Implosion eines U-Boots

Begonnen von DEAT, 27 November 2018, 10:50:49

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DEAT

Wie läuft die Implosion eines U-Boots physikalisch ab und wie wirkt sie auf den menschlichen Körper?

Das Wrack der USS Thresher, gesunken am 10. April 1963, ist nicht einfach nur in einzelne Teile zerbrochen, sondern weist selbst an der inneren Ausstattung, wie bspw. dem geborgenen Messingrohr, massive Verformungen auf.



Quelle: Wikipedia

Zur Streuung der Wrackteile der USS Scorpion äußerte sich Robert D. Ballard 1985, dass es ausgesehen habe, "as though it had been put through a shredding machine." (Abgesehen vom Bug und dem Turm.)

Zum Vergleich: In der ersten Folge der neuen Serie "In Seenot - Der Untergang der MV Derbyshire" wird das Wrack und der Untergang analysiert. Dieser OBO-Carrier mit einer Länge von 294 m und einer Tonnage 91.655 BRT weist einen ähnlichen Zerstörungsgrad wie die Wracks der USS Scorpion und USS Thresher auf. Im Rahmen der Untersuchung mussten 135.000 Aufnahmen von Wrackteilen zusammengesetzt und beurteilt werden. Dabei kam man zum Schluss, dass die Derbyshire erst implodiert und dann explodiert ist. Durch den zunehmenden Wasserdruck wurde die Doppelhülle zusammengedrückt und die Luft komprimiert.

https://www.youtube.com/watch?v=ku3gpn2uWyg

Wenn die Luft nun im Bruchteil einer Sekunde komprimiert wird, dann würde das laut dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik grundsätzlich bedeuten, dass die Zunahme an Druck gleichermaßen eine Zunahme der Temperatur bewirkt und dass das Zusammendrücken von Luft sich durch einen proportionalen Anstieg der Temperatur äußert? Ohne pietätlos zu wirken und aus rein wissenschaftlichem Interesse, aber bedeutet dass, das die Besatzungen von implodierenden U-Booten in dieser kurzen Zeit verbrennt? Durch eine thermodynamische Schockwelle?

Wenn die Luft innerhalb des U-Boots komprimiert wird, müssten die Gasmoleküle (N2 und O2) schlagartig häufiger kollidieren mit entsprechend zunehmend kinetischer Energie. Wird durch eine Implosion eines Druckkörpers zwangsläufig eine Explosion als Reaktion freigesetzt?

Und laut dem Boyle´schen Gesetz verringert sich das Volumen proportional zum Druck, allerdings nur bei gleichbleibender Temperatur. Wie verhält sich diese isotherme Zustandsänderung, wenn das U-Boot sinkt und seine crush depth erreicht (bzw. wie wirkt sie sich aus)? Von 500m auf 1000m fällt die Temperatur im Atlantik (durchschnittlich) von 12° auf 4°. Oder ist nur die Temperatur zum Zeitpunkt der Implosion von Bedeutung?


Quelle: windows2universe


Und warum wurden die USS Thresher und die USS Scorpion durch die Implosion vollständig zerstört, während die USS Grunion zwar auch implodiert ist, aber der Schiffsrumpf "am Stück" ist? Hängt die Heftigkeit der Implosion mit dem Tiefen- / Druckunterschied von 300 m zusammen? (Bei einer test depth von 400 m für die USS Thresher müsste die crush depth lt. US-Navy Kalkulation bei 600 m liegen?)

https://i0.wp.com/www.ussflierproject.com/wp-content/uploads/2010/08/Grunion-wreck.jpg


Wie lässt es sich erklären, dass die abgerissenen Türme der USS Scorpion und USS Thresher so saubere Trennlinien aufzeigen und ansonsten intakt sind?

USS Scorpion

http://www.navsource.org/archives/08/0858918.jpg

USS Thresher

http://navsource.org/archives/08/593/0859324.jpg


Und noch grundsätzlich eine Frage, wie gefährlich sind die Torpedos mit nuklearen Sprengköpfen der Wracks von K-8 und der U.S.S. Scorpion für die Zukunft?

Danke im Voraus

cocacabanabas

Hey DEAT, willkommen im Forum.
Wir haben hier die Netikette, dass man sich erstmal kurz vorstellt, wenn man aktiv im Forum wird.

DEAT

#2
Zitat von: cocacabanabas am 27 November 2018, 11:25:41
Hey DEAT, willkommen im Forum.
Wir haben hier die Netikette, dass man sich erstmal kurz vorstellt, wenn man aktiv im Forum wird.

Hey Cocacabanabas, danke schön :-) und das will ich gerne in einem Vorstellungsthread tun.

zur USS Scorpion habe ich noch folgenden Bericht gefunden

ZitatThe first reanalysis of the SCORPION acoustic data in 40 years identified the following new information in 2008 and 2009. 

       - The initiating  events responsible for  the loss of SCORPION were two small explosions that occurred 1/2 of a second apart at 18.20:44Z and were contained within the submarine's pressure hull.  The source of these explosions, which are estimated to the explosions of not more than 22 lbs. of TNT each, cannot be determined from analysis of the acoustic data. 
       - These explosive events prevented the crew from maintaining depth control.  SCORPION slowly sank to to 1530 feet at which depth the pressure hull and all internal bulkheads collapsed at 18:42:34Z (almost 22 minutes) in 1/10 of a second with a force equal to the explosion of 13,200 lbs. of TNT at 1530 feet.
        - This energy was produced by essentially instantaneous coversion of potential energy in the form of 680 psi pressure on the entire SCORPION hull to kinetic energy, the motion of the intruding water-ram which ented the pressure hull at supersonic velocity.
         - During the 111.6 second period when it was conjectured in 1968 that SCORPION had reversed course to deactivate a torpedo that had become active in the lauch tube, the horizontal position of the submarine changed less that 100 feet. The time of detection based analysis refutes the course reversal/active torpedo theory.
         - During the 200 second period following pressure hul collapse, 17 additional acoustic events were detected.  These events were produced by more pressure resistant structures that survived with the wreckage to collapse at greater depth.  Six of the events were produced by the collapse of the SCORPION  torpedo tubes near the following depths: 3370, 3750, 3950. 4510, and 4570 feet. 
         - There were no explosions from a torpedo or any other source external to the SCORPION pressure hull.  SCORPION was lost because of an on-board problem problem (the two internal explosions) the crew could not overcome.

http://www.usna63.org/tradition/history/Scorpion.htm

Demnach wäre es bei der USS Scorpion zu einer Umwandlung der äußeren Kräfte in kinetische Energie mit einer vergleichbaren Wirkung von 6.000 kg Sprengstoff gekommen und ferner

