Frage an Artillerie-Spezialisten

Begonnen von Urs Heßling, 24 Februar 2023, 13:42:08

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Urs Heßling

moin,

ich stieß beim Stöbern im FMA auf das Foto "0000a" im Thread zum Thema Schiffsfoto-Retuschierung

Es zeigt bei den beiden Torpedobooten der "Raubvogel"-Klasse im Vordergrund eine andere 10,5 cm-Lafette als bei den sichtbaren sechs "Raubtier"-Booten.

Kann dazu jemand etwas genaueres sagen ?  Danke im Voraus,

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Schorsch

Hallo Urs,

vladalex aus dem --/>/> Axis history-Forum hat sich vor ca. 10 Jahren intensiver mit den 10,5 cm-Gechützen der Kriegsmarine auseinandergesetzt. Er schreibt in einer diesbezüglichen Zusammenfassung, dass es sich bei der Bewaffnung der "Raubvögel" um 10,5 cm Ubts. u. Tbts. Flak L/45 von Krupp handelt.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Urs Heßling

"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Strandurlauber

#3
Moin Urs,

die Raubvogel-Klasse war mit den älteren 10,5 cm SK C/06 ausgerüstet (L/45; Tbts LC/16 mit Höhenrichtbereich: -10° / +50°).

Die Raubtier-Klasse dagegen mit längeren und auch deutlich schwereren 10,5cm SK C/28 (L/55; Höhenrichtbereich -10° / +30°), diese wurden abgesehen von ,,Jaguar", die Ihre Rohre bis 1944 behielt,  trotz der hohen V0 vom 925 m/s in den 30ern ersetzt.

Bei ,,Luchs" und ,,Leopard" wurde 1932 durch aufbohren der 10,5-cm (L/55-Rohre) die neue 12,7-cm SK C/28 erprobt (L/45; wog 7960 kg) und für die Zerstörer zur 12,7-cm SK C/34 (ebenfalls L/45; aber etwas schwerer) weiterentwickelt.*
Bei den anderen wurden die L/55er durch 10,5-cm SK C/32 ersetzt (L/45; als MPL C/32 mit Höhenrichtbereich -10° / +50°, 6485 kg).
Ich habe keine Info ob auch die Raubvogel-Klasse darauf umgerüstet wurde, aber von deren Originalbewaffnung gab es nachgebohrte Rohre 10,5 cm SK L/45 (n R), deren Kammern so modifiziert waren, dass sie dieselbe neuere Munition verwenden konnte, bei annähernd gleichen Leistungsparametern (Rohrlänge und Erhöhung waren vergleichbar).

Was interessant ist, dass auf dem von dir genannten Bild ,,Seeadler" und ,,Albatros" neben ,,Leopard" und ,,Luchs" abgebildet sind, welche später, d.h. ab 1.Oktober 1934 zusammen als 2. Torpedobootsflottille zusammen, u.a. in Spanien eingesetzt wurden. In Wikipedia wird zu ,,Seeadler" und ,,Albatros" angegeben, dass auch diese beiden 1933 ihre 10,5-cm-Geschütze abgegeben hätten und diese gegen 12,7-cm-Kanonen getauscht wurden. Als Quelle ist dort Hildebrand u.a.: die Deutschen Kriegsschiffe, Bd. 5, S. 119 angegeben (der mir leider nicht vorliegt), in anderen mir bekannten Abhandlungen wird davon nichts erwähnt ...  :?

Gruß
Ulf

* Rohrlänge identisch 5760 mm, Rohrmasse 10,5-cm als L/55 3660 kg / 12,7-cm als L/45 aufgebohrt 3560 kg, spätere Rohre für Zerstörer 3645 kg
"Damn the torpedoes! Full speed ahead!" D. G.  Farragut

(1864 Battle of Mobile Bay; ... er wusste offenbar was USS Cairo auf dem Yazoo River zum Verhängnis wurde, aber auch dass die Minen schon längere Zeit im Wasser lagen und durchsickerndes Wasser in den Trimmtanks diese nach und nach absacken ließ ...)

