Kapitän zur See Hans Langsdorff

Begonnen von der erste, 23 Juni 2019, 13:43:30

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Eddy

Gestern ist das Buch eingetroffen. Mal sehen was H.-J. Kaack so über den Rügener Jung schreibt, immerhin 672 Seiten.
Eddy
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

Benjamin

Es ist bei mir auch passend zu Wochenendbeginn eingetroffen. Ich bin aktuell schon in der zweiten Hälfte des Jahres 1916. Mir gefällt der Schreibstil inklusive der Einschiebungen in Form von Auszügen aus den Briefen.


Aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet, finde ich die Schlussfolgerungen aus den Briefen und den damaligen Umständen (bisher) nicht zwingend. Aber so ist das bei einer qualitativen Inhaltsanalyse..
If there's more than one possible outcome of a job or task, and one of those outcomes will result in disaster or an undesirable consequence, then somebody will do it that way.

Eddy

Am 20. Dezember 1939, vor 80 Jahren, nahm sich Kapitän zur See Hans Langsdorff, Kommandant des Panzerschiffes "ADMIRAL GRAF SPEE" das Leben.
Das Leben eines aufrechten und humanistischen Seeoffiziers ging damit zu Ende. Nie wurde seine Geschichte und seine Persönlichkeit in Deutschland in den vergangenen Jahren gewürdigt, er galt als Verräter und Feigling und das nur, weil er seine Besatzung nicht in ein sinnloses Seegefecht mit einer überlegenen britischen Armada führen wollte und nicht geführt hat. Er rettete seine Besatzung von über 1.000 Mann in argentinische Gefangenschaft und sprengte sein Schiff in der La Plata Mündung. Am 20.12.19139 erschoss er sich auf der Seekriegsflagge der Deutschen Kriegsmarine und das bringt ihn heute bei der Geschichtsschreibung der Deutschen Marine in Misskredit, so Kapitän zur See Hillmann, Kommandeur am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.
Nach dem Mitte dieses Monats die von Hans-Jürgen Kaack geschriebene Biografie von Hans Langsdorff erschien und in Buenos Aires an seinem Grab eine Gedenkfeier stattfand, an der neben Angehörigen der ehemaligen Besatzungsmitglieder auch deutsche und britische Abgesandte teilnahmen, versuchen immer noch "kluge Historiker" die neue Traditionsordnung der Bundeswehr möglichst engstirnig auszulegen.
Die Briten, als ehemalige Gegner, ehren Langsdorff, weil er ein fairer Gegner war und kein Leben sinnlos opferte. Er hielt sich stickt an die Prisenordnung als er in den Handelskrieg gegen England befohlen wurde. Will heißen, dass er jede Besatzung der von ihm versenkten neun Schiffe an Bord übernahm und dann erst das Schiff versenkte. In Deutschland wurden all seine Taten verschwiegen bis auf die Tatsache, dass er als Verräter hingestellt wurde.
Langsdorff steht für den Ausspruch: ,,Ich lasse uns doch dort draußen auf See nicht von einer Übermacht zusammenschießen. Mir sind 1.000 junge lebende Menschen lieber als 1.000 tote Helden".
Damit hatten und haben wohl die deutschen Militärhistoriker nach wie vor ihr Problem.
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/zeitreise/Kapitaen-der-Admiral-Graf-Spee-ein-Held,zeitreise2444.html

In unserem Museum erhielt und behält der Rüganer Hans Langsdorff seinen Ehrenplatz und wir werden unseres tun, damit er nicht vergessen wird.

Eddy
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

kalli

Im Dezember 2004, 65 Jahre nach dem Untergang der Graf Spee und dem Tod von Langsdorf, war ich in Montevideo. Dieses Ereignis war im Bewusstsein der dort lebenden Menschen tief verwurzelt.

Spee

Servus,

Damit hatten und haben wohl die deutschen Militärhistoriker nach wie vor ihr Problem.

