U-Boot-Batterienladen durch Tidenstrom

Begonnen von Franz375, 03 Oktober 2020, 01:00:54

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Franz375

Hallo U-Boot-Experten, ich hätte da mal eine Laienfrage: Bekanntlich fiel es den deutschen U-Booten im Verlauf des WK2 immer schwerer, unter dem zunehmenden Druck der alliierten Luftüberwachung sowie deren verbesserten Techniken wie geknacktes Enigma, HFDF, Radar, Leigh-Light, Asdic/Sonar etc. überhaupt noch (nachts) aufzutauchen, um die leer georgelten Batterien wieder aufzuladen. Ich grübele darüber nach, ob folgende Maßnahme als Abhilfe taugen würde: Vor allem rund um die Britischen Inseln und an der NAOK gibt es viele küstennahe Gebiete mit teilweise recht starken Tidenströmen von 3-6 kn+ bei Wassertiefen von rund 20-40m. Solche Tiefen eignen sich gut zum ANKERN. Liegt das U erst mal am Anker und eingeschwoit im Tidenstrom, dann kann es auch tauchen, wobei es wegen des Tidenstroms sogar die Tiefenruder mit einsetzen kann. Es kann sich sodann auf Sehrohrtiefe einpendeln, um die Umgebung besser im Blick zu behalten, neben dem Horchgerät, versteht sich. Bekanntlich kann ein gestoppt liegendes U-Boot auf Sehrohrtiefe, ob nun am Anker oder nicht, von Asdic oder Sonar kaum noch geortet werden, weil es sich sehr dicht an der Oberfläche befindet: Kieltiefe nur 13m. Und jetzt der Gag: Hauptmaschinen gestoppt und ausgekuppelt, Wellenbremsen gelöst, und schon dreht der Tidenstrom flott die beiden Propeller und mit ihnen die beiden qua Propellerwellen direkt angehängten E-Maschinen, welche jetzt als Generatoren leise, ganz leise Strom zum Batterien-Laden erzeugen. Auf jeden Fall sehr viel leiser, als das mit den Dieseln jemals möglich wäre. Das Boot bleibt dann so lange liegen, bis die Batterien wieder ausreichend geladen sind. Kentert die Tide, dann macht das gar nichts, dann schwoit das Boot halt eben in die andere Richtung. Tauchen zufällig Feindschiffe auf, dann kann sich das U in begrenztem Umfang am Anker drehen und erstere über das ausgefahrene Angriffssehrohr anpeilen. Oder auch nicht, je nach den obwaltenden Umständen. Alternativ könnte es sich auch bis auf den Grund sinken lassen, wenn das für ratsamer gehalten wird. Ich sehe nur diese Einschränkung: So lange getaucht kann der Anker nicht wieder eingeholt werden, etwa um sich zu verkrümeln. Dazu müsste aufgetaucht werden, was natürlich nur dann geht, wenn kein Feind in der Nähe ist. Was haltet Ihr von so einer Maßnahme? Weiß jemand, ob das damals probiert oder wenigstens diskutiert wurde? Gruß von Franz 

ede144

Ob sich die Propeller ausreichend schnell drehen sei mal dahin gestellt. Ich vermute es scheitert daran das die Getriebe dafür nicht ausgelegt sind. Die Last und damit die Drehmomente laufen dann ja rückwärts. Die nächste Frage ist dann ob Kühlung und Schmierung noch funktionieren.

Franz375

Zitat von: ede144 am 03 Oktober 2020, 09:24:13
Ob sich die Propeller ausreichend schnell drehen sei mal dahin gestellt. Ich vermute es scheitert daran das die Getriebe dafür nicht ausgelegt sind. Die Last und damit die Drehmomente laufen dann ja rückwärts. Die nächste Frage ist dann ob Kühlung und Schmierung noch funktionieren.

