Was ist ein Opferanker?

Begonnen von Ankerfragen, 11 Juni 2019, 10:41:35

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Ankerfragen

Hallo!

Ich hoffe, ich poste meine Anfrage im richtigen Bereich.

Ich bin Literaturwissenschaftler (habe also wenig Ahnung von Nautik, wie man sich vielleicht denken kann) und beschäftige mich gerade mit einem Roman, in dem nautische Motivik eine wichtige Rolle spielt.

Begriffe wie "schwojen" und "Mole" lassen sich dankenswerterweise ohne Weiteres mit Google recherchieren, doch dann stieß ich auf den "Opferanker" und meine Recherche geriet ins Stocken.
Der Erzähler im Roman behauptet, dass es sich bei Opferankern um Anker handelt, die besonders schwer sind und nicht dafür geschaffen wurden, jemals wieder an Bord geholt zu werden. Man kappt einfach das Tau und der Anker verbleibt auf dem Meeresgrund. Der Roman ist ansonsten sehr gut recherchiert, weshalb es für mich natürlich interessant ist, ob sich der Autor hier absichtlich Freiheiten erlaubt hat.
Die Geschichte spielt in den 1940er Jahren, es könnte sich also auch um eine veraltete Praxis handeln.

Gibt es besagte Opferanker oder eine vergleichbare Praxis?

oldenburger67

Hallo Ankerfragen,

herzlich willkommen hier im Forum!

Soviel mir bekannt ist, handelt es sich bei dem genannten Begriff "Opferanker" um keine offizielle Bezeichnung.
Ich bin allerdings auch kein Flottensachverständiger.

Vielleicht erschließt sich der Begriff aus der Handlung.
Um welches Buch handelt es sich, wenn ich fragen darf?

Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen

Der Oldenburger

Ankerfragen

Vielen Dank für die Antwort, mein Verdacht erhärtet sich!

Es handelt sich um Die letzte Kränkung (2014) von Christopher Ecker.

Aus der Handlung erschließt sich bei diesem Roman leider bzgl. meiner Frage kaum etwas, besagter Anker wird verwaist auf dem Dach eines Kirchturms gefunden und stellt gerade dadurch ein absichtlich platziertes Rätsel dar.

Einen Anker zurücklassen zu müssen, klingt für mich als Laien auch eher nach einer Notsituation.

Beste Grüße

oldenburger67

Davon ist auszugehen.
Allerdings im Hinblick auf eine Kirche könnte es sich auch um eine, wenn auch seltene Form von Votivgabe handeln.
Vergleichbar einem Votivschiff, als kleines Dankeschön für eine überstandene Notsituation ?!

In diesem Sinne

Der Oldenburger

Theo


IRON

Danke für den Link Reiner, den fand ich auch ohne singulars Interesse am Anker recht interessant und brachte noch etliche Hintergründe zu Tage die mir nicht bekannt waren.

DANKE

bis denne

Christian

halina

#6
Möchte bezweifeln , ob der Roman-Author tatsächlich über ausreichende nautische Kenntnisse verfügt ,
denn der von ihm beschriebene sehr schwere Anker wurde an einem Tau befestigt , das dann einfach
durchtrennt wurde , das Spektakel passt überhaupt nicht in die Weltkriegszeit der 40 er Jahre .
Der Begriff  OPFERANKER ist wohl vom Author selbst erfunden worden , aber durch Drehen des Wortes lässt
sich durchaus ein realer Zustand darstellen in Form eines ANKEROPFERS , nämlich dann , wenn bei einem
schweren Sturm die Ankerkette reißt und der Anker somit geopfert wird , oder in dem Fall wenn der sehr
gewichtige Stockanker sich mit einer Flunke so tief eingegraben hat , dass er nicht mehr gelichtet werden
kann , dann muss auch die gesamte Kettenlänge freigegeben werden , so dass Anker und Kette geopfert
werden müssen , erst kürzlich ist im Jadebusen ein Stockanker mit der gesamten Kettenlänge geborgen
worden . Sollten also vom Author mystische Ritualien gemeint sein , muss dies noch sondiert werden , es
ist höchst seltsam , einen so schweren Anker auf dem Dach eines Kirchturms zu finden und diesen dann
abzuseilen um ihn im Meer zu versenken , und das in Kriegszeiten , tolle Phantasie .

                                                                                                                             :MG:  halina

Hier das Foto mit 2 Stockankern an einem finnischen Großsegler ,  gemeinfrei , um diesen sehr schweren
Ankertyp dürfte es sich wohl handeln , an dem der Roman-Author in seinen Visionen denkt .
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

ufo

So ganz absurd ist die Geschichte vom Einweganker nicht.

Ich kenne aus dem Umweltschutz vor der Küste von Wales und Südengland Gebiete, wo, wenn denn etwas verankert werden muss, man Einweganker aus Weichmetal mit extra kurzer Kette nimmt, die man dann einfach kappt. Anker verursachen den grössten Schaden am Meeresgrund beim Ausbrechen.

