Dreiwellenbauweise Deutsche Einheiten

Begonnen von ufo, 19 April 2005, 20:03:22

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ufo

Nicht dass die Frage zum ersten Mal aufgekocht wird aber weil ich grad auf der Frontseite des Forums das Bild vom Prinzregenten sehe ...


Ich bin ja eher kein Freund von Dreiwellendampfern. Zuviel Probleme für zuwenig Vorteile.

Der Prinzregent Luitpold sollte ja Diesel auf der Mittelwelle bekommen, die sich dann nie materialisiert haben. Ergo lief der Gute eben einfach mit zugeschweistem Mittelwellenlager und halt eben nur auf zwei Wellen.

Für seine Maximalgeschwindigkeit hab hab ich 21.7 sm ausgebuddelt – der Dampfer hatte nicht den Hauch eines Problems mit seinen Geschwistern mitzuhalten! Die liegen so zwischen 22.1 und 23.7 sm. Die haben gerade mal zwei Knoten extra aus ihrer Mittelmaschiene geholt!
Nun gut – der Prinzregent hatte 4 m Propeller auf seinen Wellen; seine Schwestern 3.75 m Propeller aussen. Trotzdem – wo um alles in der Welt lag dann der so signifikante Vorteil der Mittelwelle?!

Klar – Redundanz und so – trotzdem – dass ein versehentlicher Zweiwellendampfer einer Dreiwellenklasse lustig mit den anderen mithält ist doch schon – nun – eigenwillig, ist es nicht!

Weiss jemand warum die Reichsmarine und nach ihr die Kriegsmarine so hartnäckig am Dreiwellentyp festhielten?

Ich befasse mich damit nun schon einige Zeit habe aber bisher keinen echt überzeugenden Vorteil entdecken können und kenne auch keine Deutschen Dokumente, wo der Entscheidungsprozess en detail nachvollziehbar wäre.

Hat jemand von Euch?

Danke,
Ufo

kalli

@ufo,
gehört jetzt leider nicht zu Deiner Frage. Hast Du was zum Prinzregenten ?

harold

Servus ufo!
Hab mir mal die Daten der Maschinenraum-Dimensionen für SH/GU sowie BM/TP näher angeschaut (Garzke-Dulin) (die zur Hipper-Klasse im Augenblick nicht zur Hand); und da schien mir, dass bei Beibehalt der Auslegung der Kesselräume zumindest bei der SH-Klasse für zwei achterlich nebeneinander liegende Maschinenräume in der Breitenausdehnung zu wenig Platz war.

Wie weit dann mit BM/TP dies stur weiterverfolgt wurde -da hätte die lokale Breite nämlich gereicht!- entzieht sich meiner logischen Erkenntnisfähigkeit.
MfG
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

ufo

Stimmt schon; aber wenn man auf die Heckform von Scharnhorst guckt ist das Kind ja gewissermassen schon in den Brunnen gefallen.
Hätte man nicht vorher stutzen sollen?
Die Mittelwelle von Admiral Scheers Dampfern scheint für maximal zehn Prozent Vortrieb gut gewesen zu sein. Ganz schön viel Aggewars für zehn Prozent Vortrieb!

Aus einem Bericht von HMS Anson nach dem Krieg, wo sie mit Maschieneproblemen herumlaboriert kann man sich rausrechnen, dass sie so etwa zwanzig Prozent aus den Innenwellen und dreissig aussen rausgeholt hat.
Bei Nagato lag das glaube ich noch dichter an ein Viertel je Welle.

Und selbst innerhalb der Hochseeflotte muss man ja festgestellt haben, dass Derfflinger ihre Maschienen irgendwie ökonomischer nutzte als Bayern. Während die meisten Marinen ja in einer gewissen Tradition festsitzen hatte die Reichsmarine doch gewissermassen die Chance auf einem weissen Blatt Papier neu anzufangen.

Ist schon komisch was vererbt worden ist aus den Erfahrungen des Kaiserreiches und was nicht.

Ich frag mich halt immer noch, ob es ueberzeugende Vorteile gibt mit den drei Wellen. Bisher: Fehlanzeige!

Ciao,
Ufo

Huszar

Ich kann bei der Wellenanordung keine wirklichen Vor- und Nahcteile sehen - egal, ob 2,3 oder4 Wellen.

Bestes Beispiel: kuk Tegetthoff-Klasse. 3 der Schiffe hatten 4 Wellen, Szt. István nur zwei, war aber trotzdem nicht langsamer.

