Befreiung Otto Kretschmer aus der Kriegsgefangenschaft

Begonnen von wirbelwind, 24 November 2022, 13:20:03

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wirbelwind

Hallo,
zufälligerweise bin ich beim Stöbern zu Otto Kretschmer darauf gestoßen, dass es ein Unternehmen ,,Kiebitz" gab. Dieses sollte ihn und 3 weitere U-Boot-Offiziere nach erfolgreicher Flucht aus dem kanadischen Gefangenenlager Bowmanville per U-Boot zurück ins Dt. Reich bringen. Kretschmer war von Nordengland 1942 in dieses Kriegsgefangenenlager verlegt worden. Dort gelang es den Mitinsassen einen Sender zu bauen und Nachrichten in die Heimat zu senden. Daraufhin wurde das besagte Unternehmen geplant. Das erste, damit betreute U-Boot, U 669 ging nach dem Auslaufen an der französischen Küste verloren. U 536 machte sich daraufhin auf den Weg und wartete seit 24.09.43 auf die ,,Ausbrecher" im Sankt -Lorenz-Strom. Da es den Kanadiern inzwischen gelungen war, die Nachrichten abzuhören und zu dechiffrieren, wussten sie über das Unternehmen Bescheid. U 536 wurde daraufhin gejagt, konnte aber entkommen. Soweit Wiki. Wem ist mehr darüber bekannt? Gerade auch, wie es Schauenburg gemeinsam mit der Besatzung von U 536 gelang, zu entkommen. Sind Kretschmer und die 3 anderen Offiziere aus dem Lager entkommen?
MfG Wirbelwind

Urs Heßling

#1
moin,

Zitat von: wirbelwind am 24 November 2022, 13:20:03
Das erste, damit betreute U-Boot, U 669 ging nach dem Auslaufen an der französischen Küste verloren. U 536 machte sich daraufhin auf den Weg und wartete seit 24.09.43 auf die ,,Ausbrecher" im Sankt -Lorenz-Strom. Da es den Kanadiern inzwischen gelungen war, die Nachrichten abzuhören und zu dechiffrieren, wussten sie über das Unternehmen Bescheid. U 536 wurde daraufhin gejagt, konnte aber entkommen. Soweit Wiki.
Da ist wiki - einmal mehr - mit fragwürdiger Information :
U 669 ging am 30.8.1943 verloren. Es ist nicht klar, wann diese Information den BdU erreichte.
U 536 lief am 29.8.1943 zur zweiten und letzten Feindfahrt aus (die es nicht beendete)

Das "machte sich daraufhin auf den Weg" kann also aus logischer Betrachtung nicht stimmen.

Wenn man die Wegekarte der zweiten Feindfahrt von U 536 betrachtet (patrol view), ist auch die Information "im St.-Lorenz-Strom" fragwürdig, denn da war U 536 nicht

Das englische wiki zu Kretschmer ist da genauer und mit dem Link zu "Kiebitz" auch navigatorisch korrekt.

Ansonsten sollten Kretscher und Kameraden vielleicht froh sein, daß das Unternehmen nicht klappte - es ist ja nicht sicher, ob sie unter den Überlebenden von U 536 gewesen wären.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

wirbelwind

Hallo Urs,
danke für die zusätzlichen Infos. Habe mich in meinem Eingangspost  etwas unklar ausgedrückt. Beide Boote, U 669 und U 536 verließen wohl am 29.08.1943 ihre Häfen, St. Nazaire bzw. Lorient. U 536 sollte ursprünglich vor der Ostküste Nordamerikas patroullieren. Nachdem U 669 unter Oblt. z. See Köhl lt. Lemp durch Bombenabwurf am 07.09.1943 im Golf von Biskaya verloren ging, erhielt Schauerburg die Aufforderung, einen mitgegebenen Umschlag zu öffnen. Darin waren Anweisungen zum Unternehmen ,,Kiebitz" enthalten. Wie bereits erwähnt, schlug das Unternehmen fehl. Ob der gewählte Ort der Übernahme im weitesten Sinne noch zum Sankt-Lorenz-Strom zu zählen wäre (Pointe de Maisonnette), darum will ich mich nicht streiten. Fakt ist jedenfalls, dass Schauerburg und seine Besatzung trotz gestellter Falle entkommen konnten.
Am 20.11.1943 schlug U 536 allerdings nordöstlich der Azoren die Stunde. Es überlebten lt. Lemp 3 Offiziere und 14 Mannschaften. 38 Besatzungsmitglieder fanden den Tod.
Daher stimme ich Dir zu, dass es für Kretschmer und die 3 anderen besser war, nicht auf das Boot gelangt zu sein.
MfG Wirbelwind
PS: Das mit dem Sender der Kriegsgefangenen war wohl auch leider wieder frei erfunden.

