LTS-/ KTS-Boote der Volksmarine

Begonnen von kielwasser, 11 Juni 2007, 20:19:04

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Eddy

Ja, das im Film dargestellte Schütteln ist nachgestellt, denn auf See wäre bei einem solchen Seegang dem Kameramann das Gerät aus der Hand gefallen. Es gab ab See 2 unregelmäßige Erschütterungen und Schläge. Je höher die Drehzahl, um so größer wurden die "Sprünge" der Boote, die mit zunehmender Geschwindigkeit immer weiter aus dem Wasser kamen. Ein überdrehen der Maschinen beim eventuellen Austauchen der Propeller beim Sprung war nicht möglich, da sofort die Schnellschlussklappen kamen und die Maschinen ausgingen. Die Sitze der LTS-Männer waren mit Federn vom LKW W 50 ausgerüstet und schlugen trotzdem durch. Als Kopfschutz trugen wir Panzerhauben, weil man bei rauer See immer am Kanzeldach anstieß. Ganz besch..... war der Maschinist dran, der saß mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Konnte also nicht sehen, wenn ein Schlag kam. Ich habe mal drei Innenaufnahmen des LTS-Bootes 68.200 von Dresden. Die Sitze sind aus Alu und hatten noch Gummiauflagen, die hier nicht mehr vorhanden sind. Maschinist und Funkmeßmaat saßen Rücken an Rücken (nur beim 68.200 Halbserie), wobei der LM die Kupplungs- und Füllungshebel mit der rechten Hand bedienen musste. Die rechte Hand diente zum Festhalten (siehe Griff). Der Funkmeßmaat brauchte nur während des Torpedoangriffs auf sein Gerät sehen ansonsten wurde das Boot per Sicht vom Kommandant gefahren. Kurs, Geschwindigkeit und alle anderen Manöver wurden per Hand vom Funkmeßmaat mit Fettstift auf eine Plastplatte notiert und später auf der Karte nachgekoppelt. Bei den Serienbooten saß der LM dann zwischen Kommandant und Funkmeßmaat aber auch mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Waffeneinsatz bis See 3 möglich.
Eddy
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

Eddy

Bei KTS war das ähnlich, nur hier gab es schon etwas mehr "Komfort". Die Besatzung trug Pilotenhelme mit Funk untereinander, der Kommandant zusätzlich nach außen. Bei diesem Boot war der Ari-Gast der "Angeschmierte", er saß mit dem Rücken zur Fahrtrichtung in seiner Waffe außen. War mit Hosenträgergurten angeschnallt. Der Kommandant saß erhöht im Mittelteil und fuhr das Boot, der Funkmeßmaat rechts unten zum Navigieren und wechselte nach links, wenn die Funkmeßanlage benötigt wurde. Der Motorenmeister und der E-Gast saßen im hinteren Teil der Kanzel, konnten Schläge meist auch nur ahnen und nicht kommen sehen. Für höheren Seegang war alles ähnlich dem wie bei LTS.
Eddy
Eddy von der großen Insel

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Eddy

#17
Während der Erprobung gab es auch oft Glasbruch. Das Bild zeigt die Frontscheibe eines LTS-Bootes 63.300, dass beim Durchfahren der Heckwelle eines TS-Bootes 206 mit der Kanzel eintauchte und die Scheibe zerschlug. Ab 1965 wurde dann Sicherheitsglas gefahren.
Eddy von der großen Insel

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Elektroheizer

"Die schnellsten der Ostsee" (Thoddy war schneller, hab ja auch nochmal was zu tun)

Zitat von: 2M3 am 09 Januar 2019, 15:16:47
Zitat von: RonnyM am 08 Januar 2019, 10:24:10
Ich hab`da mal in einem you tube - Film gesehen, wie die bei rauer See durchgeschüttelt wurden.
War hier oder in einem anderen Forum schon mal Thema.

Moin,

siehe da lang --> https://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,22348.msg250992.html#msg250992

Ahoi Ihr beiden! Alzheimer...?  :MLL:
Ich habe das Grauen gesehn

RonnyM

...man(n) Elektroheizer, bist du aber auch wieder nachtragend... :cry:

Hau wech
Ronny
...keen Tähn im Muul,
over La Paloma fleuten...

