Arbeitszeitverordnung dank EU

Begonnen von RonnyM, 14 November 2015, 09:28:12

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Manfred Heinken

Moin Kalli,
da hast Du Recht, die Zeiten haben sich gewaltig geändert.
Da schwärme und träume ich doch mit all den Leuten die noch da sind, von der guten alten Zeit.
Aber auch alles Neue, was heute so auf dem Markt ist, kann erlebnisreich sein und ist es sogar.

Beste Grüße
Manfred Heinken


MatzeM1095

Moin,

ich habe mir gerade die einzelnen Beiträge bzw. Reaktionen durchgelesen und meiner Meinung nach wird hier z.T. sehr wenig, besser gesagt zu wenig differenziert und ebenso zu viel pauschalisiert.
Damit Ihr wisst, wie ich zu meinem Standpunkt komme, etwas Hintergrund zu mir selbst:
Ich habe 1999 als SaZ 4 und Unteroffizieranwärter angefangen und meine erste Bordeinheit war der U-Boottender Meersburg in Eckernförde, auf dem ich (im Nachhinein betrachtet) glücklicherweise nur etwas über 3 Monate verbrachte. Ich war 19, Obergefreiter und meine Koje war im kleinsten Mannschaftsdeck, in dem acht Mann wohnten. Das sogenannte "Blitzer-Deck". Drei Kojen übereinander. Meine Koje war quasi ebenerdig, hinter der Back und es war mühsam, wenn man sich dort mit 1.87m Körpergröße zum Schlafen einfädeln wollte. Als neue "Kiste" musste man übrigens unmittelbar nach dem Wecken aus der Koje, sonst gab es Geldstrafe für die Deckskasse oder man wurde wahlweise mitsamt der Koje an die Wand geklappt.
"Kisten" mussten wochenweise einen sogenannten Decksdienst versehen. Das bedeutete, dass man morgens vor dem Frühstück das Wohndeck reinigen musste, damit der Decksälteste beim eigentlichen Reinschiff am Nachmittag höchstens mal die Back abzuwischen brauchte. Außerdem musste man mehrmals täglich den Kühlschrank mit Getränken auffüllen. Versah man diesen Dienst nicht gewissenhaft, gab es wieder eine Geldstrafe.
Man ließ etwas im Wohndeck liegen? Das wurde an die Glocke über der Back gehängt und man musste eine Geldstrafe entrichten.
Man vergaß seinen Spind abzuschließen? Geldstrafe.
Man hat seinen Schlüssel am Spind vergessen? Geldstrafe.
Überhaupt die Spinde. Als "Kiste" hatte man einen kleinen Spind. Die Geige hing im gemeinsamen Längsspind. An einen der größeren Spinde oder etwa an die Schuhspinde auf dem Längsgang brauchte man nicht zu denken.
Jedes Wohndeck hatte seinen eigenen Abort zwei Abteilungen weiter achtern. Diese Aborte waren verschlossen. Die Schlüssel hingen in den Wohndecks und wenn man sein Geschäft verrichten musste, musste man auch tunlichst darauf achten, dass man danach auch wieder abschloss. Sonst wurde nämlich die Klotür geklaut. Die "altgefahrenen" Bewohner der anderen Wohndecks kontrollierten nämlich immer, ob irgendjemand seine Klotür nicht verschlossen hatte, um diese dann ggf. auszuhängen und auf dem eigenen Abort einzulagern. Wenn einem nichtsahnend so etwas passierte, musste man sich durch die anderen Wohndecks fragen und dort dann eine Geldstrafe entrichten. Nur dass dann 25 D-Mark fällig waren, während sich die Strafen im eigenen Wohndeck bei 10 bis 20 D-Mark bewegten.
In der Cafeteria, die für über 50 Mann die Mannschaftsmesse war, saßen wir wie die Heringe divisionsweise an zwei Backs, wenn wir denn einen Platz ergattern konnten, während die "altgefahrenen" Gasten an einer eigenen Back dinierten.
Das war 1999. Die Strafen brachten mich in drei Monaten um etwa 150 D-Mark. Aber ich konnte froh sein. In unserem Wohndeck wurde nicht geprügelt, Zigarettenkippen, Asche, Kronkorken und Bierdosen wurden nicht in "Kistenkojen" entsorgt und beim morgendlichen Kojenklappen wurde bei uns auch niemandem ein Arm oder Bein gebrochen.
Die Gasten und Maate dienten damals als SaZ meist 4 Jahre - die PUOs entweder 8 oder 12 Jahre.

