Forschungsreise SMS »Gazelle« 1874-76

Begonnen von TomRohwer, 29 Juni 2022, 19:02:39

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TomRohwer

Aus der Reihe

DIE MARITIME BIBLIOTHEK

ab sofort über den Buchhandel (stationär und online) erhältlich:

»Forschungsreise SMS ›Gazelle‹ in den Jahren 1874-76 unter Kommando des Kapitän zur See Georg Freiherr von Schleinitz.
1.Theil - der Reisebericht.«


Vom 21.6.1874 bis zum 28.4.1876 unternahm die Dampfkorvette SMS »Gazelle« der Kaiserlichen Deutschen Marine unter dem Kommando von Kapitän z.S. Georg Freiherr von Schleinitz eine fast zweijährige, insgesamt 48.797 Seemeilen lange Expeditionsreise entlang der afrikanischen Westküste, über das Kap der Guten Hoffnung zu den Kerguelen-Inseln im Indischen Ozean, dann nach Mauritius, und schließlich in die Südsee, nach Australien, durch die Magellanstraße und über die Azoren zurück nach Kiel.

Anlass der Expeditionsreise war die Beobachtung des Venusdurchgangs (des Vorbeiziehens der Venus vor der Sonne, ein astronomisches Phänomen, das in etwa 243 Jahren jeweils nur viermal auftritt). Der Venusdurchgang von 1874 war für astronomische Messungen eher ungünstig. Er blieb von fast ganz Europa aus unsichtbar, lange Durchgangszeiten waren nur von Asien aus und kurze Durchgangszeiten von Australien, den Inseln des Südpazifiks und des südlichen Indischen Ozeans (hier insbesondere dem Kerguelen-Archipel) aus zu beobachten. Dennoch wurden etwa 60 Expeditionen ausgesandt; die deutsche Wissenschaftexpedition wurde von Karl Nikolai Jensen Börgen geleitet, um zumindest Erfahrung mit den moderneren astronomischen Instrumenten zu sammeln. Gleichzeitig wollte man die Expedition zu umfangreichen ozeanographischen Forschungsarbeiten nutzen, weshalb nicht die kürzeste Fahrtstrecke gewählt wurde, die für die Beobachtung des Venusdurchgangs nötig gewesen wäre, sondern eine vollständige Umrundung der Erde.

Die ozeanographische Expedition diente in erster Linie der Erforschung der Bodenprofile des Südatlantik und der großen Meeresströmungen am Äquator und bei Neuguinea. Darüber hinaus betrieben der Zoologe Theophil Studer, der Schiffsarzt Friedrich Carl Naumann und der Assistenzarzt Carl Huesker umfangreiche zoologische, botanische und anthropologische Forschungen. Zur Beobachtung des Venusdurchgangs brachte die SMS »Gazelle« die astronomische Expedition unter der Leitung von Karl Börgen Anfang Dezember 1874 auf die Kerguelen und anschließend nach Mauritius.

Vor der Küste des Bismarck-Archipels östlich von Neuguinea vermaß die SMS »Gazelle« im August 1875 erstmals den Naturhafen Blanchebucht im Nordosten der Insel Neubritannien (New Britain, ehemals Neupommern). Bei dieser Gelegenheit wurde erkannt, dass der östliche Teil Neubritanniens eine Halbinsel ist, die nach dem Schiff »Gazelle-Halbinsel« genannt wurde. Diese Name wird bis heute verwendet (englisch: »Gazelle-Peninsula«). Außerdem wurde die Passage zwischen den Insel Neuirland und Dyaul vermessen und als »Gazelle-Kanal« (heute englisch »Gazelle-Channel«) benannt, und ein natürlicher Hafen an der Westküste der Insel Bougainville (Salomonen-Inseln) »Gazelle-Hafen« (heute englisch »Gazelle-Harbour«). Zehn Jahre später wurde der gesamte Bismarck-Archipel zum deutschen »Schutzgebiet«, von 1899 bis 1919 gehörte er zur Kolonie Deutsch-Neuguinea.

Das Hydrographische Amt des Reichs-Marine-Amtes veröffentlichte 1889 Schleinitz insgesamt fünfbändigen Reisebericht über die Expeditionsreise (»Der Reisebericht«, »Physik und Chemie«, »Zoologie und Geologie«, »Botanik« und »Meteorologie«).

Die MARITIME BIBLIOTHEK veröffentlicht eine ungekürzte Neuausgabe des ersten Teils (»Reisebericht«). Mit zahlreichen Illustrationen, Tabellen und Karten.


Thomas F.Rohwer:
Forschungsreise SMS ›Gazelle‹ in den Jahren 1874-76 unter Kommando des Kapitän zur See Georg Freiherr von Schleinitz. - 1.Theil - der Reisebericht.
400 Seiten, Softcover, 17x24cm, 43.00 €

ISBN 978-3-756509-32-4


www.maritime-bibliothek.de
Editierte Neuausgaben alter Marine-Literatur und neue Veröffentlichungen zur Marine- und Militärgeschichte.

Urs Heßling

moin,

Zitat von: TomRohwer am 29 Juni 2022, 19:02:39
Anlass der Expeditionsreise war die Beobachtung des Venusdurchgangs
Die Beobachtung des Venusdurchgangs war auch ein vorgegebenes Ziel der ersten Entdeckungsfahrt James Cooks (mit Endeavour)

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

maxim

Spannend!

Das werde ich mir wohl auf jeden Fall kaufen.

Zeigen die Illustrationen auch die Gazelle selbst?


