Frachtschiff Göttingen 1914 in Chile – aber wo?

Begonnen von Mark Alt, 18 Juli 2020, 20:48:20

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Mark Alt

Hallo,

das Handelsschiff (Versorgungsschiff) Göttingen war am 31. Oktober 1914 in ein chilenisches Hafen eingelaufen. Nach manchen englischsprachigeb Werken suchte sie Coronel auf. So schreibt auch der Pulitzerpreisträger Massie in seinem Buch Castles of Steel (2003) auf Seite 224.

Doch in deutschen Berichten wird behauptet, dass das Handelsschiff in Valparaíso eingelaufen war, und kurze Zeit später den Hafen verlassen hat, um Spee per FT über die Anwesenheit eines britischen leichten Kreuzers (Glasgow) in Coronel mitzuteilen.

Welche Version ist richtig? Die beiden Häfen sind 464 km (250 Sm) voneinander entfernt.

Danke im Voraus für die Auskunft.

Gruß
Andreas

Manfred Heinken

Moin Andreas,
lt Arnold Kludas,  ist die "Göttingen am 31. 10. 1914 in Valparaiso interniert worden und 1920 nach Deutschland zurückgekehrt.
Im Juni 1933 ist die "Göttingen" beim Bremer Vulcan abgebrochen worden.

Beste Grüße
Manfred Heinken

Mark Alt

Danke für die Information Manfred.

Mir kommt der Fall doch etwas merkürdig vor. Raeder schreibt im Krieg zur See (Das Kreuzergeschwader), dass die Göttingen entlassen wurde nach einem – beliebigen? – chilenischen Hafen. Wie ich mich erinnere schrieb Graf Spee jedem Versorgungsschiff vor, welches Hafen es aufsuchuen sollte. Bei Göttingen war es nicht der Fall. Warum eine Ausname? Es wird nur später erwähnt, dass die Göttingen nach ValparaÍso ging und wie es dann zum Nachrichtenübermittlung kommt.

Nun habe ich in Admiral von Mantey's Buch ,,Auf See unbesiegt" Teil 2 die Erlebnisse von Kapitän Johannes Nauß', damaliger Kapitän des Schiffes (Seite 137-145) gelesen. Auf Seite 144 berichtet er, dass sein Schiff am 31. Oktober nach Valparaíso entlassen wurde und hier noch am selben Tage angekommen war, aber erwähnt mit keinem Wort das Auslaufen aus dem Hafen, um FT-Signale auszustrahlen. Er erzählt es wie folgt:

Zitat... Auf die Frage [der Behörden] nach meinem Schiffsjournal antwortete ich, daß alle Bücher und Schiffspapiere bereits auf See versenkt worden seien, um sie nicht in die Hände der Feinde geraten zu lassen. Die Herren schüttelten zwar bedenklich ihr weises Haupt, konnten mir aber nicht das Gegenteil beweisen. Drei Tage nach unserer Ankunft in Valparaiso fand zwischen unseren Kriegsschiffen und den Engländern die Schlacht bei Santa Maria statt, in der unsere deutschen Helden zeigten, was sie gelernt hatten und wessen sie fähig waren. Für uns, die wir nun untätig in Valparaiso liegen mußten, war es eine große Freude, als wir unsere Kriegsschiffe nach der Schlacht in den Hafen eindampfen sahen.[

Also kein Wort über Ernst Riediger und FT-Signale. Aber zum Schluß kommt der Zusatz der Herausgebers auf Seite 145:

ZitatDer Dampfer ,,(Söttingen") hat insofern fhervorragenden Anteil an der Schlacht von Coronel, als er nach seinem Eintreffenin Valparaiso durch den Oberleutnant z. S. d. R. Riediger die Nachricht erhielt, daß ein englischer kleiner Kreuzer (,,Glasgow") im Hafen von Coronel läge. Der Kapitän des Dampfers ,,Göttingen" ging sofort, bevor die chilenischen Behörden siene Funkenstation versiegelt hatten, wieder in See und gab diese äußerst wichtige Meldung an den Admiral Graf Spee weiter, so daß dieser nun sofort Kurs auf Coronel nehmen konnte, wo es dann zur siegreichen Schlacht kam.[

Bei Raeder (Seite 197) steht folgendes:

ZitatAm 1. November um 2 Uhr 50 Minuten vormittags ging vom Dampfer ,,Göttingen" der Funkspruch ein: ,,Englischer Kleiner Kreuzer auf Reede von Coronel am 31. Oktober 7 Uhr abends geankert." Diese Nachricht veranlaßte die Bewegungen des Geschwaders, die in ihrem weiteren Verlaufe am 1. November zu der Schlacht bei Coronel führten.[

In der Fußnote erklärt noch Raeder, wie es zum FT-Signal gekommen war. Also aber war das Schiff am 31. Oktober noch nicht interniert, wie es bei Kludas steht, oder hat es die Internierung gebrochen. (Oder weiss ich nicht wie sowas vollbracht wird.)
Wurde diese FT-Geschichte doch nicht nachher erfunden, oder war die Behauptung der Briten, die deutschen Schiffe funkten aus dem Hafen Coronel aus um über die Glasgow zu berichten nur eine falsche Unterstellung? Ich denke die Frage ist aus völkerrechtlicher Sicht interessant, denn die Briten machen den Eindruck, die Deutschen hätten sie verletzt, was aber die Deutschen zurückweisen.

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