M-54842

Zitat von: wirbelwind am 24 November 2022, 13:20:03
Sind Kretschmer und die 3 anderen Offiziere aus dem Lager entkommen?
MfG Wirbelwind

Das beantwortet Mallmann-Showell in seinem Buch ,,Deutsche U-Boote an feindlichen Küsten 1939-1945" auf Seite 52 f. folgendermaßen:
Die Kriegsgefangenen sollten aus dem Camp 30 bei Bowmannville nahe Toronto kommen. Was genau geschah, wird vermutlich nie geklärt werden, aber irgendwie hatten die Alliierten von dem Fluchtplan erfahren und nutzten die Gelegenheit, um den Versuch zu unternehmen, das aufnehmende U-Boot zu kapern. Es hat den Anschein, als ob zur selben Zeit zwei Fluchtversuche stattfanden. Der Hauptversuch sollte aus einem 300 m langen Fluchttunnel erfolgen, den das kanadische Wachpersonal später als eine Meisterleistung der Ingenieurkunst bezeichnete. Der zweite Versuch betraf nur einen einzigen U-Bootkommandanten, KKpt. Wolfgang Heyda, der mit improvisierten Steigeisen einen Mast mit einem Hochspannungskabel erstieg und einen behelfsmäßigen Bootsmannsstuhl benutzte, um sich über den äußeren Zaun zu ziehen. Das Einstürzen des Tunnels machte die Flucht seiner Erbauer, darunter auch Otto Kretschmer, Horst Elfe und Hans Ey, ein rasches Ende. Doch Heydas einsame Fluchtanstrengung blieb unentdeckt, bis sein Fehlen beim Anwesenheitsappell bemerkt wurde. Daher gelang es ihm, fast den angestrebten Aufnahmepunkt zu erreichen, und erst ungefähr einen Kilometer vorher fassten ihn die Kanadier. Mit Heydas Festnahme schadeten sie sich selbst, denn hätten sie ihn laufen lassen und ihn nur beobachtet, hätte er das richtige Signal abgegeben, um das U-Boot heranzuholen. Stattdessen sendeten die Kanadier einen Spruch im Klartext, der U 536 zum Näherkommen aufforderte. Dieser Morsespruch war Kptlt. Schauenburg verdächtig, der wendete und lief seewärts ab."

Eugen

Es handelte sich um U 536 ,,Schauenburg". Schauenburg wurde bereits vor dem Auslaufen über den Plan informiert (von Dönitz).

Durch einen selbst gegrabenen unterirdischen Gang wollen vier U-Boot Offiziere ( Kretschmer, von Knebel-Döberitz, Elfe und Ey) aus einem kanadischen Kriegsgefangenlager fliehen. Mit Hilfe eines Geheimschlüssels haben sie Briefen an ihre Angehörigen übermittelt. Die geheimen Nachrichten waren über Briefe von Kretschmers Erstem Wachoffizier von Knebel-Döberitz an dessen Familie gegangen. Von dort zum Nachrichtenoffizier des BdU und von Dönitz wieder über Frau von Knebel-Döberitz an ihren Mann.

16. September 1943: U-536 dringt in den GOLF VON ST. LAWRENCE ein
24. September 1943: U-536 erreicht die CHALEUR BAY um seinen Auftrag im Rahmen des Unternehmens KIEBITZ durchzuführen.
27. September 1943: U-536 verläßt nach drei Tagen erfolglosen Wartens die CHALEUR BAY wieder.
19. November 1943: U-536 wird dem Wolfsrudel SCHILL 2 zugeteilt.

