Gefechtsbericht Fährengruppe F 124, SF 270, SF 273, SF 274

Begonnen von Zerstörerfahrer, 19 April 2007, 13:10:08

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Zerstörerfahrer

Gefechtsbericht aus dem KTB der 15. L.-Flottille ( Quelle : NARA Mikrofim 3137, PG 49668 - 49675 ).




Gefechtsbericht ( des Geleitführers, Anm )
über Torpedo- und Zerstörerangriff am 19.03.1944

Am 18.03.44 verliessen F 124, SF 270, SF 273, SF 274 und der Schlepper HP 58 den Hafen von Katakolon, Ziel Navarino. Wir fuhren wie vorher besprochen in Kiellinie, Abstand 100 m, Fahrt 6 sm/h, Kurs 163° in obiger Reihenfolge.
Gegen 23.30 Uhr wurden 3 Torpedolaufbahnen erkannt, denen wegen des unsichtigen Wetters nicht rechtzeitig ausgewichen werden konnte, Der Himmel war bedeckt, Sicht schätzungsweise 3 sm. Ein Torpedo ging zwischen F 124 und SF 270 durch, zwei weitere unterliefen das Boot am Heck Bb. und kamen in Höhe des U-Raumes Stb. raus.
Wir schossen einen weissen Stern in Richtung des vermeintlichen U-Bootes, da ich annahm, es handle sich um einen U-Bootsangriff, zu erkennen war nichts. Ich liess das U-Boot nicht mit Wasserbomben bekämpfen, da 1) wir kein Ortungsgerät an Bord hatten, 2) eine Maschine unklar war und wir nicht genügend Fahrtüberschuss hatten, 3) wir mit 6 Wasserbomben ausgerüstet waren, die ich für eine günstigere Gelegenheit aufheben wollte. Um den Verband zusammen zu halten, wurde Kurs und Fahrt beibehalten, verschärfter Ausguck angeordnet. Die FT war unklar.

Um 00.20 Uhr wurden plötzlich 4 Leuchtgranaten geschossen, die Stb.. über uns standen. Auf einen Schatten in Stb. liess ich gleich das Feuer eröffnen. Nach dem ersten Schuss fiel die Nachtvisierbeleuchtung aus. Auch war zunächst nichts zu sehen, als Mündungsfeuer an Bb. Ich hörte Abschüsse und Detonationen und sah Einschläge zwischen SF 270 und uns.
Die S-Fähren schossen mit Vierlingen in die Luft. Nach ca. 2 min brannte eine Fähre und um 00.25 Uhr eine zweite. Bei uns vernahm ich einen lauten Knall, konnte einen Treffer nicht gleich feststellen. Ich liess abwechselnd Fahrtstufe und Kurs ändern.

Um 00.30 Uhr waren wir eingekreist. Es blitzte an Stb., sowie an Bb. Ich befahl, Geheimsachen klarlegen zur Vernichtung. Deutlich sah ich einen Volltreffer an Bb. in den Laderaum gehen.
Auch wurde jetzt vom Gegner mit leichten Waffen geschossen. Von den verschiedenen Einschlägen fegten Splitter über Deck und Wasserspritzer kamen über.

Um 00.40 Uhr gab ich den Befehl G.-Sachen zu vernichten und in die Boote zu gehen. Die Maschine lief nicht mehr. An Stb. wurde das 1. Floss und an Bb. zwei weitere ausgesetzt. Dort stieg auch ich aus. An Deck sah ich in diesem Moment keinen mehr. Am Heck hielten wir das Floss fest, um auf das andere zu warten. Da stieg noch Mtr. Meysing bei uns ein. Gleich darauf erhielt F 124 einen Treffer in das Ruderhaus. Wir sahen Feuerschein.
Durch den Feuerschein der S-Fähren, sowie durch die Leuchtgranaten, die über uns standen, bildeten wir ein gutes Ziel für den Gegner. Unser Boot wurde mit leichten Waffen bestrichen, so dass die 7,5cm Kanone nicht mehr bedient werden konnte. Ich hielt einen Widerstand gegen diese hohe Feuerwirkung für erfolglos, da Gegnerlage an Stb. und Bb. von mir nicht und auch von der Bedienung nicht auszumachen war. Das Legen einer Nebelwand hielt ich für aussichtslos, da der Gegner auf uns eingeschossen war und immer in der entsprechenden Fühlung mir uns blieb.
18 – 20 Salven haben wir ausmanövriert, selbst 4 Schuss geschossen.
Während wir in den Flössen trieben, wurden wir mit leichten Bordwaffen beschossen. Deutlich erkannte ich zwei Zerstörer. Gegen 01.30 Uhr waren die feindlichen Boote verschwunden.
Im Morgengrauen sahen wir F 124 treiben. In der Nacht versuchten wir vergeblich an das Boot zu paddeln.
Im Laufe des Tages wurden wir von Seenotflugzeugen geborgen.