Wenn es überhaupt Unterschiede gibt, dann im Innenleben der Schiffe.

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Chrischnix

Hallo auch

Habe da durch Zufall noch etwas gefunden was ich Euch nicht
vorenthalten wollte:

Ende der 80er hatte man zwei getrennte Maschinensätze für Höchst- und Marschfahrt eingeführt
was jedoch u.a. einen hohen Verschleiß des hinteren Maschinensatzes brachte. Daher kam es Anfang der 90er Jahre
zu einer Dreiteilung der Maschinensätze und damit zur Einführung des Dreischraubensystems wobei die beiden äußeren Propeller
führ die Kohlesparende Marschfahrt vorgesehen waren. Mit der mittleren Schraube ließ sich wiederum besonders bei
schwieriger Revierfahrt wegen der günstigen Lage vor der Ruderfläche besser und schneller manövrieren.

Quelle:
Panzerschiffe um 1900
Ulrich Israel
Jürgen Gebauer

ufo

Hej Chrischnix!

Danke!
Das war genau die Sorte Information, nach der ich auf der Suche war!
Immer her damit, immer her damit!   :D  

Wenn ich etwas Zeit finde, setze ich mich mal hin und bringe zu Monitor, was ich so an Vor- und Nachteilen verschiedener Wellen Lay Outs weiss. Da schneiden drei Wellen wirklich nicht uebermaessig gut ab!

Von daher sind so Informationen wie die, die Du da grad ausgegraben hast, wirklich hilfreich, um die Entscheidungen, die die damals getroffen haben, nachvollziehbar zu machen.

Danke nochma'!

Und gerne mehr!  :wink:  Wegtreten, weiterlesen!  :)

Ufo

Chrischnix

Hallo ufo

Freut mich das ich dir helfen konnte und hier noch einmal die ISBN
Nummer für alle Interessierten:

Panzerschiffe um 1900
Brandenburgisches Verlagshaus
ISBN 3-89488-027-9

Ist nicht der dicke Wälzer, aber interessant.
Gruß:
chrischnix

E-Meister

Hallo ,

Die Drei/Vier-Wellenanlage hatte bei entsprechender Kraftwerksanordnung durchaus einen Sinn .

Jedoch nur wenn der Dampf eines Kraftwerkes umgeleitet werden konnte auf eine andere Welle /Getriebe .

Erst dann ist ein Ausfall einer Welle/Schraube möglich , ohne grossen Geschwindigkeitsverlust.

Fazit :

Dreiwellen-Anlagen ( bei Kriegsschiffen ) sind sicherlich nicht ökonomisch , aber sie bringen (im Gefecht) mehr Sicherheit !

Gruss ,

E-Meister

Spee

@E-Meister,

warum mehr Sicherheit?
Würde mich freuen, wenn mir Unkundigem das mal etwas genauer erklärt wird.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

ufo

Zitat von: E-Meister

...
Dreiwellen-Anlagen ( bei Kriegsschiffen ) sind sicherlich nicht ökonomisch , aber sie bringen (im Gefecht) mehr Sicherheit !

Gruss ,

E-Meister

Hm ... bei der Vierwellen Anlage kaufe ich das sofort. (und oekonomisch ist sie auch noch)

Und bei der Dreiwellen Anlage zweifle ich keine Sekunde daran, dass ein Ausfall der Mittelwelle kaum Geschwindigkeitsverlust bringt. (selbst, wenn man die Mittelwelle gar nicht mehr antreiben kann und die Maschienleistung der Mittelanlage einfach vollkommen verliert) Hat der Prinzregent ja auch hinlänglich bewiesen.

Aber ich würde mal schätzen dass ein Dampfer der Baden-, Scharnhorst-, Bismarck- oder Sonstwerbauweise bei einem Ausfall einer Aussenwelle rund 40% Vortrieb los ist.

Das ist der Punkt, der mir nicht echt einleuchtet.

Natürlich bringt eine Konstruktion mit Vier Wellen eine vollkommen andere Heckform, andere Strömungsverhältnisse, andere ... bis zum Abwinken. Aber das hatte man ja alles bei des Kaisers Schlachtkreuzern schon gebaut. Die Pläne lagen ja in der Schublade, direkt neben denen von SMS Baden.  