ZitatOver the following 21m, 50s, SCORPION sank vertically at an average of 0.36 m/s (0.7 knots) to collapse (implode) at 18:42:34 GMT at a depth of 466m (1530-feet) in 37milliseconds (ms), 1/27th of a second, with an energy release equal to the explosion of 6000 kg (13,200 lbs) of TNT created by the essentially instantaneous conversion of potential energy ((sea pressure of 46.3 bars (680 psi)) to kinetic energy, the motion of the water-ram which entered the SCORPION pressure-hull with an estimated average velocity of about 900 m/s (2000 mph). It was this compressive force that "telescoped" after sections of the pressure-hull, moving frame 90 forward to frame 67 ((a distance of 17.27m (56.66 feet)) in 37ms for an average velocity of 467 m/s (1044 mph). The Engineering Spaces telescoped into the Auxilliary Machinery Space (AMS) and Reactor Compartment because of the failed transition joints in the AMS. This action produced an average applied force 643 times normal gravity (643g). The estimated final velocity was 915m/s (3,000f/s / 2045mph). The estimated final g-force was 2500g. These calculation by a consulting engineer are consistent with the conclusion that the still-articulated body sighted in the debris field by the crew of the US submersible TRIESTE was neither within the pressure-hull nor the after escape trunk when SCORPION collapsed. Bodies subjected to compressive forces of the magnitude associated with collapse at SCORPION's pressure-hull at a depth of 466m do not remain intact.

...das Wasser mit 2000 mph in die vertikal sinkende USS Scorpion eingedrungen. Macht diese Interpretation Sinn?

Das sound surveillance system (SOSUS) der US-Navy stellte für die USS Thresher sogar eine Freisetzung von kinetischer Energie mit der Wirkung von 10.000 kg Sprengstoff fest.

Zitat0918.4: SOSUS and the Skylark detected hull collapse at a calculated depth of 2,400 feet, 450 feet below the crush depth of 1,950 feet (150 percent of test depth), creating a bubble pulse with an energy release equivalent to 22,500 pounds of TNT. The hull collapsed in 47 milliseconds (~1/20th of a second), too fast to be cognitively recognized by those on board

https://www.usni.org/magazines/proceedings/2018-07/declassify-thresher-data

Ich habe die Wrackbilder von der USS Scorpion und der ARA San Juan, die ein ähnliches Schicksal teilen, mal nebeneinander gelegt. Quelle ist http://www.bonefishbase.org/wp-content/uploads/2014/07/2012_October_Periscope-Scorpion.pdf

Was Auffällt ist die Unterteilung der Wracks in mehrere große Teile und nicht ihre (wie von mir geschriebene) vollständige Zerstörung.
Allerdings fällt auch das riesige Trümmerfeld auf. Während die Hülle zwar in Sektionen auf den Boden liegt, aber in ihrer Form nicht massiv verformt oder zerstört ist, nehme ich an, dass die meisten Wrackteile aus dem Inneren des U-Boots stammen.




Also könnte man sagen, dass der Wasserdruck zwar gleichmäßig auf das U-Boot wirkt, aber sich durch "Schwachstellen" den Weg ins Innere sucht und dann dort das Boot aufreißt? Aber was passiert mit der Luft im U-Boot. Dringt diese Wasserwand mit Überschall ins Innere, komprimiert die Luft und sorgt so für die Explosion die SOSUS im Fall der USS Tresher und USS Scorpion aufgenommen hat?

Karsten

Zitat von: DEAT am 27 November 2018, 10:50:49(...) Ohne pietätlos zu wirken und aus rein wissenschaftlichem Interesse, aber bedeutet dass, das die Besatzungen von implodierenden U-Booten in dieser kurzen Zeit verbrennt? (...)
Hervorhebung durch mich.

Ja, ich habe mal gelesen, dass das so ist. Die Quelle war, wenn ich mich recht erinnere, Tom Clancy's "Im Sturm" (engl. "Red Storm Rising"). Das ist zwar natürlich ein Roman, aber dem Autor wird man ein gewisses Fachwissen nicht absprechen können.
Viele Grüße,

Karsten

Krinor62

Hallo Deat,

aus dem von Dir eingefügten Link:

"The precursor events are believed to be (based on the evidence of the recovered main battery parts) two closely spaced hydrogen gas explosions in the main battery well from the Gould National Battery
TLX-53-A main battery. The main battery had a total of 126 TLX-53-A cells and weighed 65 tons. The explosion overpressure instantaneously incapacitated (rendered unconscious) and/or was fatal to the crew. Given the 300 millisecond perception time for the human brain to react, the crew had no conscious perception of this event"

Man vermutet die Ursache in der Explosion von Knallgas in der Hauptbatterie, dass sich durch eine veraltete Prozedur aus den Tagen der Diesel U-Boote beim Laden der Batterien angesammelt hat. Diese Explosion hat die Mannschaft getötet oder zumindest soweit außer Gefecht gesetzt, so dass die Scorpion in den folgenden 20 Minuten langsam (0,36m/s) abgesunken ist (ohne weitere Kursänderungen), bis sie die Crush Depth erreicht hat.

"that Scorpion may have been lost because old procedures from diesel boat days were still followed. In 1968, nuclear subs were still setting Condition Baker when they came up to periscope depth. In a diesel boat, coming to periscope depth, the flappers are shut (in case of flooding) and since the battery charge
is from the diesels, there is no danger since no charging is occurring. On a nuclear powered boat, the flappers were shut during Condition Baker at periscope depth, but since the battery charge is coming from the reactor, hydrogen is venting into the well, air circulation is impeded by the shut flappers, and can build up to explosive levels"

Viele Grüße

Jan


Schorsch

Hallo DEAT!

Hier mein Versuch, ein paar Antworten auf Fragen zu formulieren, die Dich umtreiben. Ich habe allerdings Dein Posting etwas umsortiert, um die Antworten thematisch zusammenfassen zu können.

