Vor 75 Jahren: Atombombenangriff auf Hiroshima

Begonnen von Urs Heßling, 06 August 2020, 10:10:26

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maxim

Die Situation war aus der Sicht der japanischen Regierung davor schon unhaltbar. Das japanische Kabinett hatte deshalb den Verhandlungsfrieden angestrebt. Wie weiter oben schon geschrieben, gab es aus ihrer Sicht zwei Optionen: Verhandlungsfrieden (mit Stalin als Vermittler) und die Kapitulation zu den Potsdamer Bedingungen. Die Option den Krieg weiter zu führen, hatte keine Mehrheit in der japanischen Regierung. Der Kompromiss zwischen beiden Lagen wurde bei einem Treffen mit dem Kaiser am 22. Juni beschlossen: den Versuch mit Stalins Vermittlung einen Verhandlungsfrieden zu erreichen (Konoe Mission). Diese Option fiel durch den Kriegseintritt der UdSSR weg, damit blieb nur noch die Kapitulation zu den Potsdamer Bedingungen.

Die sowjetische Offensive war eine direkte Bedrohung für Japan selbst - eine Ladung im Norden Japans hätte lange vor der US-Landung erfolgen können. Die Ladung auf den Kurilen erfolgte schon vor Kriegsende. Dadurch erhielt die Frage der Kapitulation eine zusätzliche Dringlichkeit.

Was war die Auswirkung der Atombomben? Fast jede größere japanische Stadt war bereits vor den Atombomben zerstört worden. Es mangelte massiv an unzerstörten Städten als Ziele. Anscheinend gab es nach den Abwürfen noch zwei Städte auf der Liste (und theoretisch Kyoto). Man kann nicht behaupten, dass die Atombomben die erste Bedrohung für die japanischen Hauptinseln war, Japan war bereits größtenteils zerbombt. Höchstens war es eine neue Art der Bedrohung (aber wie im Koreakrieg die meisten Bombardierungen hätten weitere Atombomben wahrscheinlich nur Trümmer umgewälzt). Man müsste schon zeigen, warum die Atombomben bewirkten, dass das Kabinett politische Konsequenzen zog und die Kapitulation einleitete.

Nur die beiden Atombomben hätten Japan relativ sicher nicht dazu gebracht, zu kapitulieren. Das japanische Kabinett hätte weiter auf eine Vermittlung Stalins gehofft. Nur der russische Angriff hätte sehr wahrscheinlich ebenfalls eine Kapitulation im August bewirkt - eben, weil es aus der Sicht der japanischen Regierung keine andere Option mehr gab.

Die Teilung Koreas war eine direkte Folge des Wettrennens zwischen der UdSSR und den USA, wer mehr von den Resten des japanischen Reichs bekommt. Wenn der Krieg noch ein paar Wochen später geendet wäre (warum auch immer), wäre auch eine Teilung Japans (à la Deutschland) möglich geworden.

Dein Argument mit China ignoriert die US-Perspektive. Aus deren Sicht hatten sie durch die russischen Eroberungen und den Sieg Maos den Einfluss über den Großteil dieses Teils Asien verloren. Tatsächlich hatten sie ihren Einfluss zwar auf die stärkste Wirtschaft (Japan) ausgedehnt (plus noch Südkorea und Taiwan), aber im Vergleich zu dem militärischen Aufwand, den die USA verglichen mit der UdSSR gegen Japan betrieben hatte, war der Gewinn der USA aus deren Sicht gering. Wie gesagt: aus der Sicht der diversen US-Regierungen, die bis in die 1970er brauchten, um zu verstehen, dass ihnen da kein homogener Block an Verbündeten gegenüber stand.

Spee

Servus,

das die Lage Japans aussichtslos war, dürfte schon einige Zeit vorher klar gewesen sein. Die Befürchtung war aber eher, das ab Ende 1945 die japanische Bevölkerung nicht mehr gewillt war, den Krieg weiter zu erleben. Man hatte mit internen Problemen größere Bedenken.
Militärisch wollte man im Juni noch nicht alles als hoffnungslos sehen (da sind sie wieder, die grandiosen Einschätzungen der Lage).

Die geplante sowjetische Landung auf Hokkaido, da bin ich unschlüssig. Hatte die Sowjetunion überhaupt die Transportmittel dafür? Oder war das eher eine Finte, um Druck auszuüben. Ich weiß es nicht, da ich auch keine Quellen habe, die besagen könnten, was wirklich an Schiffen vorhanden war.

