Altmark-Zwischenfall

Begonnen von Mark Alt, 21 April 2017, 18:52:04

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Hägar

Zu #58
Die Frage ist zwar interessant, geht aber doch etwas an der Sache vorbei, weil zu sehr im Eindruck des Ereignisses und aus der Rückschau gestellt.

ALTMARK fuhr in neutralen Hoheitsgewässern und durfte 'an sich' damit rechnen, dass diese von den Briten respektiert würden.
Es gab zu dieser Zeit keinen konkreten Anlass zu argwöhnen, dass sie von britischen Streitkräften aufgebracht werden könnte/würde.
Schließlich ließ man ja auch die 'normalen' Handelsschiffe in Ruhe, die z.B. das kriegswichtige Erz nach Süden schipperten.
'Natürlich' gab in der Zeit vor 'Weserübung' Neutralitätsverletzungen von beiden Seiten, aber die waren eher 'im Rahmen des Erwartbaren' mit dem einhergehenden diplomatischen Geplänkel.
Zuvor hatte auch die WESTERWALD in gleicher Funktion und Eigenschaft als Staatsschiff die norwegischen Leads benutzt, ohne dass sie von den Briten aufgebracht worden wäre.
So gesehen, war die ALTMARK auf dem norwegischen Küstenweg 'an sich besser' geschützt, als es eigene Streitkräfte außerhalb vermocht hätten, nämlich völker- und neutralitätsrechtlich.

Um keine Verwicklungen heraufzubeschwören, sollten die Gefangenen auf ALTMARK unter Deck sein und den Norwegern gar nicht zu Gesicht kommen – vorbeugende Camouflage also.
Man war ja Staatsschiff und deshalb auch nicht zu untersuchen. Insofern sollte sich die ALTMARK also nach außen nicht anders darstellen und behandelt werden als die WESTERWALD.

Der wesentliche Unterschied WESTERWALD/ALTMARK waren aber trotzdem die 300 britischen Staatsbürger, die aus britischer Sicht ins Feindesland verschleppt werden sollten.
Das durfte in den Augen des wellenbeherrschenden Britannien nun auf gar keinen Fall sein, weil auf jeden Fall eine politische Niederlage und Blamage – Neutralitätsrecht hin oder her.
Da galt ganz schlicht: Right or wrong – my country!
'SoundsoLand first!' ist in unseren Tagen ja auch nicht ganz unbekannt.
Und ich wage mal die These: Wären das OKM bzw. der Alleröberschte in britischer Position gewesen, wäre in Sachen einer 'OLDMARK' auch nicht anderes passiert, halt nur mit anderem Vorzeichen.
Vor einer solchen Folie hätte man vielleicht in Deutschland mit der britischen Aktion rechnen können.

Offensichtlich ging man in Deutschland aber von einer hinreichend sicheren Situation in norwegischen Hoheitsgewässern aus – und vertraute dabei auf die völkerrechtliche Gesetzesaffinität der Briten, so ironisch kann Geschichte sein.
Es gab für die Seekriegsleitung also keinen Grund, eine eigene Streitmacht nach Norden zu schicken.
Und als sich die Ereignisse vor und im Jøssingfjord zuspitzten, wäre es ohnehin nicht mehr möglich gewesen, so schnell vor Ort zu sein, um irgendwie einzugreifen oder etwas zu verhindern.

Gruß – Hägar

Umzugskarton

#61
Wenn man mal das KTB liest, stellen sich einige Dinge durchaus anders dar. Insbesondere lassen sich die Aussagen:

Zitat von: Hägar am 29 Januar 2021, 10:34:47
[...] zu sehr im Eindruck des Ereignisses und aus der Rückschau gestellt.
[...]
Es gab zu dieser Zeit keinen konkreten Anlass zu argwöhnen, dass sie von britischen Streitkräften aufgebracht werden könnte/würde.

Schließlich ließ man ja auch die 'normalen' Handelsschiffe in Ruhe, die z.B. das kriegswichtige Erz nach Süden schipperten.
[...]

nicht untermauern.

Einfach mal das KTB lesen.

Spannend wäre es jetzt, parallel dazu das britische Pendant zum dt. KTB lesen. Das ist aber nicht veröffentlicht, oder? - Ich finde jedenfalls nix.

Beste Grüße

michael-1

Zum 14.2. findet sich im KTB der SKL folgender Eintrag:

ZitatEine unmittelbare Sicherung bei "Altmark" ist von der Gruppe nicht vorgesehen,

Gemeint ist Gruppe West, die mit der Heimführung beauftragt worden war. Und weiter:
Zitatbei günstiger Wetterlage jedoch Luftaufklärung im Skagerrak. ... findet Rückmarsch zunächst innerhalb der norwegischen Hoheitsgewässer statt, die gegenüber den häufiger festgestellten Bewegungen feindlicher leichter Streitkräfte im Raume Shetlands-Norwegen die größere Sicherheit zu bieten vermögen.

In den KTB finden sich Nachweise zur Handelsschiffahrt, insbesondere die heimkehrenden deutschen Handelsschiffe, für die man in Murmansk extra die "Basis Nord" eingerichtet hatte. Über diese Zwischenstation ging es dann unter Ausnutzung der norwegischen Hoheitsgewässer nach Süden. Kritisch war eigentlich nur der "Sprung" über den Skagerrak. Der Erzverkehr von Narvik lief zwangsläufig weiter, der Bottnische Meerbusen war im Winter zugefroren.

