Schafe klauen und Schiffe versenken

Begonnen von ufo, 30 Juli 2008, 16:09:34

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ufo

Ich suche ein U-Boot. Nun – nicht irgend eines. Lokale Legende hier besagt Folgendes: Im ersten Weltkrieg operierte ein Deutsches U-Boot mehrfach in den Gewaessern um den North Channel, den Minch und die Irische See herum. Um in Ruhe Batterien aufzuladen, durchzuatmen und auszuschlafen lief das Boot in schoenster Regelmaessigkeit einen kleinen "Hafen" auf der Insel Islay an. Man ging an Land, klaute ein Schaf oder auch mal zwei um die Bordkueche zu bereichern, besserte aus, verschnaufte und ging dann wieder jagen.

Die Geschichte kam wohl nach dem Krieg ans Licht als der Kommandant Islay besuchte und – eher zur Erheiterung als zum Gram seiner Gastgeber – von seinen vorherigen Reisen zur Insel erzaehlte.

Die Begebenheit ward dann nochmal Jahrzehnte spaeter als Kuriosum in einer Schottischen Zeitschrift publiziert. 

Ein Freund von uns ist nu' grad mit seiner Yacht mal den "Hafen" angefahren, um zu gucken, ob das passen wuerde. Wuerde es wohl. Der Platz ist eigentlich eine ideale Jagdhuette fuer ein U-Boot. Das ganze ist eine relativ kleine Bucht umgeben von stattlichen Huegeln, die neugierigen Augen die Sicht versperren.  Es liegt selbst fuer Schottische Verhaeltnisse eher abgelegen und es gibt (und gab wohl auch schon vor hundert Jahren) eine angeschuettete Pier um von Zeit zu Zeit Schafe zu verladen und aufs Festland zu schippern. Die Pier ist durch ein langgestrecktes Riff geschuetzt so entsteht ein natuerliches Dock, wohl geschuetzt vor garstigen Wellen. Auf der anderen Seite des Riffs ist weicher Sandboden auf dem man das Boot auch einfach auf Grund packen koennte. 


Absurd ist die Begebenheit selbst nicht. Schottlands Fjordkueste ist zerfranst und zerfusselt in zahllose Buchten und Inlets, teils wohl verborgen unter Klippen. Es laed schon dazu ein sich direkt im Jagdgebiet in Ruhe aufs Ohr zu legen und dann wieder an die Arbeit zu gehen.

Ob es auch andere derartige Begebenheiten im ersten Weltkrieg gab weiss ich nicht. Im zweiten Weltkrieg hat es das glaube ich nicht mehr gegeben. Erwartet wurde es aber wohl. Das Cottage von Freunden von uns, welches buchstaeblich kurz vor der Kante der Erdscheibe am Loch Sunnart liegt hatte damals eine kleine Garnision Home Guard, die wohl tagein, tagaus mit einer seltsamen Mischung aus Langeweile und Spannung aufs Loch geguckt haben und die Teutonischen Horden erwartet haben. Die Armen Seelen werden in dieser Gegend vermutlich bessere Chancen auf Seeungeheur gehabt haben als auf U-Boote. In den Highlands wurden Pappkaertchen ausgegeben und Zettelchen verteilt, die einem zeigen sollten wie ein U-Boot unter welchem Winkel ausschaut. Aber - wie gesagt - soweit ich weiss hielten die Deutschen U-Boote sich im zweiten Weltkrieg der Britischen Kueste eher fern.


Aber im Ersten? Schon durchaus moeglich die Geschichte.

Tja – aber welches Boot? Der Name des Kommandanten ist nicht ueberliefert, das Gasthaus in welchem er seinerzeit nach dem Kriege abgestiegen sein soll existiert laengst nicht mehr.

Gibt es Kriegstagebuecher von WWI U-Booten? ... oder ihrer Leitung? Kann man irgendwo nachschlagen wo welches Boot operiert hat? Waren die Jagdgebiete nach Flottillen aufgeteilt? Und wenn ja – wessen Zustaendigkeit waren die Hebrides und die noerdliche Zufahrt zur Irischen See? Taucht die Begebenheit irgendwo in der U-Bootliteratur auf?

Jeder Hinweis willkommen!

Habt Dank!

Ufo

harold

Servus Ufo,
köstlich ... "des Kaiser's Schöpsenklau"!

Mit Google Earth find ich nördlich von Saligo Bay etwas, das deiner Schilderung geographisch nahekäme.
Gibts noch eine genauere Ortsangabe?

