Verwirrende und falsche Leistungsangaben und Gewichte bei Schiffsdieseln

Begonnen von Smutje Peter, 19 November 2017, 15:50:19

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Smutje Peter

Moin zusammen.

Selbst Fachautoren wie Breyer, Gröner, und Whitley verwechseln oft die unterschiedlichen Leistungsberechnungen bei Dieselmotoren und Anlagen. Dazu kommen noch Aussagen, vor allem im Internet, wie: ,,die Leistung von Dieselmotoren wird generell in Ps(e), Turbinen immer in Ps(w) angegeben" und ähnliches.
Ziel dieses Thread ist es hier etwas Klarheit zu schaffen. Die im Folgenden von mir gemachten Aussagen und Angaben stellen meinen derzeitigen Wissenstand dar. Daten werden soweit möglich mit Quellenangaben versehen. Fehler/Fehlerquellen sind hier wohl nicht zu vermeiden und sollen gefunden werden. Es wird daher hier ausdrücklich festgestellt, dass alle Angaben, auch die von Fachquellen, in diesem Thread zur Diskussion stehen. Ganz besonders aber die von mir getroffenen Überlegungen und Schlussfolgerungen. Kritik ist also erwünscht!   

Da ich den MAN 42/58 in den Panzerschiffen für den am besten dokumentierten Motor der Fachliteratur und im Forum halte, möchte ich von diesen Anlagen ausgehen. 

Gröner gibt die Leistung der Panzerschiffe mit 54000 Wellen-Ps bei einer Drehzahl der Primärmotoren von 450 pro Minute an. Das Leistungsgewicht der Anlage der Deutschland beträgt laut Gröner 21,96 kg je Ps. Hier ist aber schon nicht mehr sicher ob sich diese Gewichtsangabe auf die Wellenleistung oder die effektive Leistung der Anlage bezieht.
Breyer nennt für Deutschland ein Leistungsgewicht von 22 kg/Ps. Durch nachträgliche An-und Umbauten von 330 kg hat sich dieses Leistungsgewicht auf 28 kg/Ps erhöht. Für Scheer und Spee wurden diese Änderungen bereits im Bau bzw. in der Planung berücksichtigt, was zu einem Leistungsgewicht von 29,4 kg/Ps (für Spee) führte. Auch hier ist nicht klar auf welche Leistung sich der Autor bezieht. (Als Quelle wird von Breyer ,,Bräkow, die Geschichte des deutschen Marine-Ingenieuroffiziers-Korps" angegeben.) Für die gesamte Motorenanlage gibt Breyer 54000 Ps (ohne Angabe ob Wellen- oder effektiver Leistung) an, und für die Fahrmotoren (M 9 Zu 42/58) 6655 Ps Dauer- und 7100 Ps(e) Kurzhöchstleistung bei 450 U/min an. Für die Hilfsmotoren (M 5 Z 42/58) nennt er 3500 Ps Dauer- und 3800 Höchstleistung bei 425 U/min.   
Koop/Schmolke geben eine Wellenleistung von 54000 Ps(e) an. (meiner Meinung nach ein Wiederspruch an sich) eine Konstruktionsleistung jedes Motors von 6750 Ps(e), eine maximale Motorleistung von 6655 Ps(e) und auch 7100 Ps(e) als Kurz-Höchstleistung bei 450 U/min. Auch für die 5-zylinder Hilfs-Motoren werden 3500 bzw. 3800 Ps für maximale und Kurz-Höchstleistung bei 425 U/min angegeben.
Whitley gibt auch die gleichen Daten an, außer der Gesamtleistung die er mit 56800 Ps(e) angibt.     
Die letzteren Drei haben auch eine sehr schöne Tabelle mit den Einzelgewichten der Maschinenanlagen der 3 Schiffe zum Vergleich abgedruckt, in der die Gewichtszuname der Anlagen gut zu sehen ist. Allerdings addieren sie alle 3 das in der Tabelle angegebene Gewicht der Schiffsbetriebsanlagen (MII) zu dem Gewicht der Antriebsanlage. (ich vermute die halten den Posten Hilfsmaschinen irrtümlich für das Gewicht der Hilfsdiesel).

Eberhard Rentzsch hat schon 1984 die meisten dieser Angaben in einem Artikel über die Antriebsanlage der Deutschland in der Zeitschrift Schiff und Zeit Band 20 (Koehlers Verlagsgesellschaft) gemacht. (PeterK bezieht sich in seinem Post über den Verbrauch der Panzerschiffe auch auf diesen Artikel). Einige der oben genannte Autoren haben seinen Text, in ihren Büchern, teilweise wörtlich übernommen. Er beschreibt auch den Unterschied zwischen effektiver und Wellenleistung. Er gibt die Motorengewichte der Deutschland mit 11,5 kg/Ps(e) an, und nennt eine Leistung der 8 Fahr-Motoren von je 7100 Ps(e) zusammen 56800 Ps(e). Weiter schreib er, dass davon noch die Übertragungsverluste, vor allem in den Vulkan-Getrieben, von rund 3-4% abgezogen werden müssen. Er errechnet daraus eine Wellenleistung von 54530Ps(w).   
(Rentzsch gibt auch Quellenangaben mit u.A. Laudahn und mehrere Dokumente der MAN an).