Urs Heßling

moin, Ulf,

herzlichen Dank :MG: top für eine so detaillierte Antwort

Gruß, Urs
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Schorsch

#5
Hallo zusammen!

Ich hätte zu dem, was Ulf geschrieben hat, noch ein paar Fragen bzw. Anmerkungen. Ulf präsentiert in seiner Antwort einige sehr detaillierte Angaben zu den 10,5 cm-Geschützen der Torpedoboote der Raubvogel- bzw. der Raubtierklasse. Allerdings gibt er kaum Quellen an, woher er diese Zahlen bezogen hat. Hier wäre es doch schön, um bestehende Lücken im Bücherregal oder beim eigenen Wissen füllen zu können, mitgeteilt zu bekommen, nach was man sich in Zukunft umschauen sollte.

Dann sind mir noch einige Widersprüchlichkeiten aufgefallen:
Zitat von: Strandurlauber am 24 Februar 2023, 21:54:38
(...)
die Raubvogel-Klasse war mit den älteren 10,5 cm SK C/06 ausgerüstet (L/45; Tbts LC/16 mit Höhenrichtbereich: -10° / +50°).
(...)
Im offiziellen Schrifttum, das ich sichten konnte, scheint eine solche Waffe nicht zu existieren. Konkret bezieht sich diese Bemerkung auf die folgenden M.Dv. bzw. deren Übersichten zu den dort enthaltenen Einzelheften:
170: ,,Merkbücher für Munition in der Kriegsmarine (Artillerie)"
207: ,,Angaben über Gewichte, Maße, Rückstoßkräfte, Zieleinrichtungen und Sockelbefestigungen der in der Marine-, Schiffs- und Küstenartillerie vorhandenen Geschütze der leichten und mittleren Artillerie (ausschl. Drehscheibenlafetten)"
228: ,,Bedienungsvorschriften der Geschütze an Bord"
229: ,,Bedienungsvorschriften der Geschütze in Küstenaufstellung"
230: ,,Schußtafeln für Schiffsartillerie"
231: ,,Schußtafeln für Küstenartillerie"
232: ,,Schußtafeln für Schiffs- und Küstenartillerie"
233: ,,Lafettenbeschreibungen für Geschütze an Bord"
234: ,,Lafettenbeschreibungen für Geschütze in Küstenaufstellung"
235: ,,Geschützrohrbeschreibungen für Geschütze an Bord"
236: ,,Geschützrohrbeschreibungen für Geschütze in Küstenaufstellung"
237: ,,Übersicht der Schuß- und T.V.-Tafeln der Schiffs- und Küstenartillerie"
436: ,,Vorschriften für die Behandlung und Instandhaltung der Geschütze an Bord"
437: ,,Vorschriften für die Behandlung und Instandhaltung der Geschütze in Küstenaufstellung"
475: ,,Tagesverbesserungstafeln"
Das einzige Geschütz, das näherungsweise dieser Bezeichnung entspräche, ist die 10,5 cm S.K. L/45 in M.P.L. C/1906.
Nur waren auf den Raubvögeln Geschütze vom Typ 10,5 cm Ubts. u. Tbts. Flak L/45 in 10,5 cm Ubts. u. Tbts.L. C/1916 eingebaut, erkennbar an den hier am Geschütz installierten kastenförmigen Folgeanzeigern, die es in dieser Form an dem früher entstandenen Geschütz nicht gab.

Zitat von: Strandurlauber am 24 Februar 2023, 21:54:38
(...)
Die Raubtier-Klasse dagegen mit längeren und auch deutlich schwereren 10,5cm SK C/28 (L/55; Höhenrichtbereich -10° / +30°), diese wurden abgesehen von ,,Jaguar", die Ihre Rohre bis 1944 behielt, trotz der hohen V0 vom 925 m/s in den 30ern ersetzt.
(...)
Bei den anderen wurden die L/55er durch 10,5-cm SK C/32 ersetzt (L/45; als MPL C/32 mit Höhenrichtbereich -10° / +50°, 6485 kg).
(...)
Das scheint in der formulierten Ausschließlichkeit auch nicht zu stimmen, wie die unten eingefügte Abbildung des Torpedobootes WOLF zeigt, das auf der Back ein 10,5 cm-Geschütz führt, das in der Schildform dem der Raubvögel entspricht. Bezüglich des erwähnten Wechsels der Bewaffnung von 10,5 cm S.K. C/28 auf 10,5 cm S.K. C/32 hätte ich gern gewusst, wo man das nachlesen kann.