Adam ( F 124, Anm.)
Bootsmann



Fortsetzung folgt...

Zerstörerfahrer

Stellungnahme des Flottillenchefs.


Von den Gefechtshandlungen in der Nacht vom 18. zum 19. März geben der Gefechtsbericht des Geleitführers und die Aussagen der geretteten Besatzungsmitglieder von F 124, SF 270, SF 273 folgendes Bild:

Um 23.30 Uhr wurden von einem unbekannten Fahrzeug, meiner Ansicht nach einem in Lauerstellung liegenden Zerstörer, drei Torpedos von Bb. achteraus gegen F 124 geschossen, die jedoch ihr Ziel verfehlten bzw. das Boot unterliefen. Ausser dem Abschuss eines weissen Sternsignals erfolgte daraufhin nichts von Seiten des eigenen Verbandes.

Gegen 00.15 Uhr beobachtete man an Stb.-Seite das Niedergehen einiger Leuchtgranaten, die von Bb. achteraus abgefeuert waren. Ihnen folgte gleich darauf aus gleicher Richtung eine Salve mittleren Kalibers, die das letzte Boot, SF 274, traf, so dass es kurz danach lichterloh brannte.

Die Siebelfähren, die zunächst an einen Luftangriff geglaubt und nach oben geschossen hatten, feuerten mit ihrer Vierling gegen den Gegner an Backbord, während F 124 einen an Stb. gesichteten Bootsschatten mit dem 7,5cm-Geschütz unter Feuer nahm und mit den 2cm-Waffen gleichfalls den Feind an Bb. bekämpfte.

Nach der Vernichtung von SF 274 nahm der Gegner, der zwischen Verband und Küste stand, Zielwechsel vor und erzielte aus 1000 – 2000m Entfernung sehr bald eine deckende Salve auf
SF 273. Durch einen Volltreffer wurde das Geschütz vernichtet und ein Brand ausgelöst. Um 00.50 Uhr verliess die Besatzung das brennende Fahrzeug, das gegen 02.30 Uhr achtern wegsackte.

Auch SF 270 wurde Stb. achtern getroffen. Sie geriet gleichfalls in Brand und nach Ausfall des Geschützes durch weitere Treffer leichten Kalibers und Vernichtung der G.-Sachen und des FT-Gerätes wurde sie von der Besatzung um 00.40 Uhr in Ordnung verlassen.
Wie die Besatzung später von den Rettungsflössen aus deutlich erkennen konnte, hatte der Zerstörer ebenfalls mehrere Flaktreffer in die Brücke erhalten.

Inzwischen hatte sich das Feuer der an beiden Seiten stehenden feindlichen Einheiten immer mehr auf F 124 konzentriert. Ein Volltreffer mittleren Kalibers ging in den Zement des Laderaumes, während gleichzeitig Flakwaffen das Deck bestrichen und das Ruderhaus in Brand schossen. Das 7,5cm-Geschütz hatte nach 4 Schüssen das Schiessen eingestellt. Die Maschinen liefen nicht mehr. Da die Salven des Gegners ständig deckend lagen und der Kommandant jeden Augenblick mit der völligen Vernichtung des Bootes rechnete, befahl er, das Boot zu verlassen. Die Geheimsachen waren schon vorher vernichtet .