Fazit zum 1. Post

Die effektive Leistung in Ps(e) ist die am Flansch des Motors gemessene Leistung.
Die Wellenleistung in Ps(w) oder WPs ist die Summe der Leistung der Fahrmotoren, die nach Abzug der Übertragungsverluste (z.B. in den Getrieben oder durch die Reibung der Lager) an die Schraube oder die Schrauben abgegeben wird.
Die Leistung der Hilfsmotoren geht nicht in die Wellenleistung ein. Sie dient der Erzielung der effektiven Leistung der Fahrmotoren.

Das Gewicht der Antriebsanlage setzt sich aus dem Maschinen-Gewicht (Fahr- und Hilfsmotoren, Getriebe(n), Lüftern, zugehörigen Leitungen und Geräten), den Schiffsschrauben, den Wellen/Wellenleitungen (incl. den Lagern) und den Maschinengeräten zusammen. 

   

Gruß

Peter aus Nürnberg

Smutje Peter


All diese Leistungsangaben beziehen sich auf die Konstruktionsleistung. Das ist die Leistung nach der die Konstruktionsgeschwindigkeit des Schiffes berechnet wird. Die Deutschland hat diese Leistung (54000 WPs) nie erreicht. Bei den Probefahrten hat sie mit 48390 Ps 28 kn auf Konstruktionsverdrängung (12630 t) erreicht (Quelle Koop). Hadeler gibt die Konstruktionsgeschwindigkeit für Deutschland mit 27,5 kn (bei 54000 Ps) an.

Die Von den meisten Quellen genannten 26,0 kn beziehen sich meiner Meinung nach auf die Dauerhöchstgeschwindigkeit bei Einsatzverdrängung.

Auch Scheer hat die Konstruktionsleistung mit 52000 Ps verfehlt. Aber auch sie hat die Konstruktionsgeschwindigkeit mit 28,3 kn übertroffen.

Ich vermute, dass die, bei gleicher Länge rund 1000 t schwerere Scheer rechnerisch eine geringfügig geringere Konstruktionsgeschwindigkeit als Deutschland hatte.

Spee war noch ein bisschen schneller (28,5 kn bei der Probefahrt). Sie hat die Konstruktionsleistung erstmals übertroffen. Dafür war ja auch ihre Antriebsanlage die schwerste, und sie profitierte von den Erfahrungen mit den beiden älteren Schwestern. 

Mit nochmal gut 1000 t höherer Verdrängung war sie vermutlich aber rechnerisch nochmal etwas langsamer als Scheer. Ein Hinweis dazu gibt die nicht mehr durchgeführte Umbauplanung. In dem Schreiben: Marinekomanmdoamt B.Nr. A V f 7774/38 Gkdos. (Berlin 23.11.38) wird eine Höchstgeschwindigkeit von Spee von 27,2 kn vor dem Umbau erwähnt.

Anmerkung:
Die Kursiv gesetzten Textpassagen sind nur Vermutungen von mir, also nicht durch Quellen belegt! 
Gruß

Peter aus Nürnberg

Smutje Peter


Das zeigt auch wie schwer es ist Geschwindigkeitsangaben zu vergleichen. Besonders wenn es sich um Fahrzeuge verschiedener Nationen handelt. So konnte die HMAS Sydney am 19 Juli 1940 den auf dem Papier 5 kn schnelleren italienischen Kreuzer Bartolomeo Colleoni stellen und versenken, während die auf dem Papier 6 kn schnellere Hood während er Münchner Kriese 1938 beim Versuch scheiterte Scheer zu verfolgen, der zu dem Zeitpunkt (kurz vor seinem Umbau) das Langsamste der 3 deutschen Panzerschiffe war.

Gruß

Peter aus Nürnberg

Smutje Peter


Nach der Deutschland-Klasse hatte die Marine für ein paar Jahre das Interesse am Dieselantrieb verloren. Die Panzerschiffe D und E wurden von Diesel auf Hochdruck-Heißdampf umgestellt. Nach der ursprünglichen Planung sollten die beiden Schiffe auf 12 Zylinder vergrößerte Motoren der Deutschland Klasse erhalten. M 12 Zu 42/58. Als Hilfsmotoren waren M 6 Z 32/44 vorgesehen. (Also auf 6 Zylinder verkürzte Nürnberg-Motoren).
Da der Leistungs-Bedarf für die Lüfter-Motoren immer noch mindestens 20% der Leistung der Fahrmotoren betrug reichen 4 solcher Motoren hier nicht mehr aus. D muss 8 Fahr- und 8  Hilfsmotoren gehabt haben. Die Leistung der Fahrmotoren lag bei je ca. 9500 Pse die der Hilfsmotoren bei je ca. 2700 Pse. Die gesamte Anlage leistete 70-72000 WPs. Das Leistungsgewicht der Anlage schätze ich auf 27 bis 28 kg je Ps.
Weitere Daten zum Antrieb von D habe ich nicht, es sei jedoch auf die Rekonstruktion von D hier im Forum verwiesen, die diese Schiffe ausführlich behandelt.

Gruß

Peter aus Nürnberg

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