Elektroheizer

Ronny, Sorry, aber dieser kleinen Frozzelei konnte ich einfach nicht widerstehen   :A/(

:OuuO:
Ich habe das Grauen gesehn

Eddy

#21
Hallo Leute,
ich möchte an dieser Stelle einmal eine Einsatzvariante von KTS-Booten vorstellen. Laut Einsatzmöglichkeiten sind es schnelle Torpedoschnellboote mit eben der Hauptbewaffnung Torpedo. An Heck stand eine ZU 23, Flak-Geschütz zur Luftabwehr, Backbord und Steuerbord neben der Kanzel waren Minenausstoßrohre, die variabel gegen Kampfschwimmersitze ausgetauscht werden konnten. Aber nicht nur Kampfschwimmer wurden eingesetzt sondern auch Mot-Schützen für Kommandounternehmen.
Bei der Übung "VAL-77" wurden durch zehn KTS-Boote in Fischereihafen Karlshagen innerhalb von 150 Sekunden 10 Boote a 10 Mot-Schützen abgesetzt. Bei dieser Art Einsätze waren der E-Gast des Bootes und zwei Schütze der Landungstruppe auf der Back in Stellung. Der LMG-Schütze sicherte das Umfeld, der E-Gast war mit der Vorleine "bewaffnet" und musste das Boot beim Anlegen sehr schnell festmachen. Fest, bedeutet 10 Schützen verlassen schnellst möglich das Boot und schon folgt das nächste. Das waren Kommandounternehmen, die nur sehr selten trainiert wurden aber sie waren immer von Erfolg gekrönt. Die Zeit und die Motorengeräusche war die schlimmsten Gegner solcher Einsätze.
Auf den Fotos sind einlaufend auf dem ersten Boot auf der Back die drei Männer zu sehen, der E-Gast im Kampfanzug See, die LMG-Schützen in Einstrich-Keinstrich-Anzug. In den Nachfolgenden Fotos verlassen die Mot-Schützen die Boote zum Einsatz.
Ich habe mal eine kleine Episode dazu geschrieben:

Im Morgengrauen ist es nicht still
Der Morgendunst hebt sich langsam über das ruhige Wasser der Ostsee. Leichte Nebelschwanden könnte man denken. Der kleine Fischerhafen umschließt sein Wasserbecken fast vollständig, nur die breite Einfahrt ist frei. Auf diese Einfahrt fahren im Dunst schnelle Boote zu, ein größere Anzahl von Booten. Noch kann man nicht erkennen, was es für Fahrzeuge sind aber die Motorengeräusche deuten auf Schnellboote hin. Da kommt das erste Boot direkt in der Mitte der Einfahrt in Sicht, bessere Sicht, denn im Hafen selbst ist die Luft schon klar. Es sind Kleine Torpedoschnellboote, kurz KTS genannt. Auf der Back sind drei liegende Gestalten zu erkennen, zwei mit LMG und MPi bewaffnete Mot-Schützen und einer im Kampfanzug See der Volksmarine. Die deutlich sichtbare orangene Farbe des Kampfanzuges lässt erkennen, dass sein Träger auf der Seite liegt und Tauwerk in den Händen hält. Liegen deshalb, weil man sich im ,,gegnerischem Gebiet" befindet, wo die Mot-Schützen für ein Kommando-Unternehmen abgesetzt werden sollen. Beidseitig an der Kanzel sind Verkleidungen zu erkennen, über denen sieht man Stahlhelme, fünf pro Seite. Das erste Boot nähert sich schnell der Kaimauer. Der Mann in Orange springt mit der Leine an Land und macht das Boot fest. Sofort folgen in kurzen Abständen weitere neun Boote. Sobald das erste Boot festgemacht hat springen auch schon die Mot-Schützen an Land. So geschieht es bei allen weiteren neun Booten. Während der ganzen Zeit bewegen sich die Heckwaffen der Boote und sichern den Luftraum ab. So legen in kurzer Zeit zehn KTS-Boote an und bringen 100 Mot-Schützen an Land, eine Spukgeschichte könnte man sagen, das Ganze dauert nur etwa 150 Sekunden. Kommandos mit Zeichen ohne Worte und schon sind die Soldaten verschwunden. Die Boote lösen sich von einander und drehen in Fahrtrichtung Hafenausfahrt. Sobald sie die richtige Position haben, gehen sie mit kleiner Fahrt ins offene Gewässer und hier brüllen die Maschinen auf, machen den Schnellbooten alle Ehre. Die Bootskörper heben sich aus dem Wasser und die Heckwellen verraten dem Kenner, hier wird mit hohen Drehzahlen gefahren. Verständlich, will man doch nicht vom Gegner erwischt werden.
 

Auch das waren die KTS-Boote der Volksmarine.
Eddy
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

Darius

Gute Morgen Eddy. Schöner Beitrag.


Danke  &  :MG:

Darius

Urs Heßling

moin,

sehr interessant top

Zitat von: Eddy am 12 April 2019, 23:38:02
Das waren Kommandounternehmen, die nur sehr selten trainiert wurden aber sie waren immer von Erfolg gekrönt.
.. der wie gemessen wurde ?

