Besatzungsmitglieder auf Handelsschiffen

Begonnen von Rheinmetall, 03 Februar 2017, 01:34:13

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Rheinmetall

Guten Morgen Hans / alle anderen zusammen !

Da ich nicht wußte, wo ich meine kommende Frage am besten untergebracht wäre, habe ich mich für diese Rubrik hier entschieden.
Evtl. ließt Hans ja mit und kann aus seiner Fahrenszeit die ein oder andere wertvolle Erfahrung bei steuern.  :wink:

Und zwar würde mich interessieren, jetzt nachdem ich auf meiner vergangenen Kreuzfahrt so viele Containerschiffe und Tanker live in Aktion gesehen habe, wie es mit der Besatzungsstärke bei diesen riesigen Pötten steht.

Bei Wiki sind die meisten Containerschiffe mit einer Besatzungsstärke von um die 20 Mann angegeben, wobei es auch Ausreißer nach unter gibt, so dass die Crewstärke der Emma Maersk-Klasse z.B. mit lediglich 13 Mann angegeben wird.  :-o
(Was ich für verdammt wenig halte.)

Nun hätte ich gerne gewußt, aus was für Leuten / Berufen sich die Besatzung zusammen stellt.
Es gibt ja den Kapitän, seinen Stellvertreter und vermutlich noch dessen rechte Hand (2. Offizier, wenn nicht sogar noch ein 3. Offizier).
Dazu kommt dann noch der Leitende Ingenieur und der wichtigste Mann überhaupt an Bord, der Smutje, was dann die Zahl der Personen welche ich aufzählen kann, auf insgesamt fünf bis sechs erhöht.
Aber aus was setzt sich die restliche Besatzung zusammen ?

Wie werden auf Handelsschiffen die Wachen gegangen, es muss ja rund um die Uhr jemand auf der Brücke parat sein, aber wie geht das bei z.B. der o.g. nur 13 Mann Gesamtstärke ?
Ab wann / welcher Mannstärke muss Sanitätspersonal bzw. ein Arzt mit an Bord sein und wie sieht der Alltag eines heutigen Seemannes auf einem solchen Schiff aus ?
Und wie verbringt er normalerweise seine "Freizeit", wenn man das so nennen kann ?
Hat bei einer so geringen Besatzungsstäke dann jeder Mann sogar vielleicht eine eigene Kabine, oder sind diese mehrfach belegt ?
Habe schon versucht Bilder hier von zu bekommen, aber leider hält sich das Internet dabei sehr bedeckt.  :-(

Gibt es darüber hinaus eine Nationalität / Volksgruppe, welche besonders gerne als Besatzungsmitglieder auf Schiffen angeheuert werden ?
An Bord unserer Kreuzfahrtschiffes sah ich z.B. überdurchschnittlich viele Besatzungsmitglieder, welche ich in Richtung Südostasien (Malaysia, Philippinen) eingeordnet hätte.
In den Büchern von Jochen Brennecke ließt man ja auch oft von Malayen, Laskaren oder Chinesen (besonders für die Bordwäscherei), welche als Besatzungsmitglieder auf Handelschiffen diente.
Greift man auf diese zurück, weil sie einfach billige Arbeitskräfte sind / waren, oder haben diese ein gewisses "Seefahrts-Gen" ( :-D) ?

Fragen über Fragen, aber es wäre sehr schön, wenn die ein oder andere beantwortet werden würde.

Vielen Dank schon einmal im Voraus und mit den besten Grüßen,

Matze
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

harold

Servus,
war mal mit'm Container unterwegs, BJ 2007, siehe
http://www.schiffbilder.de/bild/Unternehmen~Frankreich~CMA+CGM/10860/cma-cgm-fortuna-passiert-luehe-am.html

Ab wann / welcher Mannstärke muss Sanitätspersonal bzw. ein Arzt mit an Bord sein -
- es gab einen recht solide im Sanitätsfall ausgebildeten 3/O, und die medizinische Station war sein ganzer Stolz. Im Extremfall (Appendix o.ä. Chirurgisches) wäre er von Land aus unterstützt worden (seine Auskunft).-
- ein Arzt "verpflichtend" an Bord muß erst ab mehr als 12 Passagieren. Mit ein Grund, warum die Frachtschiff-Reisen nie mehr als 12 Plätze anbieten...

