Verständnisfrage zu Untertriebszelle bei Uboottyp VIIC

Begonnen von eagle0899, 26 Januar 2020, 01:20:02

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eagle0899

Hallo zusammen,

und hier mein zweiter Beitrag im Forum.

vorab:
Die Befehle (nach Tauchvorschrift M. Dv. Nr. 381) in Zusammenhang mit Tauchzellen sind

- Anblasen!: Ausblasen der Tauchzellen mit HD-Druckluft (205 at; ~205 bar)
- Ausblasen!: Ausblasen der Tauchzellen nach Auftauchen mit Dieselabgasen oder im Notfall mit ND-Druckluft.
- Ausdrücken!: Ausblasen der Untertriebszellen sofort nach Beginn des Tauchens.

Diese Untertriebszellen sind im aufgetauchten und tauchklaren Zustand geflutet. Nach Überwinden der Oberflächenspannung werden diese Zellen beim Tauchen ausgedrückt, damit das Boot null-lastig ohne Restauftrieb eingesteuert werden kann. Soweit ist mir alles klar.

Im Handbuch "U-boat Information for U-boat Type VII C" (in englisch auf uboatarchive.net) steht für die außerhalb des Druckkörpers liegenden Untertriebszellen ein Prüfdruck vom 30 mH2O (Meter Wassersäule). Wenn das Uboot tieftaucht, so müssten doch die ausgedrückten U-Zellen vom steigenden Druck vernichtet werden? Die ebenfalls außenliegenden Regelzellen/-bunker sind mit 140 mH2O Prüfdruck angegeben.

Wo liegt mein Denkfehler?

Danke und liebe Grüße
Eagle
"Suche immer Tauchtafeln/Rollentafeln sowie technische Berichte und Unterlagen von UBooten. Hinweise/Angebote bitte per PM.

"Gott hat den Menschen erschaffen, weil er vom Affen enttäuscht war. Danach hat er auf weitere Experimente verzichtet." (Mark Twain)

Schorsch

Hallo Eagle,

die angegebenen Drücke sind "nur" Prüfdrücke, d.h. das, mit dem während des Baus/der Erprobung des Bootes die verschiedenen Zellen, Tanks, Bunker usw. probeweise belastet wurden. Dieser Prüfdruck gibt aber nicht den Druck an, unter dem die jeweilige Struktur zerstört würde. So ist z.B. auf Seite 7 des von Dir zitierten Dokumentes als Prüfdruck für das gesamte Boot im Druckdock ein Wert von 10,5 atü (entspricht ca. 100 m Wassersäule) angegeben. Dass die deutschen Boote Tauchtiefen überstanden haben, die weit mehr als doppelt so groß waren, wie die, auf die dieser Prüfwert schließen lässt, ist allerdings auch bekannt. Insoweit sehe ich keinen Widerspruch zu Deiner Grundannahme, dass Untertriebs- und Regelzellen vergleichbare Drücke überstehen können müssten. (Vgl. dazu auch Gabler, S. 27 der 1978-er Ausgabe oder S. 26 der 1987-er Ausgabe!)

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

eagle0899

Hallo Schorsch,

danke für Deine Antwort.

Genau auf diese Seite 26 im Gabler (1987) bezieht sich meine Frage. Er schreibt "... Die Untertriebszellen haben die gleiche Festigkeit wie die Regelzellen. Sie sind vor dem Längenschwerpunkt des Bootes angeordnet, um dem Boot beim Tauchen zusätzliche Vorlastigkeit zu geben. Ihre Größe beträgt etwa 0,7% der Verdrängung".

Auch wenn es "nur" Prüfdrücke sind, so zeigt sich doch eine Diskrepanz zwischen den Untertriebszellen und den Regelzellen/-bunker, die auf Seite 4 mit 140 mH2O angegeben sind.