Hallo Ede, vielen Dank für Deine Meinung! Nein, die Propeller und Getriebe laufen dann nicht rückwärts sondern weiter vorwärts. Auch wird die Propeller-Drehzahl, die in den E-Maschinen ankommt, die dann als Generatoren wirken, durch die so bewirkte Übersetzungswirkung der Getriebe um ein Mehrfaches erhöht. Die Frage, ob Kühlung und Schmierung in den Getrieben dann noch funktionieren, kann ich bejahen: Ich bin nämlich langjähriger Traditionsschiff-Segler, dem sich diese Frage in der Praxis schon gestellt hat. Manche Traditionssegelschiffe haben nämlich KEINE Verstell-Propeller an ihren "Flautenschiebern". Das bedeutet, daß beim Segeln OHNE Motorunterstützung der (Fest-)Propeller ausgekuppelt mitlaufen muss, sonst würde der zu arg bremsen. Nun ist aber die Kupplung oft zwischen Motor und Getriebe. Das bedeutet, daß das Getriebe mitlaufen muss. Bei gestopptem Motor erhält jedoch das sachte weiter laufende Getriebe weder Schmieröl noch Kühlwasser. Braucht es auch nicht: In aller Regel reicht es nach den gängigen Getriebe-Handbüchern, wenn alle 3-4 Stunden der Motor mal eben kurz angeworfen wird, um wieder Schmieröl an die Getriebelager zu bringen. Kühlwasser kommt dann auch, braucht es aber eigentlich nicht, weil ja im Getriebe keine Verbrennung, sondern nur Reibung unter Leerlaufbedingungen stattfindet. Auf einem U würde man dazu natürlich nicht die Dieselmotoren anwerfen, sondern die als Generatoren drehenden E-Maschinen würden die Getriebe ohnehin nach Bedarf mit Schmieröl und Kühlwasser versorgen. Wie bei normaler Tauchfahrt halt eben auch. Die wichtigste Frage ist so aber noch nicht beantwortet: Weiß jemand, ob das damals probiert oder wenigstens diskutiert wurde? Gruß von Franz

ufo

Fuer die Royal Navy: Nein
.
Und ich bin mir auch recht sicher, dass keine Deutsche Marine das je auch nur in Erwaegung gezogen hat.

Hat nichts mit technischen Fragen zu tun sondern einfach damit, dass ein U-Boot, welches seine Manoevrierfaehigkeit unter Einsatzbedingungen aufgibt, so gut wie mausetot ist. Ein U-Boot in eine Fixposition auf Seerohrtiefe zu packen geht einfach nicht an. Jedes vorbeikommende Flugzeug verplaettet dem U-Boot kurz eins. Die sind von oben so dicht unter der Wasseroberflaeche zu einfach zu sehen.
Auch duerfte sich kaum ein U-Bootkommandant fix in ankerbarem Wasser wohl gefuehlt haben. Das ist eine ausweglose Falle, wenn man denn doch von einem Ueberwasserschiff entdeckt wird. Auch sind ankerbare Areale gern mal vermient. U-Boote wollen tiefes Wasser zum Ausbuechsen. 

Erschien einem Freund von uns – erfahrener Submarine Kommandant – ganz unglaublich abwegig der Gedanke. Er meinte U-Boote wuerden traditionell zwei Seeschiffelemente mit sich runschleppen, die man in Eisatz nicht anfassen wuerde: den Anker und die Schiffsglocke. Beide sind laut und damit potentiell toedlich.

Just my two Pence ...
Ufo

ede144

#4
Zitat von: Franz375 am 04 Oktober 2020, 14:47:09
Zitat von: ede144 am 03 Oktober 2020, 09:24:13
Ob sich die Propeller ausreichend schnell drehen sei mal dahin gestellt. Ich vermute es scheitert daran das die Getriebe dafür nicht ausgelegt sind. Die Last und damit die Drehmomente laufen dann ja rückwärts. Die nächste Frage ist dann ob Kühlung und Schmierung noch funktionieren.