Dass von U-Booten bei Gelegenheit mal angelandet worden sein soll, weiß ich auch aus Erzählungen von El Hierro (Canarias), dort soll in der Nähe von La Restinga ein deutsches Boot mehrfach sich mit Früchten und Wasser versorgt haben - bis es dann zu einer veritablen Seeschlacht zwischen diesem Boot und einem britischen kam (1917? 1918? - die lokale Überlieferung nimmts nicht so genau - und dramatisiert a bissl).
Dies ist jedoch eine ganz andere Geschichte...

Ja, gespannt, wie's weitergeht...
:O/Y Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

ufo

Klingt ja etwas nach einer von diesen vielen Kriegsabenteuergeschichten, die man wie Sand am Meer finded.

Jemand, der sich etwas mit den Gepflogenheiten der Kaiserlichen Marine auskennt, meinte dazu, dass so ein Risiko einzugehen sicher das Allerletzte gewesen waere, wo man hinterher als Kommandant mit haette rumtoenen koennen. Derartige Eskapaden sollte man daher wohl in keinem Kriegstagebuch finden koennen.

Aber obs ueberhaupt stimmt?

Es gehort ja gewissermassen fuer jede Englische Kleinstadt zum guten Ton eine fast vollstandige Messerschmidt unterm Neubaugebiet vergraben zu haben. Solche Geschichten darf man also gern eher skeptisch begucken.

Aber die Geschichte selbst schaut eigentlich gut aus. Ich hab nu' inzwischen eine Kopie von dem urspruenglichen Zeitschriftenartikel, der die Geschichte damals wieder aufgewaermt hat:
'Scotish Field' aus den fruehen Siebzigern.

Da werden schon allerhand stimmige Details geliefert:

Der Deutsche Kommandant habe Islay im Jahre 1921 besucht. Auch sein Hotel ist ueberliefert: 'White Hart Hotel' in Port Ellen. Und schon in dem Artikel heist es halt bedauernd, dass die Gaestebucher des Hotels aus den zwanziger Jahren nicht erhalten geblieben sein.

Es wird nicht im Detail beschrieben wann und wie oft der Kommandant im Krieg zu Besuch gekommen ist aber aus dem Text wird klar, dass er das wohl bis zum Kriegsende gemacht hat – also werden nicht nur er sondern wohl auch sein Boot den Krieg ueberlebt haben.
Es wird ebenso gesagt, dass seine Besuche die einheimische Schafspopulation von wenigstens 1916 bis 1918 geschaedigt haben. Damit muesste er sein Boot also fuer den gesammten Zeitraum gehabt haben und auch von wenigstens 1916 bis 1918 im Bereich Hebriden/Irische See operiert haben.

Der Platz wird im Detail beschrieben: Clas Uig (oder Glas Uig), knapp noerdlich von Ardmore Point, just suedlich von Aros Bay. Auf zum Beispiel streetmap.co.uk kann man das finden. Und google-earth koenner finden das mit den Infos hoffentlich auch.

In dem Artikel wird dann noch ausgiebig beschrieben warum das eben wirklich der perfekte Jagdhochsitz war; ideal gegen Sichtungen von Land wie von See geschuetzt, zwischen zwei Headlands gelegen, das Tal dazwischen sumpfig und fast unzugaenglich. Auf den Headlands habe der Kommandant je einen Posten gehabt gegen unangenehmen Ueberraschungen.

Tja – mit den extra Infos:
-   Kommandant wenigstens von 1916 bis 1918,
-   Boot vermutlich Krieg ueberlebt,
-   Operationsgebiet vermutlich ununterbrochen von 1916 bis 1918 Hebriden.

Ideen irgendwer?

Wenn die Besuche selbst nicht im Kriegstagebuch verzeichnet sind ... wuerde man am Spritverbrauch zumindest abschaetzen koennen ob ein Boot von Zeit zu Zeit ein Paeuschen eingelegt hat?


Ufo

Marstec

An manchen Tagen gewinnt man, an manchen Tagen verliert man.

harold

Ein paar Informationen so rundherum ließen sich doch finden:



...hier am rechten Ausschnitt-Rand; die geographische Bezeichnung könnte also auch Orte wie die der inlandigen Siedlungen einbeziehen (nahe bei...; südlich von...; etc).

