Gedenktafel für Kapitän zur See Hans Wilhelm Langsdorff

Begonnen von olpe, 01 November 2021, 09:19:34

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olpe

Hallo,
am Samstag, 30.10.2021, fand in Bergen auf Rügen eine besondere Ehrung für den Kommandanten des deutschen Panzerschiffes ,,ADMIRAL GRAF SPEE", Kapitän zur See Hans Wilhelm Langsdorff, statt. Nach mehrjähriger Vorbereitung (Genehmigungen und Organisation) seitens der Stadt Bergen, des Stadtmuseums und der Marinekameradschaft Bug 1992 e.V. wurde vor dem Geburtshaus des späteren Kommandanten, dem örtlichen Amtsgericht, eine bereits im Dezember 2020 aufgestellte Gedenktafel in einem feierlichen Akt eingeweiht. Anerkennung und Dank sprachen die Bürgermeisterin von Bergen, Anja Ratzke, und der Leiter des Marinemuseums Dranske, Berndt Borrmann (@eddy) aus.

In der Aula der Regionalen Schule ,Am grünen Berg' eröffnete sie anschließend die Vortragsreihe und die nachfolgende Podiumsdiskussion. Holger Neidel (Vorsitzender der MK Bug, @der erste) und Kerstin Kassner (Stadtpräsidentin) stimmten mit kurzen Geleitworten auf den historisch orientierten Teil ein. Die Referenten Dr. Dieter Hartwig, Prof. Dr. Michael Epkenhans sowie der Verteidigungsattaché der Botschaft der Republik Östlich des Uruguay, Kapitän zur See José M. Ruiz Tocci, umrissen das Thema Langsdorff fachlich kompetent und prägnant.
An der Podiumsdiskussion beteiligten sich (v.l.n.r.) Dr. Ingo Pfeiffer, Prof. Dr. Michael Epkenhans, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach (Inspekteur der Marine) und Dr. Dieter Hartwig. Der auf der Bühne arrangiert geführte Gedankenaustausch wurde souverän von Michael Schmidt moderiert, dem ehemaligen Chefreporter des NDR-Studios Schwerin.

Wie nicht anders zu erwarten, gab es unter den Diskutanten Übereinstimmungen, aber auch konträre Auffassungen zum Verhalten von Langsdorff, sowohl zur Versenkung des Panzerschiffes (und damit der Rettung von 1150 Mann der Besatzung) als auch zu den Ereignissen danach. Von Seiten der Historiker ist mehrfach hingewiesen worden, dass sein Handeln aus der damaligen Zeit zu betrachten und zu beurteilen ist und nicht aus unseren heutigen Erkenntnissen der Geschichte. Die Reflexion des Themas reichte bis in die Gegenwart hinein bezogen auf das moralische Handeln von Militärs. 70 Teilnehmer der Veranstaltung (coronabedingte Begrenzung) verfolgten die Gespräche im Saal und stellten danach Fragen.
Die Festveranstaltung und die Podiumsdiskussion war klasse organisiert, interessant, lehrreich und sollte letztlich auch für die heutige Zeit richtungsweisend sein: lebende Menschen sind wichtiger als tote Helden ...

Unten einige Impressionen der Veranstaltung.
Grüsse
OLPE


Hier die Bilder (Q: OLPE):

  • Bild 1:  die Gedenktafel für Kapitän zur See Hans Wilhelm Langsdorff
  • Bild 2:  kurze Ansprache der Bürgermeisterin, neben ihr Berndt Borrmann (@eddy)
  • Bild 3:  das Amtsgericht in Bergen
  • Bild 4:  der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach neben dem Verteidigungsattaché der Botschaft der Republik Östlich des Uruguay, Kapitän zur See José M. Ruiz Tocci und weiteren Gästen
  • Bild 5:  die Eröffnungsfolie mit dem Thema
  • Bild 6:  Holger Neidel (@der erste) am Rednerpult
  • Bild 7:  Dr. Dieter Hartwig spricht
  • Bild 8:  Prof. Dr. Michael Epkenhans vor dem Auditorium
  • Bild 9:  der Verteidigungsattaché der Botschaft der Republik Östlich des Uruguay, Kapitän zur See José M. Ruiz Tocci hielt seine Rede in Englisch
  • Bild10: das Podium in der Diskussion

smutje505


juergenwaldmann

Hallo Olpe ,
herzlichen Dank für Deinen Bericht über die ehrende Veranstaltung !
Als Fahrmodell habe ich das Panzerschiff 3 X gebaut und verkauft ,
da Platz fehlt und die Kinder schon andere Modelle übernommen haben .
Es freut mich zu hören , dass Hans W. Langsdorf nicht vergessen ist !
LG  Jürgen

kalli

Hallo Olaf,
Dein Beitrag war mir Anlass, gleich Guillermo Regnier in Argentinien darüber zu informieren. :MG:

Ortwin

Servus OLPE,

vielen Dank für diesen interessanten Bericht.