Zitat von: DEAT am 27 November 2018, 10:50:49
Wie läuft die Implosion eines U-Boots physikalisch ab und wie wirkt sie auf den menschlichen Körper?
(...)
Wenn die Luft nun im Bruchteil einer Sekunde komprimiert wird, dann würde das laut dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik grundsätzlich bedeuten, dass die Zunahme an Druck gleichermaßen eine Zunahme der Temperatur bewirkt und dass das Zusammendrücken von Luft sich durch einen proportionalen Anstieg der Temperatur äußert? Ohne pietätlos zu wirken und aus rein wissenschaftlichem Interesse, aber bedeutet dass, das die Besatzungen von implodierenden U-Booten in dieser kurzen Zeit verbrennt? Durch eine thermodynamische Schockwelle?
(...)
Und laut dem Boyle´schen Gesetz verringert sich das Volumen proportional zum Druck, allerdings nur bei gleichbleibender Temperatur. Wie verhält sich diese isotherme Zustandsänderung, wenn das U-Boot sinkt und seine crush depth erreicht (bzw. wie wirkt sie sich aus)? Von 500m auf 1000m fällt die Temperatur im Atlantik (durchschnittlich) von 12° auf 4°. Oder ist nur die Temperatur zum Zeitpunkt der Implosion von Bedeutung?
(...)
Deine Grundannahmen zu den physikalischen Prozessen beim Sinken eines U-Bootes mit der einhergehenden Zerstörung des Druckkörpers durch das Wirken des Wasserdrucks sind leider nicht ganz zutreffend. Ein gutes Modell, was passiert sein könnte, bieten die Vorgänge, die im Inneren des Zylinders eines Dieselmotors ablaufen. Genau wie beim Verdichtungshub eines Diesel-Kreisprozesses erwärmt sich die Luft im Inneren eines implodierenden Druckkörpers in einer adiabatischen Kompression. Das heißt, die Verdichtung der Luft im Inneren des Druckkörpers verläuft so schnell, dass, anders als bei einer isothermen Zustandsänderung, kein Energieaustauch mit der Umgebung stattfindet. Im Rahmen dessen erwärmt sich die komprimierte Luft auf erkleckliche Werte, so dass z.B. beim Dieselmotor der eingespritzte, fein zerstäubte Treibstoff sicher gezündet werden kann. Typische Werte sind diesbezüglich ca. 30..50 bar Verdichtungsdruck mit 700..900°C Temperatur der Verbrennungsluft. Diese Werte können überschlägig auch auf das Innere eines zusammenbrechenden Druckkörpers eines U-Bootes in etwa 500 m Tiefe übertragen werden. Die Analogien gehen aber noch weiter. Befinden sich nun im Inneren des U-Bootes brennbare Materialien, wird die Wärme, die nun eventuell noch zusätzlich frei wird, die Luft weiter erhitzen und u.U. einen Druck erzeugen, der den Außendruck übersteigt und den Druckkörper nach der Implosion letztlich zerreißt. Das entspräche dem Arbeitshub im Diesel-/Otto-Motor, bei dem Temperaturen bis 2000°C erreicht werden. Was bei solchen Vorgängen mit der Besatzung an Bord passiert... Der einzige, wenn auch schwache, Trost dürfte sein, dass es schnell geht, wenn der Druckkörper "endlich" nachgibt.

Das Gesetz von Boyle-Mariotte, das die isothermen Zustandsänderungen von Gasen beschreibt, ist in Verbindung mit U-Booten von Interesse, wenn man z.B. untersuchen möchte, welches Tauchzellenvolumen mit der an Bord mitgeführten Druckluft in unterschiedlichen Wassertiefen ausgeblasen werden könnte. Bei einer Implosion findet aber wegen der Kürze der Zeit kein Energieaustausch mit der Umgebung, deshalb ja auch die Bezeichnung adiabatische Zustandsänderung.

Zitat von: DEAT am 27 November 2018, 10:50:49
(...)
Zur Streuung der Wrackteile der USS Scorpion äußerte sich Robert D. Ballard 1985, dass es ausgesehen habe, "as though it had been put through a shredding machine." (Abgesehen vom Bug und dem Turm.)
(...)
Der Bugraum der USS SCORPION war sehr wahrscheinlich durch eine innere Explosion, die die dort befindlichen Luken in relativ geringer Wassertiefe aufgerissen hatte, schon geflutet, als das Boot 600 m Tiefe erreichte, und der Druckkörper begann zu versagen. Deshalb gab es dort auch keine Implosion wie beim Heck, das teleskopartig in den Hilfsmaschinenraum geschoben worden ist.

Zitat von: DEAT am 27 November 2018, 10:50:49
(...)
Und warum wurden die USS Thresher und die USS Scorpion durch die Implosion vollständig zerstört, während die USS Grunion zwar auch implodiert ist, aber der Schiffsrumpf "am Stück" ist? Hängt die Heftigkeit der Implosion mit dem Tiefen- / Druckunterschied von 300 m zusammen? (Bei einer test depth von 400 m für die USS Thresher müsste die crush depth lt. US-Navy Kalkulation bei 600 m liegen?)
(...)
Für die Beantwortung dieser Frage fehlen mir leider verlässliche Daten.

Zitat von: DEAT am 27 November 2018, 10:50:49
(...)
Zum Vergleich: In der ersten Folge der neuen Serie "In Seenot - Der Untergang der MV Derbyshire" wird das Wrack und der Untergang analysiert. Dieser OBO-Carrier mit einer Länge von 294 m und einer Tonnage 91.655 BRT weist einen ähnlichen Zerstörungsgrad wie die Wracks der USS Scorpion und USS Thresher auf. Im Rahmen der Untersuchung mussten 135.000 Aufnahmen von Wrackteilen zusammengesetzt und beurteilt werden. Dabei kam man zum Schluss, dass die Derbyshire erst implodiert und dann explodiert ist. Durch den zunehmenden Wasserdruck wurde die Doppelhülle zusammengedrückt und die Luft komprimiert.

https://www.youtube.com/watch?v=ku3gpn2uWyg
(...)
Grässlich aufgezogener, wenig aussagefähiger Film. Die relevanten Fakten hätte man auch in 10 min unterbringen können.

Zitat von: DEAT am 27 November 2018, 10:50:49
(...)
Wenn die Luft innerhalb des U-Boots komprimiert wird, müssten die Gasmoleküle (N2 und O2) schlagartig häufiger kollidieren mit entsprechend zunehmend kinetischer Energie. Wird durch eine Implosion eines Druckkörpers zwangsläufig eine Explosion als Reaktion freigesetzt?
(...)
Nein, vergleiche dazu die Videos implodierender luft-/dampfgefüllter Kesselwagen, d.h. ohne zusätzlichen ,,Treibstoff" im Inneren, verursacht durch den normalen Luftdruck. (--/>/> Klick! oder --/>/> Klack! (Beachte beim zweiten Video besonders ab Filmzeit 2:12, ab der die Stabilität des Kesselwagens demonstriert werden soll!))
Unter Wasser, bei ca. 60-fachem Druck, erfolgt die Reaktion wesentlich schneller mit entsprechend höherer Erwärmung der eingeschlossenen Luft. Für eine anschließende Explosion bedürfte es aber zusätzlich noch brennbaren Interieurs. (Siehe oben!)