Wenn der Plan geklappt hätte, wäre das Boot vermutlich mit ,,Direktkurs" Richtung Frankreich gefahren und wäre nicht dem Wolfrudel SCHILL zugeteilt worden (eine weitaus größere Chance nicht versenkt zu werden).

t-geronimo

In den aliierten Unterlagen über das Verhör der überlebenden Besatzungsmitglieder steht das noch etwas ausführlicher (in englisch natürlich):

--/>/> https://uboatarchive.net/Int/U-536INT.htm
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Urs Heßling

moin,

Zitat von: wirbelwind am 24 November 2022, 19:13:40
Ob der gewählte Ort der Übernahme im weitesten Sinne noch zum Sankt-Lorenz-Strom zu zählen wäre (Pointe de Maisonnette), darum will ich mich nicht streiten.
ein Mini : die Chaleur-Bucht gehört nicht zum Sankt-Lorenz-Strom, aber zum Sankt-Lorenz-Golf

Gruß, Urs
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wirbelwind

Hallo,
noch folgenden Nachtrag zur Operation ,,Kiebitz". Lt. den Angaben des Quebecer Marinemuseums wurden absichtlich 3 Fluchttunnel gegraben, um bei Entdeckung eines der Tunnels noch Optionen zu haben. Leider wurde das Lagerwachpersonal auf 2 der Tunnel eine Woche vor der geplanten Flucht aufmerksam, als die Decke der Schlafsäle der Kriegsgefangenen einstürzte, weil die darauf verborgene Tunnelerde zu schwer geworden war. Der 3. Tunnel wurde ebenfalls durch dummen Zufall entdeckt. Kretschmer und die 3 anderen werden festgenommen und streng überwacht. KKpt. Heyda überzeugte Kretschmer von seinem Fluchtversuch, nachdem er zuvor Kenntnis von dem Auftauchen eines dt. U-Bootes an besagter kanadischer Küste erhielt.Entweder war dies mit Kretschmer kurz vor seiner Verhaftung besprochen worden oder die Verhaftung Kretschmers dauerte nicht lange (Der besagte Bericht bleibt an dieser Stelle unklar). Heydas Flucht gelang vorerst. Auch eine erste Kontrolle überstand er problemlos, da er mit seinen gefälschten Papieren überzeugen konnte. Leider wurden ihm bei der 2. Kontrolle, nun bereits in der Nähe des wartenden U-Bootes. die bei ihm gefundenen dt. Pralinen des Deutschen Roten Kreuzes zum Verhängnis. Heyda gab letztendlich zu, wer er war.
In diesem Bericht des Marinemuseums ist unter anderem davon die Rede, dass die HMCS ,,Rimouski" mit einer Tarnung ausgestattet worden ist, die als diffuse Beleuchtungstechnik bezeichnet wird. Diese soll die Silhouette besagter Korvette bei Nacht kaum erkennen lassen bzw. die Silhouette eines Handelsschiffes nachahmen.
Was kann damit gemeint sein? Weiter wird in den Bericht beschrieben, dass sich U 536 in Fischfangnetzen beim Wegtauchen verfing und der Besatzung es nur unter großen Bemühungen gelang, dass Boot davon zu befreien. Bei der Verfolgung von U 536 durch die lauernden Boote der Royal Canadian Navy musste das U-Boot lange unter Wasser bleiben. Die Besatzung litt stark unter dem dadurch bedingten Sauerstoffmangel. Schauenburg musste sein Können aufbieten, um das Boot aus der Gefahrenzone zu bringen und ein Auftauchen zu ermöglichen.
MfG Wirbelwind

Urs Heßling

moin,

Zitat von: wirbelwind am 03 Dezember 2022, 20:20:14
KKpt. Heyda überzeugte Kretschmer von seinem Fluchtversuch
ein miniminimini :wink: : zu disem Zeitpunkt war Heyda noch (nur) Kapitänleutnant

Gruß, Urs
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wirbelwind

Hallo Urs,
danke für den Hinweis. Ordnung muss sein. Demnach ist ja Heyda neben Kretschmer der nächste, der am 01.08.1944, im Gefangenenlager beförderte U-Boot-Kommandant.
Stimmt es, dass Heyda nach seiner erneuten Verhaftung wieder ins gleiche Lager zurück kam?
MfG Wirbelwind 

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