Die Auswirkungen der Atombomben waren da. Ursprünglich sollte noch eine 3. Bombe geworfen werden, Ziel Sapporo (wenn ich mich recht erinnere). Man wollte von US-Seite Japan ganz deutlich zeigen, egal wo, egal wann, wir können eine Stadt auslöschen. Dafür benötigen wir genau 1 Flugzeug und eine Bombe.
Der verheerendste Luftangriff auf Tokio wurde von 279 B-29 durchgeführt. Die Japaner wußten sicher nicht die genaue Zahl, aber das es mehrere Hundert waren, dürfte denen klar gewesen sein.
Würden die Amerikaner besagte Menge B-29 mit je einer Bombe zum Einsatz bringen, wären in Japan ca. 280 Städte von Vernichtung bedroht und das nicht in einem Zeitraum von Monaten, sondern Tagen. Das ist psychologisch eine nicht einzustufende Wirkung auf Jeden. Und wer wollte nach dem 2.Abwurf genau sagen, wie viele Bomben die Amerikaner haben? 2? 7? 28? 233?

Mein Argument ignoriert die US-Seite in diesem Sinn, das stimmt. Nur wenn die US-Aufklärung das nicht verstanden hat, ist das nicht deren Problem? Ich denke, die wußten schon, das nicht Alles zwischen Moskau und Peking wie geschmiert lief. So blind werden die kaum gewesen sein. Aber ich mach mich da mal schlau.

Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

maxim

Darf ich mal fragen, woher du diese Einschätzungen hast?

Ich beziehe mich auf die Studie Hasewagas, der basierend auf den erhaltenen Dokumenten, Tagebüchern etc. der beteiligten japanischen Politiker untersucht hat, wie die Entscheidung getroffen wurde, im August zu kapitulieren.

Z.B. worauf beruht deine Einschätzung, dass im Juni aus Sicht der japanischen Regierung noch nicht alles hoffnungslos war, obwohl eine Konferenz des japanischen Kabinetts mit dem Kaiser am 22. Juni beschloss, dass man den Krieg beenden muss? Nur aber den falschen Weg, den über die Vermittlung Stalins, gewählt hatte?

Worauf beruht die Annahme, dass die Japaner dachten, dass es Hunderte von Atombomben gegeben haben könnte (was eine sehr bizarre Vorstellung wäre)? Und woher die Annahme, dass es noch Hunderte japanischer Städte gab, die nicht zerstört waren, die man also noch zerstören konnte?

Der Hauptpunkt war, dass der japanischen Regierung bereits seit Juni einen Frieden anstrebte, aber meinte, dass sie zwei Optionen dazu hatte. Nach der sowjetischen Kriegserklärung blieb nur noch eine.

Alle anderen Punkte sind sekundär. Die sowjetische Marine hatte u.a. im Juni 1945 von der US Navy einen Bestand an Ladungsschiffen erhalten. Der Punkt war übrigens auch nicht primär China - und natürlich war auch Maos Machtübernahme eine schlimme Niederlage für die US-Politik (und im Endeffekt auch für Stalin, der die Kuomintang unterstützt hatte, was die Maoisten natürlich nicht vergessen haben). Korea ignorierst du laufend. Korea wurde durch den sowjetischen Vormarsch geteilt. Das ist nicht irgendeine Randregion, sondern entwickelte sich nicht nur zu einem der schlimmsten heißen Kriege im Kalten Krieg und Südkorea ist heute eine der größten Wirtschaftsmächte weltweit (was nicht zufällig oder unerwartet ist).

lafet944

Die Sichtweise zu Korea bedarf einer näheren Betrachtung:
Warum erfolgte die Teilung durch den sowjetischen Vormarsch (der bis zum 24. August Seoul erreichte) und nicht durch die US-Landung bei Inchon am 8. September 1945?

Genaue Informationen dazu habe ich nicht gefunden, nehme aber an, dass es dazu ähnliche Vereinbarungen wie in Deutschland gab.
Die Festlegung der Demarkationslinie erfolgte dann durch den UN-Treuhandrat, und beide Besatzungsmächte scheinen die sich daraus ergebenden Verpflichtungen zumindest bis 1947 weitgehend konfliktfrei ausgeübt zu haben. Die Probleme nahmen erst danach, durch das gegenseitige Aufschaukeln der Spannungen im Kalten Krieg, zu.

