Antriebsanlagen der Geleitboote G1-24

Begonnen von Sven L., 13 März 2021, 11:48:29

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Sven L.

Hallo Forumskollegen,

durch einen Forumskollegen wurde ich während eines Telefonates auf die Geleitboote G1-24 der Kriegsmarine aufmerksam gemacht. Hierbei ging es eher darum, dass diese Boote nach Abschluß der Erprobungen einen Hubschrauber erhalten sollten. Beim Durchlesen des Textes bei Z-vor!, Band 2, Seite 66 von Harald Fock stieß ich auf den Hinweis, dass der Antrieb durch drei Lentz-Einheitsmaschinen - kurz LES - mit Abdampfturbinen erfolgen sollte. Die Erzeugung des Dampfes sollte durch drei Benson-Kessel sichergestellt werden.

Bei der Lentz-Einheitsmaschine handelt es sich um eine Doppel-Verbundmaschine. Das heißt, das zwei Doppel-Zylinder (Compound) Maschinen auf einer Kurbelwelle arbeiten. Der Vorteil gegenüber einer herkömmlichen Compound-Maschine ist, das die Überströmung von HD-Zylinder zum ND-Zylinder ohne Receiver, also direkt, erfolgt.
Ich füge den Link zur genaueren Beschreibung bei. Es ist ein Auszug aus dem Jahrbuch der Schiffsbautechnischen Gesellschaft von 1928.

Die Lentz-Einheits-Schiffsmaschine; Entstehung,
Entwicklung, Vorteile und gesammelte Erfahrungen.


Weil ich ein neugieriger Mensch bin, habe ich mich daran gesetzt die Maschinen nachzurechnen. Da leider nur wenige der zur Nachrechnung notwendigen Grundwerte vorhanden sind, ist nur eine annäherende Berechnung möglich. Weil es sich um Benson-Kessel handelt, ist davon auszugehen, das in jedem Fall überhitzer Dampf zur Anwendung kam. Ein Blick in den Gröner, Band 2, gab mir dann die Auskunft, das die Kessel mit einem Druck von 28 bar gefahren wurden. Bei der Annahme, das die Überhitzung bei 400 Grad Celsius lag und der Gegendruck im Kondensator bei 0,08 bar, erzeugt die LES 0,196 PS/kg Dampf und die Abdampfturbine 0,08 PS/kg Dampf. Unter Berücksichtigung der Verluste durch der Föttinger-Kupplung und das mechanische Getriebe, sind für die Erzeugung der 2.250 PSw je Maschine rund 8.920 kg Dampf je Kessel erforderlich. Bei Verwendung von Heizöl mit einem Heizwert von 8.900 kcal/kg (dann Steinkohlen-Teeröl), benötigt ein Kessel rund 910 kg dieses Brennstoffes, was mit dem im Gröner angegebenen Vorrat von 465 t für eine Reichweite von ca. 3.500 sm bei 20/21 kn reicht. Hier ist eine erheblich Abweichung gegenüber der Angabe im Gröner. Dort werden 6.000 sm/20 kn genannt.
Bei Verwendung von Heizöl (Braunkohlen-Teeröl) mit einem Heizwert von 9.300 kcal/kg verringert sich der Bedarf je Kessel auf ~870 kg/h und der Fahrbereich steigt auf ca. 3.700 sm.
Sollte tatsächlich bestes Heizöl mit rd. 9.700 kcal/kg Heizwert zum Heizen verwendet werden, veringert sich die stündlich verbrauchte Menge auf ~835 kg und der Fahrbereich würde auf ca. 3.900 sm steigen.
Die Abmessungen (LBH) der LES kämen auf ca. 3,90/2,20/3,80 m. In der Längenausdehnung kämen noch rd. 2,80 bis 3,00 m für die Abdampfturbine und das Getriebe hinzu. In der Breite ca. 1,20 m für den Kondensator.

