Identifikation von Schiffswracks

Begonnen von Deep Blue Sea, 21 Februar 2021, 14:47:34

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Deep Blue Sea

Und an dieser Stelle eröffne ich mal ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt und das ich extrem spannend finde. Es geht um die Identifikation von Wracks. Ich hoffe es in der Zukunft entsprechend bestücken zu können.
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Fangen wir an mit dem Wrack eines Eimerkettenbaggers in der Kieler Bucht etwas westlich/nordwestlich von Fehmarn. Den Sporttauchern ist es trotz seiner Abgelegenheit schon länger bekannt, auch wenn es nicht häufig betaucht wird. Ein Eimerkettenbagger ist eher ein spezielles Wasserfahrzeug und desto verwunderlicher ist es, dass es über einen solchen Schiffsverlust keinerlei historische Daten gibt. Zumindest nicht in der mir verfügbaren Recherchentiefe. Mit Archivarbeit bin ich leider nicht vertraut. Gleichzeitig gibt es diese Bauweise schon seit 1910-er sowohl in Deutschland, als auch vor allem in Niederlanden. So kam ich auf eine Idee, ob dieses Wrack nicht vielleicht doch in den letzten Tages des Krieges versenkt worden könnte. Wie könnte man rauskriegen, ob es wirklich ein WK-Wrack ist? Und könnte es vielleicht sogar einer von Spezialschiffen sein, die gerne in Niederlanden durch Kriegsmarine beschlagnahmt wurden? Solche Fälle sind ja bekannt, und ein Eimerkettenbagger wurde sogar bereits in niederländischen Gewässern versenkt.
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Die Allgemeine Anordnung des Wracks ist soweit korrekt, auch wenn dies durch 1-2 m Sicht und extrem starke Ausgleichsströmung erschwert wurde. Die Rekonstruktion des ursprünglichen Ausshenes ist, wiederum, nur eine Hypothese von mir, die ich nicht bestätigen oder widerlegen kann. Da die Taucher in der Regel sehr weit von Konstruktion von Schwimmbaggern sind, war das lediglich mein Versuch den Leuten zu erklären wie so ein Teil normalerweise in etwa aussieht und funktioniert. Dadurch haben die auch bei schlechter Sicht die Möglichkeit die einzelnen Bauelemente irgendwo zuzuordnen. Die Wracklänge ist ca. 50 m. Grundtiefe ist 18 m.
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Apropos Strömung. Dazu gibt es eine kleine Anekdote. Die sonst strömungsarme Ostsee hat uns im Juli 2020 an diesem Wrack einen großen Streich gespielt. Zuvor hat es tagelang aus dem Osten gepustet und geregnet. Dies war aber der erste Tag ohne Wind, sodass die Meeresoberfläche sehr ruhig war, aber es hat eine tiiiiierische Windausgleichsströmung geherrscht. Alles Wasser, was tagelang gegen Westen reingedrückt wurde, wollte plötzlich am ersten Flautentag schlagartig wieder zurück. Für mich endete es im Verfehlen der vom Schiff aus ausgelegten Strömungsleine und einem anschließenden Drift alleine aufs Meer, wo ich dann überlegen musste, wie lange es dann wohl dauern würde bis ich an irgendeine Küste (vorzüglich von Fehmarn) angespült werde, ob mein Trockentauchanzug ausreichende Wärmeisolierung aufrechthält und ob meine Druckluftvorräte ausreichend lang einen Auftrieb sicherstellen können. Zum Glück wurde der Ausflug schon nach einigen hundert Metern mit Hilfe eines Begleitboots beendet, wobei es für die Schiffsbesatzung bereits schwierig war zu erkennen wo ich überhaupt bin. Naja, so sammelt jeder seine Erfahrungen und lernt. :-)
Ignoranti quem portum petat nullus suus ventus est.

Peter K.

Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Deep Blue Sea

Zitat von: Peter K. am 21 Februar 2021, 16:02:52
Ich sehe zumindest Ähnlichkeiten mit HAFENBAUDIREKTOR TIBURTIUS.
Moin! Zunächst ja, aber es fehlt ein "schiffiger" Bug und flacher Heckspiegel.
Ignoranti quem portum petat nullus suus ventus est.

hoch-am-wind

ich bin mal durch die Bagger im Band 6 von Gröner DDK gegangen - da gibt es einige vielversprechende Kandidaten jedoch nichts mit einem bestätigten Versenkungsort bei Fehmarn. Das muss aber nichts heissen, da für viele der Bagger dort kein Verbleib aufgeführt ist.
Viele Grüße,
Ralf

TD

Hallo zusammen,

Idee mit den Wracks ist ja sehr interessant, aber auch schwer.
Jetzt mit der Typansage  Eimerbagger kam mir der Gedanke zu OSTLAND ex Riga:

Eimerbagger OSTLAND  ex RIGA     
700 BRT 550 m3 Inhalt , 60,00 mL, 11,00 mB 3,00 mT

1900: Erbaut als dampfgetriebener Eimerbagger.
1941, Juni/Juli: In Lettland von den dt. Truppen vorgefunden mit den Namen RIGA.
194.: Vom Marinehafenbauamt Libau unter Reichsdienstflagge als OSTLAND eingesetzt. Später evt. an das Seedepartement der lettischen Landesverwaltung übergeben.
1944: Bei der Räumung des Baltikums nach Gotenhafen überführt und  von der Marinehafenneubaudirektion Gotenhafen bzw.dem Technischen Marinebetrieb Gotenhafen übernommen.
1945,April: Mit allen Geräten nach Heiligenhafen überführt und vom neuerrichteten Technischen Marinebetrieb Kappeln/ Schlei betreut. 
Sep./Nov.: Nach Schwartau verlegt.
1946,31.Jan.: Auf Befehl des IWT Controll Team Hamburg von der Wasserstraßendirektion Kiel übernommen (Bewachung usw.).
1948, 1. Nov.: Als lettisches Eigentum der Kontrolle des Amtsgerichts Lübeck unterstellt.  Beauftragter Verwalter Fritz Lesnau.
15.Nov.: Vermutlich auf Anweisung des Bundesverkehrsministerium, Abt. Seeverkehr als Bundeseigentum übernommen
1949, 1.Dez.: Der im sehr schlechten Zustand immer noch bei Bad Schwartau im alten Travearm halb auf Grund liegende Bagger wird nach einer Bitte der Field Organisation,Maritime Ports & Shipping Branch, Hamburg an das Bundesverkehrsministerium, Abt. Seeverkehr, WSD Kiel zur Betreuung und Unterhalt übergeben.
31.Dez.: Zum Bauhof des Wasserstrassenamtes Lübeck verholt.
1950,14.Juli: Auf Anordnung der engl. Maritime Ports & Shipping Representative Transport Branch wird der Bagger an die Fa. Hans Tetzner, Hamburg übergeben und von dieser nach Kiel überführt.
Vermutlich noch 1950 auf dem Weg zum Abwracker sinkt der
Bagger OSTLAND vor Fehmarn.


Foto als Riga ?

Gruß

Theo
...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

Deep Blue Sea

Zitat von: TD am 23 Februar 2021, 01:32:43
Idee mit den Wracks ist ja sehr interessant, aber auch schwer.

Moin Theo und schon mal einen riesigen dank für den Hinweis. Parallele Such nach Riga und Ostland in russischen Quellen hat noch nichts hergegeben.
Der letzte Hinweis mit dem möglichen Versinken auf dem Weg nach Kiel. Ist es Deine vermutung oder stand es ebenfalls in der Quelle? darf ich fragen was das für eine Textquelle ist?

Grüße,
Alex
Ignoranti quem portum petat nullus suus ventus est.

hoch-am-wind

Hallo Theo,

Vielen Dank für den detaillierten Lebenslauf zur Ostland – schön, dass Du diese Daten einstellst.

Ich möchte noch einen Aspekt mit einbringen.
Das von Deep Blue Sea beschriebene Wrack des Schwimmbaggers ist mir auf der Position 54°27′N 10°40.6′E bekannt. Das liegt westlich von Fehmarn in der Kieler Bucht.

