Invergordon-Revolte, 15/16.09.1931

Begonnen von Huszar, 10 Januar 2007, 16:13:05

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Huszar

Hallo Leute,

Ich lese gerade ein Buch über die Hood, und bin über ein Kapitel gestolpert, das diesen Aufstand beschreibt.

Anfang der 20er hat HM Regierung und das Board versprochen, die Heuer für Seemänner auf dem Niveau von 1919 zu halten.
1931 wurde aber insgeheim ein Reform beschlossen, wonach die Heuer um 25% gekürzt werden sollen - wohlgemerkt, nur für Mannschaftsgrade. Offiziere erhilten lediglich Kürzungen von 17%.

Als BBC diese Nachricht verbreitete, war die Home Fleet gerade auf See, und als sie am 10.09 in die Hafen zurückkam, und die Zeitungen vorlagen, begann es zu gehren.
Als am 15.09 die Flotte Invergordon verlassen sollte, verweigerten die Mannschaften von HMS Hood, Valiant, Rodney, Warspite, Norfolk, Dorsteshire den Dienst.

Die Regierung und das Board konnten bis zum 16.09 23:00 die Besatzungen überzeugen, Invergordon zu verlassen, und die Heimathäfen anzulaufen.

am 01.10 wurden die Heuer auf 89% des 1919-Niveaus gekürzt, später etwa 400 Mannschaften aus dem Dienst entlassen, sowie mehrer Offiziere zwangspansioniert. Keine offizielle Untersuchung scheint stattgefunden haben.
Anscheinend hatte die Revolte enorme Auswirkung auf das Prestige der Navy, und auch den Wechselkurs des Pfund. Valiant und Adventure wurde deaktiviert, und auch bezüglich Hood war dies im Gespräch.
Die Moral der Flotte war für einige Jahre im Keller.

Meine Fragen hierzu:
1, gabs ausser Invergordon auch anderswo Streiks?
2, hatte dieser Streik wirklich so grossen Einfluss auf den Wechselkurs
3, ich kenne jetzt zwar die Ereignisse auf hood recht gut - scheint alles sehr friedlich abgelaufen zu sein - allerdings gibts im Buch einige Hinweise, dass auf anderen Schiffen die Verhaltnisse katastrophal waren.

Hat einer weitere Infos?

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

harold

...hast du schon mal auf der Hood-hompage nachgesehen? Ich glaube mich erinnern zu können, die hatten da was Ausführlicheres dazu...
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Huszar

Was die Hood gemacht hat, weiss ich ja inzwischen.

Scheint allerdings recht viel Literatur im Netzt darüber zu geben - denen ich nicht unbedingt vertraue. Bin etwas altmodisch, Büchern vertraue ich wesentlich mehr  :-D.

Weshalb erfolgte bei anderen Flotten (Mittelmeer-, Asien-, usw Flotten) kein Streik?

Wie dem auch sei, muss ein wirklicher Schock sowohl für die RN als auch für England gewesen sein!


mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

t-geronimo

Neil McCart "Nelson & Rodney":

Es gab 2 "Tarife" für die Mannschaftsgrade:
4 Shilling (20p) für die vor 1925 eingetretenen Matrosen und 3 Shilling (15p) für die nach 1925 in die Navy eingetretenen. Pro Tag.
Im August 1931 ereignete sich eine Finazkrise, während der die Bank von England davor warnte, vor einem Bankrott zu stehen. Auf einer Regierungssitzung am 24.8 wurde daraufhin beschlossen, allen öffentlichen Diensten, also auch der Armee, die Bezüge zu kürzen.
Bei der Marine waren es 10% für die Matrosen. Von den Offizieren schreibt McCart nichts.
Jedenfalls wäre diese Kürzung für die "vor 1925"-Matrosen viel härter ausgefallen, da viele bereits verheiratet waren, während viele der "nach 1925er" noch ledig waren.
Erste Gerüchte über die Kürzungen kamen ab dem 1.9. auf.
Am 3.9. erhielten alle C-in-Cs Meldung davon und gleichzeitig den Befehl, nichts vor dem 10.9. publik zu machen.
Erstmal bekam die Flotte davon auch gar nicht soviel mit, weil sie in See war.