Laut Gröner ist die gesamte Maschinenanlge in Kraftwerks-Anordung ausgeführt. Von hinten nach vorne gesehen ist die Anordung der Räume folgendermaßen:
- Maschinenraum (1) mit einer Maschine
- Kesselraum (1) mit einem Kessel
- Raum für Hilfseinrichtungen usw.
- Maschinenraum (2+3) mit zwei Maschinen
- Kesselraum (2) mit einem Kessel
- Kesselraum (3) mit einem Kessel

Insgesamt gesehen ist es eine kleine kompakte Antriebsanlage mit einem sehr niedrigen spezifischen Brennstoffverbrauch. Bei den oben genannten Werten wären dies rd. 370 g/PSw (bei 9.700 kcal/kg) bzw. 404 g/PSw (bei 8.900 kcal/kg).

Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Solange man seinen Gegner nicht bezwungen hat, läuft man Gefahr, selbst bezwungen zu werden.
Clausewitz - Vom Kriege

Sven L.

Hallo,

kleiner Nachtrag.

Außer den Geleitbooten war auch für die MZ-Boote, wohl ab MZ 13, lt. Gröner eine Lentz-Einheitsmaschine (LES) mit ~1.040 PSw geplant. Hierbei sollten die Boote um ca. 5 m länger werden als der Original-Entwurf.
Ebenso waren die Hansa Einheitsfrachtschiffe Typ A bis C mit Lentz-Einheitsmaschinen geplant. Die Typen B und C zzgl. Abdampfturbine. Deren Antriebsleistungen sollten 1.200, 1.800 bzw. 3.000 PS betragen.
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Sven L.

#2
Moinsen,

Hier ein paar zusätzliche Angaben zu den Lentz-Einheitsmaschinen der Hansa-Typen

Typ A:

Zylinder (HD+ND): 2 x 420 mm + 2 x 900 mm
Hub                     : 900 mm
Leistung              : 1.200 PS
Umdrehungen     : 90
Kessel                 : 2 x Flammrohrkessel

Typ B:

Zylinder (HD+ND): 2 x 420 mm + 2 x 900 mm
Hub                     : 900 mm
Leistung              : 1.800 PS (mit Abdampfturbine)
Umdrehungen     : 90
Kessel                 : 2 x Flammrohrkessel

Typ C:

Zylinder (HD+ND): 2 x 485 mm + 2 x 1.100 mm
Hub                     : 1.100 mm
Leistung              : 3.000 PS (mit Abdampfturbine)
Umdrehungen     : 90
Kessel                 : 3 x Wasserrohrkessel

Weil bei den Entwürfen zu den Geleitbooten (G1-24) keine weiteren Angaben zu finden sind, ist man, wenn man die annähernden Abmessungen (Zylinder u. Maschine) berechnen möchte, auf ausprobieren bzw. Annahmen angewiesen. Zwei Beispiele:


















V 1 (Öl)V 2 (Öl)V 3 (Kohle)
Anfangsdruck282828bar
Enddruck0,80,60,8bar
Anfangs-Temperatur400400229°C
Dampfbedarf8.4258.42010.880kg/h
Füllung HD-Zylinder25,118,330,0%%
Umdrehungen125125125U/min
Ø HD-Zylinder458512400mm
Ø ND-Zylinder1.0301.134982mm
Hub1.0301.130980mm
Wärmegefälle LES129,8142,495,9kcal/kg
Wärmegefälle Abd.Tu.53,640,846,3kcal/kg
Heizmittelbedarf je Kessel8618601.199kg/h
Länge ca.5.2605.7905.010mm
Breite ca.2.7813.0622.651mm
Höhe ca.4.3304.7504.120mm

Die Angabe zum Ölverbrauch wurde bei einer Verwendung von Heizöl mit 8.900 kcal/kg gerechnet. Die 3. Variante wurde mit Kohle und einem Heizwert von 7.500 kcal/kg gerechnet. Die Abmessungen sind ohne Abdampfturbine und Getriebe.

Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Sven L.

#3
Ich habe dem vorherigen Post in der Tabelle noch eine dritte Variante hinzugefügt. Weil zu dem Zeitpunkt der Planung der Ölbedarf enorm groß geworden war und Kohle in ausreichenden Maße vorhanden war, wollte ich wissen, wie sich eine Kohlebetriebene Anlage mit derselben Leistung ausgeht. Sofern dieselbe Menge an Kohle wie an Heizöl untergebracht werden kann, wäre es machbar gewesen. Jedoch wäre der Fahrbereich um 1.000 sm gesunken.