Hallo Ede, vielen Dank für Deine Meinung! Nein, die Propeller und Getriebe laufen dann nicht rückwärts sondern weiter vorwärts. Auch wird die Propeller-Drehzahl, die in den E-Maschinen ankommt, die dann als Generatoren wirken, durch die so bewirkte Übersetzungswirkung der Getriebe um ein Mehrfaches erhöht. Die Frage, ob Kühlung und Schmierung in den Getrieben dann noch funktionieren, kann ich bejahen: Ich bin nämlich langjähriger Traditionsschiff-Segler, dem sich diese Frage in der Praxis schon gestellt hat. Manche Traditionssegelschiffe haben nämlich KEINE Verstell-Propeller an ihren "Flautenschiebern". Das bedeutet, daß beim Segeln OHNE Motorunterstützung der (Fest-)Propeller ausgekuppelt mitlaufen muss, sonst würde der zu arg bremsen. Nun ist aber die Kupplung oft zwischen Motor und Getriebe. Das bedeutet, daß das Getriebe mitlaufen muss. Bei gestopptem Motor erhält jedoch das sachte weiter laufende Getriebe weder Schmieröl noch Kühlwasser. Braucht es auch nicht: In aller Regel reicht es nach den gängigen Getriebe-Handbüchern, wenn alle 3-4 Stunden der Motor mal eben kurz angeworfen wird, um wieder Schmieröl an die Getriebelager zu bringen. Kühlwasser kommt dann auch, braucht es aber eigentlich nicht, weil ja im Getriebe keine Verbrennung, sondern nur Reibung unter Leerlaufbedingungen stattfindet. Auf einem U würde man dazu natürlich nicht die Dieselmotoren anwerfen, sondern die als Generatoren drehenden E-Maschinen würden die Getriebe ohnehin nach Bedarf mit Schmieröl und Kühlwasser versorgen. Wie bei normaler Tauchfahrt halt eben auch. Die wichtigste Frage ist so aber noch nicht beantwortet: Weiß jemand, ob das damals probiert oder wenigstens diskutiert wurde? Gruß von Franz

Ich habe nichts davon geredet dass sich die Drehrichtung ändert, sondern die Drehmomentrichtung. Das Drucklager der Welle wird nicht mehr auf Druck sondern auf Zug belastet. Ob das die Getriebe der U-Boote mitgemacht hätten wage ich zu bezweifeln. Ein Getriebe auf einem Segelboot mit 50 PS im 21. Jahrhundert ist kein Vergleich mit Getrieben die 1500 PS übertragen in den 40er Jahren.

Wobei UFO mit seinen taktischen Erwägungen recht hat.

kohlenpott

Kleine Ergänzung zu den taktischen Überlegungen, die ich zu 100% teile:
Wenn wirklich U-Boote auf die Idee gekommen wären, diese Technik zum Laden zu verwenden, wären die Alliierten spätestens nach ein paar Monaten darauf aufmerksam geworden und hätten systematisch die in Frage kommenden Stellen abgesucht - mit vorhersagbarem Ergebnis.

Franz375

Hallo Ede, Du hast insofern Recht, daß dann die Drucklager auf Zug belastet würden. Das aber können die ganz locker ab, denn das werden die bei jedem Rückwärtslaufen der Hauptmaschinen bei möglicherweise voller Leistung auch, ohne abzureissen oder sonstwie in die Knie zu gehen. Zur Vermeidung einer Kollision bei einem "Manöver des letzten Augenblicks" etwa. Auch E-Maschinen können rückwärts laufen. Ob die auch als Generatoren rückwärts angetrieben Strom erzeugen können, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Das dürfte in der damaligen Praxis eher selten vorgekommen sein. Versierte Elektriker oder mindestens der Hersteller würden das allerdings zweifellos hinbekommen mit elektrischen Veränderungen. Ansonsten war bei meinem herangezogenen Vergleich keine Rede von einem Segelboot und 50 PS, sondern von Traditionssegelschiffen aus der Vorkriegszeit, auf denen ich auch heute noch gerne unterwegs bin. Deren "Flautenschieber" mit Getriebe sind rund eine Zehnerpotenz stärker.
Gruß von Franz

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