Zitat von: DEAT am 27 November 2018, 10:50:49
(...)
Wie lässt es sich erklären, dass die abgerissenen Türme der USS Scorpion und USS Thresher so saubere Trennlinien aufzeigen und ansonsten intakt sind?
(...)
Der Turm heutiger U-Boote ist eigentlich nur noch eine stromlinienförmige Verkleidung für die Ausfahrgeräte und den Einsteigeschacht. Die früher im Turm der deutschen U-Boote des WK II befindlichen Geräte, wie Steuerstände, Bestandteile des Angriffsehrohres und Vorhalterechner für die Torpedos haben in der Gegenwart ihren Platz nun in der OPZ im eigentlichen Druckkörper des jeweiligen Bootes. Diese obenerwähnte Verkleidung reißt strukturbedingt leicht ab, wenn der Rumpf, an dem sie befestigt ist, wegen der Implosion/Explosion des Druckkörpers oder ggf. dem Aufschlagen auf dem Meeresboden starke Erschütterungen erfährt.

Zitat von: DEAT am 27 November 2018, 10:50:49
(...)
Und noch grundsätzlich eine Frage, wie gefährlich sind die Torpedos mit nuklearen Sprengköpfen der Wracks von K-8 und der U.S.S. Scorpion für die Zukunft?
(...)
Im Falle der USS SCORPION liegt eine Wassersäule von 3300 m über den Torpedos. Wenn es nicht gerade jemanden gelingt, diese Torpedos zu bergen, dürfte in dem von Menschen bewohnten Teil der Biosphäre kaum eine direkte Gefahr bestehen.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

DEAT

Hallo ihr Lieben, verspätet ein frohes Weihnachtsfest für euch und danke für eure Antworten  :-)

Zitat von: Karsten am 27 November 2018, 21:14:53
Zitat von: DEAT am 27 November 2018, 10:50:49(...) Ohne pietätlos zu wirken und aus rein wissenschaftlichem Interesse, aber bedeutet dass, das die Besatzungen von implodierenden U-Booten in dieser kurzen Zeit verbrennt? (...)
Hervorhebung durch mich.

Ja, ich habe mal gelesen, dass das so ist. Die Quelle war, wenn ich mich recht erinnere, Tom Clancy's "Im Sturm" (engl. "Red Storm Rising"). Das ist zwar natürlich ein Roman, aber dem Autor wird man ein gewisses Fachwissen nicht absprechen können.

Karsten, danke für den Hinweis auf Red Storm Rising, Tom Clancys Bücher standen bei mir immer auf der Wanted-Liste ganz oben. Werde ich mir mal gönnen. ; )


Zitat von: Krinor62 am 28 November 2018, 08:22:43
Hallo Deat,

aus dem von Dir eingefügten Link:

"The precursor events are believed to be (based on the evidence of the recovered main battery parts) two closely spaced hydrogen gas explosions in the main battery well from the Gould National Battery
TLX-53-A main battery. The main battery had a total of 126 TLX-53-A cells and weighed 65 tons. The explosion overpressure instantaneously incapacitated (rendered unconscious) and/or was fatal to the crew. Given the 300 millisecond perception time for the human brain to react, the crew had no conscious perception of this event"

Man vermutet die Ursache in der Explosion von Knallgas in der Hauptbatterie, dass sich durch eine veraltete Prozedur aus den Tagen der Diesel U-Boote beim Laden der Batterien angesammelt hat. Diese Explosion hat die Mannschaft getötet oder zumindest soweit außer Gefecht gesetzt, so dass die Scorpion in den folgenden 20 Minuten langsam (0,36m/s) abgesunken ist (ohne weitere Kursänderungen), bis sie die Crush Depth erreicht hat.

"that Scorpion may have been lost because old procedures from diesel boat days were still followed. In 1968, nuclear subs were still setting Condition Baker when they came up to periscope depth. In a diesel boat, coming to periscope depth, the flappers are shut (in case of flooding) and since the battery charge
is from the diesels, there is no danger since no charging is occurring. On a nuclear powered boat, the flappers were shut during Condition Baker at periscope depth, but since the battery charge is coming from the reactor, hydrogen is venting into the well, air circulation is impeded by the shut flappers, and can build up to explosive levels"

Viele Grüße

Jan

Hey Jan, wenn das so zutreffen sollte, dann wären sowohl bei der USS Scorpion, als auch bei der USS Thresher veraltete Weltkriegstechnologie für den Verlust verantwortlich. Interessant. Mir fehlt allerdings für die Wirkung der Sprengkraft innerhalb eines U-Bootes die Vorstellungskraft. Das SOSUS hat am Anfang zwei Explosionen von etwa 10 kg TNT (22 lbs) festgestellt.



Wenn man sich eine vergleichbare Explosion auf Youtube ansieht -> https://www.youtube.com/watch?v=izWl23QNQ7M , dann kann ich mir schwer vorstellen, wie die Besatzung in sämtlichen Zwischenräumen und -decks (über eine Länge von 50m) von diesen Explosionen außer Gefecht gesetzt worden sein soll?
Aber vielleicht unterschätze ich auch die Sprengwirkung und das U-Boot, als abgeschlossenes System. Erinnert mich vom Prinzip an die Anschläge auf die U-Bahnen in London und St. Petersburg, bei denen die Wirkung der Rucksackbomben durch die Tunnel verstärkt worden ist.


ZitatHallo DEAT!

Hier mein Versuch, ein paar Antworten auf Fragen zu formulieren, die Dich umtreiben. Ich habe allerdings Dein Posting etwas umsortiert, um die Antworten thematisch zusammenfassen zu können.

Hallo Schorsch, vielen Dank für deinen umfangreichen Beitrag! Auf den ich im Laufe der Tage mit einem seperaten Post detaillierter eingehen möchte  :-)

Wirklich sehr spannend, erinnert mich an die Vorlesungen in Forensik.

Beste Grüße

Schorsch

#7
Hallo DEAT!

Zitat von: DEAT am 26 Dezember 2018, 19:07:25
(...)
Hallo Schorsch, vielen Dank für deinen umfangreichen Beitrag! Auf den ich im Laufe der Tage mit einem seperaten Post detaillierter eingehen möchte
(...)
...es sei Dir versichert, Du hast meine volle Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

DEAT

Hallo Schorsch, dann wollen wir mal :)

ZitatEin gutes Modell, was passiert sein könnte, bieten die Vorgänge, die im Inneren des Zylinders eines Dieselmotors ablaufen. Genau wie beim Verdichtungshub eines Diesel-Kreisprozesses erwärmt sich die Luft im Inneren eines implodierenden Druckkörpers in einer adiabatischen Kompression. Das heißt, die Verdichtung der Luft im Inneren des Druckkörpers verläuft so schnell, dass, anders als bei einer isothermen Zustandsänderung, kein Energieaustauch mit der Umgebung stattfindet. Im Rahmen dessen erwärmt sich die komprimierte Luft auf erkleckliche Werte, so dass z.B. beim Dieselmotor der eingespritzte, fein zerstäubte Treibstoff sicher gezündet werden kann. Typische Werte sind diesbezüglich ca. 30..50 bar Verdichtungsdruck mit 700..900°C Temperatur der Verbrennungsluft. Diese Werte können überschlägig auch auf das Innere eines zusammenbrechenden Druckkörpers eines U-Bootes in etwa 500 m Tiefe übertragen werden.