Ich ging dann nach Plön und anschließend als junger Maat auf ein Minenjagdboot nach Olpenitz. Dort gab es für Bootsbesatzungen Landunterkünfte. Gasten hatten 4-Mann-Stuben und Maate teilten sich eine Bude. PUOs, die das wünschten, hatten Einzelstuben in eigenen Blöcken. Da wir allerdings zu wenig Stuben hatten, verbrachte ich die ersten 2 1/2 Jahre an Bord. Das war aber völlig in Ordnung. Es gab dort Decks- und Messeordnungen, aber die waren völlig human und man hatte ausreichend Platz und Ausstattung. Alle hatten die gleichen Spinde.
Ich war dann fast sechs Jahre auf diesem Boot und oft und gern und viel unterwegs. Ich bekam auch eine Stube. Irgendwann war es nämlich auch genug. Viele Leute verlängerten, ich auch, und dann ist es auch mal gut mit dauerhaftem "Ferienlager" an Bord und man möchte auch mal für sich sein.
Die Verpflichtungszeiten nahmen zu. Waren SaZ-4-Obermaate früher abzüglich ihrer Ausbildungszeit netto etwas über 3 Jahre an Bord, kamen nun Unteroffiziere, die von vornherein für 8 Jahre, und Bootsleute, die für 12 Jahre unterschrieben hatten. Ebenso war und ist es keine Seltenheit mehr, dass Mannschaftsdienstgrade 8 oder 12 Jahre dienen. Die Besatzungen werden älter.

Irgendwann braucht jeder einen Rückzugsraum und ich würde wirklich gern diejenigen welchen mit ihren 40, 50 oder 60 Lenzen sehen, die sich omnipräsent für das Leben an Bord aussprechen, wenn man sie heutzutage dauerhaft in ein, von mir aus, 6-Mann-Wohndeck an Bord eines Minenjagdbootes stecken würde, wo sie sich (ohne Fernsehen) zwei 220-Volt-Steckdosen teilen müssten, während sie mit dem anderen Wohndeck in der Abteilung zusammen gerade mal ein WC und zwei Waschbecken hätten ... und das dann über Jahre.

:wink:

Damit lockt man bei den aktuellen Verpflichtungszeiten eben keine Leute mehr. Man muss irgendwann auch mit der Zeit gehen, sonst geht man mit der Zeit.

jockel

Hier ist offensichtlich etwas falsch rübergekommen. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, mutierte man mit erreichen des 25. Lebensjahr zum "Heimschläfer". Ob es einem passte oder nicht, man musste sich um eine private Unterkunft kümmern.

Gruß
Klaus

RonnyM

...tja Matze, dann warst du ja auf einen echten Kapitalisten-Dampfer. Bei quasi jeden Atemzug eine Geldstrafe... War mir vor rund 30 Jahren vorher völlig unbekannt diese Maßnahmen.

Ich hatte zB mit meinen 175 cm nie Probleme mit den Kojen gehabt. Wenn ich noch an das U-Deck auf Z4 denke... Mit 87 Mann in einem Deck, dich störten schon 8 Mann. So ändern sich die Zeiten. Natürlich haben sich auch die Ansprüche geändert.

Aber ich bleibe bei meiner Meinung - ein Leben an Bord und das 24 Stunden/Tag/Nacht... :biggre:

Grüße Ronny
...keen Tähn im Muul,
over La Paloma fleuten...

MatzeM1095

Ronny, mich störten nicht die 8 Mann an sich. Mich störte, dass man den drei Arschlöchern darunter quasi 24/7 ausgesetzt war und als Neuling wie eine Weihnachtsgans ausgenommen wurde.
Auf dem Minenjäger wohnten wir 100er Maate auch in einem 8-Mann-Wohndeck, aber ohne Probleme.
Ich weiß nicht wie lange Du bei der Marine zur See gefahren bist bzw. dort an Bord gelebt hast und möchte Dir weiß Gott nichts unterstellen. Ich bezweifele aber stark, dass Du 12 oder 13 Jahre in einem größeren Wohndeck ausgehalten hättest. So lange war ich an Bord und ich habe mich schließlich über meine Landunterkunft, später über meine klitzekleine 2-Mann-PUO-Kammer (die "Telefonzelle") und schließlich über meine Wohnung am Standort gefreut.

Z103- und Schnellbootfahrer haben auch über Jahrzehnte ihre Landunterkünfte gehabt. Ich wüsste nicht, dass das der Kameradschaft oder der Identifikation mit der Einheit oder Besatzung abträglich gewesen wäre. Oder?

