Bericht vom Obermeisterlehrgang in Parow 1954/55

Begonnen von Horst Knoll, 14 Juni 2021, 11:12:55

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Horst Knoll

Als Maat zum Obermeisterlehrgang der Volkspolizei See an die Flottenschule Parow bei Stralsund vom 01.12.1954 bis 30.09.1955.
Parow am Strelasund (ein Meeresarm der die Insel Rügen vom Festland trennt)
Anmerkung: Hier war ich bereits schon einmal 1952 vom 02.08. bis zum 12.12.1952.
Damals: Seepolizeischule "Walter Steffens"
Sie war eine Flottenschule für Matrosen und Unteroffiziere für die verschiedenen Laufbahnen in der Marine. Ich kam von der Grundausbildung in Kühlungsborn und wurde hier zum Funkgasten ausgebildet.
Wenn man in die Stadt zum Tanzen bzw. zum "Schwofen" wollte, war das ein Fußmarsch von ca. 3 km nach Stralsund.
Gleich am Anfang ereignete sich folgendes:
In unserer frisch gebildeten Funkerkompanie, alle mit Bändermützen, tauchte ein "Sandlatscher" auf, ein Feldwebel der Landstreitkräfte, so einer mit Schirmmütze und auf der Schulterklappe ein Stern! Kaum zu glauben! Der fiel mit seiner Kleidung zwischen uns Maaten und Obermaaten sofort auf, ja der reinste "Fremndkörper" in unseren Reihen!  Zu meiner Zeit hatte die Seepolizei und später darauf die Volkspolizei See bei den Unteroffizieren einen Dienstgrad mehr als die von der Kasernierten Volkspolizei. Der "Sandlatscher" , wie wir spöttisch den benannten, bekam von nun an auch eine Bändermütze und sein neuer Dienstgrad war nicht Feldwebel, sondern Obermaat und er musste nun auch wie wir alle eine Bändermütze tragen.
Heute entschuldige mich für mein "Sandlatscher"-Wort , aber so machten wir uns damals über die lustig die nicht zur See gefahren sind. Unsere Maate und Obermaaten dagegen hatten schon "eine Handbreit Wasser unterm Kiel".
In unserer Kompanie wurden wir auch als Unteroffizier vom Dienst (UvD) eingesetzt. Zum Glück war das bei mir nur ein Mal.

Sport war bei mir immer angesagt. Am liebsten spielte ich aber Volleyball. Das hat nicht nur Spaß gemacht, es gab auch Sonderurlaub, als wir Volleyball-Objektmeister wurden!

Komisch war, dass ausgerechnet unsere Funkerkompanie, die als "Gammelhaufen" von anderen so bezeichnet wurde, auserwählt, am 1. Mai 1955 nach Berlin zu fahren um dort im Stechschritt an der Parade teilzunehmen! Dazu mussten wir vorher trainieren was das Zeug hielt. Das war eine schlimme Schinderei auf dem Sportplatz der Flottenschule, man war es ja schließlich nicht so sehr gewöhnt.! In Berlin hörte ich, wie eine Berlinerin zu einer anderen in einer Seitenstraße sagte: "Die sehen aber schon schön braun aus"! Kein Wunder wenn man so oft im Freien auf dem Sportplatz für Berlin exerziert hat.
Während des Lehrganges durfte ich nach Ablauf meiner 3-jährigen Verpflichtung den "Längerdienenden-Wimpel" an der Uniform tragen.

So manches habe ich nach so langer Zeit schon vergessen, immerhin sind 65 Jahre ins Land gegangen - aber eines nicht: Ich war zu Übungszwecken mit einem der Minenräumboote vom Typ R-218 auf See unterwegs, als wir nachts in einen schweren Sturm gerieten! Das Boot gab dermaßen laute knarrende Geräusche von sich, als wollte es auseinander brechen! Ich weiß nicht mehr so genau, ob unser Räumboot noch Holzplanken hatte und es deshalb einem das Fürchten lehrte? Am Heck waren noch schwach erkennbare Farbreste sowohl von der deutschen Kriegsmarine und als auch von den Russen zu sehen. Von der deutschen Kriegsmarine Teil eines Vogelkopfes?. Von der Baltischen Flotte sah man noch einen Teil des roten Sterns!
Immerhin hatten die Russen  einige Schiffe der Kriegsmarine als Kriegsbeute "einkassiert" und auch welche in ihren Dienst gestellt!
Man sagte uns damals noch, dass dieser Räumboottyp erst 1944 in den Dienst gestellt wurde. Als kleine Bemerkung möchte ich hiezu sagen, dass ich hier keine Typbeschreibung vorhatte, sondern die Erinnerungen laufen ließ. 