Ein sehr guter Vergleich. Ich muss gestehen, dass ich mich nochmal ins Thema Dieselmotor/adiabatische Kompression kurz einlesen musste. Wenn ich das richtig verstehe, dann findet bei der Implosion eines U-Bootes kein Wärmeaustausch (Δ Q = 0) mit der Umgebung statt, also Δ u (innere Energie) = Δ W (Arbeit oder in dem Fall der Wasserdruck, der ins Boot eindringt?). Tatsächlich herrschte bei der Implosion der USS Scorpion ein Wasserdruck von 46.3 bar, was in etwa dem Verdichtungsdruck in einem Zylinder entsprechen dürfte.

ZitatDie Analogien gehen aber noch weiter. Befinden sich nun im Inneren des U-Bootes brennbare Materialien, wird die Wärme, die nun eventuell noch zusätzlich frei wird, die Luft weiter erhitzen und u.U. einen Druck erzeugen, der den Außendruck übersteigt und den Druckkörper nach der Implosion letztlich zerreißt. Das entspräche dem Arbeitshub im Diesel-/Otto-Motor, bei dem Temperaturen bis 2000°C erreicht werden. Was bei solchen Vorgängen mit der Besatzung an Bord passiert... Der einzige, wenn auch schwache, Trost dürfte sein, dass es schnell geht, wenn der Druckkörper "endlich" nachgibt.

Gruselige Vorstellung, auch wenn die Besatzung davon nichts mitbekommt. Nochmal eine absolute Laienfrage, wenn die Implosion der USS Scorpion nur 37 Millisekunden dauerte, können sich in diesem Bruchteil einer Sekunde überhaupt Materialen entzünden? Was mich physikalisch interessieren würde, ist wie der Maschinenraum in den AMS- und Reaktorbereich geschoben werden konnte. Immerhin von Rahmennummer 90 zu Rahmennummer 67 über eine Distanz von 17,67m. Kann man davon ausgehen, dass der Wasserdruck über das Heck seinen Weg in das U-Boot fand und die Implosion an der Rahmennummer 90 sozusagen ihren Anfang nahm?

ZitatDer Bugraum der USS SCORPION war sehr wahrscheinlich durch eine innere Explosion, die die dort befindlichen Luken in relativ geringer Wassertiefe aufgerissen hatte, schon geflutet, als das Boot 600 m Tiefe erreichte, und der Druckkörper begann zu versagen. Deshalb gab es dort auch keine Implosion wie beim Heck, das teleskopartig in den Hilfsmaschinenraum geschoben worden ist.

In einem der vorherigen Beiträge habe ich eine Quelle zitiert, die nach der Implosion der USS Scorpion auf 17 weitere (kleinere) Explosionen in größere Tiefe verweist. Als Erklärung werden dafür u.a. die Implosionen der sechs Torpedorohre genannt These events were produced by more pressure resistant structures that survived with the wreckage to collapse at greater depth.  Six of the events were produced by the collapse of the SCORPION  torpedo tubes near the following depths: 3370, 3750, 3950. 4510, and 4570 feet. Ist diese Annahme physikalisch nachzuvollziehen, bzw würden die Torpedoluken tatsächlich dem Wasserdruck standhalten bis zur Implosion in einer Tiefe von 1.000 bis 1.300 m? Auch frage ich mich, von welchen more pressure resistant structures hier die Rede ist.

Die Flutung oder Teilflutung eines U-Bootes ist im Zusammenhang mit der Implosion des Druckkörpers ein sehr interessanter Umstand. Im Jahr 1970 wurde U-3 (Klasse 201) im Druckdock C der Bundesmarine bis zur Zerstörung gestestet. Da man befürchtete, dass die Implosion das Druckdock beschädigen könnte, füllte man U-3 zu einem Großteil mit Wasser und ließ nur einen bestimmten Anteil an Luft im U-Boot.

Das Resultat:



Könnte man durch diesem Versuch in Kiel annehmen, dass die freigesetzte Energie, während einer Implosion, durch ins U-Boot bereits eingedrungenes Wasser, abgeschwächt wird? Wäre das eine mögliche Erklärung für den Zustand der USS Grunion und der INS Dakar? Der relativ intakte Rumpf der INS Dakar lässt darauf schließen, dass das U-Boot zu einem Großteil geflutet war. Ähnlich wie bei U-3 finden sich die Zerstörungen nur in einem bestimmten (oberen) Bereich.



Auf was ich noch gestoßen bin, ist der Druckversuch mit einem Kleinst U-Boot vom Typ Seehund. Ziemlich beeindruckendes Resultat mMn.



Grüße





Elektroheizer

#9
Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
Ein sehr guter Vergleich. Ich muss gestehen, dass ich mich nochmal ins Thema Dieselmotor/adiabatische Kompression kurz einlesen musste. Wenn ich das richtig verstehe, dann findet bei der Implosion eines U-Bootes kein Wärmeaustausch (Δ Q = 0) mit der Umgebung statt, also Δ u (innere Energie) = Δ W (Arbeit oder in dem Fall der Wasserdruck, der ins Boot eindringt?).
Ja... theoretisch und wenn das hinreichend schnell geschieht. Chemiker messen solche thermodynamischen Größen mit einem Kalorimeter, das ist im Prinzip eine Thermoskanne mit Thermometer. Nun ist eine Stahlröhre im Wasser alles andere als eine ideale Thermoskanne. Für eine reale Betrachtungsweise reicht es aber, wenn die Wärmeabgaberate deutlich kleiner ist als die Geschwindigkeit der Reaktion bzw hier der Kompression, dann halten sich die Abweichungen in Grenzen. Je länger das dauert, desto langsamer der Temperaturanstieg mit wachsendem Temperaturausgleich mit der Umgebung.