Der Punkt, der wirklich negativ ist, sind nicht mögliche Landstuben, sondern dass das Schiff bzw. das Boot nach Dienstschluss geräumt werden oder gar verschlossen werden muss. Das killt Messeabende, spontane Bordfeste und das längere Einlaufbier.
Die Kommandanten werden darüber nicht den Dienst verlängern oder dienstliche Veranstaltungen arrangieren, da sie eh im Auge haben müssen, dass ihre Leute damit nicht auch noch Überstunden (oder "Mehrarbeit") produzieren.

Klaus, zu den 25-jährigen:
Viele Standorte zielen darauf ab, dass über 25-jährige keine Unterkunft mehr in der Kaserne erhalten. Diese müssen sich eine Wohnung nehmen und sofern sie keine Trennungsgeld-Empfänger sind, müssen sie sie vollumfänglich selbst bezahlen. Trennungsgeld-Empfänger haben eine anderweitige Wohnung, die vom Dienstherrn bereits vorher anerkannt wurde oder sie sind verheiratet. Dadurch hätten sie Anspruch auf eine Unterkunft in der Kaserne. Viele Standorte wollen oder können das nicht. Deshalb geschieht dann meist Folgendes:
Müssen sich Trennungsgeld-Empfänger eine zusätzliche Wohnung am Standort suchen, haben sie Anspruch auf das so bezeichnete Trennungsübernachtungsgeld. Dabei wird sich am lokalen Mietspiegel orientiert. In Bremerhaven sind das dieses Jahr maximal 400 Euro.

Gruß
Matze

RonnyM

Moin Matze, ich möchte ja deine Ansichten nicht widersprechen, da ich eben eine Generation früher "an Bord" war. Ich habe in den 8 Jahren nur Dickschiffe gefahren. Da war UW 12 die löbliche Ausnahme.

Eine längere Dienstzeit hatte 1970 "Schmidt Schnauze" verhindert. Denn auf der Fachschule in Flensburg kamen die Leute von der Stammdienststelle "an Bord" und versuchten uns eine Weiterverpflichtung schmackhaft zu machen. Aber damals war die Situation so, dass Dank des Haarerlasses - die Haare waren länger als die Mützenbänder - und die Aufweichung der Disziplinarordnung - S- Boote und Minensucher konnten teilweise nicht auslaufen, weil die Kommandanten mit der schriftlichen Erwiderung der Beschwerden am Schreibtisch gebunden waren- eben eine Weiterverpflichtung für uns nicht in Frage kam. Übrigens waren auch Heer und Luftwaffe mit an Bord. Dort das gleiche Dilemma.

Jedenfalls waren zu meiner Zeit die Unterkünfte, bis auf den Fletcher, uneingeschränkt wohnlich. Neidisch war ich, als ich während der Kieler Woche mal einen unserer Minensucher besucht hatte. Die hölzerne Einrichtung, die hölzerne Koje mit Vorhang und Beleuchtung, was brauchte man da noch eine Stadtwohnung...

Gut, die Zeiten haben sich geändert. Jedenfalls hatte zu meiner Zeit sich keiner über zuviel Stunden aufgeregt. Das war überhaupt kein Thema. Warum? Weil Arbeitsplatz und Koje an einem Ort war. So war es auch möglich, sich zwischenzeitlich mal eben auf die Ducht zu hauen.

Übrigens, zu meiner Zeit hätten sich die Berufssoldaten gefreut, mal für 12 oder 13 Jahre an einem Kommando tätig zu sein. Umziehen hieß die Parole.

Ich denke jedenfalls positiv auf meine 8 Jahre zurück und habe heute keinerlei Verlangen, als Mariner im Fleckentarn zu marschieren.

Grüße Ronny
...keen Tähn im Muul,
over La Paloma fleuten...

Kuddelshark

Bei allem was hier so geschrieben wurde, darf man nicht vergessen, dass diese neue Arbeitszeitregelung für die gesamte Bundeswehr gilt. Im Heer und in der Luftwaffe ist das Ganze ebenso einfach umzusetzen wie in den diversen Landdienststellen der Marine einschließlich MarKdo und MUKdo. Die ganze Arbeitszeitaktion läuft unter anderem auch unter dem Motto "Vereinbarkeit vom Familie und Beruf". Die "Probleme", die angeblich das seefahrende Personal hat, sind auf Grund der vergleichbar geringen Zahl von Betroffenen, nachrangig.
Btw. Kosten für eine Wohnung haben andere Soldaten in anderen Teilstreitkräften auch. Ich persönlich hätte nach einer 5-monatigen STANAV auch gern 8 Wochen Überstunden abgefeiert anstelle von 2 Tage SU...
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