Das ist gelinde gesagt "männlicher Kuhstuhl!" Was haben Historiker mit Ehrungen zu tun?
Langsdorff war Mitglied der Kriegsmarine und deshalb sollte sich die Deutsche Marine über ehrwürdig oder nicht den Kopf zerbrechen.
Vermutlich nicht, da Langsdorff eben in der Kriegsmarine war und damit nicht zur Tradition der Deutschen Marine gehört.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

cocacabanabas

Gibt es schon weitere Meinungen, von denen, die das Buch gelesen haben?

michael-1

Die Stadt https://de.wikipedia.org/wiki/Ajax_(Ontario) ist inzwischen zu dem Urteil gekommen: Sowohl "Langsdorff Drive" als auch "Graf Spee Lane" (z. Zt. lt. Google Maps gut 1 km voneinander entfernt) werden umbenannt: Nazi-Schiff und sein Kommandant, also Nazi-Offizier, gehen gar nicht! Geschichte kann so einfach sein!

Kaack hat es sich schwerer gemacht. Ich habe das Buch zwar nicht gelesen, aber immerhin finden sich bei brill.com. Auszüge aus dem Buch, z. B. die "einleitenden Bemerkungen". In ihnen urteilt Kaack: "Langsdorff war kein Nationalsozialist." Da mir bisher keine gegenteiligen Beweise bekannt geworden sind, stimme ich dem zu.

Ich halte Langsdorff für eine widersprüchliche und tragische Figur mit beschränktem Vorbildcharakter. Militärisch ist er per Saldo gescheitert. Der Verlust seines Schiffes, 1/3 der Kapazität für weiträumigen Kreuzerkrieg, und die gefallenen Besatzungsmitglieder wogen für Deutschland ungleich schwerer als 9 Dampfer und die zeitweise Bindung einiger Kriegsschiffe für die Westmächte. Vor allem ist er aber menschlich gescheitert, denn er trug nicht nur gegenüber seiner Besatzung Verantwortung, sondern auch gegenüber Frau und Kindern. Freitod ist Flucht aus der Verantwortung, aber kein Vorbild!

Urs Heßling

moin,

Zitat von: michael-1 am 07 Januar 2021, 15:33:08
Vor allem ist er aber menschlich gescheitert, denn er trug nicht nur gegenüber seiner Besatzung Verantwortung, sondern auch gegenüber Frau und Kindern. Freitod ist Flucht aus der Verantwortung, aber kein Vorbild!
Schwieriges Thema. Ich kann Dir da nicht zustimmen.
Deinem Satz  "Freitod ist Flucht aus der Verantwortung" stimme ich grundsätzlich zu.
Aber:
Langsdorff mußte wohl, wenn er weiterlebte und gar nach Deutschland zurückkehrte (wie es mehrere seiner Offiziere taten), in Anbetracht des fragwürdigen "Ehrbegriffs" im NS-Staat damit rechnen, "verfemt" zu werden, was dann auch auf seine Familie ausgedehnt geworden wäre.
Ich gehe davon aus, daß dies eines der Motive war, die ihn zu seinem Entschluß trieben.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

t-geronimo

Man darf auch nicht vergessen, dass es eine Wertung aus heutiger Sicht ist. Damals war Freitod bei (vermeintlichem) Ehrverlust nicht gerade unüblich.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

der erste

Zitat von: michael-1 am 07 Januar 2021, 15:33:08
Die Stadt https://de.wikipedia.org/wiki/Ajax_(Ontario) ist inzwischen zu dem Urteil gekommen: Sowohl "Langsdorff Drive" als auch "Graf Spee Lane" (z. Zt. lt. Google Maps gut 1 km voneinander entfernt) werden umbenannt: Nazi-Schiff und sein Kommandant, also Nazi-Offizier, gehen gar nicht! Geschichte kann so einfach sein!

Kaack hat es sich schwerer gemacht. Ich habe das Buch zwar nicht gelesen, aber immerhin finden sich bei brill.com. Auszüge aus dem Buch, z. B. die "einleitenden Bemerkungen". In ihnen urteilt Kaack: "Langsdorff war kein Nationalsozialist." Da mir bisher keine gegenteiligen Beweise bekannt geworden sind, stimme ich dem zu.

