Crew 44 - So war das damals ... und andere Crewbücher

Begonnen von ufo, 02 November 2006, 12:25:23

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ufo

So – mal wieder etwas Ruhe zum Lesen gefunden.

Ausgesprochen lesenswert und ausserdem recht billig:

Autor: Gemeinschaft Crew 44, Eigenverlag;
"'So war das damals'. Berichte aus dem Erleben von Crewkameraden 1944 – 1945"
344 Seiten
Paperback
Standartpreis ist z.B. bei amazon 16.77 Euronen. Es gibt aber auch grad ein gebrauchtes für preissliche 11.11 Euro.

Das Buch ist einfach 'nur' eine Erlebnis Sammlung. Genial! Doch, doch! Ich hab das ja sonst gar nicht so mit Zeitzeugen (besonders, wenn die anonym bestätigen, dass Prinz Eugen eben doch 41 Knoten laufen konnte ... aus dem Stand!) aber hier macht's die Masse. Man bekommt ein unendlich facettenreiches Bild von den zwei letzten Jahren Krieg. Das Buch lebt eben gerade davon, dass man nicht alles auf die Goldwaage legen kann, aber im Endeffekt aus der Summe der Erlebnisse eben doch ein unwahrscheinlich genaues Bild bekommt.

Die Begeisterung!
Begeisterung gepaart mit vollkommener Ignoranz für die Lage des Reiches. Da beschreibt jemand wie ihn im vollkommen zerbombten Kieler Hafen einen Augenblick die Idee befällt, ob jetzt doch noch der Endsieg kommt, wo da doch alles voller XXI Boote liegt.
Viele beschreiben teils direkt, teils auch nur ungewollt das Kopfschütteln 'richtiger' Marineoffiziere, die schon jahrelang auf Schnellbooten überlebten angesichts der grünen und begeisterten 44er.

Ganz, ganz verschieden die Blickwinkel. Da präsentiert einer sein Tagebuch; ein anderer blickt fünfzig Jahre später distanziert zurück. Da wird nur trocken berichtet, oder jemand erzählt von seinen Ängsten und Sorgen. Manch einer beschreibt sein Gefangenenlager, ein anderer sein Schnellboot.

Ein ganz toller Kontrast ist ein eingestreuter Beitrag von Rolf Güth (Crew 38), der Crew 44 als Ausbilder in Mürwik eng verbunden. Wieviel erwachsener, wieviel distanzierter der das alles erlebt hat!

Und ein zweiter artfremder Beitrag ist drin – ich hab den Namen von dem guten Mann grad nicht parat. Saaagenhaft! Ein Nachruf auf den 'Hipper'. Einfach urkomisch! 

Ein immer wiederkehrendes Element ist das Verheizen der Kindersoldaten. Schon tragisch wie viele da in den letzten Kriegsmonaten noch absolut sinnlos dran glauben mussten.
Ein auch immer wiederkehrendes Element ist aber auch wie die begeisterten, kriegswütigen Kindersoldaten von altgedienten Soldaten um ihr Grabkreuz betrogen wurden. Manch ein fronterfahrener Vorgesetzter muss da in den letzten Kriegswochen buchstäblich seinen Hals riskiert haben, um ihm anvertraute junge Soldaten solange hinzuhalten bis der Krieg vorbei war; namenlose Lebensretter. 

Einer hat da auch gleich noch in Platt geschrieben. Das wärmt natürlich des Norddeutschen Herz. Der schreibt da aber auch über seien 18. Geburtstag. Der ist wie viele aus Crew 44 auf Leipzig gefahren. Die alte, gammeliege Möhre war halt mit einer Art Einwegcrew besetzt. So kommt die Leipzig versus Prinz Kollisision oft vor in dem Buch. Der gute Mann beschreibt da dann wie die Kadetten hinterher die Leichname der Heizer zurechtknicken mussten, damit die in die Särge passten. Offenbar haben viele im Moment ihres Todes noch die Arme ausgestreckt gehabt, um sich vor dem siedendheissen Dampf zu retten. Die Leichname der Männer, die im Kartenhaus starben wurden dann anhand der Namensschilder in den Klamotten identifiziert und dann wurden die Arme und Beine gerecht auf die Särge verteilt. Vielleicht gibt es Schrecken, die kann man nur in seiner Muttersprache zu Papier bringen.