Für ein havariertes U-Boot bedeutet dies, der Rumpf muss so schnell und großflächig aufplatzen, dass der Wassereinbruch schnell genug eintreten kann. Bei der gezeigten Grafik könnte das der Fall sein, dass die Besetzung zumindest nichts mehr mitgekriegt hat. Die Frage ist, wie das da im Bugbereich aussah - a) bei geöffnetem Zentrale-Schott und b) geschlossenem Zentrale-Schott mit Wassereinbruch bzw Druckanstieg über Lüftungsrohre oder andere kleinere Öffnungen. Die wirklich gruselige Frage ist, ob so Temperaturen entstehen können, die das Lungengewebe schädigen.

Nachtrag: Alle schönen Berechnungen sind natürlich hinfällig, wenn komprimierte Luft aus dem System entweichen kann. Bei dem längs aufgeplatzten System dürfte das in großem Maße der Fall gewesen sein. Für einen Vergleich mit dem Dieselmotor müsste die Luft im U-Boot wie in einem Kolben komprimiert werden, also ausgehend von einem (hinreichend großem) Loch im Rumpf.



Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
Nochmal eine absolute Laienfrage, wenn die Implosion der USS Scorpion nur 37 Millisekunden dauerte, können sich in diesem Bruchteil einer Sekunde überhaupt Materialen entzünden?
Rudolf Diesel hat das schon vor über 120 Jahren beantwortet  :wink: Wenn das schnell genug geht, wird das einströmende Wasser aber jedes Feuer sofort löschen.
Ich habe das Grauen gesehn

Schorsch

Hallo zusammen,

es ist schon etwas her, seit der letzte Beitrag in diesem Thread geschrieben wurde. Leider hatte ich bis dato noch nicht die Muße, den schon vor längerem formulierten Rohentwurf meiner Antwort einzustellen. Inzwischen konnte ich aber etwas Zeit abzwacken und hier ist nun das Ergebnis:

Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
Hallo Schorsch, dann wollen wir mal :)
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Ein sehr guter Vergleich. Ich muss gestehen, dass ich mich nochmal ins Thema Dieselmotor/adiabatische Kompression kurz einlesen musste. Wenn ich das richtig verstehe, dann findet bei der Implosion eines U-Bootes kein Wärmeaustausch (Δ Q = 0) mit der Umgebung statt, also Δ U (innere Energie) = Δ W (Arbeit oder in dem Fall der Wasserdruck, der ins Boot eindringt?). Tatsächlich herrschte bei der Implosion der USS Scorpion ein Wasserdruck von 46.3 bar, was in etwa dem Verdichtungsdruck in einem Zylinder entsprechen dürfte.
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Freut mich, dass ich den Sachverhalt eingängig erklären konnte.

Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
ZitatDie Analogien gehen aber noch weiter. Befinden sich nun im Inneren des U-Bootes brennbare Materialien, wird die Wärme, die nun eventuell noch zusätzlich frei wird, die Luft weiter erhitzen und u.U. einen Druck erzeugen, der den Außendruck übersteigt und den Druckkörper nach der Implosion letztlich zerreißt. Das entspräche dem Arbeitshub im Diesel-/Otto-Motor, bei dem Temperaturen bis 2000°C erreicht werden. Was bei solchen Vorgängen mit der Besatzung an Bord passiert... Der einzige, wenn auch schwache, Trost dürfte sein, dass es schnell geht, wenn der Druckkörper "endlich" nachgibt.
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Gruselige Vorstellung, auch wenn die Besatzung davon nichts mitbekommt. Nochmal eine absolute Laienfrage, wenn die Implosion der USS Scorpion nur 37 Millisekunden dauerte, können sich in diesem Bruchteil einer Sekunde überhaupt Materialen entzünden?
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Wie viel Zeit ist beim Dieselmotor für die jeweilige Zündung gegeben? Gleichwohl muss das brennbare Material in entzündungsfähiger Form (z.B. fein zerstäubt) vorliegen, denn es ist für eine Verbrennung im Druckkörper zwar notwendig, aber dennoch nicht hinreichend. Nun wurde der Rumpf der USS SCORPION aber nicht auseinandergerissen, sondern ist ,,nur" implodiert. Insoweit scheint in diesem Falle nicht genügend Material in geeigneter, d.h. genügend fein verteilter Form für eine sich der Implosion anschließende Explosion umgesetzt worden zu sein. Allerdings wurde genau dieses Phänomen von Dir aber auch in Bezug auf die USS THRESHER angesprochen, und so versuchte ich eben dieses Fallbeispiel auch meine Antwort mit einzuschließen.

Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
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Was mich physikalisch interessieren würde, ist wie der Maschinenraum in den AMS und Reaktorbereich geschoben werden konnte. Immerhin von Rahmennummer  90 zu Rahmennummer 67 über eine Distanz von 17,67m. Kann man davon ausgehen, dass der Wasserdruck über das Heck seinen Weg in das U-Boot fand und die Implosion an der Rahmennummer 90 sozusagen ihren Anfang nahm?
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Der Wasserdruck wirkt allseitig und wo die schwächste Stelle des Rumpfes ist, wird der Druckkörper als erstes nachgeben. Insbesondere die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Rumpfbereichen (z.B. von einem zylindrischen Teil auf einen konischen Bereich) sind immer mit Spannungsspitzen im Material verbunden, stellen deshalb konstruktive Schwachstellen dar und können als ,,Sollbruchstelle" aufgefasst werden, auf die man im Falle der Untersuchung einer Implosion ein besonderes Augenmerk richten sollte. (Vgl. dazu auch Gabler: ,,Unterseebootbau", 1987, S. 39ff.!))
Ergänzend: Vielleicht ist es angebrachter, das Wort frame statt mit Rahmen besser als Spant zu übersetzen.

Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
ZitatDer Bugraum der USS SCORPION war sehr wahrscheinlich durch eine innere Explosion, die die dort befindlichen Luken in relativ geringer Wassertiefe aufgerissen hatte, schon geflutet, als das Boot 600 m Tiefe erreichte, und der Druckkörper begann zu versagen. Deshalb gab es dort auch keine Implosion wie beim Heck, das teleskopartig in den Hilfsmaschinenraum geschoben worden ist.