Wie werden auf Handelsschiffen die Wachen gegangen
- 00-04 / 04-08 / 08-12 / 12-20 /  20-00 war's (erinnerungsmäßig) damals auf der "Fortuna". 1 Mann Brücke, 1 Mann Maschine (jederzeit),
... Hafen bzw Lotsenmanöver waren die Ausnahme (Captain on Bridge), zB 21:00 los Hamburg bis Cux etwa 03:20 in Abwechslung drei Lotsen (Hafen - HH bis Brunsbüttel - Brunsbüttel bis Cux), formeller Rudergänger (Msm), 1/O auf Brücke...
... nächste Nacht, Channel: der 2/O alleine auf Brücke - der Traffic wird wie Autobahn durchgefädelt. Ein portugiesischer Fischer ist mittendrin, hat Netz im Schlepp - auf Kanal 16 wird red-red-passage vereinbart, passt;
...
und wie sieht der Alltag eines heutigen Seemannes auf einem solchen Schiff aus ?
Und wie verbringt er normalerweise seine "Freizeit", wenn man das so nennen kann ?
-
- es gab -für die philippinische Mannschaft- erstaunlich viele Karoake-Discs. Wir haben miteinander auch anständig gebechert (Rotwein mit Eiswürfel drin, grauslich!) und natürlich hab ich mir auch Lebens-Entwürfe bzw -Phantasien anhorchen können.
Das Wichtigste war ihnen eine im jeweiligen Hafen mögliche Skype-Verbindung nach Hause - die Fotos seiner Liebsten hatte jeder an sich.
Die ABS bekamen damals so etwa $ 380.-/Monat, manche haben das komplett nach Hause überwiesen, andere hatten protokapitalistische Träume.-
Captain Pastrana (bis auf ein paar Tage gleichalt wie ich, keine Ahnung über sein Einkommen) hat mir farbenfrohest seinen Traum geschildert, "to steer a sturdy sailboat", wenns geht nahe bei seiner Heimatinsel, ...

... most important Port: Cartagena. 2 1/2 Tage Liegezeit. Holla die Waldfee, vom Hafen angefangen bis zur Stadt, ein Puff am andern, Preise steigen zum Zentrum. In der Mannschaftsmesse gabs ne Grabbelkiste mit Kondomen (die wird vom 3/O beschickt), die leerte sich ziemlich.-

... Highlight mitt'm aufm Atlantik: wir grillen uns ein Schweinchen. Das Öfchen besteht aus einer längs halbierten Benzin-Tonne und steht direkt neben den Treiböl und Diesel-Übernahme-Stutzen.
Der Captain spendiert einen Kasten Bier, ich als einziger Passenger auch einen, zwei weitere kommen von Maschine und officers/bridge.-

Hat bei einer so geringen Besatzungsstäke dann jeder Mann sogar vielleicht eine eigene Kabine, oder sind diese mehrfach belegt ?
- siehe Liste im Anhang, ja.

Soweit mal, Stand der Info = März 2010

:MG: Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Moti1980

Moin Matze,

auch hier lässt sich deine Antwort nicht pauschal beantworten.

Wie du dir denken kannst, ist die Größe der Besatzung abhängig von Schiffstyp, Größe, Leistung und Fahrtgebiet des Schiffes.

Hier ein paar Beispiele:

Ein Kümo (Küstenmotorschiff) kommt meist mit 5 Mann Besatzung aus. Diese besteht dann aus dem Kapitän, 1. Offizier, den Chief Ingenieur (oder bei max. 750 kw Antriebsleistung / Schiffsmaschinisten) und zwei Vollmatrosen. Gefahren wird hier in 2 Wachen im 6er Wachstopp. Das ist natürlich sehr anstrengend, jedoch fahren diese Schiffe häufig nicht durchgängig, da sie häufiger ankern.

Ein kleineres Containerschiff (Feederschiff) besteht aus meist 10 Personen. Diese besteht dann aus dem Kapitän, 1. und 2. Offizier, den Chief Ingenieur, den 2. Ingenieur, den Schiffsmaschinisten (Oiler), den Schiffskoch sowie 3 (Voll-) Matrosen. Gefahren wird grundsätzlich hier in 3 Wachen, wobei häufig die Maschine nur tagsüber besetzt ist. Des Weiteren müssen Kapitän und 1. Offizier sehr flexibel sein, da der eine bei Revierfahrt auf Brücke sein muss (oder will) und der andere als Ladungsoffizier während des Ladungsumschlages im Dienst sein sollte. Meiner Meinung nach, ist das Fahren auf einem Feederschiff am stressigsten, da sich kurze Seereisen mit kurzen Liegezeiten im Hafen ablösen.