Gruselig!

Gruselig auch sich aus den Berichten die Einsatzplanung für Leipzigs letzte Fahrt zusammenzustoffeln: Minenlegen "so dicht vor Leningrad, wie möglich"! Mit einem Kreuzer, der so zwischen 14 und 17 Knoten lief, der immer nur ein Rohr der HA zu Zeit feuern konnte, damit die Spanten halten und der zum grossen Teil eine Kindercrew hatte. Ein Einsatz, der in seiner Rücksichtslosigkeit der alten Yamato Ehre gemacht hätte!

Überhaupt scheint die Leipzig einigen die Augen geöffnet zu haben wie am Ende Deutschlands Kriegsanstrengungen waren.


Interessant auch immer, wenn mal einer Vergleiche zur Bundesmarine anstellt. Die kommt selten gut weg dabei!


Ganz, ganz spannend ist das Buch im Kontrast zu Professor Christian Rusts Arbeit "Crew 34; Marineoffiziere während und nach der Hitlerzeit"
http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,1150.0.html
Wer irgend kann, sollte sich die Bücher im Set besorgen. (Ok – leicht gesagt – das Original von Rust ist in Englisch und nur selten preiswert zu erhaschen; die Deutsche Auflage ist wenige hundert Exemplare stark. Aber wer weiss – manchmal hat man Glück!)

Wo die Angehörigen von Crew 34 den Krieg und das Dritte Reich erwachsen, abwartend, anschauend, distanziert erlebten, landeten die armen Seelen von Crew 44 mitten drin.

Wo Rust glaubhaft aufzeigt, dass Crew 34 kaum einen echten Nazi in ihren Reihen gehabt haben wird, da war die Crew 44 aus lauter ahnungslosen Hundertfufzigprozentigen zusammengesetzt. Manch einer endete da, weil ihn die Eltern drängten, die wohl bessere Überlebenschancen sahen als bei Heer oder Luftwaffe. Die meisten aber gingen dahin, um an vorderster Front ihr Land zu retten.

Wo die Angehörigen der Crew 34 die Entnazifizierung als eine absolute Farce erlebten (eine Ansicht, die diese Generation als die Führungselite des Wirtschaftswunders dann auch so weitergab; die so publiziert und zu den Akten genommen wurde), da erlebten Angehörige von Crew 44 die Entnazifizierung als eine echte Erleuchtung.
Einer schreibt, dass er sich glücklich schätze als absolut verbohrter Nazi bis 1948 in England festgehalten worden zu sein. Er schreibt, er habe demokratische Gundordnung tatsächlich erst dort in den Jahren 45 bis 48 gelernt, viel hautnaher, viel intensiver, als dass den in Deutschland gebliebenen jemals möglich gewesen wäre. Auch schätzte er sich glücklich erst nach Deutschland zu kommen als der erste Schimmer vom Aufschwung sich am Horizont sehen liess. Interessanter Gesichtspunkt!

Wo die Angehörigen der Crew 34 das Kriegsende zum grossen Teil in Führungsetagen fern der Front erlebten, da gerieten Angehörige der Crew 44 aber auch viel hautnaher in die Barbereien der Deutschen Verheitzer aber auch in die Barbareien der Sieger hinein. Viele starben in den letzten Kriegstagen; viele starben aber auch erst in den Tagen nach Mai 45 – zum grossen Teil in Sovietischer Gefangenschaft.

Schaut man sich an, wie die Kriegsmarine ihre Crew 34 und ihre Crew 44 behandelt hat, sieht man da einen krassen Bruch. Die Crew 34 gehörte dazu, in den engen, recht elitären und recht unnationalsozialistischen Zirkel des Kriegsmarineoffizierscorps. Die Kinder von Crew 44 hingegen wurden recht sorglos auf Himmelfahrtskommandos wie die Verteidigung von Berlin oder eben Leipzigs letzte Fahrt geschickt.
Das mag zum Teil das sehr ambivalente Bild erklären, welches nach dem Kriege von Grossadmiral Doenitz gezeichnet worden ist.


Wie auch immer – ein sehr, sehr, sehr lesenswertes Buch!     

