Qualität der Kohle im Weltkrieg

Begonnen von Karlchen, 28 Februar 2021, 12:27:30

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Karlchen

Hallo,

Ich habe letzte Woche dieses Video über die Schlacht an der Doggerbank angeschaut.
Die meißte Zeit in dem Video wird von den Teilnehmern über Beatty hergezogen.

https://www.youtube.com/watch?v=g5VuO0kGq90

Ab 1:21:40 geht es um die verwendete Kohle der Hochseeflotte. Die Darstellung ist ungefähr so:
Während die Grand Fleet auf die walisische Kohle zurückgreifen kann, muss sich die Hochseeflotte seit Kriegsbeginn mit Kohle minderer Qualität begnügen.
Vor dem Krieg erzielte Geschwindigkeiten der Großkampfschiffe mit importierter Kohle lassen sich während des Krieges mit der schlechten Kohle nicht wiederholen.
Die Kessel und Maschinen der deutschen Schiffe werden durch unsaubere Verbrennung wesentlich schneller verschmutzt als britische Schiffe...

ist das richtig?
Die Kohle aus den Revieren in Deutschland war ja von stark unterschiedlicher Qualität.
Dirk Nottelmann beschreibt in seinem Buch über die Brandenburg-Klasse jedoch das in einigen Versuchen bis 1892 Bochumer Kohle als Testsieger hervorging.
Diese war für den Schiffsbetrieb wohl noch besser geeignet als die hervorragende britische Kohle.

Stand solche Kohle nach 1914 für die Flotte nichte mehr zur Verfügung?

Sven L.

Hallo Karlchen,

Zitat von: Karlchen am 28 Februar 2021, 12:27:30
Während die Grand Fleet auf die walisische Kohle zurückgreifen kann, muss sich die Hochseeflotte seit Kriegsbeginn mit Kohle minderer Qualität begnügen.
Auch die walisische Kohle war nicht gleich im Sinne von von Gleich. Auch bei der walisischen Kohle gab es erhebliche unterschiede im Brennwert - genauso wie bei der deutschen Kohle. D.h., das man niemals von gut oder schlecht sprechen/schreiben sollte. Das ist irreführend und falsch!


Zitat von: Karlchen am 28 Februar 2021, 12:27:30
ist das richtig?
Nein


Zitat von: Karlchen am 28 Februar 2021, 12:27:30
Die Kohle aus den Revieren in Deutschland war ja von stark unterschiedlicher Qualität.
Und wie ich oben schon geschrieben habe, die Walisische auch!!!

Zitat von: Karlchen am 28 Februar 2021, 12:27:30
Dirk Nottelmann beschreibt in seinem Buch über die Brandenburg-Klasse jedoch das in einigen Versuchen bis 1892 Bochumer Kohle als Testsieger hervorging.
Diese war für den Schiffsbetrieb wohl noch besser geeignet als die hervorragende britische Kohle.
Nochmals, die britische Kohle war nicht hervorragend. Es gab nur einige Minen, die Kohle mit einem höherem Heizwert gefördert haben. Sehr viele walisische Minen haben größtenteils auch nur Kohle mit einem niederigeren Heizwert gefördert.

Zitat von: Karlchen am 28 Februar 2021, 12:27:30
Stand solche Kohle nach 1914 für die Flotte nichte mehr zur Verfügung?
Sicherlich stand die deutsche Kohle mit höherem Heizwert weiterhin zur Verfügung. Allerdings musste sich die Marine diese mit anderen Kohleverbrauchenden Betrieben teilen.

