Christian Hülsmeyer, der Vater des Radars

Begonnen von Sven L., 15 Juli 2022, 09:10:06

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olpe

Hallo,
Zitat von: maxim am 18 Juli 2022, 17:29:07
Es gibt hier aber bisher keinerlei Argumente, dass jemand in den 1930er das Patent oder sonst irgendwelche Erkenntnisse von Hülsmeyer genutzt hat ...

... das lag möglicherweise daran, dass die Erfindung und das Patent von Christian Hülsmeyer No. 165546 vom 30.04.1904: ,,Verfahren, um entfernte metallische Gegenstände mittels elektrischer Wellen einem Beobachter zu melden" letztlich doch in Vergessenheit geraten ist ... sowohl in Deutschland, als auch in anderen Länder, in denen es angemeldet wurde.

Zitat aus: "GEMA-BERLIN, Geburtsstätte der deutschen aktiven Wasserschall- und Funkortungstechnik", Harry von Kroge, S. 34:
,,Es zeichnete sich ab, dass in Ergänzung zur Schallortung ein Ortungsverfahren mittels Funkwellen im Entstehen war, mit dem nicht nur das Sehen im Dunkeln möglich werden würde, sondern das, bei entsprechendem Ausbau, der Marine enormen taktischen Nutzen bringen könnte. Erst aus Entgegenhaltungen zu eingereichten Patentanmeldungen erfuhr die GEMA vom Vorerfinder Christian Hülsmeyer, der für die Erfindung seines ,,Telemobiloskopes" zum Auffinden von Schiffen 1904 ein Patent erhalten hatte. Die Entgegenhaltungen gaben keinen Hinweis auf bekannte Verfahren zur Bestimmung der Richtung und der Entfernung von Schiffen oder Flugzeugen mittels aktiver Funkortung. Aus den Vorbescheiden erfuhren Erbslöh und Willisen, dass einige ihrer Anmeldungen grundlegend waren und der GEMA eine Exklusivität auf diesem Gebiet sichern konnten." ...

Technisch sei angemerkt, dass sowohl das Telemobiloskop (Anm.: ,,Fernbewegungsseher") von Christian Hülsmeyer als auch die ersten Arbeiten und Versuche zur Funkortung um 1934 in Deutschland von Dr. Rudolf Kühnhold (NVA: Nachrichtenmittel-Versuchsanstalt bzw. später -kommando), Paul-Günter Erbslöh und Hans-Karl Freiherr von Willisen (die letzten Beiden sind Gründungsmitglieder der GEMA) Sende- und Empfangsgeräte im s.g. Dauerstrichverfahren benutzen (cw – continious wave). Hierbei gab der Sender über die Antenne ständig unmodulierte Radiowellen in den Raum ab, der Empfänger war konstant auf Empfang geschaltet. Um beide zu entkoppeln, wurden sie meist räumlich mehr oder weniger getrennt aufgestellt. Eine Beeinflussung des Empfängerkanals durch den ,,Dauerstrich"sender blieb aber nicht aus und minderte die Effektivität erheblich.

Soweit.
Grüsse
OLPE

olpe

#16
Hallo,
wie sah es nun auf der anderen Seite des Ärmelkanals in puncto Funkortung aus?

Das bekannteste Ereignis bei der Entwicklung des ,,Radio Direction Finding" (RDF) war 1935 der erfolgreiche Feldversuch, dass sich Radiowellen für die Ortung von Flugzeugen eigneten: das ,,Daventry-Experiment" (s. post #4 unten --/>/> klick). Daraus entstand 1938 das Chain Home-Radar (CH, AMES Type 1. AMES = Air Ministry Experimental Station). Die hauptsächlichen Protagonisten auf technischer Ebene waren Robert Watson-Watt und sein Assistent Arnold Frederic Wilkins. Watson-Watt kam aus dem Bereich des Meteorological Office, welches ab 1919 der Royal Air Force zugeordnet wurde. Er war auf dem Gebiet der Ionosphären-Forschung unterwegs und Leiter der Radioversuchsstation in Slough. Um die Höhe der Ionosphäre zu bestimmen, wurde die Laufzeit von reflektierten Funkimpulsen verwendet. Diese Methode ist für das RDF weiterentwickelt worden.

Beim Daventry-Experiment nutzten die Beiden zwei vorhandene (Labor)Empfänger, die der Erforschung von Phasenbeziehungen von Signalen dienten. Es handelte sich um zwei identische Superhet-Geräte (Überlagerungsempfänger) mit einem gemeinsamen Oszillator (Anm.: für die Erzeugung der Zwischenfrequenz), der dafür sorgte, dass die Phasenbeziehung zwischen den beiden HF-Eingangssignalen nach dem Mischen proportional erhalten blieb. Ein Phase-Shifter (Phasenschieber) neutralisierte die Bodenwelle des Senders, und eine CRT (Cathode Ray Tube – Kathodenstrahlröhre) zeigte die Ergebnisse der Messung an, wobei ein Empfangskanal auf die X-Platten, der andere auf die Y-Platten gelegt wurde. Arnold Wilkins nannte diese ganze Apparatur Zweikanal-Komparator bzw. CRDF: "Cathode Ray Direction Finder". Sie hat letztlich funktioniert und den Nachweis der Ortung eines Flugzeuges mittels elektromagnetischer Wellen erbracht.

Robert Watson-Watt vor den beiden Empfängern und der Kathodenstrahlröhre (Bedienerseite)


Die Rückseite mit verschiedenen Radiobauteilen


Etwas früher hat William Alan Stewart Butement ein Ortungsgerät entwickelt. 1928 trat Butement in das ‎‎Signals Experimental Establishment‎‎ (SEE) des ‎‎War Office‎‎ in ‎‎Woolwich‎‎, London, ein. Er wirkte dort als wissenschaftlicher Offizier und entwickelte Funkgeräte für die ‎‎britische Armee‎‎. Butement sowie ein Mitarbeiter konzipierten eine Funkapparatur zur Detektion von Schiffen. Ein Testgerät, das mit 50 cm Wellenlänge (600 MHz) und gepulster Modulation arbeitete, lieferte erfolgreiche Laborergebnisse, war aber für die Beamten des War Office nicht von Interesse. Unabhängig davon wurde Anfang 1931 ein Bericht über diesen Apparat in das ‎‎Inventions Book‎ der Royal Engineers‎ aufgenommen. Dies handelt sich um die erste offizielle Aufzeichnung in Großbritannien über die Technologie, die später zum Radar führen sollte.

Die Erkenntnisse flossen dann Ende der dreißiger Jahre in das Chain Home Low-Radar (CHL, AMES Type 2) ein. Das Radar arbeitete mit einer höheren Frequenz als das ursprüngliche Chain Home, AMES Type 1 (200 MHz zu ca. 45 MHz). Die Antennen besaßen die Eigenschaft, die Strahlungscharakteristik (Richtkeule, ,,Lobe") weit nach unten zu drücken, um damit niedrig fliegende Ziele um 150m (500 Fuß) zu orten.

Chain Home Low-Station


Es läßt sich in beiden Fällen nicht erkennen, dass technische Verfahren aus Deutschland von 1904 durch die britischen Entwickler verwendet wurden ... zumal die Laufzeit der Schutzrechte begrenzt war und ist ... sie dürfte auch in Großbritannien (Utility Patent) nicht über 20 Jahre liegen.

Soweit für den Moment.
Grüsse
OLPE

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