Chrischnix Quelle bringt ein wenig Licht ins Dunkle. Vielleicht war hohe Manövrierbarkeit in engen Gewässern tatsächlich so sehr gewollt, dass man die Nachteile von Dreiwellenkonstruktionen (technische und oekonomische) in Kauf nahm.
Quasi eine Zweiwellen Anlage mit Manövrier- und Hilfsmaschiene in der Mitte.


Aber die hohe Redundanz bei Wellen-, Schrauben- oder Maschienenschäden sehe ich bei Dreiwellen Anlagen eben im Gegensatz zu Vierwellenbauten nicht.

Ciao,
Ufo

harold

Hallo ufo,
die Frage nach der Dreiwellen-Anlage hab ich bei unserem Besuch bei B&V auch gestellt, und Hr. Dr. Wessel hat mir folgendes zu denken gegeben:

1) Schraubenform - um 1905/10 konnte man eine Schraube guten Gewissens mit vielleicht 20-23.ooo WPS belasten, dann kam die (Angst-)Grenze der Kavitation.
Schraubenformen um die Dreißigerjahre waren schon wesentlich "gefinkelter" (m.E. fängt in diesen Jahren das strömungstechnische Denken auch erst so richtig an - vielleicht angeregt durch die Parallel-Entwicklungen in der Aerodynamik?);
bei etwa 50-55.000 WPS ist aber damals endgültig Schluß der Fahnenstange...

2) andersrum wird auch n Schuh draus: wie viel Leistung krieg ich eigentlich pro Welle mit meinen verfügbaren Aggregaten (Maschinen, Getriebe) zusammen? Breyer macht (in BBs 1905-70, S. 315 unten) eine sehr interessante Nebenbemerkung zur ursprünglichen gedachten "Motorisierung" der SH-Klasse ...
auch im Turbinenbau stiegen die outputs in diesen Jahrzehnten ja beträchtlich-

3) Gewicht sparen!!! = maximale Leistung pro Welle, minimale "Kraftwerksanzahl" =  pro Welle + "Kraftwerk" schätz ich für die infrage kommenden Jahre etwa 750-1000 ts; je nach Verdrängung also doch ein ganz netter Prozentanteil am Schiff.

Wie gesagt, die Äußerung von Dr. Wessel brachte mich auf diese Spur - magsein, dass unser Freund Wolfgang "schiffbauer" da noch viel viel mehr zu sagen hat!

Servus a te,
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

schiffbauer

Hallo Ufo, Harold,

Harold, Du hast schon richtig zitiert, da kann ich gar nicht viel mehr dazu tun.
Vielleicht nur noch ein weiteres Argument für den 3-Wellenantrieb:
Jede zusätzliche Welle, jeder weitere Wellenbock etc würde zu einem Anstieg des sog. Anhängewiderstand führen, also den Widerstand des Schiffsrumpfes im Wasser bei Fahrt erhöhen. Hier warder 3-Wellenantrieb dem 4-Wellenantrieb überlegen.
Im Übrigen glaube ich, daß bei der Wahl des 3-Wellenantriebes auch eine gewisse Portion "Verhaftung in der Tradition des Althergebrachten" mit entscheidend war. (Dies ist heute noch bei den aktellen Projekten für die dt. Marine spürbar!)
:mrgreen:
Gruß
Schiffbauer

graylion

Zitat(Dies ist heute noch bei den aktellen Projekten für die dt. Marine spürbar!)

Hmm, gib mal Beispiele ;) Mir fällt so die massive standkraft ein mit den drei großen gitterträgern ...

harold

...einen von mir vor einigen Monaten gemachten Einwurf, nämlich den mit dem "Gewicht-Sparen", nehm ich (schlauer geworden durch allerlei Berechnungs-Ideen) wieder zürück.
So viel ist das nicht...

Anhängewiderstand, wie ihn Wolfgang anführt, kann ich mir als Gegenargument vorstellen (aber auch da helfen Wellenhosen, sind sogar anströmungstechnisch recht feine Wirkungsgrad-Pusher);
aber das verschärfteste Argument GEGEN 3 Wellen ist für mich nach wie vor die Interferenz der diversen Vibrationen, v.a. wenn zwei der drei Wellen gleich lang sein sollten.
So viel ich aus Maschinen-Layouts herauslesen kann, ist das bei Vierwellen-Anlagen nun nicht zwingend der Fall.
Aber auch da : abwarten, bis unser Schiffbauer (ja wo steckt denn der all die Zeit über??) wieder hier vorbeiguckt.
Ciao,
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

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