Der Venusdurchgang wurde auch 1882 beobachtet, u.a. durch eine Expedition, die mit der Korvette Moltke im Rahmen des Ersten Internationalen Polarjahres nach Südgeorgien gebracht wurde und die von der Korvette Marie wieder abgeholt wurde.

TomRohwer

Zitat von: maxim am 30 Juni 2022, 10:37:07
Zeigen die Illustrationen auch die Gazelle selbst?
Nein. Das Original enthält keinerlei Abbildungen der SMS Gazelle - erstaunlicherweise. Es gibt von dem Schiff übrigens relativ wenig Bildmaterial, das stellte sich heraus, als ein Bild für den Buchumschlag gesucht wurde.

Das Buch enthält sämtliche Abbildungen aus dem Original.

Dazu eine Anmerkung: das Original enthielt, wie seinerzeit sehr gängig, Landkarten im größen Format, mit eingebunden zum Ausklappen. Das funktioniert beim Book-on-Demand-Herstellungsverfahren leider nicht. Hinzu kommt, daß die greifbaren Digitalisierungen sich mit den Landkarten wenig Mühe gemacht haben.

Was sehr ordentlich in der Reproduktion kommt sind a) die ganzen technischen Zeichnungen, z.B. von den Mess-Instrumenten, und b) die von mitgereisten Forschern/Künstlern gemachten "antropolischen Zeichnungen". (Einziger Wermutstropfen: einige dieser Zeichnungen sind handcoloriert im Buch, in der Neuausgabe ist leider nur schwarz-weiß-Druck möglich.)

Ich hänge mal zwei Beispiele von Seiten mit Illustrationen an.
www.maritime-bibliothek.de
Editierte Neuausgaben alter Marine-Literatur und neue Veröffentlichungen zur Marine- und Militärgeschichte.

maxim


Hägar

Hallo in die Runde

In der Tat sind einschlägige Fotos der GAZELLE Mangelware.
Ein Fundort für eine Reihe von Aufnahmen des Schiffes wie der Mannschaft und der Beobachtungsstation auf den Kerguelen ist die Burgerbibliothek in Bern.
Dort befinden sich die wissenschaftlichen Aufzeichnungen und auch ein Fotoalbum des einzigen, die gesamte Reise mitmachenden Wissenschaftlers, des Schweizer Biologen Theophil Studer. Interessante Sammlung, allerdings nicht ganz leicht auszuwerten, weil handschriftlich.
Übrigens hat dort auch das Gewehr die Zeit überstanden, mit dem Studer die Tiere erlegte, die als biologische Sammlungsobjekte mit zurückkamen.

Eine andere wichtige zeitgenössische Quelle ist das Meteorologische Journal der GAZELLE, das in der Sammlung des DWD in Hamburg erhalten geblieben ist (wie übrigens Tausende andere dieser Art, auch von zahlreichen Marine-Schiffen). Hier finden sich mehrmals täglich die beobachteten oder gegissten Positionen des Schiffes, die es erlauben, die dem Expeditionswerk beigegebenen Karten detailliert zu verifizieren, teilweise zu korrigieren und die Wegekarte exakter zu zeichnen.

GAZELLE wäre ein dankbares Thema für eine Dissertation, die auch die Kooperation des jungen Kaiserreichs mit der zeitweise parallelen Expedition der CHALLENGER aufgreifen könnte.

Gruß – Hägar

Angehängt
die Titelseite des Studerschen Albums
eine Beispielseite
sowie die seinerzeitige Vitrine mit den Modellen der auf GAZELLE verwendeten meereswissenschaftlichen Geräte im Deutschen Schifffahrtsmuseum

TomRohwer

#6
    Zitat von: Hägar am 01 Juli 2022, 14:04:22
    Eine andere wichtige zeitgenössische Quelle ist das Meteorologische Journal der GAZELLE, das in der Sammlung des DWD in Hamburg erhalten geblieben ist
    Die Buchveröffentlichung des Hydrographischen Amtes des Reichsmarineamtes umfasst insgesamt fünf Bände:

    • Der Reisebericht
    • Physik und Chemie
    • Zoologie und Geologie
    • Botanik
    • Meteorologie

    Zusammen mehr als 2000 Buchseiten. Die Bände zwei bis vier enthalten zum deutlich größeren Teil unzählige wissenschaftliche Daten, Zahlen, Tabellen - wobei auch der erste Band schon etliches in dieser Art enthält.

    Das Problem bei einer Neuausgabe ist, daß man solche Tabellen u.ä. nicht mit OCR erfassen kann, das gibt nur "Salat". (Ich bin schon dankbar, daß die Buchveröffentlichung nicht in Fraktur gesetzt ist, das kann man nämlich dann auch nicht mit OCR erfassen, sondern nur abtippen...)

    Die Tabellen u.ä. händisch für eine Neuveröffentlichung zu übertragen würde vorsichtig geschätzt 500 bis 800 Arbeitsstunden kosten. Das ist natürlich nicht umsetzbar.

    Bleibt eine Faksimile-Veröffentlichung - die leidet aber an der schlechten Qualität der frei zugänglichen Digitalisierungen. Originale selber besser zu digitalisieren wäre grundsätzlich technisch zwar problemlos möglich - wird aber von den Bibliotheken verständlicherweise nicht erlaubt, genausowenig wie Fotokopie, um die alten wertvollen Originale zu schützen.

    Irgendwann wird's die Bände zwei bis fünf auch noch geben, dann entweder als Faksimile, oder mit de Hilfe weiterentwickelter OCR-Technik.[/list]
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