Dann lies das Buch doch einmal. Es werden auch Schlussfolgerungen aus dem Handeln nicht nur von Langsdorff gezogen, sondern auch welchen Einfluss oder auch nicht die Seekriegsleitung auf die Handlungen nahm. Wie wurde die Fahrt vorbereitet, welche Informationen bekam er über die Verhältnisse in den Ländern Südamerikas. Im übrigen war er ein langjährig erfahrener Kommandant. Er fuhr zwar nicht lange auf der Spee. Aber in WK I und in den 20er Jahren war er viele Jahre Kommandant auf Führerbooten, Flottillenbootskommandant und Halbflottillenchef. Und was heißt militärisch gescheitert- seinen Auftrag hat er erfüllt. Er hat Handelskrieg geführt, er hat gegnerische Kräfte gebunden. Das war sein Auftrag. Und außerdem, im Krieg musst Du immer mit dem Verlust Deines Schiffes rechnen. Im Buch wird leider nicht mehr behandelt wie anschließend mit seiner Familie umgegangen wurde und was aus ihr wurde. Das weiss ich aber mittlerweile. Wir werden im Frühjahr in Bergen, dort ist er ja geboren, eine Veranstaltung zu Langsdorf durchführen. So es denn die Pandemie gestattet. Über Zeitpunkt, Ort und Gäste werde ich dann hier informieren.

Axel Niestle

Zitat von: michael-1 am 07 Januar 2021, 15:33:08

Ich halte Langsdorff für eine widersprüchliche und tragische Figur mit beschränktem Vorbildcharakter. Militärisch ist er per Saldo gescheitert. Der Verlust seines Schiffes, 1/3 der Kapazität für weiträumigen Kreuzerkrieg, und die gefallenen Besatzungsmitglieder wogen für Deutschland ungleich schwerer als 9 Dampfer und die zeitweise Bindung einiger Kriegsschiffe für die Westmächte. Vor allem ist er aber menschlich gescheitert, denn er trug nicht nur gegenüber seiner Besatzung Verantwortung, sondern auch gegenüber Frau und Kindern. Freitod ist Flucht aus der Verantwortung, aber kein Vorbild!

Ich kann nur immer darüber staunen, wie leicht es offenbar manchen Zeitgenossen fällt, über einen tadellosen Offizier, dem selbst vom ehemaligen Gegner uneingeschränkter Respekt entgegen gebracht wurde, in so abwertender und schäbiger Art zu urteilen, ohne wohl auch nur ansatzweise die wahren Beweggründe für seinen Freitod zu kennen. Angesichts anderer Beispiele, in denen Kommandanten willentlich ihr eigenes Schicksal mit dem ihrer Besatzung verbanden, hat Langsdorff entgegen allen seinerzeitigen Ehrbegriffen dem größten Teil seiner Besatzung das Leben erhalten. Dieser Mann hat mehr Verantwortung übernommen als viele andere seiner Zeitgenossen. Die Herstellung einer Verbindung zwischen Familie und Soldatentum ist schlichtweg abwegig und uns Nachgeborenen steht ein Urteil über Langsdorff als Familienoberhaupt nicht zu. Eine Diskussion über militärische Dinge auf wissenschaftlicher Ebene gern, aber einen integren Menschen und Soldaten grundlos mit Dreck zu bewerfen, ist einfach nur erbärmlich und unerträglich. Diese Form der Diskussion sollte in diesem Forum keinen Platz erhalten!

Axel Niestlé


michael-1

Hallo Urs, hallo t-geronimo, vielen Dank für Eure anregenden Antworten!

Langsdorff musste damit rechnen bei einer Rückkehr nach Dtschl. Rechenschaft ablegen zu müssen. Verfemung - vielleicht. Aber ein Selbstmord führte nach dem  damals geltenden Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetz in der Regel zum Wegfall aller Versorgungsbezüge, wenn er nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung war. Gleiches galt bei "Furcht vor der Strafe" oder privaten Problemen (vgl. Wehrmachtsjustiz an der Heimatfront), hatte also in jedem Fall auch soziale Folgen. Was ja auch der Fall gewesen sein soll!

