80 Jahre Athenia-Zwischenfall

Begonnen von Rheinmetall, 03 September 2019, 23:32:13

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TW

Zitat von: Besitzer am 07 September 2019, 14:51:13
Die von Dir erwähnte "eigene  Sicherheit" wurde ja gerade von dem Abgedunkelten Schiff unterlaufen. Hätte es, wie Vorgeschrieben, einen geraden erkenntlichen Kurs gefahren und hätte  das Schiff nicht abgedunkelt und die Seitenwände ordentlich deklariert, hätte es weiterschippern können.Punkt.

Der letzte Abschnitt ist leider Unsinn.

Artikel 56
Die Anhaltung umfaßt das Verfahren von der Aufforderung zum Stoppen bis zur Prüfung der Schiffspapiere einschließlich.

Artikel 57
Für die Anhaltung gilt folgendes Verfahren:
1.Das anzuhaltende Fahrzeug wird durch Signal oder  durch einen Warnungsschuß zum Stoppen aufgefordert. Spätestens mit dieser Aufforderung setzt das Kriegsschiff  seine Flagge. Stoppt das Fahrzeug nicht, so wird ein scharfer Schuß  über das Fahrzeug hinweg oder vor seinen Bug abgegeben. Stoppt das Fahrzeug auch dann nicht oder leistet es  Widerstand, so wird es mit Gewalt zum Stoppen gezwungen.
 
  2.Hat das Fahrzeug gestoppt, so wird ein Kommando an  Bord gesandt. Der Führer des Kommandos prüft die  Schiffspapiere.   Ist aus besonderen Umständen die Entsendung eines  Kommandos nicht möglich, so darf ausnahmsweise  verlangt werden, daß die Schiffspapiere zur Prüfung an  Bord des Kriegschiffs gebracht werden.

Für eine warnungslose Versenkung bestand auch nach deutscher (!) Prisenordnung kein Recht.
Schönen Gruß
TW


Prisenordnung: http://www.u-boote-online.de/krieg/prisenordnung/priseno/inhalt.php

Besitzer

 :MG:

Nehmen feindliche Handelsschiffe Angriffshandlungen vor oder
versuchen sie ein Anhaltungs-, Durchsuchungs- und Wegnahmerecht auszuüben,
so unterliegen die Schuldigen der kriegsrechtlichen Aburteilung.



Anhaltung, Durchsuchung, Wegnahmerecht:

Das war ja der Zweck der Verdunkelung, sich der Kontrolle zu Entziehen, also ein kriegsrechtlicher Verstoß, und somit unterlag der Schuldige der kriegsrechtlichen Aburteilung. Also, so zu Behandeln wie ein feindliches Kriegsschiff, das ohne Vorwarnung angegriffen werden durfte.


:MG: Uwe


   
Seemannsgarn wird nicht geflochten,
sondern gesponnen! ;-))

ufo

#17
Zitat von: Besitzer am 07 September 2019, 15:45:29
:MG:

Nehmen feindliche Handelsschiffe Angriffshandlungen vor oder
versuchen sie ein Anhaltungs-, Durchsuchungs- und Wegnahmerecht auszuüben,
so unterliegen die Schuldigen der kriegsrechtlichen Aburteilung.



Anhaltung, Durchsuchung, Wegnahmerecht:

Das war ja der Zweck der Verdunkelung, sich der Kontrolle zu Entziehen, also ein kriegsrechtlicher Verstoß, und somit unterlag der Schuldige der kriegsrechtlichen Aburteilung. Also, so zu Behandeln wie ein feindliches Kriegsschiff, das ohne Vorwarnung angegriffen werden durfte.


:MG: Uwe




Dieser Rechtsauslegung wiederspricht Dietrich Steinicke in "Handelsschiffahrt und Prisenrecht", Werkhefte No. 20, Forschungsstelle fuer Voelkerrecht und auslaendisches oeffentliches Recht der Universitaet Hamburg.

Er untersucht die Rechtsauslegung verschiedener Nationen zum Handelskrieg im Jahre 1973 und macht hierbei deutlich, dass die Rechtsauffassung der Bundesrepublik Deutschland eine Fortschreibung des Prisenrechts von 1939 darstellt.

Zur Anwendung von Waffengewalt schreibt er:

"Setzt das Handelsschiff der Ausuebung des Prisenrechts (Anhaltung, Durchsuchung, Kursanweisung, Aufbringung bzw. Beschlagnahme) aktiven (gewaltsamen) Widerstand entgegen, so kann dieser mit Gewalt gebrochen werden. Passiver Widerstand berechtigt demgegenueber nicht zur Gewaltanwendung, ..."

Verdunklung und Zick Zack Kurs allein berechtigten also durchaus nicht zu einer warnungslosen Versenkung. Solange die Athenia eindeutig als Handelsfahrzeug angesprochen wurde, war eine warnungslose Versenkung lediglich in bewaffnetem Geleit oder bei erkannter Eigenbewaffnung rechtens.