Angesichts des zeitgeistigen und moralinsauren Umganges mit ehemaligen Angehörigen der deutschen Wehrmacht erstaunt es mich nicht wenig, dass es im Jahr 2021 durchaus möglich sein kann, eine Ehrung derselbigen im Rahmen einer offensichtlich würdigen und informativen Festveranstaltung durchzuführen. Und warum denn bitte auch nicht?
Ich möchte damit aber nicht eine Diskussion lostreten. Die wurde bereits geführt: K.z.S. Hans Langsdorff

Grüße
Ortwin

juergenwaldmann

Hier geht es bei der Beurteilung von Hans W. Langsdorf nicht um seine Führung in der Schlacht ,
es geht darum , wie er mit der ausweglosen Situation umgegangen ist , sehr menschlich meine ich !
Es sollte auch heute möglich sein , dass man humane Führung und Entscheidungen anerkennt !
LG  Jürgen

juergenwaldmann


Ortwin

#7
Zitat von: juergenwaldmann am 01 November 2021, 11:11:32
Hier geht es bei der Beurteilung von Hans W. Langsdorf nicht um seine Führung in der Schlacht ,
es geht darum , wie er mit der ausweglosen Situation umgegangen ist , sehr menschlich meine ich !
Es sollte auch heute möglich sein , dass man humane Führung und Entscheidungen anerkennt !
LG  Jürgen

Dass die Ehrung K.z.S. Langsdorffs nicht aufgrund seines erfolgreich geführten Handelskrieges oder des Gefechts gegen einen überlegenen Gegner erfolgte, versteht sich natürlich von selbst. Sein beispiellosen Verhalten und die "Menschlichkeit vor die militärische Tradition" gestellt zu haben verdienen Anerkennung. Und Langsdorff in Form einer Gedenktafel ein ehrendes Andenken zu bewahren, ist daher mit Sicherheit gerechtfertigt und zu begrüßen.

Die deutsche Bundesregierung hatte es sich bei K.z.S. Langsdorff zuletzt recht einfach gemacht (Quelle Anfragebeantwortung November 2019):

"Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Kommandeurs des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, wonach Kapitän Hans Langsdorff mit der Rettung seiner Besatzung ,,ein beispielgebendes Verhalten" gezeigt hat.
Seine Tat steht beispielhaft für eine zeitlos gültige soldatische Tugend, die in der Bundeswehr in der militärgeschichtlichen Lehre und in der allgemeinen militärischen Ausbildung genutzt wird. Sie ist jedoch im historischen Kontext zu bewerten und nicht zu trennen von den politischen Zielen, denen sie diente. Die Bundeswehr ist freiheitlichen und demokratischen Zielsetzungen verpflichtet. Für sie kann daher nur ein soldatisches Selbstverständnis mit Wertebindung, das sich nicht allein auf professionelles Können im Gefecht reduziert, sinn- und traditionsstiftend sein. Die Forschung zum militärischen Widerstand gegen das NS-Regime bewertet das Handeln von Kapitän Langsdorff jedoch nicht als Widerstandstat gegen das NS-Regime. Auch Langsdorff selbst betonte die Entscheidung gegen ein ihm sinnlos erscheinendes Gefecht und das Dilemma einer drohenden Kapitulation als die ihn leitenden Motive. Der Umstand, dass er sich auf der Flagge seines Schiffes (Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz), also dem staatlichen Symbol des NS-Regimes, das Leben nahm, lässt zudem keine innere Distanz zum NS-Regime oder gar ein widerständiges Verhalten erkennen, das seine Traditionswürdigkeit für die Bundeswehr begründen könnte
."

Ist vielleicht jemandem eine aktuellere Stellungnahme der Bundesregierung oder der Deutschen Marine bekannt? Immerhin war auch der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, bei der Veranstaltung anwesend.

Grüße
Ortwin

t-geronimo

Schade, das wäre eine Veranstaltung gewesen, der ich gerne beigewohnt hätte.  :|
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Matthias Löhr

Mir war so, als habe Langsdorff sich in die Flagge der Kaiserlichen Marine eingehüllt. Und tatsächlich war es wahrscheinlich so:
https://www.spiegel.de/geschichte/seekrieg-a-948645.html
Und in einem Bericht der deutschen Botschaft Washington vom 4.4.1962 heißt es: !An mehreren Stellen wird im Begleitkommentar angedeutet, dass Langsdorff sich nicht mit dem nationalsozialistischem Regime identifizierte, sondern lediglich seine Pflicht als deutscher Offizier tapfer und ritterlich erfüllte. Als Beweis für diese Einstellung wird erwähnt, dass Langsdorff sich in die alte Kaiserliche Kriegsflagge und nicht in die Hakenkreuzflagge hüllte, ehe er sich das Leben nahm."
Hintergrund war die Ausstrahlung einer amerikanischen Doku im dortigen Fernsehen. Titel: 'Get the Graf Spee'
Ehre ward euch und Sieg, doch der Ruhm nur kehrte zurücke. Friedrich von Schiller, 1795