Es gibt doch tatsächlich eine "Liste von Suizidenten" mit prominenten Mitgliedern. Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert finden sich überraschenderweise mehrere Schachspieler, aber nur ein Militär: Rittmeister Joachim Prinz von Preußen im Jahr 1920. Das muss natürlich nicht repräsentativ sein.

Interessanterweise lag im Preußen des 19. Jh. die Selbstmordrate von evangelischen Christen bei rund 18 von 100.000 Einwohnern, bei den Katholiken waren es "nur" 6,5, wie die Studie "Knocking on Heavens Door? Protestantismus und Selbstmord" ergeben haben soll. Etwas überspitzt gesagt: Selbstmord als Ergebnis einer Kosten- / Nutzenrechnung, in der Hoffnung auf die Gnade Gottes.

Seine letzten Briefe an Mutter und Frau scheinen in diese Richtung zu deuten. Das ist aber kein gangbarer Weg für andere - und sollte es für niemanden sein.

Schöne Grüße
Michael

michael-1

Zitat von: Axel Niestle am 07 Januar 2021, 23:15:13

Ich kann nur immer darüber staunen, wie leicht es offenbar manchen Zeitgenossen fällt, ...
... aber einen integren Menschen und Soldaten grundlos mit Dreck zu bewerfen, ist einfach nur erbärmlich und unerträglich. Diese Form der Diskussion sollte in diesem Forum keinen Platz erhalten!

Also ich habe es mir 1. nicht leicht gemacht, ich gehöre eben nicht zu den Zeitgeistern aus Ajax! Wurde meine Einführung vielleicht missverstanden?

Und 2. habe ich Langsdorff in keinster Weise mit Dreck beworfen! Aber ich erlaube mir, ihn als das zu sehen was er war: Kein Gott, sondern nur ein Mensch, ein Mensch mit Fehlern und Schwächen wie wir alle!

Also Gedenken ja - Anbetung nein!

michael-1

Zitat von: t-geronimo am 07 Januar 2021, 15:58:29
Man darf auch nicht vergessen, dass es eine Wertung aus heutiger Sicht ist. ...

Die nachträgliche Bewertung und Beurteilung von vergangenen Abläufen und  Handlungen ist grundsätzlich problematisch und man sollte sich hüten aktuelle Maßstäbe, insbesondere moralische, anzulegen. Besonders schwierig ist dies beim Versuch Absichten und Motive lediglich auf Basis schriftlicher Überlieferungen zu erkennen oder zu erklären.

Halbwegs sicher kann man eigentlich nur bei Handlungen und dem zugehörigen Kontext sein. Von Kapitän Langsdorff ist überliefert, dass er die Kapitäne der gekaperten Schiffe an Bord behielt und nicht an das Troßschiff abgab.

Damit könnte er gegen Art. 7 der Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen verstoßen haben:

ZitatDie Kriegsgefangenen sind in möglichst kurzer Frist nach ihrer Gefangennahme nach Sammelstellen zu bringen, die vom Kampfgebiet genügend weit entfernt liegen, so daß sie sich außer Gefahr befinden. ... Die Kriegsgefangenen sind bis zu ihrer Rückführung aus dem Kampfgebiet nicht unnötig Gefahren auszusetzen

Indem Langsdorff Gefangene an Bord seines Kriegsschiffes behielt, setzte er sie der Gefahr weiterer Kampfhandlungen aus, wie am 13.12.1939 zweifelsfrei geschehen.

Hägar

Indem Langsdorff Gefangene an Bord seines Kriegsschiffes behielt, setzte er sie der Gefahr weiterer Kampfhandlungen aus, wie am 13.12.1939 zweifelsfrei geschehen.

Wer waren doch gleich die Gefangenen an Bord der ALTMARK?
Gruß - Hägar

Impressum & Datenschutzerklärung