Google Earth liefert leider nur sehr grob gerastertes Bild



...aber einige wirklich sehr schöne Fotos "aus der Gegend" (man kann unsern Ufo da so recht beglückwünschen zur heimat-Wahl!)  finden sich eingebettet in das Sailor's Log von Dave Simpson,
http://www.yotblog.com/DaveS/
(am 14.7.2001 passiert er Glas Uig; jedoch kein Notat zur U-Boot-Legende)

BTW, weitere Informationsschnippsel:
"White Hart Hotel", Port Ellen, +44(0)1496 300120
Museum of Islay Life, Port Charlotte, +44(0)1496 850358

Fällt das bei dir noch unter Ortstarif, Ufo?  :MV:

4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Torpedo

DIE Experten für U-Boote des I. WK sitzen ja im Nachbarforum und da ist die Geschichte auch schon diskutiert worden und auch schon ein paar Ergebnisse publiziert worden welches Boot...

http://www.u-boot-net.de/phpBB/viewtopic.php?f=2&t=2016

Bin gespannt was in konzertierter Diskussion dabei rauskommt.
Uli "Torpedo"   [WoW Nic: Torpedo_uas]

"Man muss seine Geschichte kennen, um nicht die gleichen Fehler zu wiederholen"

Restaurierungsbericht des SEELÖWE, 20er Jollenkreuzer Baujahr 1943
http://facebook.com/r167seeloewe

ufo

Ich dachte ich gucke mal wieder ob ich mit dieser Suche vielleicht weiter komme und zerr den Thread mal wieder nach oben.

Und?

Irgendwer ein Fitzelchen Information? Eine beilaeufige Bemerkung vielleicht aus einem Buch zum U-Bootkrieg 1914 – 1918?

Ein Freund schickte mir dies schoene Photo:


Das zeigt die Crew vom Boot von Johannes Spiess wie sie grad ihre am Turm baumelnde Jagdbeute verarbeiten. So ungewoehnlich scheint die Schafsjagd denn doch nicht gewesen zu sein. Hier aber ist es leider, leider die falsche Insel – North Rona.

Aber vielleicht erinnert sich jemand mal irgendwo ueber vergleichbare Ausfluege gelesen zu haben?

Fuer jeden Hinweis dankbar,
Ufo

Trimmer

Hallo ufo - Jens - hier mal ein interessanter Text aus -www.deutsche-schutzgebiete.de/unterseebootkrieg -
Zitat: Einmal wurde sogar von einem deutschen U-Boot zur Aufbesserung der Verpflegung auf einer kleinen schottischen Insel eine Treibjagdveranstaltet bei der 4 Hammel erlegt wurden -

Leider keine weiteren Angaben. Könnte also doch was dran sein.

Gruß - Trimmer - Achim
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Q

Schoen das solche Geschichten hier ihr Medium gefunden haben. In dem ganzen Hochtechnik Threats wird sowas meist nicht erwaehnt. Danke UFO und auch Achim. An Achim auch nochmal Dank wegen des Buches. Sieht sehr gut aus bis jetzt.

Don´t Panic
Quand tu veux construire un bateau, ne commence pas par rassembler du bois,
couper des planches et distribuer du travail,
mais reveille au sein des hommes le desir de la mer grande et large.

St.Ex

Ulrich Rudofsky

Es handelt sich vielleicht um Walter Remy:  Während dem 1. WK stoppte der Kommandant des deutschen Uboots U-90, Walter Remy, in North Rona unter guten Wetterverhältnissen auf jeder Patroullie .  Er schickte dann eine Crew auf Schafjagd auf die Insel um das Hammelfleisch an Bord zu bringen...... Kommandant  Walter Remy war ....... bekannt für seine Proviant-Stopps und Hammelfleisch auf der sehr fernen UK Insel North Rona  .....

"During World War I, the commander of German U-boat U-90, Walter Remy, stopped his submarine at North Rona during each of his wartime patrols, weather permitting, and sent crewmen onto the island to shoot sheep to obtain mutton for on-board consumption................ The commander Walter Remy during World War I was noted for making regular stops at the very remote UK island of North Rona for provisions, including fresh mutton".
                                               '
http://en.wikipedia.org/wiki/North_Rona 
http://en.wikipedia.org/wiki/Unterseeboot_90_(1917) 

Ulrich Rudofsky

Köln

Eine Skizze vom Ankerplatz der Hammeljäger in der Bucht von Clas Uig findet Ihr hier: http://blog.islayinfo.com/article.php/islay-and-u-boats-1914-1918-war