Zitat von: Strandurlauber am 24 Februar 2023, 21:54:38
(...)
Bei ,,Luchs" und ,,Leopard" wurde 1932 durch aufbohren der 10,5-cm (L/55-Rohre) die neue 12,7-cm SK C/28 erprobt (L/45; wog 7960 kg) und für die Zerstörer zur 12,7-cm SK C/34 (ebenfalls L/45; aber etwas schwerer) weiterentwickelt.*
(...)
* Rohrlänge identisch 5760 mm, Rohrmasse 10,5-cm als L/55 3660 kg / 12,7-cm als L/45 aufgebohrt 3560 kg, spätere Rohre für Zerstörer 3645 kg
(...)
Wie bohrt man eine 10,5 cm-Kanone auf ein Kaliber von 12,7 cm auf? Ich zumindest verstehe den Begriff ,,Aufbohren" im Sinne von ,,bei einer bereits existenten Waffe x mm von der Rohrinnenwand entfernen". Das mag funktionieren, wenn z.B. eine erbeutete sowjetische 85 mm ZP obr. 1939 g (85-мм зенитная пушка обр. 1939 г) an die Munition der deutschen 8,8 cm Flak 18/36/37 angepasst und so später als 8,5/8,8 cm Flak M 39 (r) eingesetzt werden soll, und dafür 1,5 mm von der Rohrinnenwand abgeschabt werden. Bei den Geschützen von LUCHS und LEOPARD reden wir aber bei der Größe x von immerhin 11 mm! Kann das festigkeitsmäßig gutgehen?

Auch die Betrachtung der angegebenen Massen führt zu einem Widerspruch, denn rein rechnerisch würde ein Rohr vom Kaliber 10,5 cm beim Aufbohren auf ein Kaliber von 12,7 cm eine Masse von immerhin 181,25 kg verlieren, in den genannten Beispielen unterscheiden sich die Rohrmassen aber nur um 100 kg. Zudem erreicht man mit dem Kaliber 12,7 cm den Bereich der Munition, in dem beim Laden der Geschütze von Hand nicht mehr mit patronierter Munition gearbeitet werden kann, sondern Granate und Kartusche getrennt geladen werden müssen. Weiterhin ist wieder die verwendete Geschützbezeichnung 12,7 cm SK C/28 zumindest in den vorgenannten M.Dv. nicht zu finden; wohl aber die einer 12,7 cm S.K. C/34 in 10,5 cm M.P.L. C/28 (so in den M.Dv. 170, 27; 233,62 und 235,31).

Ich interpretiere das Ganze so, dass die 10,5 cm S.K. C/28 zwar die konstruktive Grundlage der 12,7 cm S.K. C/34 bildete, aber hier völlig neue Waffen entworfen und hergestellt wurden.

Zitat von: Strandurlauber am 24 Februar 2023, 21:54:38
(...)
Was interessant ist, dass auf dem von dir genannten Bild ,,Seeadler" und ,,Albatros" neben ,,Leopard" und ,,Luchs" abgebildet sind,...in anderen mir bekannten Abhandlungen wird davon nichts erwähnt...?
(...)
Auch hier erneut die Bitte an Ulf, doch zu verraten, welche Abhandlungen Dir diesbezüglich bekannt sind?

Dann hätte ich auch noch eine Nachfrage zu dem Rätselbild, das Urs zu seiner ursprünglichen Frage gebracht hat: welche Fahrzeuge sind in der rechten hinteren Reihe zu vermuten. In der vorderen rechten Reihe sind es von rechts nach links: SEEADLER, ALBATROS, LEOPARD und LUCHS; unmittelbar links von der Landungsbrücke liegt vorn GREIF mit wenigstens zwei weiteren Torpedobooten und das Viererpäckchen links im Hintergrund besteht aus JAGUAR, WOLF, TIGER und ILTIS (hier von links nach rechts)

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Thoddy

https://drive.google.com/file/d/1Z02ohI2RNTaFVwvyptjfXvA0sUe44gFj/view?usp=drivesdk

Handbuch Admiralstab für an Bord befindlichen Geschütze.