Den Streifendienst teilten sich die Offiziersschüler und wir von der Flottenschule. Es war teilweise kein gutes Klima zwischen uns. So waren wir sehr oft scharf darauf, in Stralsund auffällige Offiziersschüler zu erwischen und natürlich zu melden, aber umgekehrt war das genau so! Typischer Rivalitätskram, so wie woanders auch.

Ich erinnere mich nicht  mehr so genau, ob wir Funker auch mal zum "Kutterpullen" waren. Das wir Funker so was seemännisches gemacht haben, wäre nach hinein zu hinterfragen gewesen. Wir durften nämlich wegen des Tastgefühls an der Morsetaste keine schweren Arbeiten verrichten! Da wir keine seemännischen-, sondern nachrichtentechnische Arbeiten zu machen hatten, brauchten wir auch keine Knoten lernen.
                           
An einen Segeltörn auf dem Strelasund mit unserem Zugführer kann ich mich natürlich bestens erinnern, denn da hatte ich einige Fotos gemacht.

Letztlich ging es aber um das erfolgreiche Bestehen des Lehrgangs. Die schulischen Leistungen wurden nach dem russischen Zensurensystem benotet. Für uns am Anfang wenig einleuchtend. Demnach stand die Note 5 für "Sehr gut"! Als es an die Abschlussprüfungen ging, hatte ich zwei Schwachstellen.
Die Erste: Mehrere Laufbahnrunden auf dem Sportplatz schaffen. Nur mit Müh und Not schaffte ich das und hatte auf der letzten Geraden solch schwere Beine, als hätte ich Blei in den Waden gehabt! Grausam!!
Meine Zweite: Ich hatte noch nie in meinem Leben einen Kopfsprung gemacht! Dieser aber war aber bei der nächsten Prüfung fest im Programm!
Also von der Kaimauer mit Kopfsprung und Bordpäckchen ins Wasser springen - zu einer Boje schwimmen - man passte auf, dass sich keiner dort festhielt -  retour bis zur Kaimauer und an einer Jakobsleiter hochklettern. So erschöpft war ich noch nie in meinem Leben. Mit letzter Kraft hatte ich es geschafft! - Aber die letzte "fünfer" Note war geschafft!

Zum Abschluss musste auch jeder der Obermeister-Anwärter einen Empfänger zusammen bauen.
Bis auf einen Lehrgangsteilnehmer erlangten alle anderen den Dienstgrad eines Obermeisters.

Nach meiner Ausbildung zum Funkmeister an der Flottenschule  wurde ich nach Saßnitz zu den Minenleg- und Räumschiffen der Habicht-Klasse versetzt.
Ein Wiedersehen mit Saßnitz, wo ich doch schon 1952 auf der U-Bootschule und nach ihrer Auflösung bei der Nachrichten-Offiziersschule, Verwalter vom Taktik-Kabinett wurde.


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hillus

Lieber Horst,

aus solch alten Zeiten ist nicht allzuviel mehr zu lesen. Ich freue mich immer, wenn sich ein alter Seebär aufrafft, und seine Geschichte bzw. Geschichtchen niederschreibt. Allzuviel geht verloren und keiner kann die Geschichte in diesen Einzelheiten nachvollziehen.

Danke für Deine Erinnerungen!

Gruß Jochen

Urs Heßling

moin,
Danke für Bericht und Bilder :MG: :TU:)

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

t-geronimo

Auch ich freue mich, solche Geschichten zu lesen!  :O/Y
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Manfred Heinken

Moin Horst,
auch von mir ganz herzlichen Dank für den tollen Bericht und für die tollen Fotos.
Das alles ist ja schon längst Geschichte, darf aber nicht vergessen werden.

Beste Grüße
Manfred Heinken

smutje505

Hallo Horst Super dein Bericht aus deiner Dienstzeit. top top top
Kannst mich ruhig wieder mal anrufen.
Gruß Hartmut

halina

Moin Horst ,

Vielen Dank für Deinen tollen Bericht mit den schönen Aufnahmen ,              Grüsse  halina
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

Horst Knoll

#7
Vielen Dank für Euer feedback,
ich sehe gerade, dass ich heute zum Maaten "befördert wurde". - Wahnsinn!!!!!!!!!!
Gebe mir in Zukunft Mühe, bald wieder meinen Obermeister Dienstgrad zu erlangen (Spaß muss sein)

ich hoffe bis bald
Horst

Mir fällt gerade so ein, dass beim Segeltörn unser Zugführer uns ermahnte: " beim Pinkeln den Wind zu beobachten"!

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