schneller Wechsel der Kommandanten

Begonnen von oldenburger67, 10 März 2018, 13:38:05

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oldenburger67

Kurze Standzeiten der Kommandanten an Bord der Dickschiffe

Hallo Forum Marine Archiv,

Beim Betrachten der Geschichte der deutschen Dickschiffe im zweiten Weltkrieg fällt auf, dass die Kommandanten  jeweils oft für nicht mehr als Ein bis Anderthalb Jahre das Kommando inne hatten, bevor sie auf neue Posten versetzt wurden. Es erscheint mit offen gestanden fraglich, ob sich der Kommandant in der Kürze der Zeit wirklich an die Gegebenheiten des Schiffes und seiner Besatzung gewöhnen konnte? Man denke vielleicht an seine eigenen Erfahrungen in einem neuen beruflichen Umfeld.
Es ist ja schon mehrmals sowohl hier im Forum, als auch in der einschlägigen Fachliteratur der Hinweis aufgetaucht, dass es in Gefechtsituationen zu Fehlentscheidungen der Kommandanten gekommen ist, vielleicht auch gerade deswegen?
In Anbetracht dieser und ähnlicher Hinweise stellt sich mir die Frage, ob die Praxis der schnellen Kommandanten - Wechsel nicht falsch war?
Wäre es nicht besser die Kommandanten länger auf ihrem Posten zu belassen, sagen wir vielleicht 3 bis 5 Jahre, oder sogar die gesamte Dauer des Krieges? Bei der Bundesmarine sind die Kommandanten auch für einen längeren Zeitraum an Bord (oder irre ich?)?
Natürlich weiß ich, dass wir heute keine Dickschiffe mehr haben ;-)))

Insofern auch meine Fragen an Euch:

Wie seht Ihr das?
Gab es einen Grund für diese Praxis?
Wurde diese Praxis auch auf den kleinen Einheiten, z.B Zerstörern, Torpedoboote so behandelt
Wie sieht / sah das bei den ausländischen Marinen aus, respektive bei der kaiserlichen Marine?

Auf Eure Antworten bin ich gespannt?

Ich danke Euch im Vorhinein und wünsche Euch ein schönes Wochenende

Der Oldenburger

Urs Heßling

moin,

Zitat von: oldenburger67 am 10 März 2018, 13:38:05
Wäre es nicht besser die Kommandanten länger auf ihrem Posten zu belassen, sagen wir vielleicht 3 bis 5 Jahre, oder sogar die gesamte Dauer des Krieges? Bei der Bundesmarine sind die Kommandanten auch für einen längeren Zeitraum an Bord (oder irre ich?)?
Jein.
Es ist sicher gut für ein Schiff, wenn ein Kommandant die Besatzung und die Eigenschaften seines Schiffs gut kennt, also länger an Bord bleibt.
Das Argument für den Wechsel eines erfahrenen Kommandanten ist, daß man ihn auch auf einem höheren Posten, z.B. als Verbandsführer, brauchen kann.
Bei der Bundesmarine gab es immer wieder  Fälle, daß Kommandanten mit Admiralsstabsqualifikation nur 1 - 2 Jahre auf Kommandantenposten blieben, bevor sie (wieder) ins Ministerium wechselten.


Zitat von: oldenburger67 am 10 März 2018, 13:38:05
Wurde diese Praxis auch auf den kleinen Einheiten, z.B Zerstörern, Torpedoboote so behandelt
Bei den Schnellbooten der Kriegsmarine durchaus unterschiedlich.
Auf im Mittelmeer eingesetzten Booten blieben Kommandanten mehrfach 3 Jahre oder länger an Bord.
Bei den im Westbereich eingesetzten Booten gab es einen schnelleren Wechsel, weil erfahrene Kommandanten  relativ häufig zusammen mit ihrer Besatzung (!) wechselten und neuere Boote übernahmen.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

kawa1705

Bei den Dickschiffen im zweiten Weltkrieg sind bei den meisten Unternehmungen die Schiffe im Verband gefahren. Somit kamen die militärischen Befehle eigentlich nur von den führenden Admiral.
Da kam es für die Handhabung des Schiffes auf die erfahrene Besatzung an.
Große Einzelunternehmungen sind mir nur von der "Admiral Graf Spee" und der "Admiral Scheer" bekannt.
Deswegen würde ich sagen das im zweiten Weltkrieg der Kommandantenwechsel keine Rolle gespielt hat.
Außer vielleicht beim letzten Gefecht der "Scharnhorst", wo aber auch ein Admiral an Bord war.

Gruß

Rüdiger

suhren564

Hallo Oldenburger,

evtl. ist auch ein Grund, dass es nur wenige Dickschiffe, aber mehr "Anwärter" auf den Kommandantensessel gab. Bevor vielfach ein Kapt.z.S. zum Flaggoffizier ernannt wurde, kam er zum Frontdienst als Kmdt. an Bord. Und es gab viele Kapt.z.S. die Admiral werden wollten......aber kaum Schiffe, die größer als Zerstörer waren.

