Rund um die MS Coburg - WBS 2

Begonnen von Nordmeer, 11 September 2020, 08:54:03

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Violoncello

Hallo Viktoria,

die Quelle ist TNA DEFE 3/21, S. 1012 (Funkspruch Trawler "Coburg" an den Kommandierenden Admiral der norwegischen Nordküste vom 2. Juli 1941).

Viele Grüße

Violoncello

t-geronimo

Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Nordmeer

@Violoncello:
Tausenddank! Ein weiterer chronologischer Fixpunkt, sowohl für meinen Vater als auch für das in Sachen Dokumentation doch rätselhaft abgetauchte Schiff.

@t-geronimo:
Dank der Fürsorge! Ich hatte mir die Kopie allerdings gleich selbst besorgt, denn mein innerer Detektiv hat die Herausforderung auf der Stelle angenommen.  :ML: Aber es ist gut, daß die Nachricht jetzt für alle sichtbar ist.

Noch eine Frage dazu:
Ich nehme an, TOI steht für Time of Intercept, stimmt das? Wofür steht TOO? Das konnte ich bislang nicht herausfinden.

Grüße,

Viktoria

Violoncello

Hallo Viktoria,

TOO = Time of origin

Viele Grüße

Violoncello

Hägar

TOO ist der Zeitpunkt, zu dem der Spruch verfasst wurde, ist im FT-Text vermerkt und damit die jeweilige deutsche Zeit
TOI ist der Zeitpunkt, zu dem der Spruch aus dem Äther gefischt wurde, also die Empfangs- gleich Sendezeit.
Die ist im Gegensatz zur TOO allerdings in britischer Zeitnotation vermerkt.
Es kann also im Prinzip durchaus vorkommen, dass die TOO eine spätere Zeit signalisiert als die TOI, so wie in dem hier gezeigten Dokument.

Soweit, so gut.
Nach meiner derzeitigen Kenntnis (basierend auf hier und dort) gab es im Sommer 1941 jedoch keinen Zeitunterschied zwischen deutscher und britischer Zeitnotation.
Es galt DSZ = MEZ+1 = GMT+2 und bei den Nachbarn BDoubleST = GMT+2.
Frage also: Wie sind die Zeiten auf dem Dokument zu erklären?
An einen simplen Tippfehler bei der TOI oder TOO mag ich nicht so recht glauben, weil es in den DEFE-Sprüchen in der Umgebung des hiesigen dasselbe Phänomen gibt.
Also: Falsche Grundinformation? Denkfehler?

Gruß - Hägar

P.S. Da nicht eigentlich ein COBURG-Beitrag, Frage an die Administratoren, ob es Sinn macht, einen eigenen Thread 'DEFE: TOO/TOI' aufzumachen.

alo41

Antworte im deutsch, bitte

Hägar

As far as I know a special Norwegian time didn't exist.
The Germans used their own system throughout (which made sense in order to avoid misunderstandings).
Regards - Hägar

Nordmeer

#37
Hallo allerseits!

Als kleines Dankeschön für das hier Zusammengetragene von mir eine Kurzzusammenfassung zur Timeline von WBS 2 COBURG, bestehend aus Einträgen aus Rudek, Selinger und hier Zusammengetragenem:

Schulte & Bruns, Emden (Bau-Nr. 125)
Stapellauf: 30.05.1938
Ablieferung: 02.08.1938
344 BRT/114 NRT; Lreg.:41,40 m; B.: 7,72 m; T.: 3,03 m;
1 Dieselmotor (540 PSe); Besatzung: 22 Pers.

         1938: COBURG (PG 530) mit Unterscheidungssignal DFDX für H. Bischoff & Co., Wesermünde-G. registriert
03.08.1940: COBURG (B..S) Erfaßt durch die Kriegsmarine-Diensstelle (KMD) Hamburg für Unternehmen ,,Seelöwe" [Invasion Englands, verschoben und nie durchgeführt]
11.09.1940: von Ostende nach Boulogne ausgelaufen
28.10.1940: Befehl des Oberkommandos der Marine (OKM) zur Rückführung des Schiffes und Übergabe an den Admiral Norwegen über die Kriegsmarine-Dienststelle (KMD) Hamburg, Zweigstelle Cuxhaven
25.11.1940: bereits als Wetterbeobachtungsschiff in Planung genommen
04.01.1941: WBS 2 COBURG Kriegsmarine; als Wetterbeobachtungsschiff in Dienst gestellt. Kommandant wurde Obersteuermann Ley. Das Schiff wurde nach Kiel verlegt.
Bewaffnung: 2 x 37 mm;
Besatzung: 18 Personen + 8 Meteorologen
05.01.1941: von der Kriegsmarine-Dienststelle (KMD) Kiel in Betreuung genommen
11.01.1941: dem Admiral Norwegen unterstellt, Einsatzhafen wird von Bergen nach Trondheim verlegt
16.01.1941: WBS 2 COBURG läuft nach Norwegen aus, kommt aber im nördlichen Großen Belt im Eis fest
09.02.1941: Entsendung WBS2 Coburg nach Marineplanquadrat AE 39 (67° N / 05° 30' W), nordöstlich von Island   (Selinger)

Laut Photos auch bei Jan Mayen unterwegs; laut Erzählung fuhr das Schiff zeitweise oder immer getarnt unter norwegischer Flagge.