Bei größeren Schiffen vergrößert sich meist die Anzahl der Offiziere um einen 3. Offizier und einen 3. Ingenieur. Bei den Mannschaften kommen weitere Schiffsmaschinisten, Matrosen und ein Steward/Hilfskoch hinzu.

In Deutschland gibt es den Ausbildungsberuf des Schiffsmechanikers. Diese (gut ausgebildeten) Leute können als Vollmatrosen auf Brücke sowie in der Maschine fahren.

Bis auf den Hapag Lloyd und Aida Schiffen sind deutsche Besatzungsmitglieder nicht sehr häufig. Meiner Erfahrung nach kommen Schiffoffiziere häufig aus Osteuropa und die Mannschaften von den Philippinen. Im Allgemeinen ist aber "Multikulti" angesagt.

Auf Handelsschiffen sind keine Schiffsärzte und Sanitäter vorgesehen, da deren Besatzungsanzahl zu klein ist.  Für die medizinische (Not-) Versorgung sind aber Teile Besatzung ausgebildet (erweiterter Ersthelfer). Auch wird je nach größe des Schiffes ein Schiffslazarett vorgehalten.

Freizeit kann und wird bei Seeleuten leider sehr klein gehalten. Ursache hierfür sind auch hier die geringe Besatzungsstärke und die geringen Liegezeiten in den Häfen. Im Gegensatz zu früher haben die aber eine eigene Kabine (Ausnahme: Auszubildene).

Fazit: Mann sollte sich dehr gut überlegen, ob man den Job eines Seemannes ergreifen möchte...

Stefan 


FAUN

Früher war alles besser, mußte ich auch feststelle. Eigentlich wurde schon alles geschrieben, deshalb nur 2 Beispiele:

1.) Feederschiff, ca. 1.400 TEU, Fahrtgebiet Nord- und Ostsee, ~15.000 kW/~20.500 PS. 17 Mann Besatzung + Kapitän (wir erinnern uns, der Kapitän gehört nicht zur Besatzung da er der Vertreter der Reederei (Arbeitgeber) ist).
Aufteilung: Kapitän (Deutscher), Chief Mate/1. Offz. (Russe), Chief/Leit. Ing. (Deutscher),
2. u. 3. Offz. sowie 2. u. 3. Ing. (Philippinos), Blitz/Elektr. (Philippino)
Storekeeper, Bootsmann, Matrosen, Motorenwärter, Koch und Steward (Philippinos)
Matrosenazubi (Deutscher).


2.) Containerschiff, ca. 3.400 TEU, Fahrtgebiet Nordseehäfen -Westküste Südamerika, ~25.000 kW/~34.000 kW, 20 Mann + Kapitän
Aufteilung: Kapitän (Russe), Chief Mate (Pole), Chief (Lette), 2. Ing., Blitz und Storekeeper (Ukrainer),
2. u. 3. Offz., 3. Ing. (Burmesen)
Bootsmann, Matrosen, Motorenwärter, Koch und Steward (Burmesen)

Wobei die Philippinos bzw. Burmesen, unabhängig vom Dienstgrad, alle in der Manschaftsmesse aßen. Der ukrainische Storekeeper aß dagegen in der Offz.-Messe.
Einen Arzt gab es nicht, dieses übernimmt der 3. Offz., Ärzte sind, wie schon in einem Beitrag erwähnt, erst ab 12 Passagieren vorgeschrieben. Einen Funker, einen Steward der Mannschaftsmesse oder einen Bäcker gibt es nicht mehr.

Die Wachen wurden auf beiden Schiffen im 4 Stundenrhythmus gegangen. 0-4/12-16 2.Offz., 4-8/16-20 1. Offz. u. 8-12/20-24 3.Offz. Die Maschinen 8/16, 8Std. besetzt, 16 Std. wachfrei. Bei Manöver- bzw. Revierfahrten natürlich mit Wache.


Rheinmetall

Hallo Ihr drei !

Herzlichen Dank für Eure interessanten Beiträge, über welche ich mich sehr gefreut habe.