Hier sind auch die zugeordneten Schiffe erkennbar.
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

Urs Heßling

moin, Schorsch,

erst einmal danke für deinen Einspruch :MG: :TU:)

Zitat von: Schorsch am 26 Februar 2023, 07:53:19
Dann hätte ich auch noch eine Nachfrage zu dem Rätselbild, das Urs zu seiner ursprünglichen Frage gebracht hat: welche Fahrzeuge sind in der rechten hinteren Reihe zu vermuten.
Ich halte das (aufgrund der Brückenform) für 4 Torpedo(schul)-Boote des Typs G 7

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Schorsch

Hallo Thoddy,

vielen Dank für die Informationen! :TU:)

Ebenfalls Danke an Urs - bei Überwassers habe ich so meine Schwierigkeiten, mich bei nur wenigen erkennbaren Merkmalen sicher zu orientieren.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Peter K.

ZitatIn Wikipedia wird zu ,,Seeadler" und ,,Albatros" angegeben, dass auch diese beiden 1933 ihre 10,5-cm-Geschütze abgegeben hätten und diese gegen 12,7-cm-Kanonen getauscht wurden. Als Quelle ist dort Hildebrand u.a.: die Deutschen Kriegsschiffe, Bd. 5, S. 119 angegeben (der mir leider nicht vorliegt), in anderen mir bekannten Abhandlungen wird davon nichts erwähnt ...

Ich kann diese Behauptung in der genannten Quelle, wo es im Übrigen um SEEADLER geht, NICHT bestätigen.

Zitatwelche Fahrzeuge sind in der rechten hinteren Reihe zu vermuten. In der vorderen rechten Reihe sind es von rechts nach links: SEEADLER, ALBATROS, LEOPARD und LUCHS; unmittelbar links von der Landungsbrücke liegt vorn GREIF mit wenigstens zwei weiteren Torpedobooten und das Viererpäckchen links im Hintergrund besteht aus JAGUAR, WOLF, TIGER und ILTIS (hier von links nach rechts)
ZitatIch halte das (aufgrund der Brückenform) für 4 Torpedo(schul)-Boote des Typs G 7

Links von GREIF liegen gemäß einer ähnlichen, aber aus etwas anderer Perspektive aufgenommenen Aufnahme MÖWE, KONDOR und FALKE ganz außen.
Hinten rechts liegen meiner Meinung nach G 11 an der Pier, daneben G 7, G 8 und ganz außen G 10.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Strandurlauber

#10
Moin,

@ Schorsch: erstmal danke das du meine Angaben kritisch hinterfragst und mir Stoff zum Grübeln, stöbern und nachrechnen gibst. Auch ich bin nicht vor Fehlern gefeit und hab sicher noch viel zu lernen. Zumal mir Primärquellen nicht im selben Umfang wie dir zur Verfügung stehen und ich mich an z.T. an Gerhard Knoop, Klaus-Peter Schmolke und Siegfried Breyer sowie NavWeaps.com orientiert habe.
PS: Hättest du evtl. die M.Dv. Nr. 233,63 / 233,62 und 235,31 parat, ich hab nur die M.Dv. Nr. 233,60 und komm in absehbarer Zeit nicht nach Freiburg. :MG:

Ich möchte auf dir von dir angesprochen Punkte eingehen, auch wenn vielleicht zeitlich nicht alles auf Ein mal möglich ist.
ZitatDas einzige Geschütz, das näherungsweise dieser Bezeichnung entspräche, ist die 10,5 cm S.K. L/45 in M.P.L. C/1906.
Nur waren auf den Raubvögeln Geschütze vom Typ 10,5 cm Ubts. u. Tbts. Flak L/45 in 10,5 cm Ubts. u. Tbts.L. C/1916 eingebaut, ...