In der US-Besatzungszone kam unter dem USAMGIK-Diktat, als auch unter dem aus dem US-Exil zurückgekehrten, als weitgehend autoritär und korrupt auftretenden Präsidenten Syngman Rhee zu mehreren Protestbewegungen, die mit blutiger Niederschlagung und zehntausenden Opfern endeten. Zu Beginn des Koreakrieges ließ Rhee bis zu 200000 als Kommunisten verdächtigte (die zum Teil vorher schon - unter Nutzung von Listen aus der japanischen Besatzungszeit - in Camps konzentriert waren) ermorden.

Inwieweit daraus ein Einfluss auf den Koreakrieg entstand, schweigen die Historiker.
Die Geschichte des neuen Koreas scheint schwieriger zu sein, als die meist am 25.06.1950 beginnende Geschichtsschreibung erfasst.

maxim

Die Teilung erfolgte natürlich dadurch, dass beide Seiten in Korea einmarschierten.

Mein Punkt da war, dass Stalin mit relativ geringen Aufwand einen doch nennenswerten Teil des japanischen Kolonialreichs erobern konnte - während die USA, die im Pazifik erheblich mehr militärische Mittel aufwenden mussten, einen Teil der Beute einbüßten. Vielleicht eine Umdrehung der Situation in Europa: dort hatten die westlichen Alliierten wesentlich weniger Ressourcen in den Krieg gesteckt.

Es ist klar, dass in Asien man keinesfalls davon sprechen kann, dass die Alliierten dort Demokratie durchsetzen. Ein Teil der Alliierten versuchte in blutigen Kolonialkriegen ihre alte Herrschaft wieder durchzusetzen (und scheiterten auf längere Sicht), viele andere Staaten in der US-Einflussszone war Diktaturen (Taiwan, Südkorea, später Südvietnam), andere Staaten waren sehr autoritär (Japan) oder entwickelten sich von relativen autoritären Strukturen zu Diktaturen (Philippinen), die im Stalins Einflussbereich waren alles auch totalitäre Regime (Nordkorea, mehr indirekt auch Nordvietnam). Die Volksrepublik China würde ich da unabhängig betrachten, da sich dort die Verhältnisse nicht so entwickelten, wie die US-Regierung oder Stalin es gerne gehabt hätten - das war eine innerchinesische Entwicklung.

Matrose71

Salve,

ZitatMein Punkt da war, dass Stalin mit relativ geringen Aufwand einen doch nennenswerten Teil des japanischen Kolonialreichs erobern konnte - während die USA, die im Pazifik erheblich mehr militärische Mittel aufwenden mussten, einen Teil der Beute einbüßten. Vielleicht eine Umdrehung der Situation in Europa: dort hatten die westlichen Alliierten wesentlich weniger Ressourcen in den Krieg gesteckt.

Ich möchte hier den Thread nicht sprengen, aber so eine steile These kann man nicht unkommentiert stehen lassen, da sie historisch schlicht und einfach völlig falsch ist.
Die westlichen Alliierten haben den absoluten Großteil ihrer Ressourcen in den europäischen Teil des WWII gesteckt, das kann man in jedem guten Buch und den statistischen Erhebungen nachlesen. Diese westlichen Ressourcen haben die UdSSR und Stalin überhaupt erst in die Lage versetzt den "Hausfeind" Wehrmacht aus der UdSSR zu vertreiben und danach auf allen Kriegsschauplätzen überhaupt offensiv tätig zu werden. Genauso wurde der absolute Hauptteil militärischer Mittel (Soldaten/Manpower, Waffen, Logistik, Luftwaffe etc) der westlichen Alliierten am europäischen Kriegschauplatz eingesetzt!
Viele Grüße

Carsten

maxim

Meine Aussage war eine relative zu dem Aufwand, den die UdSSR betrieben hat und kein Vergleich, welche Ressourcen die westlichen Alliierten in welchen Kriegsschauplatz steckten. Der militärische Aufwand, den die westliche Alliierten in Europa im Vergleich zur UdSSR einsetzten, war deutlich geringer. Die deutschen Verluste sind zu überwiegender Zahl durch sowjetische Truppen verursacht, die sowjetischen Truppen erlitten auch von allen Alliierten die schwersten Verluste (zumindest in absoluten Zahlen). Natürlich stimmt es, dass die westlichen Alliierten die UdSSR durch umfangreiche Lieferungen unterstützt haben. Das gilt im Endeffekt auch für den Kriegsschauplatz im Pazifik.

vonRheinland

#37
Hallo,

Ist zwar etwas spät, aber ich wollte kurz etwas zu dem Thema Dosimeter und Strahlenbelastung sagen.
Es ist absolut richtig, dass ein Dosimeter nur Gammas misst, aber da fast alle Alpha, Beta Zerfälle und spontane oder induzierte Spaltungen nicht in den Grundzustand, sondern in einen angeregten Zustand (d.h es ist ,,mehr" Energie im Kern, als ich notwendig) zerfallen und somit eigentlich fast immer noch ein Gamma Übergang stattfindet (ich kenne nur Polonium110, was fast immer direkt in den Grundzustand zerfällt).
Kennt man nun die ungefähre Zusammensetzung der zerfallenden Elemente kann man dann schon ganz gut die Dosis bestimmen.

