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Sehr geehrter Herr Reich,vielleicht ist es möglich, über die vielen mit Ihnen im Historischen Marinearchiv zusammenarbeitenden Spezialisten etwas herauszufinden über die Zweckbestimmung eines bis Kriegsende zu Dreivierteln fertig gestellten Sauerstoffwerks? Mich beschäftigt schon lange die Frage: Was wurde im „Forschungsinstitut der Reichmarine“ (erbaut zwischen 1943 und 1945 in Bremen-Huchting, Obervielander Str. 32) geforscht? Die Bezeichnung stammt aus einer Festschrift der evangelischen St. Georgs Gemeinde, der zuvor ein Teil des Geländes gehörte. Im Staatsarchiv gab es wenige Dokumente, die sich vor allem auf die Nachnutzung nach dem Krieg beziehen. So hatte der Senat erwogen, in der Halle Industriestärke oder Schokolade produzieren zu lassen und entschied sich später für den Eisenhandel.Durch Luftbildsichtung beim Kampfmittelräumdienst kann man erkennen, wann das Gebäude mit Anschluss an die Bremen – Thedinghauser Eisenbahnstrecke, gebaut wurde. Aus dem Bauaktenarchiv habe ich Planzeichnungen des Institutsgebäudes und der Personalbaracke entnommen. Es steht daran nichts über den genauen Verwendungszweck. Fundamente für ein Gasometer sind zu erkennen. Das Gebäude wurde nicht vor Kriegsende fertig und seiner eigentlichen Verwendung nicht zugeführt. Nach dem Krieg wurde das Firmengelände von Heinrich-August-Schulte -heute Thyssen-Krupp-Schulte- als Eisenrohmaterialhandel ausgebaut. Mit dem dortigen Betriebsleiter habe ich gesprochen. Er weiß, dass das Gebäude für Zwecke der Marine 1944 entstand, aber nicht wozu.Trotz intensiver Recherche habe ich nicht viel Klärendes herausgefunden. Der Huchting – Chronist Andreas Fetchenhauer war eigens nach Freiburg zum Militärbundesarchiv gereist, fand dort aber nichts. Die von ihm interviewten Zeitzeugen sprachen von einer „Gasfabrik“ , dazu erschien ein WK-Artikel 2003. Aus Allem folgere ich, es könnte sich um eine Luftzerlegungsanlage zur Gewinnung von Sauerstoff im Zusammenhang mit dem für Bremen geplanten U-Boot Bau gehandelt haben, die absichtlich abseits der bombardierten Areale im ländlichen Huchting im letzten Kriegsjahr fertig gestellt werden sollte. Tatsächlich gab es am Industriehafen F ein von Bombardierung zerstörtes Sauerstoffwerk, welches an eine unauffällige Stelle verlegt werden sollte.Aus einem Brief des Baubeauftragten des Reichsverteidigungskommissars Weser-Ems vom23.02.1945 erkenne ich, dass die Einsatzgruppe Hansa der OT die Rechnungen für den Bau übernehmen wollte. Von der Organisation Todt war eine Oberbauleitung WERNER involviert (wissen sie darüber etwas?).Für jeden Hinweis, der mich voran bringt, bin ich dankbar und grüße erwartungsvoll.Ute Boikat
Was den Begriff betrifft haben Sie vollkommen recht. Meine Annahme ist, dass der Pastor der St. Georgs Gemeinde in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Kirche im Jahr 1979 nicht so einen martialischen Ausdruck haben wollte, denn schließlich hatte ja die Kirche dem Staat im März 1943 die Fläche für 12 500 RM verkauft, wie ich im Kirchenarchiv herausfand. Dort steht nämlich die Bezeichnung „Grunderwerb für das Marinebauvorhaben Werner“.Ich hatte auch ergiebigen Kontakt zum BAYER-Archiv (als Nachfolger von IG Farben). Die dortigen Historiker sprechen vom „Verlagerungsprojekt Huchting“ für das am Hafen F gelegene Sauerstoffwerk. Es hatte 1943 starke Schäden durch Luftangriffe.Es bleibt aber offen, wozu der Sauerstoff verwendet werden sollte und nach welchem Verfahren und mit welcher Energiequelle er gewonnen werden sollte.Also, vielen Dank für die Kooperation, mit freundlichen GrüßenUte Boikat
Die Marine dürfte im vorliegenden Fall als Hauptabnehmer des Sauerstoffs vorgesehen gewesen sein. Dafür spricht nicht nur die Lage bei der Hafenstadt Bremen fernab von Raketen, sondern vor allem die Auftraggeberschaft der Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven. Als Bevollmächtigter der Kriegsmarine agierte Marineoberfeldintendant Hermann Lauterwald mit dem Ziel, das Gelände von der ev. Kirche für das Marinebauvorhaben „Werner“ zu kaufen. Es wurde ab 1.4.1944 Eigentum der Kriegsmarine.
In Bitterfeld – dem Hauptstandort der IG Farben in Puncto Sauerstoffherstellung – wurde chemischer Sauerstoff im Naszogen – Verfahren hergestellt. Dabei wurde die Sauerstoffgewinnung durch Zersetzung von Chloraten oder Perchloraten (laut Akten vor allem Kaliumchlorat) mittels Erhitzung betrieben. Als Energieträger wird „in der Hauptsache elektrischer Strom“ genannt.Diese Verfahren wären bei Inbetriebnahme vermutlich (!) so auch in Kirchhuchting zum Einsatz gekommen – zumindest ist keine Änderung des Verfahrens in den von mir durch gesehenen Beständen festzustellen.
was mich betrifft, so bin ich dankbar, das ich hier mit diskutieren darf°°°vorstellen - was wollt Ihr wissen?