Bezüglich der korrekten Bezeichnung gebe ich dir Recht, gemeint ist die 10,5 cm S.K. L/45 in Tbts.L. C/1916.   
Frage: Ist dir oder anderen bekannt ob damit die Lafette inkl. Schild gemeint ist oder gab es diese Version wie ich vermute auch ohne Schild?

Zitat..., wie die unten eingefügte Abbildung des Torpedobootes WOLF zeigt, das auf der Back ein 10,5 cm-Geschütz führt, das in der Schildform dem der Raubvögel entspricht. Bezüglich des erwähnten Wechsels der Bewaffnung von 10,5 cm S.K. C/28 auf 10,5 cm S.K. C/32 hätte ich gern gewusst, wo man das nachlesen kann.

Interessantes Bild, stimme zu das der Schutzschild mit dem, der im anderen Bild gezeigten Einheiten der Raubvogel-Klasse identisch ist. Ist dir/euch bekannt, wann und wo das Bild aufgenommen wurde? Vielleicht ein Fertigungsengpass und nur temporär an Bord, denn in 0000a hat Wolf wieder die andere Lafette ...
Bezüglich Umrüstung aktuell in NavWeaps: ,,Most of the Torpedo Boats had these guns replaced by the 10.5 cm/45 (4.1") SK C/32 in the 1930s, but Jaguar still carried them as late as 1944 and was often short of ammunition at that time."

ZitatWie bohrt man eine 10,5 cm-Kanone auf ein Kaliber von 12,7 cm auf? Ich zumindest verstehe den Begriff ,,Aufbohren" im Sinne von ,,bei einer bereits existenten Waffe x mm von der Rohrinnenwand entfernen". Das mag funktionieren, wenn z.B. eine erbeutete sowjetische 85 mm ZP obr. 1939 g (85-мм зенитная пушка обр. 1939 г) an die Munition der deutschen 8,8 cm Flak 18/36/37 angepasst und so später als 8,5/8,8 cm Flak M 39 (r) eingesetzt werden soll, und dafür 3 mm von der Rohrinnenwand abgeschabt werden. Bei den Geschützen von LUCHS und LEOPARD reden wir aber bei der Größe x von immerhin 11 mm! Kann das festigkeitsmäßig gutgehen?

Auch die Betrachtung der angegebenen Massen führt zu einem Widerspruch, denn rein rechnerisch würde ein Rohr vom Kaliber 10,5 cm beim Aufbohren auf ein Kaliber von 12,7 cm eine Masse von immerhin 181,25 kg verlieren, in den genannten Beispielen unterscheiden sich die Rohrmassen aber nur um 100 kg. Zudem erreicht man mit dem Kaliber 12,7 cm den Bereich der Munition, in dem beim Laden der Geschütze von Hand nicht mehr mit patronierter Munition gearbeitet werden kann, sondern Granate und Kartusche getrennt geladen werden müssen. Weiterhin ist wieder die verwendete Geschützbezeichnung 12,7 cm SK C/28 zumindest in den vorgenannten M.Dv. nicht zu finden; wohl aber die einer 12,7 cm S.K. C/34 in 10,5 cm M.P.L. C/28 (so in den M.Dv. 170, 27; 233,62 und 235,31).
Ich interpretiere das Ganze so, dass die 10,5 cm S.K. C/28 zwar die konstruktive Grundlage der 12,7 cm S.K. C/34 bildete, aber hier völlig neue Waffen entworfen und hergestellt wurden.

