z. Zt. kein guter Stern über der "Gorch Fock"

Begonnen von t-geronimo, 04 September 2008, 17:28:42

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ede144

@juestr

ich finde deinen Beitrag interessant und lese gerne mehr, aber mit diesem Satz
Zitat von: juestr am 22 Februar 2011, 16:00:46
Tatsache ist aber auch, dass mir heute kein Beruf bekannt ist, in dem unter so objektiv gefährlichen Randbedingungen gearbeitet werden darf.. Kein Handwerker, keine Feuerwehr, kein Schornsteinfeger, niemand.


liegst du etwas daneben. Alleine die Feuerwehren in Deutschland wären froh in den letzten 12 Jahren nur zwei Tote gehabt zu haben. Deshalb ist dieses Heldentum vielleicht etwas übertrieben.

Gruß

Thomas

t-geronimo

Hallo juestr und Herzlich Willkommen an Bo(a)rd!  :MG:

Interesse vorhanden!!  :O/Y
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

juestr

Zitat von: ede144 am 22 Februar 2011, 16:37:01
@juestr

ich finde deinen Beitrag interessant und lese gerne mehr, aber mit diesem Satz
Zitat von: juestr am 22 Februar 2011, 16:00:46
Tatsache ist aber auch, dass mir heute kein Beruf bekannt ist, in dem unter so objektiv gefährlichen Randbedingungen gearbeitet werden darf.. Kein Handwerker, keine Feuerwehr, kein Schornsteinfeger, niemand.


liegst du etwas daneben. Alleine die Feuerwehren in Deutschland wären froh in den letzten 12 Jahren nur zwei Tote gehabt zu haben. Deshalb ist dieses Heldentum vielleicht etwas übertrieben.

Gruß

Thomas

Hallo Thomas,
vielleicht habe ich mich bei diesem Satz mißverständlich ausgedrückt, vielleicht muß ich auch Rettungsdienste im Einsatz ausnehmen.
Ich will sagen, daß sich niemand, auch (vermutlich) nicht die Feuerwehr,
beruflich so leichtsinnig (nicht heldenhaft) und "gezwungenermaßen" auf dünnen Stahlseilen in großen Höhen ungesichert bewegen darf.
Und schon garnicht als Anfänger am ersten oder zweiten Tag.

Bei den harmlosesten Malerarbeiten an meiner Hausfassade, bei Arbeiten an der Dachrinne....,
muß immer erst (zu Recht) ein Gerüst mit Netzen gebaut werden, obwohl es mich nervt.

Also nicht Heldentum, sondern (überspitzt) unverantwortliche Dummheit nach heutigen Maßstäben
Gruß
Jürgen

Trimmer

Hallo Jürgen - schön hier auch mal was "direkt aus dem Nähkästchen " zu lesen - also bitte weiter machen

Trimmer - Achim :MG:
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Karlchen

Ich denke die Arbeitsbedingungen auf der Gorch Fock (generell auf Segelschiffen) sind ziemlich einzigartig. So kann man sie nur sehr schwer mit den Gefahren anderer Berufen unterscheiden. Was jedoch Sinn machen würde wäre ein Vergleich mit den Segelschulschiffen anderer Nationen. Weiß jemand ob auf den Segelschulschiffen anderer Länder eine ähnliche Anzahl an Todesfällen im Laufe der Einsatzzeit zu beklagen ist?

mhorgran

Hallo juestr

für eine Landratte wie mich sehr interessant und auch ich würde gerne weiterlesen.  top
"Wer an der Ukraine-Erzählung zweifelt, der gilt als Feind des Westens als Freund Russlands, als Gefahr für die Demokratie, wird diskreditiert, zensiert, eliminiert."
https://sciencefiles.org/2022/03/28/kriegsverbrechen-in-der-ukraine-von-den-angeblich-guten/

ufo

Zitat von: Karlchen am 22 Februar 2011, 19:03:51
Ich denke die Arbeitsbedingungen auf der Gorch Fock (generell auf Segelschiffen) sind ziemlich einzigartig. So kann man sie nur sehr schwer mit den Gefahren anderer Berufen unterscheiden. Was jedoch Sinn machen würde wäre ein Vergleich mit den Segelschulschiffen anderer Nationen. Weiß jemand ob auf den Segelschulschiffen anderer Länder eine ähnliche Anzahl an Todesfällen im Laufe der Einsatzzeit zu beklagen ist?