Auch Heinrich Dietz in "Voelkerrecht und Deutsche Prisenrechtsprechung im Zweiten Weltkrieg" in der Reihe 'Das geltende Seevoelkerrecht in Einzeldarstellungen' vom Institut fuer Internationale Angelegenheiten der Universitaet Hamburg macht deutlich:

"Die Prisenordnung erlaubt die Versenkung feindlicher Schiffe, sofern diese Aufgebracht sind und ihre Einbringung unzweckmaessig oder unsicher erscheint. Soweit keine Visitation oder Aufbringung geschehen, darf eine Zerstoerung in den Faellen des Fluchtversuches oder des gewaltsamen Widerstandes erfolgen."

Die Verdunklung allein stellt keinen Fluchtversuch dar. Erst nach der Ansprache durch das kontrollierende Fahrzeug kann das Handelsschiff ueberhaupt fluechten. 

Ufo

Besitzer

 :MG: + top


   Danke für die Aufklärung :MG: ...und  für die Mühe die du eingesetzt hast!

   Die Prisenordnung war wohl auch ein ordentlicher Hemmschuh im Damaligen  für die Bootsführer.

   Gruß Uwe :OuuO:

Seemannsgarn wird nicht geflochten,
sondern gesponnen! ;-))

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Besitzer am 07 September 2019, 14:51:13
Laut damaliger  Priesenordnung musste ein Neutrales Schiff die Nationalität an der Bordwand gut sichtbar und des Nachts Beleuchtet tragen. Wer dagegen verstösste durfte als Feindlich eingestuft werden Punkt.
Die von Dir erwähnte "eigene  Sicherheit" wurde ja gerade von dem Abgedunkelten Schiff unterlaufen. Hätte es, wie Vorgeschrieben, einen geraden erkenntlichen Kurs gefahren und hätte  das Schiff nicht abgedunkelt und die Seitenwände ordentlich deklariert, hätte es weiterschippern können.Punkt.
Dazu ist allerdings einzuwenden:
a. Die Athenia war noch in Friedenszeiten ausgelaufen; vorheriges Anbringen von Kennzeichnungs-Maßnahmen wäre widersinnig.
b. Seit Kriegsbeginn war die Athenia Schiff eines kriegsführenden Staates, eine Kennzeichnung als Neutraler wäre daher eine Verletzung der Seekriegsordnung gewesen.
c. Es ist denkbar, daß der Befehl der Admiralität an einzelfahrende Handelsschiffe, abzudunkeln und Zickzack zu fahren, erst bei Anbruch der Nacht kam und die Athenia bei Tageslicht noch "geradeaus" fuhr.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Pam

Zitat von: TW am 04 September 2019, 15:33:10
Zitat von: Rheinmetall am 03 September 2019, 23:32:13
Lemp hatte das Schiff für einen Hilfskreuzer gehalten, weshalb er dieses sofort mit seiner Torpedos angriff, statt gemäß der Prisenordnung vorzugehen.

Lemp war ein regimetreuer Ehrgeizling und wollte den Passagierliner unbedingt versenken.
Er hätte, da er das Schiff lange bei Tageslicht verfolgte, sich in aller Ruhe kundig machen können, dass es sich um ein ziviles Schiff handelte. Passagiere spazierten übers Promenadendeck. Die Royal Navy hatte Anfang September noch keine Hilfskreuzer.

Außerdem waren Hilfskreuzer später bei der britischen Marine keine Kaperschiffe, wie die deutschen, sondern dienten als Ocean Escorts, zu Sicherung gegen deutsche "Lemps".

Die Legende vom Irrtum ist offenbar nicht aus der Welt zu bringen.  flop



Moin zusammen,

uah Lemp als Regimetreuen Ehrgeizling zu betitel ist schon ein Hammer.... Hast Du ihn persönlich gekannt ???
Ich denke mal eher nicht...  mein Großvater R.Wolf und Georg Högl (seine Bücher sind bekannt) waren damals genau zu diesem Zeitpunkt auf U-30 und wenn Lemp eines zu 100% nicht war, dann war es die Ihm nachgesagte Regimetreue...  Für ihn kamen nach den Befehlen die für alle Kommandanten an erster Stelle standen... die Besatzung. Und jeder Kommandant und auch die Besatzung hatten die BRT vordergründig im Kopf zu jener Zeit.
Seine persönliche Einstellung zum Regime war wie bei den meisten U-bootfahrern eine ganz andere.
Es ist heute ein leichtes über Menschen in Führungspositionen von damals einfach mal zu Urteilen. Auch wenn es vielleicht nicht ins Bild der Historie passt aber es gab durchaus "MENSCHEN" und "MENSCHLICHKEIT" bei der Kriegsmarine in jener schrecklichen Zeit.

Ostseegrüße von der Pam
Populanten von Domizilen mit fragiler, transparenter Außenstruktur sollten sich von der Transformation von gegen Deformierung resistenter Materie distanzieren ;)

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