In diesem Fall würde die Kaliberzunahme statt der sich in deinem Beispiel ergebenden 8,5 auf 8,8 cm = 3,5%, oder der italienischen Conte di Cavour und Caio Duilio Klasse von 30,5 auf 32 cm = 5%, satte 22% betragen und normalerweise sollte so etwas nicht möglich sein.
Um es nachzuvollziehen mal Vergleichsdaten:
1.) 10,5 cm S.K. C/32 in MPL C/32
Rohrlänge 45 Kaliber = 4740 mm
Gewicht Rohr und Verschluss = 1765 kg
Geschossgewicht 15,1 kg (HE L/4,4) Treibladung 4,08 kg (Patronenmunition)
V0 780 m/s, M0 4,59 MJ
2.) 10,5 cm S.K. C/28 in 10,5 cm MPL. C/28
Rohrlänge 55 Kaliber = 5760 mm (Seelenrohr 5431 mm)
Gewicht Rohr und Verschluss = 3660 kg (lt. NavWeaps)
Geschossgewicht 14,7 kg (HE L/4,1) Treibladung 5,37 kg RPC/32 (Patronenmunition)
V0 925 m/s, M0 6,29 MJ
3.) 12,7 cm S.K. C/34 in MPL C/28 (7960 kg lt. Breyer, bzw. in MPL C/34 10220 kg)
Rohrlänge 45 Kaliber = 5760 mm (Seelenrohr 5430 mm)
Gewicht Rohr und Verschluss = 3645 kg (bzw. aufgebohrt lt. NavWeaps 3560 kg*)
Geschossgewicht 28 kg (HE L/4,4) Treibladung 8,7 kg RPC/38 bzw. 8,4 kg RPC/32 (Munition geteilt**)
V0 830 m/s, M0 9,64 MJ

Auffällig ist das für eine 10,5 cm sehr große Gewicht der 10,5 cm S.K. C/28, dass sich im Vergleich nicht nur aus der Rohrlänge, sondern auch aus der höheren V0 und damit einer, meiner Meinung nach, sehr robusten Bauweise mit Reserven, ergab und sogar noch etwas schwerer als die Serienrohre der 12,7 cm S.K. C/34 war.
Wollte man hypothetisch eine 12,7-cm L/45 durch maßstäbliche Vergrößerung der 10,5 cm S.K. C/32 erzielen würde man gewichtsmäßig deutlich niedriger liegen und hätte bei 3660 kg Rohrmasse die Möglichkeit die Rohrwandung ca. 7% stärker auszuführen, nicht zuletzt hat das 3645 kg Serienrohr den Belastungen auch standgehalten, ob das von vornherein geplant war, wäre aber reine Spekulation.  ,,Konstruktive Grundlage" wie du es nanntest scheint mir treffend.

* Ich hatte schon selber, gestern interessehalber mal nachgerechnet und bin mit 179,4 kg Gewichtsverlust durch Ausbohren in derselben Größenordnung gelandet (Abweichung durch Rundung möglich). Ich möchte die Differenz von 80 kg hier nicht weg diskutieren, allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass sich durch das Ausbohren auch der für die Position der Schildzapfen wichtige Schwerpunkt des Rohres nach hinten verlagert hat (zum einen da von der Mündung bis zu den Schildzapfen auf einer längeren Strecke ausgebohrt wird und zum anderen, weil dort die Rohrwandung deutlich geringer als Richtung Bodenstück ist und somit ein Ausbohren stärker ins Gewicht fällt. Um das zu korrigieren könnten zum einen Balance-Gewichte eingesetzt worden sein oder es ergaben sich, möglicherweise, Änderungen durch Kompensation der höheren Rückstoßes (M0 ca. 50% größer d.h. bei fast selber Rohrmasse ergibt sich eine größere Rohrrücklaufgeschwindigkeit – bei der 10,5 cm S.K. C/28 müsste diese anfangs 58,6 3,72 m/s und bei der 12,7 cm S.K. C/34 anfangs 72,75 6,38 m/s (!) betragen haben ...

** 12,7 cm Hülsenkartusche 731 mm lang, am Boden 160 mm, d.h. bei Rand 7,5 mm und Durchmesser 145 mm würde man auf das angegebene Kammervolumen von 12,19 dm³ kommen.

ZitatAuch hier erneut die Bitte an Ulf, doch zu verraten, welche Abhandlungen Dir diesbezüglich bekannt sind?

Formulierung unglücklich, meine Aussage bezog sich darauf, dass ich nirgendwo in mir zugänglichen Bama RM 3/..., RM 6/... , RM 24/..., RM 25/..., bzw. RM 134/... sowie den (noch überschaubaren NARA Rolls) bzw. in der Literatur eine Bestätigung finden konnte.
Alles aufzuzählen was an Quellen vorliegt oder noch fehlt gern auf Wunsch als PN, würde mich freuen wenn du helfen könntest einige Lücken in meinem Wissen zu füllen.