Das die Leistung der Kessel nachgelassen hat/haben soll, liegt nur zum Teil an der verwendeten Kohle. Wenn, dann ist es davon abhängig wie die chemische Zusammensetzung der Kohle ist - ist es ein backende, oder eher nicht backende Kohle usw.
Dann ist es auch wesentlich vom Heizpersonal abhängig. Bei den Probefahrten wurde sehr häufig bestens geschultes Heizerpersonal eingesetzt. Heizer ist nicht gleich Heizer und bedingt durch die vielen Reservisten (Kriegszuschlag) ist es durchaus denkbar, das die Qualität abgesunken ist.
Die Lagerung der Kohlen ist auch wichtig. Feuchtere Kohle hat einen geringeren Heizwert als trockene. In Deutschland wurden bevorzugt die Größen Nuss III/IV verwendet.

darüber hinaus bleibt zu sagen, das die Engländer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit denselben Problemen zu kämpfen hatten wie die Deutschen. Wenn ich dabei an die Kondensatorenprobleme denke ....  :roll:
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Solange man seinen Gegner nicht bezwungen hat, läuft man Gefahr, selbst bezwungen zu werden.
Clausewitz - Vom Kriege

Karlchen

Vielen Dank für die Antwort.
Gab es denn überhaupt Situationen in denen Schiffe der HSF, oder auch der Grand Fleet, ihre Leistung aufgrund der Kohlenqualität nicht abrufen konnten?
Sowie ich das sehe funktionierten alle Einheiten relativ gesehen alle im Rahmen ihrer Parameter.

Matrose71

Zitat von: Karlchen am 28 Februar 2021, 18:45:51
Vielen Dank für die Antwort.
Gab es denn überhaupt Situationen in denen Schiffe der HSF, oder auch der Grand Fleet, ihre Leistung aufgrund der Kohlenqualität nicht abrufen konnten?
Sowie ich das sehe funktionierten alle Einheiten relativ gesehen alle im Rahmen ihrer Parameter.

Es gibt Aussagen und wohl auch belastbare Quellen das v.d.T bei Jutland minderwertige Kohle bekommen hatte, was Hipper auf 23kn-24kn drosselte und deshalb sein Tempo beim Run to the South eher bei 22kn lag.
Viele Grüße

Carsten

Sven L.

Hallo Carsten,

Zitat von: Matrose71 am 28 Februar 2021, 19:14:01
Es gibt Aussagen und wohl auch belastbare Quellen das v.d.T bei Jutland minderwertige Kohle bekommen hatte, was Hipper auf 23kn-24kn drosselte und deshalb sein Tempo beim Run to the South eher bei 22kn lag.

Könntest du die Quelle auch nennen?

Es ist nicht ausgeschlossen, da die Kohledepots nicht nur Kohle aus einer Zeche bekamen, sondern das die Kohlelieferungen auf einem Depot landeten und somit Kohle mit einem hohen und solche mit einem niedrigerem Brennwert vermischt wurden.
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Clausewitz - Vom Kriege

ufo

Zitat von: Sven L. am 28 Februar 2021, 20:57:56

Zitat von: Matrose71 am 28 Februar 2021, 19:14:01
Es gibt Aussagen und wohl auch belastbare Quellen das v.d.T bei Jutland minderwertige Kohle bekommen hatte, was Hipper auf 23kn-24kn drosselte und deshalb sein Tempo beim Run to the South eher bei 22kn lag.

Könntest du die Quelle auch nennen?
...

James Goldrick, Coal and the Advent of the First World War at Sea, War in History, 2014, Vol. 21(3) 322–337 zitiert zu S.M.S. von der Tanns Kohlenproblemen: Gary Staff, Battle on the Seven Seas; German Cruiser Battles, 1914–1918 (Barnsley: Pen & Sword, 2011), p. 52.

Bei Goldrick wird auch deutlich, dass auch die Britien keineswegs nur die Schaufel in die Walisischen Berge stossen mussten und schon war es um die Deutschen geschehen. Das Suedwalisische Kohlenrevier reicht von Bitumen im Sued-Osten bis Anthrazit im Nord-Westen. Sogenannte Admiralty Coal kam lediglich aus gut dreissig Zechen, die guenstig ums Rhondda Valley lagen. Die Logistik das zu den Schlachtkreuzers am Forth oder gar zur Grand Fleet zu kriegen war gewaltig. Manches Schiff musste wohl manchmal nehmen was es eben kriegen konnte.

Ausfuehrlich dazu auch die Doktorarbeit von Warwick Michael Brown, The Royal Navy's Fuel Supplies, 1898-1939, The Transition from Coal to Oil. Kings College London, 2003.

