? Berechnen??

Stellen wir uns den Schiffskörper idealerweise vor wie einen Brotlaib, an der einen Seite platt, an der anderen gewölbt. Schneiden wir ihn ihn Scheiben, so können wir für jede Scheibe die Breiten- und Höhendimensionen an beiden Seiten abmessen; daraus nehmen wir jeweils die Mittelwerte.
Die Scheibendicke ist ebenfalls jeweils gleich –
- mittlere Breite x mittlere Höhe x Scheibendicke ergeben uns eine Brotscheibe/Schiffs-Scheibe von definierter Breite/Tiefgang/Längenanteil, ---aber halt: unser Brot hat ja keinen rechteckigen Querschnitt (kein Toast, diesmal), sondern ist einseitig abgerundet-?

Da hilft der jeweilige Spantkoeffizient, der aussagt, wieviel Prozent eines Rechtecks Breite x Tiefgang ein Spant wirklich ausfüllt.
Wie man zu diesem Koeffizienten kommt? Per ,,linearer Optimierung", dh. gerade Schnitte führen, die jeweils ein Dreieck vom Ausgangsrechteck BxT wegschnitzeln. Wer mag, macht das beim nächsten Toast mal als Portionierungstechnik...

...also dieser Spantkoeffizient liegt immer irgendwo zwischen 0.5 (das wäre ein Dreieck mit Breite x Tiefgang x ½; oder eine Toastscheibe mit "Tortenstück-Anmutung") und 0.95 (eine Toastscheibe, von der du nur zwei kleine Spitzln abgeschnitten hast).
Nachdem nun klar ist, wie man Leute am Frühstückstisch zum Wahnsinn treiben kann:
In der Realität sind Werte um 0.63 bis 0.8 recht günstig (sag ich nur auf Anfrage, warum – weil sonst verzetteln wir uns hier ganz gewaltig).
Mit diesem Koeffizienten wird unsere rechteckige Scheibe einfach multipliziert.

Nachdem wir nun wissen, wieviel jede Scheibe wiegt/verdrängt : einfach aufaddieren, wie ein aufgeschnittenes Brot; das war´s.

Genauso einfach können wir nun für jede Scheibe den Schwerpunkt ermitteln, die (,,Brotrinden")-Oberfläche und sonst noch Gewünschtes.

Die Mathematik hat andere Begriffe dafür; Stützstellen, Teilintervalle, Funktionen -
– bleiben wir hier mal beim Wecken Brot und bezeichnen die oben skizzierte Methode als TRAPEZ-REGEL (weil die Brotscheibe von der Rindenseite her nie so richtig rechteckig aussieht).

Natürlich kann ich mein Baguette auch quer aufschneiden ... und quer berechnen ... dies tat ein Monsieur Fermat aus Lyon (ein Anwalt mit Mathematik-Hobby, so um 1640), und der´s als erster praktisch anwandte, hieß Simpson, also nennen wir die Berechnung quer zum Brot (oder über je 0.5 der Nachbarstützpunkte) SIMPSON-REGEL.

Beide Verfahren geben immer ein Ergebnis leicht unterhalb der realen Werte, darum heißen sie Näherungsverfahren...
In je mehr Scheiben ich mein Brot aufsplitte, desto genauer sind jedoch die Ergebnisse. In der Praxis nimmt man Vielfache von 10;  16-32-64-usw ist nur mein persönlicher spleen für Zweierpotenzen.
Für exaktere Werte bewährt sich die Simpson-Regel, brauchbarer für den Alltag ist die Trapez-Regel.



Die Skizzen hier  können diese Zusammenhänge verdeutlichen, hoffe ich.

Wie immer, Rückfragen -falls ich was unzureichend rübergebracht habe!- und Kritik willkommen;
und die ganz strengen Mathematiker bitte ich die brotmäßig hausbackene Vereinfachung von numerischer Integration gütlichst zu pardonnieren :)

Ciao,
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Peter K.

HAROLD, ich gratuliere zu deinen, wieder einmal seeehr anschaulichen Ausführungen zur TRAPEZREGEL bzw. SIMPSON-REGEL!

Zu letzterer vielleicht noch ein paar Ergänzungen für jene, die sie ´mal ausprobieren möchten:

Wichtigste Voraussetzung zur Anwendung der SIMPSON-FORMEL ist die Teilung in eine GERADE Flächenanzahl, was die Festlegung einer UNGERADEN Anzahl von Konstruktionsspanten erfordert.

Möchte man beispielsweise die Fläche der Konstruktionswasserlinie (Wasserplan) eines 220 m langen (in der KWL) und 24 m breiten (auf Mallkante Spant) Schiffes berechnen, teilt man die Länge durch 21 Konstruktionsspanten in 20 gleich breite Abteilungen zu je 11 m (220/20).

Dann werden die einzelnen Konstruktionsspanten zunächst nur für das halbe Schiff, d.h. mit der halben Breite derart aufgetragen, dass die Endpunkte eine schön strakende Kurve ergeben.
Für den Konstruktionsspant 10, wo üblicherweise der Hauptspant liegt, würde man also in diesem Beispiel 12 (24/2) einsetzen.

Wenn man für oben errechnete Abteilungsbreite die Variable d einsetzt und die einzelnen Konstruktionsspanten mit y0 bis y10 durchnummeriert, lautet die vollständige Formel für den gesamten Wasserplan

4d/3 * (y0/2 + 2*y1 + y2 + 2*y3 + y4 + 2*y5 + y6 + 2*y7 + y8 +2*y9 + y10/2)

Grüße & Gute Nacht
Peter K.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

harold

Schönen Dank, Peter;

oder auch allgemein:
J(s)  =  (b-a)/6n  [y.0 + 4*y.1 + 2*y.2 + 4*y.3 + 2*y.4 + ... y.2n]  
und trapezoid vereinfacht:
J(t)  =  (b-a)/2n  [y.0 + 2*y.1 + ... + 2*y.n-1 + y.n]  ...

...doch ich meine, mit derlei verschrecken wir jeden Normal-Anwender ganz ganz fürchterlich!!

Also ich bleibe mal brav bei meinen Brotscheiben ... u.a. weil ich in Zukunft ja auch noch Marmelade drauf tun möchte, d.h. Maschinen-, Panzer- und Turmgewichte. Und durchs Wasser ziehen möcht ich meinen Rumpf ja auch noch, und schaun, was für Wellen er macht.

Also vorerst die scheue Rundumfrage: sind die beiden Marinebauräthe
(oder -ratten)  da jetzt zu weit vorgaloppiert  :)  ?

MfG
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

schiffbauer

@ Harold, Peter K.

Gratuliere, das habt Ihr schön erläutert ! (Das meine ich ernst!)

Mit diesem Rechenverfahren kann man letztendlich schnell und mit genügender Genauigkeit die Hydrostatik auf der Basis des Linienrisses berechnen. Das haben wir früher (in der Vor-Computerzeit) bei unseren Projekten gemacht und sind dabei nicht schlecht gefahren.
Ich würde sie auch heute noch anwenden, wenn mal kein Computer greifbar ist.

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