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Eddy

Hallo Urs,
militärische Aufgaben wurden und werden doch sicher daran gemessen, dass der Befehl in seinem Inhalt erfüllt wird. In diesem Fall beim Absetzten der Mot-Schützen waren die Zeitdauer des Absetzens und das Erreichen des befohlenen Ziels zum befohlenen Zeitpunkt entscheidend. Für die Boote gab es nur ein Ziel, schnell anlegen, Mot-Schützen anlanden und wieder weg und das möglichst ohne den "Gegner" zu wecken. Den die Maschinen waren ja gewöhnlich laut und weit zu hören. Und diese beschriebene Aufgabe lief unter den Augen der Admiralität der VOF ab. Im faktischen Konflikt geht natürlich so etwas nicht immer ohne Verluste ab, das ist auch klar weil derartige Anlandungen nur in Häfen oder ähnlichen Anlagen möglich waren. Kampfschwimmer absetzen war da einfacher, die sprangen bei 24 kn in Küstennähe ins Wasser und waren weg. Die Boote konnten sofort nach den Absetzen mit Speed abfahren.
Eddy
Eddy von der großen Insel

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Thoddy

Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

2M3

Zitat von: Eddy am 12 April 2019, 23:38:02
... Aber nicht nur Kampfschwimmer wurden eingesetzt sondern auch Mot-Schützen für Kommandounternehmen.
Bei der Übung "VAL-77" wurden durch zehn KTS-Boote in Fischereihafen Karlshagen innerhalb von 150 Sekunden 10 Boote a 10 Mot-Schützen abgesetzt. Bei dieser Art Einsätze waren der E-Gast des Bootes und zwei Schütze der Landungstruppe auf der Back in Stellung. Der LMG-Schütze sicherte das Umfeld, der E-Gast war mit der Vorleine "bewaffnet" und musste das Boot beim Anlegen sehr schnell festmachen. Fest, bedeutet 10 Schützen verlassen schnellst möglich das Boot und schon folgt das nächste. Das waren Kommandounternehmen, die nur sehr selten trainiert wurden aber sie waren immer von Erfolg gekrönt. Die Zeit und die Motorengeräusche war die schlimmsten Gegner solcher Einsätze.
Auf den Fotos sind einlaufend auf dem ersten Boot auf der Back die drei Männer zu sehen, der E-Gast im Kampfanzug See, die LMG-Schützen in Einstrich-Keinstrich-Anzug. In den Nachfolgenden Fotos verlassen die Mot-Schützen die Boote zum Einsatz. ...

Hallo Eddy,
vielen Dank für die aufschlussreichen Bilder.
Ergänzend dazu, im leider seit einiger Zeit nicht mehr erreichbaren NVA-Forum gab es zum Einsatz von KTS-Booten für Kommandounternehmen eine lebhafte Diskussion. Ein ehemaliger Fallschirmjägeroffizier vom Luftsturmregiment schrieb von seiner Kommandierung zum MSR 28 in Rostock und seiner Aufgabe, die Aufklärungskompanie des Regiments auf solche Kommandounternehmen vorzubereiten. Das wurde zeitlich auf 1984 datiert und es soll auch im selben Jahr ein solches Übungsunternehmen gegeben haben. Womit wir das zeitlich mal schon etwas eingegrenzt haben (mind. 1977 bis 1984).
Die 100 Mann des Unternehmens während der Kommandostabsübung VAL-77 scheinen eine nichtstrukturmäßige Einheit zu bilden. Darauf deuten zumindest die beiden LMG-Schützen auf dem 4. Bild hin. Eine Mot.-Schützengruppe der NVA war wimre nur mit einem LMG ausgerüstet und wenn man die SPW/SPz-Fahrer und Richt-/Lenkschützen zu Hause läßt, hatte die strukturmäßige MSK auch keine 100 Mann mehr zur Verfügung.

Vielleicht kann Eddy da mal nachforschen, woher die Leute kamen.

Gruss Frank

Gruss
Flottenschule Parow 78-79, Ausbildung Ari-leicht, 25mm 2M3/M110 und 30mm AK-230, 79-82 Ari-Maat 1. MSR Abteilung/1. Flottille Peenemünde auf Proj. 89.2 MSR-lang/Kondor-II

hillus

Moin,

ich habe einen Teil meiner Unikate an Fotos von der Volksmarine, speziell der Schnellboote, dem Archiv zur Verfügung gestellt. So ist es eben besser, wenn die Fotos ins Forum gelangen und nicht bei mir im Archiv unentdeckt bleiben.
Ich danke Dir Eddy, dass Du diese Fotos so gut in Szene gesetzt hast. Habe mich sehr darüber gefreut.

Bis denne!
hillus

kalli

Zitat von: hillus am 21 April 2019, 13:59:29
Moin,

ich habe einen Teil meiner Unikate an Fotos von der Volksmarine, speziell der Schnellboote, dem Archiv zur Verfügung gestellt. So ist es eben besser, wenn die Fotos ins Forum gelangen und nicht bei mir im Archiv unentdeckt bleiben.
Ich danke Dir Eddy, dass Du diese Fotos so gut in Szene gesetzt hast. Habe mich sehr darüber gefreut.

Bis denne!
hillus

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