Ufo

Urs Heßling

moin,

Zitat von: ufo am 28 Februar 2021, 21:27:22
Das Suedwalisische Kohlenrevier reicht von Bitumen im Sued-Osten bis Anthrazit im Nord-Westen. Sogenannte Admiralty Coal kam lediglich aus gut dreissig Zechen, die guenstig ums Rhondda Valley lagen.
Die Kohle ("Cardiff-Kohle und Anthrazit", zitiert aus "Der Krieg zur See, Der Kreuzerkrieg", Bd. 1, Seite 269) in den Laderäumen der Drummuir (übrigens eine Viermastbark und kein Vollschiff, wie dort  gesagt) war aber offensichtlich so gut, daß drei Tage bei Picton Island damit verbracht wurden, sie auf die Hilfsschiffe des Spee`schen Geschwaders umzuladen ...was sich dann, wie wir wissen, entsprechend auf den Verlauf des 8. Dezember auswirkte.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

ufo

Oh, kein Zweifel daran, dass da gute Kohle aus den Valleys kam!
Ich denke nur man muss auch sehen, dass hinterher viel vom Kriege gern mystifiziert wird. In dem Video klingt es etwas so als habe die Hochseeflotte Torf in die Kessel werfen muessen. 

Aber es ist sicher richtig, dass die Admiralty in den ausklingenden Jahren des neunzehnten Jahrhunderts viel Aufwand betrieben hat Schiffskohle zu standardisieren und damit sicher grossen Erfolg gehabt hat. In 'Kaigun' wird ja auch ausgiebig beschrieben wieviel Aufwand die Japanische Flotte trieb sich fuer den Waffengang mit Russland hinreichend 'Cardiff Coal' zu sichern.

Ja, und in dem genannten Artikel fuehrt auch Goldrick die Beispiele an, wo Schiffe des Ostasiengeschwaders sich erfolgreich mit 'Cardiff Coal' eindecken konnten oder gibt umgekehrt Beispiele wo Royal Navy Schiffe in Fernost mit minderwertiger Kohle vor sich hin krepelten.

Ufo   

Sprotte

Wenn ich mich richtig erinnere, schreibt Frank Thiess in dem Buch " Tsushima " , dass die Russen froh waren, wenn sie deutsche Kohle erhalten haben, weil sie besser gewesen sei als britische.
Auch im Orchester des Lebens dringt das Blech am meisten durch.

ufo

#9
Zitat von: Sprotte am 01 März 2021, 15:07:05
Wenn ich mich richtig erinnere, schreibt Frank Thiess in dem Buch " Tsushima " , dass die Russen froh waren, wenn sie deutsche Kohle erhalten haben, weil sie besser gewesen sei als britische.

Mag es sein, dass dem Autor hier im Jahre 1936 (Erstauflage) sein Patriotismus durchgegangen ist?

Soweit ich weiss, sah der Vertrag zwischen Russland und der HAPAG ausdruecklich vor, dass die Kohlendampfer Britische Kohle liefern und das hat die HAPAG glaube ich auch vertragsgetreu getan.

So auch beschrieben in 'Coal for the Fleet that had to die', Lamar J.R. Cecil, The American Historical Review, Vol. 69, No. 4 (Jul., 1964), pp. 990-1005. Und auch in 'British Assistance to the Japanese Navy during the Russo-Japanese War of 1904-5', The Great Circle , APRIL 1980, Vol. 2, No. 1 (APRIL 1980), pp. 44-54, wird ausdruecklich geschrieben, dass die Deutschen Kohle transportierten, welche Russland in Grossbritannien eingekauft hatte.

Ufo

Urs Heßling

moin,

Exkurs: es war nicht nur eine Frage der Qualität, auch schon einmal eine der Quantität.

"Der Krieg zur See" mit "Der Kreuzerkrieg in den ausländischen Gewässern", Band 3, beschreibt auf den Seiten 51-83 ausführlich die "Kohlenprobleme" des Hilfskreuzers "Kronprinz Wilhelm", der von 250 Tagen Fahrt nicht weniger als 72 Tage (29 %) mit Kohlenübernahme verbrachte, wobei sage und schreibe 24.706 Tonnen Kohle in See bei Dünung übernommen wurden.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

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