Gruß Ulf

Nie darf man so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.... 
Erich Kästner

Big A

Auch andere Marinen, insbesondere die USN wechselte auf den grossen Einheiten (CC, BB, CVA, CVL) recht schnell die Kommandanten um der rasch wachsenden Flotte ein Minimum an erfahrenem Führungspersonal zu geben. Bei DD stieg man häufig binnen 18 mon zum Kdt auf, noch schneller bei DE.
Wie Urs schrieb, meidt "fiel man nach oben".

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

t-geronimo

Ich denke, das Wachstum der Marine ist ein Hauptgrund, denn nicht nur "nach unten" wuchsen die Marinen (also mehr Schiffe), sondern auch "in die Breite", d.h. mehr Verbände, damit mehr Kommandostellen und somit dort ein schneller steigender Bedarf als nachgeschult und -gebildet wurde.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Urs Heßling

moin,

Zitat von: kawa1705 am 10 März 2018, 22:27:46
Bei den Dickschiffen im zweiten Weltkrieg sind bei den meisten Unternehmungen die Schiffe im Verband gefahren. Somit kamen die militärischen Befehle eigentlich nur von den führenden Admiral.
Da kam es für die Handhabung des Schiffes auf die erfahrene Besatzung an.
..
Deswegen würde ich sagen das im zweiten Weltkrieg der Kommandantenwechsel keine Rolle gespielt hat.
Einspruch !
Die Verbandsbefehle kamen wohl von den Admiralen,
aber ein Kommandant führt sein Schiff selbständig im Gefecht,
entsprechend seiner Erfahrung, gut oder schlecht.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Big A

Volle Zustimmung, Urs!

Verantwortung ist unteilbar...

Der Auftrag ist klar, also das "was"; das "wie" ist Sache des Kommandanten / Befehlshabers; nur er (bzw  p.c. auch sie) steht auch dafür gerade.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

kgvm

War vermutlich aber auch dem Vergleich mit Luftwaffe und Heer geschuldet. wo Beförderungen und Wechsel der Positionen ja oft ebenfalls nach relativ kurzer Zeit erfolgten.
Wenn man auf Nachwuchs attraktiv wirken will, darf man keine schlechteren Bedingungen als die Konkurrenz bieten!

oldenburger67

Hallo Ihr,

Ich möchte mich recht herzlich für die rege Teilnahme an der Beantwortung meiner Frage bedanken!!!
Euch Allen ein recht herzliches Dankeschön!!!
Für mich ist diese Frage damit eigentlich erschöpfend geklärt, vor allem auch in Hinblick auf die US Navy, von der man ja nun nicht behaupten könnte, sie verfüge über zu wenig Schiffe.
Also wohl in allen bedeutenden Marinen so üblich.

Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen und einem großen Dankeschön!!!
Thomas

Rheinmetall

Guten Morgen !

Ich komme eigentlich aus dem Heeresbereich mit einer Dienstzeit während der Jahrtausendwende.
Dort war es ebenfalls durchaus üblich, dass die Zugführer / Kompanie-Chefs sich in schneller Abfolge die Klinke in die Hand gaben.
Dies war bei uns jedoch nur bei den Offizieren so, welche recht kurze Verwendungszeiten bei uns hatten.
Begründet wurde das seinerzeit damit, dass sich ein Offizier bei jedem Wechsel neu bewähren musste (also quasi kein Moos ansetzen konnte), aber auch so seine Männer und er selbst von den jeweilig gewonnenen Erfahrungen profitierten würden.
Es wurde also quasi eine Win-Win Situation auf diese Art und Weise herbeigeführt.

So wurde es uns jedenfalls damals gelehrt.  :-D

Beste Grüße,

Matze
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

kawa1705


Einspruch !
Die Verbandsbefehle kamen wohl von den Admiralen,
aber ein Kommandant führt sein Schiff selbständig im Gefecht,
entsprechend seiner Erfahrung, gut oder schlecht.

Gruß, Urs
[/quote]



OK, "militärische" Befehle ist natürlich ganz schön allgemein. Aber wenn man der Geschichte der "Bismarck" im Gefecht mit der "Hood" z.B. glauben schenken soll, hat der Admiral Lüthjens den Kapt. z. S Lindemann ganz schön die Befehlsgewalt seinen Schiffes streitig gemacht. Zitat von Lindemann "Ich lasse mir das Schiff nicht unterm Arsch weg schießen" und dann noch der Funkspruch der die Bismarck verraten hat. Welche anderen Situationen noch auf dem Schiff waren kann man nur erraten. Aber im Detail, habt Ihr als Marineoffiziere natürlich mehr Ahnung.

:MG:

Rüdiger

Urs Heßling

moin,

Zitat von: kawa1705 am 13 März 2018, 23:37:22
Aber wenn man der Geschichte der "Bismarck" im Gefecht mit der "Hood" z.B. glauben schenken soll, hat der Admiral Lüthjens den Kapt. z. S Lindemann ganz schön die Befehlsgewalt seinen Schiffes streitig gemacht.
Ja, es gibt solche Ausnahmen wie die von Dir genannte : Lütjens / Lindemann.
In Brenneckes "Tirpitz"-Buch wird eine weitere genannt, mit dem Duo Ciliax/Topp beim Ausweichen vor Lufttorpedos von Albacores der Victorious am 9.3.42.
Vielleicht waren deutsche Admirale besonders geneigt, "hineinzuregieren" ?
Im Prinzip aber gilt das zuvor Gesagte.

Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

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