Zu Nelson und Rodney:
McCart schreibt, daß es am 14.9. an Land zu einigen Tumulten kam, als die Hafenpolizei Versammlungen in Kantinen und auf Sportplätzen auflösen wollte. Einziger Gewaltakt soll aber ein Glass Bier gewesen sein, das ein Polizist ins Gesicht bekam.
Ein Auslaufen der beiden Schiffe am 15.9. war aber nicht möglich, da viele Matrosen den Befehl verweigerten.
Die Schiffsführungen verzichteten aber bewußt darauf, Befehle mit Gewalt durchzusetzen, da einige Offiziere inoffiziell mit den Matrosen sympathisierten.
Um 17 Uhr am 16.9. kam dann die Nachricht, daß die Regierung noch einmal über die Kürzungen beraten würde.
Am selben Abend war geplant, auszulaufen, diesmal mit Gewalt, wenn es sein mußte. Aber das war nicht mehr nötig, da wieder Befehle befolgt wurden.

Kurz: An Bord der beiden "Brocken" auch Befehlsverweigerung, aber keine Gewalt.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Mario

Wirklich eine interessante Geschichte, allerdings völlig neu für mich.
ZitatWie dem auch sei, muss ein wirklicher Schock sowohl für die RN als auch für England gewesen sein!
Da bin ich mir gar nicht so sicher. Eine Gehaltskürzung von 25 % dürfte wohl überall für Unmut und Aufregung sorgen.
Außerdem befand sich die Navy nicht im Kriegszustand, ein wichtiger Fakt.

Übrigens gab es solche Vorfälle schon öfters in England. immer wenn sich England nicht direkt bedroht fühlte, wurde an der Flotte gespart.

Peter K.

... dazu als Standardwerk:

Kenneth Edwards,
The Mutiny at Invergordon
London 1937

... außerdem gibt´s dazu ein ungedrucktes deutschsprachiges Manuskript:

Kapitänleutnant Hans-Reiner Ramm,
Meutereien in Kriegsflotten, dargestellt am Beispiel der Deutschen Hochseeflotte 1917 und der britischen Atlantikflotte 1931

... relevante Links:
http://beta.seayourhistory.org.uk/index2.php?option=com_content&do_pdf=1&id=147
http://www.ross-shire.com/guidebook/history/invergordon_Mutiny.htm
http://www.hmshood.com/history/inverg/index.htm

Die (unblutige) Meuterei betraf meines Wissens nur die Atlantikflotte, insgesamt waren etwa 12.000 Seeleute beteiligt. Das öffentliche Ansehen der Royal Navy war nach der Meuterei schwer angeschlagen - die Atlantic Fleet wurde 1933 sogar in Home Fleet umbenannt, um die mit ihr stets in Verbindung gebrachte Meuterei in Vergessenheit geraten zu lassen!
Währungstechnisch mußte Großbritannien seinen Goldstandard aufgeben!
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Huszar

Noch eine Frage zu den tatsächlich durchgeführten Gehaltskürzungen.

In meinem Buch steht, dass 11% Kürzung durchgeführt wurde, verbindlich für alle, und gemessen am 1919-Standard.

Entweder verstehe ich es falsch, und es soll bedeuten, dass alle Gehälter um 11% gekürzt wurden, oder die vor-1925er wurden auch so schwerer zu Kasse gebeten (nach 1925er hatten niedrigere Gehälter, folglich könnte sogar eine Gehaltserhöhung aus der 11%-kürzung-des-1919-Gehaltes werden) Oder ich bin tatsächlich ne Niete in Mathe...

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

t-geronimo

Also, wenn ich das alles richtig verstehe:

Die "nach 1925er" 10% runter.
Die "vor 1925er" runter auf das "nach 1925er" Niveau. Wenn die 25% stimmen, muß es das alte "nach 1925er" Niveau sein, also die 3 Shilling/Tag, also vor der Kürzung.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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ufo

Grade einen ausgesprochen spannenden Quellentext zum Thema ergattert:

"Mutiny in the Royal Navy", zwei Baende: Volume I 1691-1919, 187 Seiten, Volume II 1921-1937, 72 Seiten; ersteres 1933 erstmals aufgelegt, 1973 noch einmal nachgedruckt, der zweite Band 1955 verlegt und 1974 nachgedruckt.

Beide Baende Geheimsachen - uersprunglich dafuer gedacht ausgewaehlten Offizieren ein Lehrmittel an die Hand zu geben Meutereien besser zu verstehen und natuerlich zu verhindern.

Ganz, ganz spannend zu sehen wie die Royal Navy da Nabelschau betreibt. Freu mich aufs Lesen .

Ufo

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