Die Frage hatte Ulrich schon gestellt als das Thema grad aufkam.

http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,13844.0.html

In dem Thread werden einige Faelle genannt. Die Liste ist beliebig fortsetzbar: Museums Schiff Star of India im letzten Jahr toetlicher Sturz aus der Takelage, in 2006 erwischte es einen Matrosen des Schooners Alabama vor Martha's Vineyard. 

Doch, doch – das ist schon nichts so schrecklich Ungewoehnliches. Aber es ist halt schon was Schreckliches.
Aber wenn man mal den ganz Dreck von der Geschichte  abkratzt, die Profilierungsgelueste einiger Zeitungen abrubbelt, die Tuenche der Rechtschaffenen Empoerung abwischt, dann bleibt eigentlich ein recht banaler Vorgang:

Die Gorch Fock hat im Laufe ihrer langen Dienstzeit einige wenige Besatzungesmitglieder aus der Takelage verloren. Auffaellig ist, dass sich diese Unfalle in ihren letzten Dienstjahren haeufen. Die logische Folgerung ist, dass die Seekadetten den koerperlichen Belastungen weniger gewachsen sind als das frueher der Fall gewesen ist.

Hier nun haette es eine nuechterne Untersuchung gebraucht. Sind in der Ausbildung Kuerzungen vorgenommen worden, die ein Risiko herbeigefuehrt haben? Stellt die Bundesmarine aus Oportunismus Offiziersanwaerter ein, die den koerperlichen Belastungen des Berufes gar nicht mehr gewachsen sind? Oder stellt die Segelschiffausbildung Ansprueche an die koerperliche Fitness, die dem modernen Beruf Seeoffizier inzwischen unangemessen sind?
All das haette man in Ruhe in der Bundesmarine diskutieren muessen und dann die richtigen Schlussfolergungen ziehen. Da man aber nun ja das Kind schon in Sueamerika ausgeschuettet hat diskutiert man hier jetzt um das leere Bad. Es wird folgerichtig irgend ein politisch motivierter Unfug rauskommen.

@Juergen

Ganz vielen Dank fuer deinen Beitrag.

Ja, bei den erwaehnten Logbuechern musste ich schmunzeln. Ich lass grad das Reisebuch von Schulschiff Deutschlands 36. Und 37. Auslandsausbildungsreise. Charly Hinrich Peter hat seinen Mannen ja offenbar damals nicht zugetraut das richtig zu machen mit dem Buch und es kurzerhand selbst geschrieben. So ist's das einzige Reisebuch der Deutschland, welches aus einem Guss und von einer Hand geschrieben ist. Dabei herausgekommen ist ein wunderbar nachdenkliches, gefuehlvolles und lebendiges Buch. Unter anderem beklagt es dort auch, dass die Kadetten nun seit kurzem kein Logbuch mehr fuehren wuerden. Das Logbuch – so sehr es Quaelkram gewesen sei – habe eben auch erlaubt so manche Ausbildungsmassnahme hinterher nochmal in Ruhe vorbeiziehen zu lassen, manches ueberhaupt erst zu begreifen. Er bedauerte damals, das die Bundesmarine das Ausbildungselement Logbuch aufgegen habe. Ich denke das gilt auch ein halbes Jahrhundert spaeter noch. Nicht jede Kuerzung ist Segenbringend.
     
Vielen Dank fuer deine Ueberlegungen zu moeglichen Seilsicherungen. Soweit mir bekannt nutzt kein Schiff Sicherungsseile fuer den Aufstieg in den Wanten, oder? Beim Ueberklettern auf die Salings (das kurze Stueck wo man wohl oder uebel frei haengend klettert) aber werden wohl auf vielen kommerziellen Schiffen Sicherungsleinen genutzt. So purzelt man, wenn man dabei den Halt verliert nur ein, zwei Meter in die Wanten. Ebenso werden beim Aussteigen auf die Rahen wohl vielfach Sicherungsgeschirre genutzt.