Matrose71

Zitat von: Matthias Löhr am 02 November 2021, 14:36:55
Mir war so, als habe Langsdorff sich in die Flagge der Kaiserlichen Marine eingehüllt. Und tatsächlich war es wahrscheinlich so:
https://www.spiegel.de/geschichte/seekrieg-a-948645.html
Und in einem Bericht der deutschen Botschaft Washington vom 4.4.1962 heißt es: !An mehreren Stellen wird im Begleitkommentar angedeutet, dass Langsdorff sich nicht mit dem nationalsozialistischem Regime identifizierte, sondern lediglich seine Pflicht als deutscher Offizier tapfer und ritterlich erfüllte. Als Beweis für diese Einstellung wird erwähnt, dass Langsdorff sich in die alte Kaiserliche Kriegsflagge und nicht in die Hakenkreuzflagge hüllte, ehe er sich das Leben nahm."
Hintergrund war die Ausstrahlung einer amerikanischen Doku im dortigen Fernsehen. Titel: 'Get the Graf Spee'

Salve,

die Frage ist, ob es das nach heutigen Maßstäben "besser" macht.
Ich wäre bei Interpretationen und Motiven der damaligen Zeit immer sehr vorsichtig, denn wir können in Menschen nicht hereinschauen.

Wenn das mit der Kaiserliche Kriegsflagge so stimmt, zeugt das erstmal davon, das wohl seine Loyalität nicht dem Naziregime galt, es gibt meiner Meinung aber noch nicht wirklich darüber Auskunft, wie er gehandelt hätte, wäre das 3. Reich immer noch das Kaiserreich gewesen.
Hier kann man jetzt nur wirklich spekulieren und deshalb bin ich vorsichtig mit abschließenden Interpretationen.
Langsdorff war durchaus getrieben von Menschlichkeit, das haben seine Handlungen bewiesen, trotzdem war er ein "Kind" seiner Zeit und in der "Kaiserlichen" erzogen worden, mit all ihren ungeschriebenen "Tugenden".
Hier stellt sich halt dann die Frage, hat er seine Mannschaft nicht dem "falschen Regime" und "falschen Krieg" aus seiner Sicht geopfert oder hat er aus reiner "Menschlichkeit" und "Führungsstärke" gehandelt?
Nicht das ich unterstelle das die Kaiserliche blindwütigst ihre Männer geopfert hat, aber das kämpfen bis zur "letzten" Patrone auch in aussichtslosen Situationen war gewollt und teil der "Tugenden".
Vieles spricht dafür das Langsdorff aus den "heutigen" richtigen Motiven gehandelt hat, aber letztendlich sicher sein kann man da nicht.
Viele Grüße

Carsten

olpe

Hallo,
ich vergaß noch zu erwähnen, dass nach der Pause im Saal auf jedem Platz ein Faltflyer (auf spanisch) für Touristen lag: ,,La Batalla del Rio de la Plata" – Circuito Turístico – von 2018 mit Stadtplan, Bildern und Daten vom Ministerio de Turismo. (www.uruguaynatural.com). Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich ihn in den post (digitalisiert) allerdings nicht einbinden. Den Flyer als pdf fand ich aber auch nicht auf der genannten page und auch nicht sonst im Internet ...  :-( ...
Grüsse
OLPE

Eddy

Ja Olaf,
das war eine beeindruckende Veranstaltung. Die Ostsee-Zeitung hatte dazu eine Information und eine Auswertung geschrieben. Leider, wie gewohnt sehr oberflächlich. Wir hatten ja im Jahr 2017 mit eine Erinnerungs-Ecke in unserem Museum begonnen, weil die Initiative, die 2011 von Bergen ausging, irgendwie ins Leere verlaufen war. Nun wurde diese ganze Angelegenheit 2019 wieder belebt und letztlich umgesetzt. 2019/2020 bauten auch wir unsere Erinnerungs-Ecke um und bekamen dazu viel Unterstützung.
Die Fotos in Folge:
1 Tischvitrine 2019/2020 im Marinehistorischen- und Heimatmuseum Dranske-Bug
2 Umgestaltete Ecke im Museum 2020
3 dito
4 dito
5 Unterstützer
Diese Erinnerungs-Ecke kommt bei den Besuchern gut an, bei den jüngeren würft sie Fragen auf, die wir gern beantworten. Denn im Geschichtsunterricht wird so etwas nicht behandelt. Wir sind damit wohl das erste Museum, neben dem Marine-Ehrenmal Laboe, die etwas zu Langsdorff veröffentlicht.
Bis denne
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

Eddy

Am 20. Dezember 2020, also eigentlich am 81. Todestag von Langsdorff fand im kleinen Kreis die Einweihung der Erinnerungstafel in Bergen vor dem Gebäude des Amtsgerichtes statt. Anwesend waren die Bürgermeisterin der Stadt Bergen, einige Stadtvertreter und Mitglieder der Marinekameradschaft Bug 1992 e.V.. Die Tafel wurde von der MK Bug gestaltet und ihre Anfertigung, vandalismussicher, organisiert. Finanziert wurde sie durch Vertreter der Stadt.
Bilder in Folge:
1 Bürgermeisterin und ein Stadtverordnete enthüllen die Tafel
2 die Stele mit Tafel
3 Vertreter der Stadt und Mitglieder der MK Bug
Bis denne
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

smutje505


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