Wenn ein annähernd gleicher Verbrauch gewünscht wird, müsste die Antriebsleistung auf ca. 1.700 PS gesenkt werden. Dies reicht für eine Geschwindigkeit von 19,0 kn und für einen Fahrbereich von ca. 3.590 sm reichen.
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Peter K.

#4
... dazu gibt es eine "Vorläufige Bauvorschrift für die Hauptmaschinen und Kessel mit zugehörigen Hilfsmaschinen, Zubehör und Maschinengeräten" (1941) und eine "Bauvorschrift (Entwurf) für die Hauptmaschine und Kessel mit zugehörigen Hilfsmaschinen, Zubehör und Geräten" (1942) für die Boote G 1 - 24 im BA/MA. Beides ist zur Einsicht bei meinem nächsten Besuch vorgesehen ...
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Sven L.

Hallo Peter,

das hört sich äußerst interessant an.  :TU:)

Die Bauart der Kohle beheizten Kessel der M-Boote Typ 43 war für mich auf den ersten Blick ungewöhnlich. Ich musste lange in meinen Büchern forschen, bis ich zu der Erkenntnis gelangt bin, das es sich um eine, von einem Öl-befeuerten Kessel, abgewandelte Variante eines Wagner-Kessels handeln könnte. Die Fa. Wagner hat ja nie einen Standard-Typ entwickelt.
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Sven L.

Hier die Ansicht (schwarze Linien) eines Kessels der M-Boote Typ 43. Die blauen Linien wären mögliche Heizflächen.

Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Peter K.

ZitatDie Fa. Wagner hat ja nie einen Standard-Typ entwickelt.

Einen recht guten Überblick über verschiedene Wagner-Kessel auf Torpedobooten, Zerstörern, Kreuzern, Schlachtschiffen mit vielen Skizzen, Erprobungsberichten, Berechnungsbeispielen, usw. findet man im B.I.O.S. report no. 1264.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Sven L.

Hallo Peter,

Gerade geschaut. Nirgends zu bekommen :-(
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Peter K.

#9
... hier ... (kostet allerdings ne Kleinigkeit)

EDIT: ... ist aber leider bereits verkauft - sorry, hatte ich nicht gleich gesehen!
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Sven L.

Ich hatte eines für 147 Eur gefunden - aber auch ausverkauft  :|

Bist du im Besitz desselben?
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Peter K.

Ja, aber aufgrund der vielen Faltpläne mit mittlerweile recht schwacher Bindung ...
Grüße aus Österreich
Peter K.

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Peter K.

Mir hat die Sache keine Ruhe gelassen, weil ich eine Skizze dieses recht unbekannten kohlebefeuerten Wagner-Kessels im Kopf hatte, und wurde nach einigem Suchen im B.I.O.S. final report no. 1333 fündig. Die beiden Pläne habe ich abfotografiert und sind im Anhang zu finden. Die Abmessungen des Kessels in der vorstehenden Skizze weiter oben wären demnach zu korrigieren.

Außerdem gab es zumindest noch einen weiteren Versuchskessel des Wagner-Typs mit Kohlefeuerung für ein Minensuchboot und zwar mit einem Arbeitsdruck von 22 atü.
Grüße aus Österreich
Peter K.

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Sven L.

Peter, du bist einfach der Beste  :birthday: :TU:)  :TU:) :birthday:

Das habe ich gesucht  :MG:
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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SchlPr11

Hallo,
als ich am vergangenen Wochenende im Gröner-Bestand (bzw. im Nachlass von Martin Maass) nach M 3820 vergeblich suchte, kam mir die Fotoserie von der Hellingsetzung der Sektionen von M 601 hier in Rostock auf der Neptunwerft im Sommer 1944 wieder in die Hände.
Zufälligerweise kann ich diese nun hier an betreffendender Stelle ergänzend zeigen.
Sie betreffen zwei Fotos mit deutlicher Sicht auf den Kessel.
REINHARD

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