@ harold:
Hast Du vielleicht Bilder vom "Innenleben" von Deiner Reise / der "CMA CGM Fortuna" ?
Mich würde es echt sehr interessieren, wie ein Seemann heut zu Tage auf einem Container lebt und wie z.B. die Messe, der Sozialraum, die Kombüse und die Waschräume aussehen.
Könntest Du hier vielleicht welche einstellen ?

@ FAUN:
Danke für Deine Beispiele.
Aber könntest Du vielleicht noch kurz erklären, was ein "Blitz" / "Storekeeper" ist ?
Was mich wundert ist, dass in Deinen Beispielen der Kapitän nicht zur Besatzung gezählt wird.
Ist das immer so, oder nur in Deinen Beschreibungen ?
Es leuchtet mir schon ein, dass dieser der dienstgradhöchste Vertreter der Reederei an Bord eines Schiffes ist, aber was ist dann mit dessen Stellvertreter (Erster Offizier) ?  :-D

Matze

Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

FAUN

Also, der "Blitz" ist der Bordelektriker, er gehört zur Maschine. Er ist auch Mitglied der Offz.-Messe. Den Storekeeper könnte man als Vorarbeiter oder Werkstattmeister in der Maschine bezeichnen, ihm unterstehen die Motorenwärter.

Für jedes Schiff muß ein Schiffsbesatzungszeugnis erstellt werden, dies macht die Berufsgenossenschaft nach den gesetzlichen Vorgaben des Verkehrsministeriums und auf Antrag des Reeders. Hier steht natürlich auch der Kapitän drauf. Imfolgende kannst Du sehen, daß die Aufgaben des Reeders auf dem Schiff an den Kapitän übergehen, deshalb seine Sonderstellung an Bord. Der 1. Offz. ist sein Stellvertreter, aber nur im Falle des Ausfalls des Kapitäns mit dessen Befugnissen ausgestattet.

Schiffsbesetzungsverordnung (SchBesV)
§ 2 Verpflichtungen des Reeders

(1) Der Reeder hat das Schiff nach Anzahl, Befähigung und Eignung der Besatzungsmitglieder so zu besetzen, dass

1.die Schiffssicherheit,

2.der sichere Wachdienst,

3.die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitsschutzes einschließlich des Arbeitszeitschutzes, des Gesundheitsschutzes, der medizinischen Betreuung an Bord und des maritimen Umweltschutzes,

4.die Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an Bord und5.die sprachliche Verständigung der Besatzungsmitglieder untereinandergewährleistet sind.
Bei der Besetzung des Schiffes sind ferner die betrieblichen Voraussetzungen, insbesondere der Schiffstyp, der Automationsstand, die Ausrüstung, der Einsatzzweck, die Hafenfolge, das Fahrtgebiet und die Art der zu befördernden Ladung zu berücksichtigen.

(2) Der Reeder hat unbeschadet seiner Verpflichtung nach Absatz 1 und der Verpflichtungen des Kapitäns nach § 3 dafür zu sorgen, dass

1.das Schiff entsprechend dem auf Grund des § 8 Absatz 1 ausgestellten Schiffsbesatzungszeugnis besetzt ist,
2.die Anordnungen der Berufsgenossenschaft nach § 9 Absatz 2 Satz 1 befolgt werden und
3.das Schiffsbesatzungszeugnis an Bord mitgeführt wird.

Für den Kapitän gilt:

Schiffsbesetzungsverordnung (SchBesV)
§3 Verpflichtungen des Kapitäns

Der Kapitän hat im Rahmen seiner Befugnisse an Bord des Schiffes dafür zu sorgen, dass

1.das von ihm geführte Schiff entsprechend dem auf Grund des § 8 Absatz 1 ausgestellten Schiffsbesatzungszeugnis besetzt ist,

2.die Anordnungen der Berufsgenossenschaft nach § 9 Absatz 2 Satz 1 befolgt werden,

3.das Schiffsbesatzungszeugnis
a)an Bord mitgeführt,
b)der Berufsgenossenschaft, der Bundespolizei, der Zollverwaltung und den Wasserschutzpolizeien der Länder auf Verlangen vorgelegt wird und

4.ein Abdruck des Schiffsbesatzungszeugnisses an geeigneter Stelle an Bord ausgehängt wird.

Zitierte Pragraphen nach
https://www.gesetze-im-internet.de/schbesv_2013/index.html#BJNR257500013BJNE000400000

Rheinmetall

Guten Morgen FAUN !

Vielen Dank für Deinen sehr aufschlußreichen Beitrag.  :-D top

Matze
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

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