Der Prüfdruck von 10,5 atü auf Seite 7 bezieht sich immer auf den druckfesten Bootskörper, d.h. ein getauchtes Boot. Er wurde im Uboot-Druckdock (vermutlich in Kiel) geprüft.

Die Diskrepanz zwischen Gabler und Seite 4 im Handbuch kann ich mir nur durch einen Übersetzungsfehler erklären. Daher suche ich u.a. das deutsche Original vom Handbuch, siehe meinen ersten Beitrag im Forum https://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,32579.0.html.

Liebe Grüße
Eagle

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Umzugskarton

#3
Hallo Eagle.

Die Druckdifferenz zwischen innen und außen zerstört die Zellen, wenn sie groß genug ist.
Vermutlich will man, dass die Regelzellen eine größere Druckdifferenz aushalten als die Untertriebszellen. Diese Druckdifferenz ist nicht in bar oder atü, sondern in Meter Wassersäule quantifiziert.

Könnte es eventuell sein, dass man die Zellen in steigender Tauchtiefe mit Druckluft nachgefüllt hat? Das wäre eine denkbare Möglichkeit, Innen- und Außendruck anzugleichen.

Eine andere Möglichkeit zum Druckausgleich wäre es, die Zelle zum Meer hin zu öffnen. Dann wäre sie mit Seewasser der entsprechenden Tiefe gefüllt, also einfach ein weiterer durchfluteteter Raum, der weder Auf- noch Untertrieb gibt. Diese Variante halte ich für wahrscheinlicher, da sie keine Druckluft kostet und einfacher zu machen ist.

An einen Übersetzungsfehler glaube ich ehrlich gesagt nicht.
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#Edit: Mal das Dokument angeguckt (http://www.uboatarchive.net/Manual/Manual.htm, Seite 4):

Das was Schorsch sagt. Es ist der Prüfdruck. Der sagt nichts über den Zerstörungsdruck aus.

Hauptballasttank, Trimmtanks, Torpedoausgleichtanks und die Untertriebszellen werden alle mit 30 Meter Wassersäule getestet. Die Regeltanks mit 140. Also etwa 3 bar gegenüber 14 bar.

Also fragt es sich, warum man ausgerechnet die Regeltanks vergleichsweise höher prüft. Gibt es einen Grund, warum die Regeltanks eine höhere Druckfestigkeit benötigen?

Vielleicht hat man bei den Regeltanks auch einfach einen höheren Druck getestet und konnte entsprechende Daten angeben. Ganz banal.

Ob es sich um einen Abschreibe-/Übersetzungsfehler handelt oder nicht, lässt sich nur mit dem Originaldokument klären.

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#Edit2:

Kann auch ein Fehler beim Umrechnen der Einheiten für den Druck zwischen deutsch/US und wieder zurück sein. 1 psi = 0,07 bar; bzw 1 bar = 14,3 psi. Die 140 psi wären dann etwa 3 bar, also 30 Meter Wassersäule. Dann sind die Regelzellen kein Ausreißer.

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#Edit3: 140psi sind natürlich 10 bar.  :BangHead:


Viele Grüße

Schorsch

#4
Hallo zusammen!

Eine sehr interessant Entwicklung nimmt die ganze Angelegenheit, wenn man noch andere M.Dv. zum Vergleich heranzieht. Folgende Prüfdrücke werden dort jeweils genannt:

  • M.Dv. 371,178 ,,Vorläufige U Bootskunde für U Boote Typ VII B", 1937-1941:
    keine Angabe zu Regelzellen und Untertriebzellen (S. 4 fehlt leider in meiner Kopie); Regelbunker mit 30 m Wassersäule (S. 5)
  • M.Dv. 371,181 ,,Vorläufige U Bootskunde für U Boote der Bauart VII C", 1939 - :
    Regelzellen und -bunker mit je 140 m; Untertriebzellen mit 30 m Wassersäule (S. 4)
  • M.Dv. 371,184 ,,Vorläufige Bootskunde für U Boote Bauart XB", 1940-1943;
    Regelzellen, Regelbunker, Untertriebzellen mit je 140 m Wassersäule (S. 9)
  • M.Dv. 382,456 ,,Vorläufige Maschinen- und E-Kunde für U Boote Bauart VII C", 1939 - :
    Heft 6 ,,Tauchanlage": Regelbunker, Regelzellen, Untertriebzellen mit je 140 m (S. 10)
  • M.Dv. 382,455 ,,Vorläufige Maschinen- und E-Kunde für U-Boote Bauart XIV" 1940/42:
    Heft 6 ,,Tauchanlage": Regelzellen mit 190 m, Untertriebzellen mit 140 m (S. 9)

Insoweit liegt bei der englischsprachigen Variante der M.Dv. 371,181, die von eagle0899 als Grundlage für seine Frage herangezogen wurde, kein Übersetzungsfehler vor, sondern schon im Original ist diese widersprüchliche Angabe zu finden. Widersprüchlich auch deshalb, da z.B. in der M.Dv. 371,181 auf S. 39 explizit ausgeführt wird, dass die Untertriebzellen ebenso wie die Regelzellen und -bunker druckfest ausgeführt worden wären.

Tja, nun mach da mal was draus! :-o

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

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Umzugskarton

#5
Danke für die Zusammenstellung. Ist in der Tat schwierig, da überhaupt irgendeine Aussage zu treffen.

Mal ist der Prüfdruck unterschiedlich, mal gleich, dann wieder unterschiedlich.... Wenn es unterschiedlich ist, sind die Regelzellen immer höher als die UZ.

Vielleicht liegt's am Volumen: Regelzelle 7,6 m³, Untertriebszelle 2,1 m³, Regelbunker 4,7 m³.  Die UZ sind kleiner, haben weniger Chance für Fehler beim Bau, die sich negativ auf die Stabilität auswirken können. Ist aber reine Spekulation.

Druckfest.... druckfest bis zu welchem Druck? 10bar, 100bar, 1000bar? Will sagen: druckfest ist nicht gleich druckfest. Ohne Druckangabe sagt das nicht viel.

In der US-Übersetzung gibt es da Abstufungen, zumindest der Wortwahl nach. Bei den Ballasttanks und Untertriebszellen steht "pressure-proof", die Regelzellen und Regelbunker sind "pressure-tight".
Bei anderen Anlagen gibt's noch "pressure-resistant". Einfach mal das Dokument nach "pressure-" durchsuchen.

Ich glaub, ohne Konstruktionspläne der Tanks kann man da nur raten.

Aber spannend ist's  :-)


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#Edit: Jedenfalls zeigt deine Gegenüberstellung, dass es sich weder um einen Übersetzungsfehler noch um einen Umrechenfehler handelt.

t-geronimo

Alle MDVs heißen ja "Vorläufige xxx...".

Gab es auch mal etwas endgültiges, z.B. eine MDV, eine Gebrauchsvorschrift des Herstellers o.ä.?
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

U 48

Moin,

also ich schreibe hier mal nur zum VII C, den andere U-Boot Typen andere Angaben und Bauarten.

Untertriebszelle sind gegen 14 Atü Aussen- und Innendruck druckfest ausgeführt.

Original Werft Anleitung 8.Okt 1941.

Gruß
U 48

eagle0899

Hallo zusammen,

dann hatte ich doch keinen Denkfehler.

Wie t-geronimo schreibt, sind es "Vorläufige .." M.Dv. Aber die Werftunterlagen zeigen, dass der Prüfdruck von Untertriebszellen und Regelzellen/-bunker gleich sind (14 atü bzw. 140 mH2O).

Eventuell dienten die fehlerhaften Angaben in den M.Dv. ja zur Verwirrung der Russen, hier besser der Engländer. :wink:

Gruß Eagle


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