Zur Ostland ex Riga schreiben Bölk/Landschof in ,Schiffe in Not. Strandungen und Seeunfälle um Fehmarn 1857 – 1987', dass sie am 19.07.1950 südlich von Staberhuk im Schlepp gesunken ist. Das passt gut zum Lebenslauf von Theo, in dem als Position ,vor Fehmarn' angegeben ist, aber nicht ganz zur Position des o.g. Wracks, das westlich von Fehmarn liegt, während Bölk/Landschof eine Position südlich von Staberhuk, also auf der anderen Seite von Fehmarn angeben. Das ist kein Ausschluss, Positionen werden nicht immer exakt angegeben und ich habe leider keine Primärquelle für die Position, auf der die Ostland gesunken ist. Es kam im September 1950 zu einer Verhandlung des Flensburger Seeamtes in Kiel, auf der entschieden wurde, dass der Bagger als alliiertes Eigentum nicht der deutschen Seestraßenordnung unterlag, weshalb es keinen Spruch des Seeamtes zur Schuld der Beteiligten für den Unfall kam.

Ebenfalls bei Bölk/Landschof gefunden: ein weiterer Kandidat für die Zuordnung zum Wrack ist G.G. 8 der Gebrüder Goedhart, Düsseldorf , gesunken am 09.12.1908 westlich von Fehmarn, allerdings ein Fahrzeug mit Holzrumpf.
Auch dort aufgeführt ist der Baggerprahm G.G. 15, gesunken am 20.12.1903 bei Marienleuchte (bei Puttarden) – passt also nicht ganz bezüglich der Position.

Viele Grüße,

Ralf

hoch-am-wind

Hallo Alex,

jetzt haben sich unsere Antworten gekreuzt. Aus welchem Material ist eigentlich der Rumpf des Wracks? Stahl/Eisen?

Danke,

Ralf

Deep Blue Sea

Zitat von: hoch-am-wind am 23 Februar 2021, 19:32:01
jetzt haben sich unsere Antworten gekreuzt. Aus welchem Material ist eigentlich der Rumpf des Wracks? Stahl/Eisen?

Moin Ralf, das Wrack ist definitiv aus Stahl. Im Buch von Ingo Oppelt ist außerdem seine Länge mit ca. 50 m angegeben. Alleine das wäre beriets aus Holz nicht mehr als Arbeitsfahrzeug realisierbar.
Ignoranti quem portum petat nullus suus ventus est.

t-geronimo

Ich verschiebe mal in die zivile Schifffahrt.  :-)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

TD

Hallo Beide,

Infos zur Verwaltung des Baggers aus
<Generalkommissar Lettland / BA Koblenz)
WSD Kiel in LA  SW
Im Archiv der ehemaligen WSD Aurich gab es in den 90 er Jahren
eine große Sammlung Wrackkarten in welcher die OSTLAND
eingetragen war,

Gruß


Theo

...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

hoch-am-wind

#11
Alex, alles klar. Dann streiche G.G. 8 von der Liste...

@alle: weiß jemand, wo die Protokolle der Seeamtsverhandlungen archiviert sind? Zur Ostland hat im September 1950 eine solche stattgefunden, dort müsste ja die Position eindeutig belegt sein.

Viele Grüße,
Ralf

hoch-am-wind

Hallo Theo,

Danke für die Angaben zu den Quellen.
Die Karten der ehemaligen WSD Aurich müssen ja eine wahrere Fundgrube sein - ich fürchte, sie sind nicht mehr greifbar. Wo könnte man anfangen zu suchen?

Viele Grüße,

Ralf

Deep Blue Sea

Moin!
So, das mit dem Eimerkettenbagger war schon mal  ein guter Hinweis und jetzt bleibt es nur noch abzuwarten, ob irgendwann Bilder der Riga/Ostland zu "Lebzeiten" auftauchen. Bis dahin ein neues Rätsel
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Seit 1981 ist in der Kieler Bucht auf dem halben Weg zwischen der Kieler Förde und der Eckernförder Bucht ein hölzernes Wrack bekannt. Wracklänge ist ca. 20 m. Im Wrack wurde irgendwann ein 98K-Karabiner mit Munition oder eine Peilscheibe mit Kriegsmarine-Stempelung gefunden. Daraus wurde in der Taucherszene einen Annahme hergeleitet, dass es sich um eine Einheit der Kriegsmarine handeln könnte. Was könnte es gewesen sein?
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Anbei meine Wrackzeichnung und ein Scan aus Ingo Oppelts neuem Buch "Wracktauchen. Die schönsten Tauchplätze der Ostsee"

Ignoranti quem portum petat nullus suus ventus est.

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