Auch kenne ich von Freunden, die die Südsee befahren haben den Brauch zum Notankern in Korallengebieten Einweganker mitzunehmen. Wenns wirklich drauf ankommt verkeilen die sich so in Korallenbänken, dass man die mit der Ankerwinsch einer Yacht sowieso nicht wieder frei bekommt. Ausserdem ist auch da einfach liegen lasen oft umweltfreundlicher als mit Gewalt rausreissen.

In Büchern, welche Yachtreisen um die Jahrhundertwende beschreiben finded sich oft Berichte, dass bei auflandigem Wind ungeschützte Angergründe verlassen wurden, indem man einen Schwimmer an die Ankerkette tüddelte und kappte. (Später fuhr man dann wieder hin und stellte fest, dass die Einheimischen den Anker geklaut hatten und man eine "Bergegebür" entrichten musste, um ihn wieder zu kriegen.  :roll:) Ich denke es gibt auch Heute viele Segler,die keine hinreichend starke Ankerwinsch haben, um einen Anker unter Last auszubrechen; bei uns geht das Hand ueber Hand  :-D

Von daher ist Anker liegen lassen nicht selten oder abwegig. Selbst Heutzutage – wenn wir ungeschützt ankern binden wir auch eine Leine mit einem Fender an unseren Anker. So kriegt man ihn wieder, wenn man slippen muss.

Von daher könnte ich mir gut vorstellen, dass in den 40er Jahren manche Schiffe, die in Revieren unterwegs waren, wo man gegebenenfalls einen Ankergrund eilig verlassen musste, einen Wegwerfanker für riskante Ankergründe mitgenommen haben um nicht immer den 'richtigen' Schiffssanker zu riskieren.   

Just my two Pence
Ufo

Urs Heßling

moin,

Zitat von: ufo am 12 Juni 2019, 15:44:47
Ich denke es gibt auch Heute viele Segler,die keine hinreichend starke Ankerwinsch haben, um einen Anker unter Last auszubrechen; bei uns geht das Hand ueber Hand
Exkurs : Das erinnert mich an eine Fahrt als Wachführer auf der Westwind(1977 ?), bei der wir nach dem Ankern vor Anholt den Anker "ausgesegelt" haben : Ankerkette ganz raus, Segel setzen, Aufkreuzen zur Ankerposition, dabei schleuniges Einholen der Kette, dann Anker am Spill fest - und "aus dem Grund" ... (wie Hornblower mit der Lydia beim El-Supremo-Abenteuer)

Exkurs Ende

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Big A

Zitat(1977 ?),

Auhauerha, das ist ja schon lange her...   :-D :-P :O/Y

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

ufo

Zitat von: Ankerfragen am 11 Juni 2019, 12:28:28

... , besagter Anker wird verwaist auf dem Dach eines Kirchturms gefunden ...


Weckt Kindheitserinnerungen an Sankt Marien in Brake   :-)

https://www.kirche-brake.de/archiv/die_st_marien_kirche/der_anker/

Ufo

ufo

Zitat von: Big A am 12 Juni 2019, 21:20:51
Zitat(1977 ?),

Auhauerha, das ist ja schon lange her...   :-D :-P :O/Y

Axel

Ja, das ist es wirklich ... wir unterhielten uns grad bei einem Muster darueber wie wenig moderne Yachten denn noch ankern und wie wenig das noch gelehrt und gelernt wird. Manch ein altgedienter Skipper beklagte, dass man viel zu oft sieht wie der Anker kurz uebern Bug gekippt wird, Kette obendrauf und fertig. So richtig Gewese mit Anker runter, Anker festziehen, Kette strecken ... immer seltener.
Segeln ist bequemer geworden ... Seemanschaft optional   :roll:

Ufo

Urs Heßling

moin,

Zitat von: ufo am 12 Juni 2019, 21:33:02
So richtig Gewese mit Anker runter, Anker festziehen, Kette strecken ... immer seltener.
Exkurs (II): conditio sine qua non im Mittelmeer bei "Römisch-katholischem" festmachen
https://de.boats.com/ratgeber/seemannschaft-roemisch-katholisch-anlegen-mit-buganker/

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Big A

ZitatExkurs (II): conditio sine qua non im Mittelmeer bei "Römisch-katholischem" festmachen
Eigentlich kommen ja recht viele Frauen zur Marine, weil sie die Schiffe und Boote nicht rückwärts einparken müssen :-P
... aber für dieses Manöver sind sie dann doch froh, wenn noch ein alter Schmadding an Bord ist 8-)

....sichducktundMachokassefüttert....

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

thommy_l

Hallo Ufo

Zitat von: ufo am 12 Juni 2019, 21:26:13
Weckt Kindheitserinnerungen an Sankt Marien in Brake   :-)

https://www.kirche-brake.de/archiv/die_st_marien_kirche/der_anker/
Ufo

Warst du damals schon dabei? 1965 bin ich als 10-jähriger die endlosen Treppen unserer Sindelfinger Martinskirche hochgekraxelt um das Turmfalken Nest zu bewundern.

Thommy

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