Man darf gespannt sein was nun fuer die Gorch Fock dabei herauskommt. Da das jetzt ja aus den Haenden von Fachleuten genommen ist und eine politische Frage geworden ist wird vermutlich wenig praktikables entschieden. In einem Crewbuch der Crew 37b wird empfohlen die Horst Wessel solle doch Paternoster an die Masten bekommen. :roll:

Ich wuerde mich sehr freuen mehr von Dir zu dem Thema zu hoeren.

Ufo

Big A

#262
ZitatSind in der Ausbildung Kuerzungen vorgenommen worden, die ein Risiko herbeigefuehrt haben? Stellt die Bundesmarine aus Oportunismus Offiziersanwaerter ein, die den koerperlichen Belastungen des Berufes gar nicht mehr gewachsen sind? Oder stellt die Segelschiffausbildung Ansprueche an die koerperliche Fitness, die dem modernen Beruf Seeoffizier inzwischen unangemessen sind?
Die Ausbildung vor dem idR nach 15 Monaten Dienstzeit beginnenden Studium an einer der BW-Unis ist nicht gekürzt worden, wohl aber in den letzten 32 Jahren (so lange bin ich dabei und kann daher mitreden) mehrfach an die modernen Gegebenheiten adaptiert worden.
Bereits seit Beginn des letzten Jahres (also deutlich vor und ohne inneren Zusammenhang mit den "Gorch-Fock-Vorkommnissen") wird die Offz-Ausbildung erneut einer kritischen Prüfung unterzogen und ggf. reformiert. Das liegt z.T. an zentralen Vorgaben was die Inhalte betrifft (Stichworte EAKK und nSAK) aber auch an den Studienvoraussetzungen für die Bachelor- und Masterstudiengänge. (Einzelheiten würden jetzt deutlich zu weit führen).
Ohne jetzt als "früher-war-alles-besser"-Nörgler auftreten zu wollen, aber man war vielleicht aus der Erziehung eher bereit, auch mal Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen, sich selbst hinten an zu stellen und zu erkennen, dass man nur auf einem (manuell gefahrenen) Segelschulschiff in der Lage ist, die See kennen zu lernen und Respekt vor ihr zu haben, dass man nur hier Teamarbeit und Rücksichtnahme lernt und seine eigenen Grenzen erfährt.
Den Ton an Bord empfand ich persönlich nie als unangemessen, die Korporalschafts- und Wachführer habe ich als hilfsbereite und engagierte Ausbilder erlebt, das Verhältnis zum Stamm war gut bis sehr gut, wie es in den Wald ruft, so schallt es eben heraus...
Dem ausgezeichneten Beitrag von juestr habe ich aus eigenem Erleben nichts hinzuzufügen, für mich war die GF das zentrale Erlebnis der Ausbildung. 30 Mann Decks zum Wohnen, Schlafen Essen usw., eine Schüssel Wasser Morgens und Abends, einmal Duschen pro Woche, heute schon alles viel bequemer; all das hat deutlich geprägt. Belohnt wurde man durch wahnsinnige Sonnenauf- und Untergänge, tolle Kameradschaft und der Erkenntnis, wie klein man angesichts der überwältigenden Natur ist.
Gezwungen wurde niemand auf die Toppen zu entern, auch auf See wurde nochmals nachgefragt, ob man sich in der Lage fühlt (Seekrankheit usw.) und wenn es wirklich mal schwierig wurde war immer jemand vom Stamm dabei.
Was die körperliche Leistungsfähigkeit betrifft, so wird diese in der Ausbildung immer wieder gestestet, was immer auch solche Tests aussagen können.
Auch die Höhenverwendungsfähigkeit wird geprüft und attestiert (es gibt übrigens nur eine Borddienstverwendungsfähigkeit und die ist nicht rpt. nicht  gesondert für die ,,Gorch Fock" zu erstellen, wie so gerne in der Presse geschrieben wird). Was man nicht feststellen kann, ist, ob jemand, der Höhentauglich ist auch keine Höhenangst hat (das sind zwei ganz verschiedene Dinge).
Der damalige Kommandeur der MSM, FltlAdm Erhardt sagte bei der Begrüßung, dass wir erst einmal lernen sollten zu gehorchen, erst dann sind wir in der Lage, auch selbst Befehle zu geben, dass wir unsere Grenzen erfahren sollen ehe wir das von uns anvertrauten Soldaten verlagen können und dass wir Respekt vor der See haben müssen. Dem ist nichts hinzuzufügen.


Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Urs Heßling

moin

@ufo und @BigA
Ja  , und gut formuliert

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

juestr

Zitat von: Big A am 23 Februar 2011, 07:36:30
Die Ausbildung vor dem idR nach 15 Monaten Dienstzeit beginnenden Studium an einer der BW-Unis ist nicht gekürzt worden, wohl aber in den letzten 32 Jahren (so lange bin ich dabei und kann daher mitreden) mehrfach an die modernen Gegebenheiten adaptiert worden.

Axel

Hallo Axel,
meine Erfahrungen sind älter als 32 Jahre und noch aus der Zeit der 18-monatigen Wehrpflicht
und der Offiziersausbildung ohne Studium
Dein Beitrag zeigt mir aber gerade, daß sich mit Integration eines Studiums der Ausbildungsgang und -dauer erheblich geändert hat:

davor:
infanteristische Grundausbildung 3 Monate
seemännische Grundausbildung 3 Monate
technische Grundausbildung 3 Monate
Schulschiff Deutschland 6 Monate
Marineschule Mürwik  .....
Bef. zum Leutnant 33 Monate

d.h. daß die Ausbildung auf der Marineschule erst ab dem 15. Monat begann
- und es gab sicher keinerlei Lehrlauf bei den einzelnen Lehrgängen

Ich will nicht mißverstanden werden:
Ich habe nichts gegen ein Studium, auch nichts gegen studierte Offiziere.
Ich habe selbst an einer technischen Universität studiert,
aber mein ganzes Berufsleben in der Industrie (Entwicklung) verbracht

Gruß
Jürgen

Elektroheizer

Wie sah eigentlich die Offizierslaufbahn "früher" aus, in der schlechten alten Zeit? Als Offiziere (fast?) ausschließlich Adelige waren oder zumindest den höheren Ständen angehörten. Wurden die direkt als Fähnrich geboren mit Befehlsgewalt gegenüber  Mannschaften und Unteroffizieren ohne Portepee, oder mussten die auch durch eine Art Grundausbildung wie alle anderen auch? Und wie alle anderen, auf gut deutsch gesagt, durch die gleiche Sch**** gehen?
Ich habe das Grauen gesehn

Trimmer

#266
Hallo E-Heizer - zumindest konnte sich ein "normaler Bürger " ohne gesicherten finanziellen Hintergrund den Weg zum Offizier in der kaiserlichen Marine nicht leisten. Bis auf den Hochadel erfolgte der harte Weg - Seekadett - Fähnrich- Leutnant. Selbst als Leutnant war man nicht oder kaum in der Lage sich selbst zu versorgen.
Abschluß - Gymnasium - Abitur oder eines dt.Real-Gymnasiums- oder eines Zeugnisses über die bestandene Portepeefähnrichprüfung der Armee oder Zeugnis der Reife für die Prima eines Gymnasiums und durch die Ablegung der Kadetteneintrittsprüfung - Fächer Mathematik,Physik, französische und englische Sprache sowie Zeichnen.
Wenn Du Dir diese Bedingung durchliest erkenst Du das die Hürde schon da sehr hoch war.