Ciao,
Ufo

Mario

Vielen Dank, ufo, für diesen Lesebericht.
Das erinnert mich ein wenig an meinen Großvater, der 1944 eingezogen wurde und 1945 bei Tangermünde über die Elbe vor den Russen in amerikanische Gefangenschaft floh.

TD

Hallo Ufo,

Du hast das Werk wirklich ganz hervorragend beschrieben !

Man könnte meinen das Du so etwas hauptberuflich machst !

Ich habe im vergangenen Jahr das Buch gelesen ( bin eben fast eine Stunde an den Bücherregalen lang
gekrochen und kann es nicht wieder finden) und war genau so begeistert wie du.
Der bis zum Ende reichende Glaube an den Sieg , wie viele Personen haben das in dieser Form so zugegeben.
Hängen geblieben ist mir auch der befohlene letzte Einsatz am Kaiser Wilhelm Kanal Ende April.

Fährt da doch am 1. ? Mai  noch ein U-Boot- Versorgungsschiff  unter weißer Flagge bis oben vollgeladen mit Zigaretten und Spezialitäten für U-Bootsbesatzungen durch den Kanal .
Das so was noch in diesen Tagen funktioniert hat u. v. andere war mir nicht bekannt.

Vielleicht kannst Du mir noch mitteilen ob es nun die BUNGSBERG oder HEIDBERG war.
Hatte erst hinterher festgestellt das diese Schiffe lt. gängiger Fachliteratur gar nicht fertig gebaut worden sein sollen.


Man sollte viel öfter auf diese meistens im Selbstverlag gedruckten Werken hinweisen, es sind Lebenserinnerungen von Menschen die keine Hintergedanken beim schreiben der Zeilen hatten.


In gleicher Form gibt es die Erinnerungen von Franz Wick ,, Seekadetten ,, Die Jagd nach den goldenen
Stern 1944/45.von Franz Wick ( Vowinkel Verlag)
Erzählt wird unter anderen der Einsatz als Kadettenanwärter auf der LÜTZOW von Anfang 1945 bis zum Ende und Untergang, der Einsatz im hoffnungslosen Landkampf und das bittere Ende.


Es gibt natürlich noch viel mehr dieser  Bücher, leider erfährt man fast nie etwas davon weil die Auflage so klein war und keine großen Verlage hinter den Werken stehen.

Theo
...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

Taucher

@Ufo

vielen Dank für den Tipp und die excellente Beschreibung !

Werde mir dieses Werk auf jeden Fall besorgen, da mich ja sowiso die menschliche Seite mehr interessiert als die rein technische .
Viele Grüße vom Alpenrand
Leo

TD

habe bei Hellen heute Morgen ja doch meinen Buch wieder gefunden ..

Und fast noch einmal alle Beiträge durchgelesen !!

Zu meinen Zeileen.

Es war die HEIDBERG am 4. !! Mai 1945

Grüße

Theo
...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

Dr. Werner Jähnig

Der letzte Eintrag zu diesem Buch ist zwar schon einige Monate alt. Aber trotzdem erlaube ich mir die Frage: Wer kennt die "Chronik der CREW/45 - Die letzten Offiziersanwärter der Kriegsmarine"? In diesem Band (244 Seiten, Eigenverlag) sind die Geschichte dieser Crew und die Erlebnisse der OA niedergeschrieben.
Übrigens, in der Ruhmeshalle des Marine-Ehrenmals Laboe ist eine Gedenktafel zu Ehren der gefallenen, vermißten und in der Kriegsgefangenschaft umgekommenen Kameraden der Crew 45 zu finden. Diese letzte Crew der KM mußte einen hohen Blutzoll zwar nicht zur See, aber an der Oderfront und bei der Verteidigung der Reichskanzlei in Berlin zahlen.
Wer mehr wissen möchte, muß sich melden.
Werner

Prinz-Eugen

Guten Abend,

könnte man die Adresse einstellen, wo man besagtes Buch erwerben kann?
Bei Amazon,.... ist keine Listung vorhanden.

MfG
Prinz-Eugen

t-geronimo

Eine sehr gute Suchadresse ist immer wieder www.bookfinder.com.