2. Juli 1941: bei Position 63:54.7 N, 9:52.5 E nordwestlich von Trondheim auf Grund gelaufen. Ein Riff reißt den ganzen Steven auf, Schlagseite von 30°. Meldung per Funk mit Bitte um Unterstützung. Folgend Reparatur im Trockendock Amsterdam.
Spätestens seit
16. 10.1941
: unter Kommandant Gerullis
   April 1942: dem Küsten-Sicherungs-Verband Nordküste unterstellt (Laut Lexikon der Wehrmacht sind sowohl V5717 als auch V5718 (s.unten) der 57. Vorpostenflottille unterstellt. Diese ist beim Küstensicherungsverband norwegische Polarküste und wird dem 4. Küstensicherungsverband unterstellt.)

(Hier nimmt die COBURG auch Sicherungs- und Geleitaufgaben war, laut Photos z.B. Sicherungsfahrt an der französischen Küste, Geleitzug im Nordatlantik, Feindfahrt im Nordatlantik).

20.07.1942: wird von einer erfolgreich verlaufenen Probefahrt der COBURG aus Hamburg berichtet (vermutlich nach der Eisbefestigung des Schiffes)
23.03.1943: V57185 = WBS 4 COBURG gemeldet; Anm. 5): Lt. Lohmann/Hildebrand auch als V5717 geführt.
27.08.1943: verläßt WBS 4 COBURG mit 8 Mann des Wettertrupps ,,Baßgeiger" unter wissenschaftlicher Leitung von Heinrich Schatz (milit. Leitung Leutnant Helmuth Zacher) den Hafen Narvik.

(Weitere Geschichte des Unternehmens ,,Baßgeiger" ist allgemein gut dokumentiert.)

29.09.1943: Meldung bei Kriegs-Gliederung ,,Ändere WBS 2 in WBS 4"



Grüße,

Viktoria

Nordmeer

Nochmals hallo!

Zitat von: Hägar am 05 Dezember 2020, 13:23:36
Frage also: Wie sind die Zeiten auf dem Dokument zu erklären?

Da sich kein weiterer Experte zur Zeitnotation im militärischen Funkverkehr gemeldet hat, habe ich mir Gedanken gemacht und sehe die Sache wie folgt. Sollte es jemand besser wissen, bitte unbedingt korrigieren!!

TOO bezieht sich laut Anweisungen zu Funkanweisungen von 1935 auf die Zeit der Authorisierung einer Meldung. Auch ein modernerer Signalcode für den Schiffsverkehr, S.8 definiert TOO ähnlich.

Auf die Anordnung eines Funkspruches folgte dann ja im 2. WK bis zum tatsächlichen Absetzen und Abhören (TOI) noch der Zeitverzug für Verschlüsselung und eine eventuelle Warteschlange von Funksprüchen.

Auf jeden Fall ergeben die Zeiten aus der obigen Meldung, die in ihrem negativen Zeitabstand zw. TOO und TOI vielen vergleichbaren ähnelt, nur bei einem Zeitzonenunterschied von 2 Std. einen Sinn (da TOI oft eineinhalb Stunden früher liegt als TOO). Dieser Unterschied wäre gegeben, wenn Deutschland tatsächlich seine in diesen Kriegsjahren durchweg geltende Sommerzeit GMT+2h auch für den Funkverkehr auf See beibehalten hätte, der britische Militärgeheimdienst jedoch alle Zeitnotierungen in GMT vorgenommen hätte.

Tatsächlich gibt es auf letzteres etliche Hinweise. Einige Meldungen der britischen Entschlüsselungsabteilung enthalten Text der Analysten, in denen Zeitangaben in GMT oder Z-Zeit (Zero Meridian, entsprechend US-Navy Zulu Time) ausgewiesen werden. Und etliche Geheimdienstberichte aus Hut 3 von Bletchley Park, die sogenannten Hut 3 Headlines, Zusammenfassungen besonders wichtiger Nachrichten von deutschem Heer und Luftwaffe, enthalten beispielsweise Zeitangaben zur Berichterstellung in Z-Zeit. (Für abgehörte Funksprüche der Kriegsmarine waren Hut 8 (Entschlüsselung) und Hut 4 (Analyse) zuständig.)

Soweit erscheint mir das Szenario wahrscheinlich. Aber vielleicht weiß ja jemand definitiv, wie es sich verhielt.

Grüße,

Viktoria

Violoncello

Hallo Viktoria,

herzlichen Dank für die Chronologie zur "Coburg" und die fundierten, hilfreichen Betrachtungen zur Frage "TOO" und "TOI".

Viele Grüße

Violoncello

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