Sehr erstaunliches zum WWI und seinen Folgen

Begonnen von Matrose71, 18 März 2019, 15:08:08

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Matrose71

Salve,

ich bin auf folgendes gestoßen
https://www.youtube.com/watch?v=QqTad3ZZpd4

Wer mich länger kennt hier im Forum, weiß ja das ich kein Freund von Annika Mombauer bin, aber nach diesem Vortrag war ich sehr erstaunt, denn so schlimm habe ich es mir dann doch nicht vorgestellt.
Eigentlich bin ich ziemlich sicher in englisch, aber vielleicht habe ich einige Dinge nicht richtig verstanden.

Nach meiner Interpretation des Vortrages:

1. Sie spricht zweimal in ihrem Vortrag davon, das Menschen in Deutschland nach Ende des WWI von der Tyrannei des Kaiserreichs befreit wurden und das auch so empfunden haben. Bei aller Liebe aber da schlägt es einen glatt nieder, das eine deutsche Historikerin und wenn sie 100mal seit 30 Jahren in GB lebt, das Kaiserreich auf die Stufe eines Tyrannenstaates stellt. Ich meine die 5-10% Anhänger (betrachtet auf die Gesamtbevölkerung) von Karl Liebknecht und Rosa Luxenburg mögen das so empfunden haben, aber wo gab es jemals im Kaiserreich politische Verfolgung mit wirklich persönlichen Konsequenzen?
Wenn man sich die Quellen anschaut musste wegen der Sozialistengesetze niemand in den Knast oder wurde gewaltsam verfolgt, sondern die Öffentlichkeitsarbeit der Sozialdemokratie wurde eingeschränkt, das gleiche gilt für den Kulturkampf.
Vielleicht hilft nochmal ein Blick der Historikerin in fremde Werke, um zu bemerken, dass das Kaiserreich ein Rechtsstaat war der BGB, Strafgesetzbuch und Strafpozessordnung hervorgebracht hat und mehr Menschen (allgemeines Männerwahlrecht ab 25 Jahren) den Reichstag wählen durften, als das britische Parlament zur gleichen Zeit.
Es ist unbestritten das die Sozialdemokratie und andere demokratische Parteien die Monarchie abschaffen wollten, ob das die Mehrheit des Volkes auch so sah, ist sicherlich umstritten, aber in erster Linie ging es doch wohl um politische Teilhabe für alle Bürger in einem demokratischen System und nicht darum, sich von einem Tyrannenstaat zu befreien. Hätte es einen Zeitpunkt gegeben das Kaiserreich in eine repräsentative Monarchie umzuwandeln, hätte das sicherlich 2/3 oder mehr der  Bevölkerung zufriedengestellt.

2. Das neue Blamegame der Fischrianer hat wohl begonnen. Frau Mombauer als Schülerin von John Röhl und Fischrianerin hat in ihrem Vortrag den neuen Deutungstrack aufgemacht, das sowohl Clark, Münkler und andere neue Publikationen von deutschen Historikern auch oder hauptsächlich politisch motiviert sind, um dem wiedervereinigten Deutschland und der mittlerweile größten politischen und wirtschaftlichen Macht/Staat in Europa ein neues Selbstwertgefühl in seiner Geschichte des 20. Jahrhunderts zu geben, das man eben nicht an allem Schuld war/ist.
Es ist schon geradezu frech, das die Leute, die die Sonderwegstheorie von Deutschland propagieren und eine direkte Linie von Versailles 1871, über Bismarck, Willie II, Hitler und den Holocaust sehen, und diesen eigentlich "nur" durch die 68er "Revolution" und die Aufarbeitung der Verbrechen der Nazis, rein politisch, im Deutschland der 60er und 70er Jahre "durchsetzen" konnten, jetzt mit diesem Deutungstrack um die Ecke kommen.
Viele Grüße

Carsten

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Matrose71 am 18 März 2019, 15:08:08
... musste wegen der Sozialistengesetze niemand in den Knast oder wurde gewaltsam verfolgt,
Ich bin zum großen Teil deiner Meinung, aber bei dem satz verhält es sich meines Wissens anders.
Es gab meines Wissens sehr wohl Verhaftungen und Ausweisungen von bestimmten Orten https://de.wikipedia.org/wiki/Kleiner_Belagerungszustand

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Leutnant Werner

Musste das nach 10 Minuten wieder abschalten. Soviel Stuss. Zahlen falsch. Spätestens, als Madame vorrechnete, dass es im 1WK mehr zivile deutsche Opfer als im 2WK gab, musste ich doch stark mit mir kämpfen, da weiter zuzusehen. Die deutschen zivilen Opfer des 2WK entstanden in der Masse mit der im Potsdamer Abkommen beschlossenen und kurz nach Kriegsende beginnenden Vertreibung, die hier nicht außerhalb der Betrachtung bleiben können. Es gibt keinerlei sichere Erkenntnisse, ich glaube, irgendwas zwischen 1 und 2 Millionen Toten bei etwa 13-14 Millionen Vertriebenen wird wohl richtig sein.

Den Rest schaue ich mir ein anderes Mal an. :-P

Impressum & Datenschutzerklärung