Gleichzeitig lief der Handelsverkehr zwischen England - Skandinavien - Baltikum weiter. Diesmal unter Ausnutzung der schwedischen Hoheitsgewässer, z. Teil über Binnengewässer von der Ostküste Schwedens bis Göteborg, dann entlang der norwegischen Küste bis Bergen und von dort über die Nordsee zu den britischen Inseln. Dieser Verkehr wurde von der RN permanent abgesichert. Es gab auch besonders gekennzeichnete Schiffe, unter Abstimmung mit dem Dritten Reich, für den Warenaustausch Dänemark - England.

Churchill, er äußert sich in "Der zweite Weltkrieg" ausführlich zu dem Thema, wurde von deutscher Seite falsch eingeschätzt. Das England durch die Kapitäne und Offiziere, die in Montevideo freigelassen wurden, von den Gefangenen auf der Altmark wissen musste, davon sollte die SKL ausgegangen sein.

Aber selbst wenn man die englischen Pläne gekannt hätte, waren die eigenen Mittel zu begrenzt. Dazu kamen die wetterbedingten Einschränkungen - Eisgang, die wenige Tage später zum Abbruch des Unternehmens Nordmark führten. 

kalli

#63
Zitat von: michael-1 am 29 Januar 2021, 13:55:34
In den KTB finden sich Nachweise zur Handelsschiffahrt, insbesondere die heimkehrenden deutschen Handelsschiffe, für die man in Murmansk extra die "Basis Nord" eingerichtet hatte. Über diese Zwischenstation ging es dann unter Ausnutzung der norwegischen Hoheitsgewässer nach Süden.

Das ist eine sehr gewagte Aussage. Der Zweck (falls dieser überhaupt eindeutig definiert wurde) der Basis Nord war ein anderer.
Im Winterkrieg zwischen Finnland und der UdSSR rückte die Basis Nord gefährlich an das Kampfgeschehen und beeinträchtigte alle Aktivitäten und tendierte gegen Null. Selbst auf die angedachte Versorgung der Hipper wurde mit Rücksicht auf die Briten verzichtet. Es tat sich dort praktisch nichts. Siehe dazu die "Baumbach-Papiere".
Nebenbei, die Basis Nord befand sich in Sapadnaja-Liza. Ist eine ganze Ecke von Murmansk entfernt.

Hägar

Ad #62

Besten Dank für den Hinweis auf das KTB Skl – wie dumm von mir, das nicht zu kennen.
Was das Pendant betrifft, 'einfach mal in fold3 reinschauen'.

Wäre ja schön, wenn Du konkret werden könntest, was Deine gegenteilige Ansicht an den zitierten Aussagen betrifft.
Hat man Deinem Verständnis des Skl-KTBs nach doch argwöhnt oder damit gerechnet, dass die Briten die ALTMARK in norwegischen Gewässern aufbringen könnten?
Welche Erzfrachter sind denn aufgebracht worden?
Vielleicht ist mir da ja was entgangen – man lernt ja gern dazu.

Gruß – Hägar

michael-1

#65
Zitat von: kalli am 29 Januar 2021, 14:51:19
Das ist eine sehr gewagte Aussage.

kalli hat Recht! Vielen Dank! Nix Handelsschiffahrt!

Hätte besser vorher nachgesehen. Habe das nachgeholt  (Suche im pdf, Teil A) und gefunden:

Am 23.10 gibt es das zwar das Kapitel "Handelsschiffahrt"  darunter, aber durch "------" abtrennt:
ZitatA (A II) erhält Weisung zur Ausrüstung und Bereitstellung eines Tankschiffes mit etwa 6000 cbm Gasöl und einem auf ein Vierteljahr berechneten Bedarf eines Panzerschiffes an Proviant, Betriebs-und Verbrauchsstoffen ... zur Schaffung von Versorgungsmöglichkeiten für "Basis Nord". ...

am 30.10. findet sich der Eintrag:
Zitatüber die Basis "Nord" geht folgende Unterrichtung an die Panzerschiffe:
Ft 1643/30, Ft 1625/30, Ft 1553/31
"Da Murmansk als Nachschubbasis nicht isoliert genug,hat RuBland Sapadnaja Liza Bucht im gesperrten Grenzgebiet westlich Murmansk zur Verfügung gestellt. Eismeerflotte ist unterrichtet. Zunächst Verlegung behelfsmäßigen Nachschubschiffes, später Werkstatt- und Versorgungsschiffes für Panzerschiffe und U-Boote beabsichtigt. Anlaufen im Notfall jetzt schon möglich. Über Form örtlicher Anmeldung wird noch verhandelt. Näheres folgt. Bis auf Weiteres Anmeldung durch
Skl. erforderlich."

Die genannte Bucht wird mit dem Decknamen "Basis Nord" bezeichnet.


am 27.11. Gibt es dann noch eine Weisung des B.d.U., dass die Versorgung von U36 zur Erprobung Basis Nord und Verlängerung Operationszeit weiter vorzusehen sei.

Zum Dezember keine Fundstelle.

am 13.1. findet Basis Nord dann wieder Erwähnung, und zwar unter dem Aspekt der nicht mehr möglichen Sicherstellung der Seeverbindung zur Basis Nord im Falle einer deutschen Besetzung Norwegens, da
Zitat"die Sicherheit der neutralen norwegischen Hoheitsgewässer in Fortfall kommt".

weiter habe ich nicht gesucht.



michael-1

Hallo Hägar,

jetzt verstehe ich  auch Deine Antwort auf #58!

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