@ Peter K.: Wenn es dort nicht zu finden ist, wird es wie leider oft im Wiki falsch wiedergegeben worden sein, danke für die Info. Könntest du evtl. nachsehen was unter Hildebrand.: Die deutschen Kriegsschiffe, Band I, S. 86.
zu Luchs und Leopard zu finden ist? :MG:

Gruß
Ulf
"Damn the torpedoes! Full speed ahead!" D. G.  Farragut

(1864 Battle of Mobile Bay; ... er wusste offenbar was USS Cairo auf dem Yazoo River zum Verhängnis wurde, aber auch dass die Minen schon längere Zeit im Wasser lagen und durchsickerndes Wasser in den Trimmtanks diese nach und nach absacken ließ ...)

Peter K.

ZitatKönntest du evtl. nachsehen was unter Hildebrand.: Die deutschen Kriegsschiffe, Band I, S. 86.

Dort geht´s um ALBATROS, aber auch hier nichts zu einer Umbewaffnung ...
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Strandurlauber

... ernüchtend, trotzdem vielen Dank für deine Mühe.

Gruß
Ulf
"Damn the torpedoes! Full speed ahead!" D. G.  Farragut

(1864 Battle of Mobile Bay; ... er wusste offenbar was USS Cairo auf dem Yazoo River zum Verhängnis wurde, aber auch dass die Minen schon längere Zeit im Wasser lagen und durchsickerndes Wasser in den Trimmtanks diese nach und nach absacken ließ ...)

Schorsch

#13
Hallo Strandurlauber!

Danke für Deine Reaktionen auf meine Fragen, insbesondere in Bezug auf die Quellen, die Du so anzapfst. Insbesondere bei NavWeaps.com bin ich in letzter Zeit aber misstrauisch bei den dort präsentierten Informationen, da zu oft Fotos falsch bezeichnet sind, oder auch Aspekte der Entwicklungsgeschichten einzelner Waffen nicht richtig dargestellt sind.

Die von mir genannten M.Dv. sind bis auf ein, zwei Ausnahmen leider nicht in meinem Bestand, sondern sind in der M.Dv. 1a ,,Inhaltsverzeichnis zum Marine-Druckschriftenplan" aufgeführt und stehen – insbesondere für den Kaliberbereich 2 cm bis 10,5 cm – auf meiner stetig anwachsenden Will-haben-Liste, die später mal abgearbeitet werden wird.

Dann noch ein paar Worte zu Deinen Berechnungen der Rohrrücklaufgeschwindigkeiten. Für deren Abschätzung sind nicht die umgesetzten Energien maßgeblich, sondern die Impulse (das jeweilige Produkt aus Masse und Geschwindigkeit) von Geschoss bzw. Geschützrohr. Diese Impulse müssen nach dem Impulserhaltungssatz in ihrem Betrag übereinstimmen. Damit ergibt sich aus den von Dir angenommenen Werten für Geschossmasse, Rohrmasse und Mündungsgeschwindigkeit für die Rohrrücklaufgeschwindigkeiten der drei Beispielwaffen unmittelbar nach dem Schuss:
10,5 cm S.K. C/32: Rohrrücklauf mit ca. 6,67 m/s
10,5 cm S.K. C/28: Rohrrücklauf mit ca. 3,72 m/s
12,7 cm S.K. C/34: Rohrrücklauf mit ca. 6,38 m/s

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Strandurlauber

Moin Schorsch,

Danke für den Hinweis.

Gruß
Ulf
"Damn the torpedoes! Full speed ahead!" D. G.  Farragut

(1864 Battle of Mobile Bay; ... er wusste offenbar was USS Cairo auf dem Yazoo River zum Verhängnis wurde, aber auch dass die Minen schon längere Zeit im Wasser lagen und durchsickerndes Wasser in den Trimmtanks diese nach und nach absacken ließ ...)

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