Gruß
Köln

brueckenhein

Es gab mal vor einiger Zeit einen Spielfilm im Fernsehen der eine ähnliche Begebenheit darstellte. Den Titel weiß ich aber nicht mehr. :?
Seefahrer sind wie Kletten, sie halten alles zusammen

ufo

History in the making ... tja, Geschichte wird ja wirklich 'gemacht'. Geschichte entsteht so gesehen nicht. Passiert ganz was Tolles und keiner guckt zu, dann macht das auch keine Geschichte. Passiert irgend etwas und jemand schreibt darueber ... dann, ja dann entsteht Geschichte.
Das macht den Reiz an Geschichte aus und den Fluch. Denn die darueber schreiben muessen sich ja nicht unbedingt an das halten was da vielleicht (oder vielleicht auch nicht) passiert ist. 
Die Geschichte vom U-Boot of Islay hat es inzwischen in die Welt der Unterhaltungsliteratur gebracht. Und nichtmal schlecht gemacht:

The Last Wolf
Margaret Mayhew
224 Seiten, 2012

Das Buch liest sich sehr nett. Man stelle sich so eine Kreuzung aus Jochen Brennecke und Rosamunde Pilcher vor. Da wird die Insel dann gleich alle Nas lang angelaufen; Zweiten Weltkrieg eingeschlossen. Malerisch. Nett zu lessen. In Teilen liebevoll recherchiert – bis hin zu dem 'Hein, Hein, sind die Nazis noch am Ruder' Zitat. Aber in Teilen halt auch weit im Reich der Phantasie.

Tja – und ich 10 Jahren wird bestimmt jemand auf die Idee kommen ein zweiteiliges Fernsehspiel daraus zu machen. Und dann wird das echt Geschichte geworden sein. "Klar, stimt das! Das gabs doch sogar schon im Fernsehn!"

Tja, in der droegen Welt der Tatsachen sind wir nicht weiter. Es lassen sich Landungen auf anderen Inseln nachweisen. Aber fuer Islay fehlt nach wie vor ein Beleg.

Fuer Hinweise stets dankbar ...
Ufo

TD

Hallo,
will mich ja nicht festlegen of es Schafe oder Ziegen waren.

Auf jeden Fall haben die hungernden deutschen Soldaten in der Ägäis zu Kriegsende
ja wohl richtige Unternehmen gemacht um Schafe oder eben Ziegen in der Türkei zu
"besorgen".
Ob das nun vor oder nach der Kriegserklärung der Türkei an Deutschland war weiß ich ja nicht,
aber wie sagt ein altes Gebot : Hunger kennt keine Gesetze!

Gruß

Theo
...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

Violoncello

Hallo Theo,

ein schönes Stichwort!

Der erste dieser Einsätze war wohl noch am Tag der Kriegserklärung der Türkei an das Deutsche Reich, also am 1. März 1945, gestartet worden. Vorher war man in der Kriegsmarine peinlichst darum bemüht, jeden Anschein einer Neutralitätsverletzung zu vermeiden, die die Türkei in die Arme der Alliierten hätte treiben können.

So hatte das Kommando der Kleinkampfverbände im August 1944 die Absicht, das mit der Feindaufklärung in der Ägäis betraute Marine-Einsatz-Kommando 20 auch an der türkischen Küste operieren zu lassen (Absetzen von V-Männern, Gegenmaßnahmen gegen britische Streitkräfte in türkischen Gewässern). Das Marinegruppenkommando Süd verband die Weiterleitung dieser Absichten durch den Kommandierenden Admiral Ägäis mit dem nachdrücklichen Hinweis, dass keine Maßnahmen ergriffen werden sollten, die von der Türkei als Bruch der Neutralität verstanden werden könnten (BArch RM 35III/84, S. 32ff.) - die Quadratur des Kreises.

Nach der Kriegserklärung stellten sich die Dinge anders dar: Auf der Insel Rhodos drohte unter der Zivilbevölkerung wie unter den deutschen Soldaten eine bittere Hungersnot. Schenk schreibt in seinem Buch "Kampf um die Ägäis", S. 136 (Hamburg 2000): "Als am 1. März 1945 die Türkei Deutschland den Krieg erklärte, liefen zwei Landungsboote zur türkischen Küste und brachten  reiche Beute an Schafen, Ziegen und Mehl nach Rhodos. Auch bei allen anderen Kommandounternehmen stand die Erbeutung von Lebensmitteln an wichtiger Stelle."

Viele Grüße

Violoncello

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