In einem der vorherigen Beiträge habe ich eine Quelle zitiert, die nach der Implosion der USS Scorpion auf 17 weitere (kleinere) Explosionen in größere Tiefe verweist. Als Erklärung werden dafür u.a. die Implosionen der sechs Torpedorohre genannt These events were produced by more pressure resistant structures that survived with the wreckage to collapse at greater depth.  Six of the events were produced by the collapse of the SCORPION  torpedo tubes near the following depths: 3370, 3750, 3950. 4510, and 4570 feet. Ist diese Annahme physikalisch nachzuvollziehen, bzw würden die Torpedoluken tatsächlich dem Wasserdruck standhalten bis zur Implosion in einer Tiefe von 1.000 bis 1.300 m? Auch frage ich mich, von welchen more pressure resistant structures hier die Rede ist.
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Auch dazu ein Verweis auf Gabler: ,,Unterseebootsbau", diesmal auf einen Satz, der auf S. 90 zu finden ist:
Zitat,,Sämtliche Verschlüsse werden stärker bemessen als der Druckkörper."
Nun bezieht sich diese Aussage zwar nicht explizit auf die Dimensionierung von Torpedorohren und dass die Konstrukteure der USS SCORPION genau dieses Buch vor Augen hatten, ist schon wegen des Erscheinungsdatums des Buches, die Erstauflage stammt aus dem Jahre 1964, ebenfalls nicht gegeben. Ich werte diese Zeile aber dennoch als Zusammenfassung eines grundlegenden Konstruktionsprinzips, das es allgemein zu beachten gilt. Es gab da z.B. unangenehme Situationen bei den Tieftauchversuchen deutscher U-Boote vom Typ XXI, als die Oberdecksbehälter für die Rettungsinseln in 220 m Tiefe implodierten. Ähnliches wird auch für Boote des Typs IX berichtet, bei denen beim Ausweichen in größere Tiefen verschiedentlich die Oberdecksbehälter für Torpedos dem Wasserdruck schlagartig nachgaben. Zum einen ist die statische Belastung des Druckkörpers durch den herrschenden äußeren Wasserdruck ohnehin schon enorm, so dass zusätzliche, dynamisch erzeugte Druckspitzen durch die zusammenbrechenden Behälter auch den Druckkörper selbst gefährden könnten. Viel schlimmer ist aber der plötzliche Auftriebsverlust für das gesamte Boot, das dadurch aus dem vom LI sorgsam eingestellten Trimm gerät und somit Gefahr läuft, in Tiefen durchzurauschen, für die der Druckkörper erst recht nicht konzipiert ist, so es denn nicht gelingt z.B. durch Lenzen der Regelzellen, diesen Auftriebsverlust rechtzeitig zu kompensieren. Ergo legt man diese Strukturen stärker aus als den eigentlichen Druckkörper, der dann logischerweise das schwächste Glied in der Kette ist und als erstes versagen würde. Auch ist es wesentlich weniger materialintensiv, nur einige Kleinteile besonders druckfest auszulegen als den Großteil des restlichen Bootes.

Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
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Die Flutung oder Teilflutung eines U-Bootes ist im Zusammenhang mit der Implosion des Druckkörpers ein sehr interessanter Umstand. Im Jahr 1970 wurde U-3 (Klasse 201) im Druckdock C der Bundesmarine bis zur Zerstörung getestet. Da man befürchtete, dass die Implosion das Druckdock beschädigen könnte, füllte man U-3 zu einem Großteil mit Wasser und ließ nur einen bestimmten Anteil an Luft im U-Boot.
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Wie man das halt so macht, wenn meinethalben auch Dampfkessel zur Probe abgedrückt werden. Eventuelle Lecks in Schweißnähten lassen sich auch über austretendes Wasser gut detektieren. Und sollte es dazu kommen, dass der Kessel als Gesamtheit versagt, ist es schon ein gravierender Unterschied, ob sich nun 100 oder lediglich 0,01 cbm hochgespannter Luft den Platz verschaffen, den sie bei geringerem Druck einnehmen würden...

Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
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Das Resultat:



Könnte man durch diesem Versuch in Kiel annehmen, dass die freigesetzte Energie, während einer Implosion, durch ins U-Boot bereits eingedrungenes Wasser, abgeschwächt wird? Wäre das eine mögliche Erklärung für den Zustand der USS Grunion und der INS Dakar? Der relativ intakte Rumpf der INS Dakar lässt darauf schließen, dass das U-Boot zu einem Großteil geflutet war. Ähnlich wie bei U-3 finden sich die Zerstörungen nur in einem bestimmten (oberen) Bereich.
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Meiner Ansicht nach: ja!

Soweit meine Anmerkungen und Ergänzungen zum Beitrag von DEAT.

Im Folgenden noch einige Hinweise zu dem, was Elektroheizer geschrieben hatte.

Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
Ein sehr guter Vergleich. Ich muss gestehen, dass ich mich nochmal ins Thema Dieselmotor/adiabatische Kompression kurz einlesen musste. Wenn ich das richtig verstehe, dann findet bei der Implosion eines U-Bootes kein Wärmeaustausch (Δ Q = 0) mit der Umgebung statt, also Δ u (innere Energie) = Δ W (Arbeit oder in dem Fall der Wasserdruck, der ins Boot eindringt?).
Ja... theoretisch und wenn das hinreichend schnell geschieht.
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Ist eine Zeit von z.B. 37 ms im Falle der USS SCORPION kurz genug?

Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
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Chemiker messen solche thermodynamischen Größen mit einem Kalorimeter, das ist im Prinzip eine Thermoskanne mit Thermometer. Nun ist eine Stahlröhre im Wasser alles andere als eine ideale Thermoskanne.
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Seltsam, auch im Falle rotglühend geschossener Läufe von Feuerwaffen, geht jedes Lehrbuch, das sich mit der inneren Ballistik von Feuerwaffen beschäftigt, im einfachsten Falle davon aus, dass ein abgeschossenes Projektil durch eine adiabatische Zustandsänderung der Pulvergase aus dem Lauf getrieben wurde. Sollte eine solche Idealisierung dann doch nicht exakt genug greifen, korrigiert man lediglich den entsprechenden Adiabatenkoeffizienten um 10 bis 20% nach unten und nennt das Ganze nun polytropische Zustandsänderung. An der allgemeinen Betrachtungsweise ändert sich aber nichts.

Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
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Für eine reale Betrachtungsweise reicht es aber, wenn die Wärmeabgaberate deutlich kleiner ist als die Geschwindigkeit der Reaktion bzw. hier der Kompression, dann halten sich die Abweichungen in Grenzen. Je länger das dauert, desto langsamer der Temperaturanstieg mit wachsendem Temperaturausgleich mit der Umgebung.
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Kennst Du einen Fall einer Implosion (nach Angabe des Dudens = schlagartige Zertrümmerung eines Hohlkörpers durch äußeren Überdruck; vgl. dazu auch --/>/> hier!) eines Druckkörpers eines U-Bootes, die langsam stattgefunden hat?

Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
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Für ein havariertes U-Boot bedeutet dies, der Rumpf muss so schnell und großflächig aufplatzen, dass der Wassereinbruch schnell genug eintreten kann.
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Nein, es muss nicht ,,schnell und großflächig aufplatzen". (Weiteres siehe unten!)

Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
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Bei der gezeigten Grafik könnte das der Fall sein, dass die Besetzung zumindest nichts mehr mitgekriegt hat. Die Frage ist, wie das da im Bugbereich aussah - a) bei geöffnetem Zentrale-Schott und b) geschlossenem Zentrale-Schott mit Wassereinbruch bzw. Druckanstieg über Lüftungsrohre oder andere kleinere Öffnungen. Die wirklich gruselige Frage ist, ob so Temperaturen entstehen können, die das Lungengewebe schädigen.
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Im Falle der USS SCORPION rauschte das Heckteil nach DEATs Quelle mit rund 900 m/s, also ca. dreifacher Schallgeschwindigkeit, in den Hilfsmaschinenraum hinein. Damit ist die Frage, ob das Lungengewebe eines Besatzungsangehörigen durch zu hohe Temperaturen geschädigt werden würde, im Endeffekt nur noch rein akademischer Natur.

Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
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Nachtrag: Alle schönen Berechnungen sind natürlich hinfällig, wenn komprimierte Luft aus dem System entweichen kann.
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Druckköper, die keine Luft mehr enthalten, implodieren nicht.

Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
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Bei dem längs aufgeplatzten System dürfte das in großem Maße der Fall gewesen sein. Für einen Vergleich mit dem Dieselmotor müsste die Luft im U-Boot wie in einem Kolben komprimiert werden, also ausgehend von einem (hinreichend großem) Loch im Rumpf.
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Da ist kein ,,hinreichend großes Loch" notwendig. Schon wenn der Rumpf vom Wasserdruck zusammengedrückt wird, wie eine luftgefüllte verschlossene Konservendose, die man mit dem Absatz und Schmackes zusammentritt, kommt es im Inneren des Druckkörpers /bzw. in der Dose (idealisiert) zu einer adiabatischen Kompression der enthaltenen Luft.

Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
(...)
Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
Nochmal eine absolute Laienfrage, wenn die Implosion der USS Scorpion nur 37 Millisekunden dauerte, können sich in diesem Bruchteil einer Sekunde überhaupt Materialen entzünden?
Rudolf Diesel hat das schon vor über 120 Jahren beantwortet  :wink: Wenn das schnell genug geht, wird das einströmende Wasser aber jedes Feuer sofort löschen.
Richtig, so, wie auch explodierende Wasserbomben vom eindringenden Wasser sofort gelöscht werden.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Elektroheizer

Zitat von: Schorsch am 13 Februar 2019, 10:48:07
Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
Zitat von: DEAT am 10 Januar 2019, 17:53:44
Ein sehr guter Vergleich. Ich muss gestehen, dass ich mich nochmal ins Thema Dieselmotor/adiabatische Kompression kurz einlesen musste. Wenn ich das richtig verstehe, dann findet bei der Implosion eines U-Bootes kein Wärmeaustausch (Δ Q = 0) mit der Umgebung statt, also Δ u (innere Energie) = Δ W (Arbeit oder in dem Fall der Wasserdruck, der ins Boot eindringt?).
Ja... theoretisch und wenn das hinreichend schnell geschieht.
(...)
Ist eine Zeit von z.B. 37 ms im Falle der USS SCORPION kurz genug?

Definitiv.

Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
(...)
Chemiker messen solche thermodynamischen Größen mit einem Kalorimeter, das ist im Prinzip eine Thermoskanne mit Thermometer. Nun ist eine Stahlröhre im Wasser alles andere als eine ideale Thermoskanne.
(...)

Zitat von: Elektroheizer am 10 Januar 2019, 23:28:01
(...)
Für eine reale Betrachtungsweise reicht es aber, wenn die Wärmeabgaberate deutlich kleiner ist als die Geschwindigkeit der Reaktion bzw. hier der Kompression, dann halten sich die Abweichungen in Grenzen. Je länger das dauert, desto langsamer der Temperaturanstieg mit wachsendem Temperaturausgleich mit der Umgebung.
(...)
Kennst Du einen Fall einer Implosion (nach Angabe des Dudens = schlagartige Zertrümmerung eines Hohlkörpers durch äußeren Überdruck; vgl. dazu auch --/>/> hier!) eines Druckkörpers eines U-Bootes, die langsam stattgefunden hat?

Nein, das meinte ich auch nicht. Ich meinte kein schnelles strukturelles Versagen des Bootskörpers, sondern langsamen Druckanstieg im Boot durch Wassereinbruch.  Etwa über gerissene Rohrleitungen, Bordverschlüsse, gebrochene Nieten und ähnliches. Das hab ich nicht deutlich genug heraus gestellt, sorry. 
Ich habe das Grauen gesehn

Schorsch

Hallo Elektroheizer!

Zitat von: Elektroheizer am 19 Februar 2019, 22:08:47
(...)
Nein, das meinte ich auch nicht. Ich meinte kein schnelles strukturelles Versagen des Bootskörpers, sondern langsamen Druckanstieg im Boot durch Wassereinbruch.  Etwa über gerissene Rohrleitungen, Bordverschlüsse, gebrochene Nieten und ähnliches. Das hab ich nicht deutlich genug heraus gestellt, sorry.
Der von DEAT gewählte Thread-Titel schränkt die Betrachtung der Ursachen von U-Bootsverlusten aber auf genau solche schnell ablaufenden Vorgänge ein. Dass es noch genügend weitere Möglichkeiten gibt, auf einem U-Boot sein Leben zu verlieren, ist sicher unbestritten. Die umfängliche Betrachtung dieser Vielzahl würde allerdings das Thema sehr weit ausdehnen und dazu führen, dass man Gefahr läuft, sich in der Menge der Möglichkeiten zu verzetteln. Deshalb schien es mir angeraten, das Thema etwas enger gefasst zu betrachten. Deshalb von mir ein "Sorry!" an Dich zurück, diesen Aspekt hätte ich vielleicht deutlicher herausstellen sollen. :OuuO:

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Elektroheizer

Zitat von: Schorsch am 20 Februar 2019, 10:16:47
Deshalb von mir ein "Sorry!" an Dich zurück, diesen Aspekt hätte ich vielleicht deutlicher herausstellen sollen. :OuuO:
Da nix für! Dein Einwand war ja berechtigt, schließlich hatte ich mich etwas Richtung OT bewegt. An einem Punkt der Diskussion hatte ich den Eindruck, als würde diese adiabatische Kompression für jeden Wassereinbruch in einem U-Boot aufgefasst. Aber vielleicht hab ich diese Stelle auch falsch interpretiert.

Das  :/BE: nehm ich natürlich gerne an

Mit freundlichen Grüßen zurück  :OuuO:
Thorsten
Ich habe das Grauen gesehn

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