Der Gegner stellte nun überraschenderweise die Beschiessung von F 124 ein und beschränkte sich darauf, die Oberfläche der See mit Flakfeuer abzukämmen, ohne jedoch die Schiffbrüchigen zu treffen. Gegen 01.30 Uhr liefen die feindlichen Fahrzeuge, wahrscheinlich Zerstörer und ein bis zwei Kanonenschnellboote, ab.


Weder die Sichtung der Torpedolaufbahn, noch der Beginn des Gefechtes sind durch FT gemeldet worden. Das FT-Gerät des Führerbootes F 124 war bei Auslaufen aus Katakolon angeblich klar gewesen, doch hatte der Funker dem Kommandanten gemeldet, dass seine Auslaufmeldung offenbar nicht gehört sei. Späterhin war das Gerät dauernd gestört. Der Kommandant hat es dann als Führer des Verbandes versäumt, einem anderen Boot die Funkwache zu übertragen. Ihm muss jedoch zugute gehalten werden, dass er über diese Pflichten noch nicht ausdrücklich belehrt war.
Eine entsprechende Unterrichtung der Kommandanten und des Funkpersonals ist für die Zukunft sichergestellt.

Das die Besatzungen der Siebelfähren die brennenden Fahrzeuge nach Ausfall der Flakwaffen verlassen haben, war nach bisherigen Erfahrungen richtig. Anders steht es mit F 124. Ob nach den ersten Treffern das 7,5cm-Geschütz und die Maschinen ausgefallen waren, hat sich nicht mehr klären lassen. Auf jeden Fall aber war die Schwimmfähigkeit des Bootes noch in keiner Weise beeinträchtigt, als der Kommandant den Befehl zum Verlassen des Bootes gab.

Es ist zuzugeben, dass die Lage ziemlich hoffnungslos aussah, nachdem die feindlichen Einheiten aus grosser Nähe das Boot von zwei Seiten mit ihren Salven eindeckten, doch hätte wenigstens der Versuch gemacht werden müssen, durch Einnebeln sich der Feuerwirkung des Gegners zu entziehen. Sonst aber musste das Boot vor dem Verlassen unbedingt versenkt werden, damit ein Entern unmöglich gemacht war. Tatsächlich hätte der MFP ja auch leicht dem Feind in die Hände fallen können, da er noch drei Tage auf ebenem Kiel schwamm und erst durch Bombentreffer versenkt wurde.

Es ist deshalb gegen den Kommandanten Tatbericht wegen des Verdachtes zu frühen Verlassens seines Schiffes eingereicht worden.


Schröder
Flottillenchef



Fortsetzung folgt...

Peter K.

Hochinteressant, RENE .... bitte unbedingt weitermachen!  :MG:
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Brandenburger


   @  Zerstörerfahrer

Sehr interessant , und genau meine Richtung . Danke fürs schreiben , und
bitte weiter .

                        MfG Andreas
Meine Website !!!!

http://sturmboot-kommando.de/

byron

Danke Rene für diese spannende Berichte,

meine Richtung auch ! Am Kampf in der Ägäis hab ich sowieso besonderes Interesse.


www.wehrmacht-in-griechenland.de.vu

Zerstörerfahrer

Stellungnahme Admiral Ägäis zum KTB der 15.L.-Flottille
Vom 19.03.44 bis 31.03.44 und zur Stellungnahme des Flo-Chefs im Anhang.

Zur Stellungnahme des Flo-Chefs Seite 2 – Absatz 1 und 2.

In dem Verhalten des Kommandanten des Marine-Fährprahms sind schwere Mängel enthalten, die Admiral Ägäis dazu veranlasst haben, umgehend Tatbericht einzuleiten. Der Treffer in die Zementladung hat anscheinend den Kommandanten und auch Teile der Besatzung wegen Staubentwicklung völlig verwirrt. Wie der Gruppenführer mitteilte, hat der Kommandant schon einmal sehr enttäuscht.
Es ist daher auch von der Flottille wenig verständlich, dass sie nicht einen besseren Geleitführer eingesetzt hat, wenn sie es nicht schon für notwendig hielt, dass der Gruppenführer der Fährprahmgruppe die Führung dieses wertvollen Geleites selbst übernahm.
Insofern ist auch der Flottille ein Vorwurf nicht zu ersparen. Die sichere Steuerung von Geleiten jeder Art ist eine Frage der Persönlichkeit des Geleitführers. Dieser Lage ist in Zukunft durch entsprechende Kommandierung Rechnung zu tragen.