Gruß - Trimmer - Achim

Ergänzung : Unter   kaiserliche.marineuniformen.de    findet Ihr in den einzelnen Anlagen z.B. Berechnung der ungefähren Kosten der Laufbahn vom Seekadetten bis zum Oberleutnant zur See - Anlage G - höchst interessant
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Big A

@juestr
meine Ausbildung sah so aus
3 mon Grundausbildung infanteristisch mit G3, MP, MG, Pistole, Gewehrgranate und Handflammpatrone
2 mon Gorch Fock
2 mon Technik
5 mon Offiziergrundlehrgang
3 mon SS Deutschland
Studium
Offizieraufbaulehrgang ("Remilitarisierungslehrgang nach Studium :-D)
Fachlehrgang
1. Dienstposten

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

juestr

Fortsetzung von #254
Stammbesatzung und Offiziersanwärter

Mit den in #254 definierten Einschränkungen kann ich nur sagen dass es in ,,meiner Zeit" weder ein schlechtes, noch ein gutes, eher gar kein Verhältnis zur Stammbesatzung gab.
Das ist eigentlich erstaunlich, da ja so viele auf engstem Raum wochenlang, Tag und Nacht, zusammenleben.
Aber es gab (gibt?) unter Deck keine Verbindung zum Wohnbereich der Stammmannschaft im Vorschiff. Der Zugang vom Oberdeck aus war für die OA´s ,,off limits". Ich habe nur einmal dienstlich dort Zutritt gehabt. In der Erinnerung, aber auch im Logbuch finde ich keine Hinweise auf direkte persönliche Kontakte, bis auf einen:
Auf meiner Reinschiffstation, dem ,,Rohrtunnel" traf ich einmal zwei 2 ,,Maschinengefreite", die dort ,,filzen" (schlafen) wollten und ziemlich Stress machten.
In den Häfen gingen Stamm und OA´s jeweils ihre eigenen Wege.

Es passt ja zu meinen Eingangsbemerkungen, dass jeder nur über seine individuelle, dazu subjektiven Erfahrungen berichten kann, wenn ,,Big A" davon spricht, dass  <<das Verhältnis zum Stamm gut bis sehr gut war, wie es in den Wald ruft, so schallt es eben heraus...>>
Bei uns ,,schallte" es gar nicht. Später, während seiner 2 Monate war es eben anders.

Völlig anders sieht es natürlich mit den Ausbildern aus, die ja auch zum Stamm gehören.
Wir waren je zur Hälfte BOA´s (Berufsoffizieranwärter) und ZOA´s (Zeit-), bunt gemischt aus gutem Grund.
Schon in der Grundausbildung war klar geworden, dass Lehrjahre keine Herrenjahre sein werden. Erst recht nicht wenn lauter Abiturienten auf  Nicht-Abiturienten stoßen und die Machtverhältnisse eindeutig geregelt sind. Außerdem war es ja die einzige und bald letzte Möglichkeit zu zeigen, ,,wo Bartel den Most holt" (schöner schwäbischer Ausdruck), bevor sich das Blatt wendet.
Und, zugegeben, wir hatten ja auch keine Ahnung.
Die Crew wurde nach der infanterististischen Grundausbildung (3 Monate, identisch zum Heer, wie von Big A beschrieben) geteilt. Eine Hälfte der Crew kam direkt auf die Gorch Fock, die andere zur TMS (Techn. Marineschule), und umgekehrt. Die ,,Kadetten" (nicht zu verwechseln mit dem Dienstrang ,,Seekadett") waren also Matrosen OA oder Gefreite OA.
Damit war auch rangmäßig alles eindeutig geregelt.
Wie gesagt, niemand machte sich irgendwelche Illusionen, niemand hat sich je über ,,Schikanen" oder andere Übergriffe beschwert. Die BOA´s der Korporalschaft (Gruppe von 13 Mann) schon nicht aus ,,Karrieregründen", die ZOA´s nicht, weil es nichts bringen würde, da ja die BOA´s............
Aber auch ohne sich zu beschweren reichte es schon aus, allzu ,,diskussionsfreudig" zu sein (mein Fehler, schon in der Schule), um ein für alle mal die gelbe oder gar rote Karte gezogen zu haben. Und das nicht nur beim eigenen Vorgesetzten sondern gleich auch bei allen anderen wachhabenden Unteroffizieren. Aber das gehört schon zum nächsten Thema.
Die heutigen Offiziersanwärter sind offensichtlich nicht nur diskussionsfreudiger, beschweren sich nicht nur, sondern sollen sogar Befehle verweigern = meutern. Welche Entwicklung!
Ich kann mich dagegen nicht erinnern, dass es nach dem Sturz eines Obermaaten der Stammbesatzung aus der Takelage an Deck, mitten im Skagerrak, außer Betroffenheit irgendwelche Diskussionen gab. Er wurde mit Maschinenkraft auf schnellstem Wege in Frederikshavn ins Krankenhaus gebracht.