Diese Suchmaschine durchsucht abebooks, zvab, amazon und viele andere Anbieter und spuckt dann die Ergebnisse aus.
Dort werden z.B. bei amazon neun Neu-Exemplare für je 16,77€ + 3€ Porto (da ist amazon leider sehr teuer :roll:) gelistet:
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3898117901/ref=nosim/bookfindercom
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

TD



Ja für Crew 44 wohl

aber für Chronik der CREW/45 - Die letzten Offiziersanwärter der Kriegsmarine"?

habe ich nichts gefunden.

Gruß

Thepo
...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

Prinz-Eugen

Moin,

die Bücher-Suchm. kenne ich.
Wie Theodore schon geschrieben hat, "Die letzten Off.-anwärter...." sind nirgends gelistet.
Eventuell könnte jemand die Quelle - "Eigenverlag" hier angeben. Sollte doch kein Geheimnis sein, wir sind doch unter uns.  :-D

http://www.zeitreisen-verlag.de/shop/
http://www.militaria-house.com/buecher-neu.php
http://www.cimm.de/
http://germania-verlag.de/index.html
http://www.zinnfigur.com/Books/DE_Books_New_Set.asp

MfG
Prinz-Eugen

Dr. Werner Jähnig

Liebe Freunde,
die Chronik der Crew 45 wird man wahrscheinlich nicht in den bekannten Suchmaschinen finden. Es wurde alleinig von der Gemeinschaft Crew/45 herausgegeben und ist nur in begrenzter Anzahl und in erster Linie für die Kameraden der Crew erschienen. Im vergangenen Jahr wurde bei dem letzten Crew-Treffen die Frage debattiert, ob dieser Band noch einmal in korrigierter Form aufgelegt und erscheinen soll. Die Crew-Versammlung kam zu dem Schluß, daß es insbesondere aus ökonomischer Sicht hinsichtlich des Aufwandes und einer gesicherten absetzbaren Anzahl nicht ratsam sei, an die Überarbeitung dieser Chronik heranzugehen.
Ich mache einen Vorschlag: 1. Ich stelle mein Exemplar dieser Chronik für eine begrenzte Zeit Kalli leihweise zur Verfügung. Er soll entscheiden, wie der
                                          Inhalt dieses Bandes an Interessenten vermittelt werden kann. Kalli ist nämlich mein Vertrauensmann.
                                      2. Ich leihe persönlich diesen Band aus.
In beiden Fällen muß selbstverständlich eine große Sicherheit gegeben sein, daß ich das Buch zurück erhalte.
Mal sehen, wie Ihr auf mein Angebot reagieren werdet.
Werner

Prinz-Eugen

Moin  Werner,

Bücher leihe ich selbst fast keine mehr aus. Vor ca. 5 Jahren hatte ich einen Marineinteress.,  den ich aus dem Netz auch pers. kennengelernt hatte, ein Buch über Verleihungsurkunden ausgeliehen.
Nach Monaten mußte ich danach regelrecht betteln, daß ich es wieder bekam. Als ich es dann in Händen hielt, war eine Seite  herausgerissen und lose in dem Buch eingelegt vorgefunden worden.

Einem Literaturbesessenen blutet da das Herz!

MfG
Prinz-Eugen


Peter K.

@ PRINZ-EUGEN

Da hab´ ich leider ähnliche Erfahrungen machen müssen wie du!
Nur hab´ ich das Verliehene nie zurück gekommen!
Seitdem verleihe ich nur noch gaaaanz selten - wenn überhaupt!

@WERNER

Vielen Dank für dein tolles Angebot!
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

kalli

Hallo Werner,

Dein Angebot ist honorig. Vielen Dank. Wenn ich die Chronik der Crew 45 habe, werde ich sehen, mit welchem Aufwand eine bestimmte Anzahl von Exemplaren herzustellen ist.
Eine Rücksendung ist selbstverständlich :MG:

Die Postadresse, weil von der Wohnadresse abweichend, schicke ich Dir per PN.

Herzliche Grüße
Kall

Prinz-Eugen

Servus Kalli,

wenn eine erneuerte Auflage durch Dein Engagement zustande kommen sollte, wäre ich an drei Exemplaren interessiert. Zwei sehr gute Freunde von mir hätten da auch Interesse.

MfG
Prinz-Eugen

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