Für Admiral Ägäis
Der Chef des Stabes




Die betreffenden Einträge aus dem KTB:

18.03.44
22.00
F 124, SF 270, SF 273 und SF 274 Katakolon aus nach Navarino.

19.03.44
00.30
F 124, SF 270, SF 273, SF 274 befinden sich auf dem Marsch von Katakolon ( Pirgos Bucht ) nach Navarino, angehängt für deutsche Dienste fahrender griech. Schlepper HP 58.
Kurs             : rw. 163°
Fahrt            :  6 sm
Formation    : Einfache K-Linie mit 100m Abstand
Geleitführer : Bootsmann Adam

Feuerüberfall durch 2 feindl. Zerstörer und vermutlich mehrere S-Boote.
Nach kurzem Gefecht SF 273 und SF 274 brennend gesunken.
F 124 schwer beschädigt, SF 270 ausgebrannt, Besatzungen von Bord, Fahrzeuge treiben. Schlepper Geleit verlassen ( siehe beigefügten Gefechtsbericht ).

13.20
23 Besatzungsmitglieder, darunter 1 Toter, von F 124, SF 270, SF 273 durch Seenotflugzeuge gerettet, treffen bei Flottille ein. Weitere Überlebende versuchen in Flössen Land zu erreichen.

19.00
Meldung Luftwaffe, F 124, SF 270 treiben etwa 30 sm NNW Navarino nach Süden.

14.00
Notbesatzung F 124 zusammengestellt, wegen Wetter kein Flugzeugstart.

17.45
Bezüglich Seenotfall Siebelfähren bestand Absicht, Schlepper HP 58 von Kyparissia zum Einschleppen F 124 auslaufen zu lassen. Wegen Fehlen geeigneten Schlepperpersonals nicht ausgelaufen.

Besatzungsaufstellung Seenotfall Siebelfähren.
F 124 Besatzung 19 Mann: davon 3 gefallen,
                                          : davon 7 vermisst,
                                          : davon 9 gerettet.
F 270 Besatzung 16 Mann: alle gerettet.
F 273 Besatzung 16 Mann: 3 vermisst.
F 274 Besatzung 16 Mann: 3 vermisst.
Nach bisheriger Feststellung: 1 Mann schwerverletzt, 7 Mann leichtverletzt.

21.03.44
05.50
F 124, SF 270 wiederholte Bombenangriffe, 3 Feindflugzeuge von Land ohne Wirkung beobachtet.

12.00
F 124, SF 270 wiederholter Bombenangriff, 6 Feindflugzeuge von Land beobachtet.

12.50
SF 270 brennend gesunken.

14.00
F 124 wiederholter Bombenangriff, 3 Feindflugzeuge von Land beobachtet, Um 14.10 Uhr gesunken.

29.03.44
19.00
Bergungskommando für F 124 von Kyparissia zurück.














Zerstörerfahrer

Hier mal der entsprechende Auszug aus der WLB Stuttgart, damit wir auch wissen, um welche Zerstörer es sich nun handelte.

Zitat von: WLB-StuttgartIn der gleichen Nacht führen Le Terrible und Le Fantasque einen Vorstoß von Brindisi ins Gebiet nördlich von Navarino durch und greifen ein dt. Geleit an. Die Siebel-Fähren SF 273 und SF 274 werden versenkt, SF 270 und der MFP F 124 werden beschädigt und am nächsten Tag von Jabos versenkt.




Man könnte ja jetzt noch eine Wertung der Stellungnahmen der Vorgesetzten vornehmen, aber ich unterlass das mal, sonst müsste ich das Wort " Schreibtischstrategen " benutzen !

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