Auch da die Frage: Hat sich die Schiffsführung, die ja selbst noch die ,,Schinderzeiten" miterlebt hat, auf ihre neue Klientel eingestellt??

Kürzlich habe ich gelesen, dass während der Offiziersausbildung ein erheblicher Teil schon vorzeitig abmustert!? Stimmt das? Kann man heutzutage also mal ,,ausprobieren", ob die Ausbildung passend ist? Dann würde mich einiges nicht mehr wundern.

Ich erinnere mich an die nächtlichen Gespräche bei der Seewache, bibbernd vor Kälte im Freien, bei denen überlegt wurde, wie man diesem ,,Irrsinn" entkommem könnte.
Aber wir hatten uns verpflichtet, Kündigung war nicht vorgesehen. Ganz Hartgesottene hatten sich vorgenommen, bei allen Lehrgängen durchzufallen, um dann zwangsweise entlassen bzw. zu W18ern (18 Monate Wehrpflicht) zurückgestuft zu werden. Die ,,Verschwörer" bei diesen nächtlichen Gesprächen waren übrigens auch vor kurzem pensionierte Kapitäne z.S; auch Admirale gab es unter ihnen.

Um bei den verkürzten Lehrgängen überhaupt noch anspruchsvolle weite Ausbildungsfahrten durchführen zu können, muß der jeweilige neue Lehrgang zum Schiff, irgendwo auf dem Globus, gebracht werden.
Aber was ist eigentlich mit der Stammbesatzung?
In den ,,Schinderzeiten" (zur Erinnerung: Zitat Schatz) waren sie spätestens nach 2- max. 3 Monaten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, wieder im Heimathafen, bei Familie, Frauen, Freundinnen. Und es dauerte einige Wochen bis es wieder losging.
Jetzt dürfen also die Damen und Herren Offiziersanwärter wieder nach Hause fahren, die Stammmannschaft darf  dagegen weiter in beengten Verhältnissen die weite Welt genießen. Dabei ist das Vorschiff bei Seegang auch noch besonders ,,angenehm".
Und die weiblichen Offz.anwärterinnen  an Bord, immer Neue, sollte und darf man dabei nicht einmal intensiver in Augenschein nehmen.

Und?
Wie förderlich ist das Ganze, immer im Vergleich zu früher, auf das Verhältnis zwischen Stamm und Auszubildenden??
Mich würde die ehrliche Meinung junger Kameraden beider Seiten dazu interessieren. Der offene Brief der Stammbesatzung gibt dazu eigentlich keine Hinweise, wie soll er auch.

Man möge mir meine Gedanken und Analysen verzeihen, aber es muß doch (auch unausgesprochene) Gründe dafür geben, dass die Ausbildung auf der Gorch Fock heute so aus dem Ruder zu laufen scheint............., es lässt mir einfach keine Ruhe!

Fortsetzung folgt, Thema OA´s damals

Urs Heßling

#269
moin,

Zitat von: Elektroheizer am 23 Februar 2011, 12:59:31
Wie sah eigentlich die Offizierslaufbahn "früher" aus, in der schlechten alten Zeit?

in einer Phase der "schlechten alten Zeit" http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=975984101&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=975984101.pdf

ein echter "Meilenstein" in (vor) der Karriere des Heeresoffiziers vor, in und noch nach der Kaiserzeit war die "Offizierwahl" ... die Offiziere des Regiments, in dem ein Fähnrich diente, entschieden, ob er "würdig" war, "auf Avancement (= Beförderung) zu dienen", d.h. Offizier zu werden.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

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