Dazu gibt es dann noch eine gewichtete Dosis, welche noch einen Faktor für die ,,Gefährdung" der Dosis mit einbezieht. Grob gesagt kann man sagen Neutronen > Alphas >> Betas und Gammas. Dann mittelt man das über den Körper und kann so die effektive Dosis bestimmen.

Wichtig ist hierbei die ganze Dosimetrie ist ein statistischer Prozess und man braucht wirklich sehr viele Ereignisse und je mehr umso genauer wird es. Im Einzelfall kann auch ein blödes Neutron im Knochenmark sehr viel Blödsinn anrichten, während anderenfalls zB 100 durchfliegen ohne wirklich eine Wechselwirkung zu haben, ist dann halt Glück. 

Was maxim bezüglich der Gefährdung durch Staub gesagt ist richtig Abstand (bei den meisten Alphas ca 10-15cm) bzw. die Haut für fast alle Betas reicht als Schutz aus. Kommt das Zeug in die Lunge oder besser noch in den Darm oder gar ins Knochenmark wird es nicht mehr lustig, was auch der Grund ist, warum Staubschutzmasken und gute Wäsche gar nicht mal schlecht helfen. Wer natürlich einem intensiven Neutronenbeam oder einem sehr intensiven Gammafeld ausgesetzt hat ähnliche Chancen zu überleben,wie mit nem Doppeldecker und Steinen einen Träger zu versenken.
VG Alex

kalli

Ich habe alle Beiträge in diesem Thread gelesen. In keinem Beitrag konnte ich lesen, dass die Menschheit daraus nur eine Lehre ziehen muss und zwar, dass die Dinger beseitigt werden müssen – überall und endgültig. Nochmal 75 Jahre warten ist zu lang.

Big A

Kalli,

wenn alle Menschen logisch und rational denken und handeln würden, dann bin ich sofort bei Dir!

Dann bräuchte man aber auch keine Türschlösser u.ä. mehr.

Solange nicht nachprüfbar alle Nuklearwaffen zum Zeitpunkt x gleichzeitig abgeschafft werden können, dann wird das leider ein Traum bleiben.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

kalli

Lieber Axel, das mag für Dich und viele andere sehr idealistisch klingen. Die Welt, wenn sie einigermaßen bewohnbar bleiben soll, steht vor großen Herausforderungen. Das erleben wir gegenwärtig zwar noch im erträglichen Maße, andere nicht so.

Da sind Atomwaffen das letzte, was gebraucht wird, weil sie zu irreversiblen Konfliktlösungen verführen. Ich sehe nicht, dass es gegenwärtig ernsthafte Bemühungen gibt, diese Bedrohungen als ersten Schritt zumindest zu verringern. Woran das liegt und wen die Schuld trifft, braucht man gar nicht zu diskutieren. Das führt zu nichts.

Es ist mir schon klar, dass man nicht einfach die Reset-Taste drücken kann und los geht es.
Nötig ist ein völlig neuer Ansatz. Die Denkmuster des 20. Jahrhunderts taugen dazu nur noch bedingt.

Und noch zum Türschloss: Ich bin kein Pazifist und nicht gegen einen bewaffneten Frieden mit entsprechenden militärischen Verteidigungspotential. Der Besitz und die Anwendung von Nuklearwaffen sind aber eine ganz andere Dimension.

lafet944


https://www.icanw.de/wp-content/uploads/2017/07/a-conf-229-17-8.pdf

Das Werben um diesen Vertrag wäre zumindest ein Anfang, um dem Streben weiterer Staaten nach Kernwaffen entgegen zu treten.

Eine Reduzierung deren Anzahl bei den A-Waffen-Besitzern würde die Abschreckung zunächst auch nicht beeinträchtigen.
Im Moment erleben wir, wie ein Kontrollvertrag nach dem anderen unwirksam wird - weitgehend widerspruchslos.

Viele Grüße

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