Benzadrine das engl. Pervitin?

Begonnen von mfbb330, 11 Februar 2018, 15:05:46

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mfbb330

Hallo,

aus einem KTB der 3. Skl zur Feindlage im Mittelmeer vom  22.10.1942 :
Auswertung der Beutepapiere des engl. MTB Nr. 314 ...

6.) Gebrauch des "Benzadrine" Präparates gegen Ermüdungserscheinungen. 
     Benzadrine ist ein Mittel, das zur Aufrechterhaltung der Spannkraft der Besatzungen während des Einsatzes
     dient. Es wirkt durch Zurückdrängung von Ermüdungserscheinungen, hat jedoch keine dem Alkohol vergleich-
     bare stimulierende Wirkung. Die Ermüdungsreaktion tritt etwa  24 Std. später als normal ein, falls die übliche
     Dosis von  2 Tabletten genommen wird.
     Da manche Personen auf das Präparat ungünstig reagieren, sollten die Offiziere versuchsweise eine Dosis
     vor dem TENNISSPIEL oder einer ähnlichen körperlichen Übung einnehmen, um die Reaktion festzustellen.

Aus dem Schreiben geht nicht hervor, ob eine Anleitung zur Einnahme oder die Tabletten auf dem Beuteboot ge-
funden wurden.

Nach der bekannten Suchmaschine wurde das Präparat im angelsächsischen Raum seit den 30er Jahren (auch)
als Medikament verwendet, heute? z.B. noch bei ADHS.

Hier wird auch auf die Einnahme des Präparates während des Krieges insbesondere durch U-Bootbesatzungen hingewiesen.

Kann dies  jemand bestätigen?


Gruß
Dieter


Götz von Berlichingen

Zusammenfassender Vernehmungsbericht des Dulag Nord (Westertimke) vom 25.11.1943 hinsichtlich des Klein-Uboot-Angriffs auf Tirpitz am 22.09.1943:

»Durch die stark beengten Verhältnisse an Bord und die geringe Zahl der Besatzung, von denen immer je ein Mann Kurs und ein zweiter Tiefe steuern mußte, während der dritte navigierte und am Periskop beobachtete, ergab sich eine starke physische und psychische Beanspruchung, die noch gesteigert wurde durch die Gefährlichkeit der Unternehmung. Die Besatzung hat daher Gebrauch gemacht von den an Bord befindlichen Anregungstabletten mit der Fabrikmarke "Benzedrine" (vermutlich ähnlich dem deutschen Pervitin). Ein Kommandant behauptet jedoch, diese Tabletten nicht genommen zu haben.«

Mit Dank an Rudergänger für das Einstellen der betreffenden Dokumente hier:
http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,25177.msg285015.html#msg285015

Violoncello

Hallo Dieter,
Benzedrin und Pervitin gehören zu den Amphetaminen (Pervitin = Methylamphetamin, heute auch als "Crystal" bekannt.
In der Wehrmacht spielte Pervitin zu Beginn des Krieges eine große Rolle. Nöldeke und Hartmann schreiben, dass es "bei deer Truppe ziemlich unkritisch konsumiert" wurde. Der Heeressanitätspark habe in der Zeit von April bis Juni 1940 30 Millionen Tabletten Pervitin und Isophen ausgegeben. Am 1.7.1941 wurde es dann den Restriktionen des Opiumgesetzes unterworfen. Schon vorher , von April bis Dezember 1940 sei die Abgabe durch den Heeresanitätspark Berlin von 12,4 Millionen auf 1,2 Millionen Tabletten Pervitin 3mg an alle Wehrmachtsteile gesunken.
Ende 1944 wurde dann bei der Kriegsmarine Cardiazol (0,1g)-Coffein (0,05g)-Tabletten eingeführt. An U-Boot-Besatzungen sollte dieser Pervertin-Ersatz nur in Ausnahmefällen ausgegeben und die Ausgabe im "Gesundheitlichen Kriegstagebuch" dokumentiert werden.

Bei den Kleinkampfverbänden wurden Gemische aus Eukodal, Cocain und Pervitin (D IX) ausgegeben.

(Nöldeke/Hartmann; Der Sanitätsdienst in der deutschen U-Boot-Waffe, S. 207-213, Hamburg 1996)

Viele Grüße

Violoncello

Tostan

#3
Hallo,

Zitat von: Violoncello am 11 Februar 2018, 17:06:59
Benzedrin und Pervitin gehören zu den Amphetaminen (Pervitin = Methylamphetamin, heute auch als "Crystal" bekannt.

Nicht ganz, Benzedrin hatte als Inhaltsstoff Amphetamin(Alpha-Methylphenylethylamin), Pervitin Methylamphetamin(N-methyl-alpha-Methylphenethylamin). Beide gehören zur Gruppe der Phenylethylamine.

Amphetamin wird heute in der Drogenszene als "Speed" verkauft, Methylamphetamin als "Crystal" oder "Crystal Speed". Die Wirkung ist zwar ähnlich, aber allgemein gesagt ist sowohl Wirkung als auch Suchtgefahr bei Methylamphetamin wesentlich höher. Dabei sollte man aber beachten, dass die Dosierung bei Benzedrin und Pervitin wesentlich geringer war, als bei den heute als Drogen verkauften Substanzen! Daher kann man das nicht gleichsetzen.

Allgemein waren diese Medikamente zu der Zeit weit verbreitet, daher ist es wahrscheinlich dass es eben auch bei den Briten an Soldaten ausgegeben wurde die über längere Zeit einsatzfähig bleiben mussten(und optimalerweise hinterher eine längere Ruhepause hatten) wie eben die Kleinst-U-Boote oder MTBs ... oder auch Fallschirmjäger. Deutsche Fallschirmjäger bekamen meines Wissens nach auch dann noch Pervitin zugeteilt als die Vergabe schon stark eingeschränkt war ... Ob das auch damit zusammenhängt, dass Pervitin agressiver macht, was bei den Fallschirmjägern ja durchaus erwünscht sein konnte (im Gegensatz zu U-Boot-Besatzungen die lange auf engstem Raum zusammen leben mussten....Cardiazol /Coffein haben diese Nebenwirkung ja nicht in dem Maße)?

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