Wieso haben Tanker / Containerschiffe fast ausschließlich nur eine Maschine ?

Begonnen von Rheinmetall, 02 Februar 2017, 08:24:35

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Rheinmetall

Guten Morgen in die Runde !

Seit Tagen schwirrt mir eine Sache im Kopf herum und es wäre schön, wenn Ihr mir hierbei weiter helfen könntet.
Und zwar würde mich interessieren, weshalb riesige Containerschiffe und Tanker eigentlich immer nur über eine einzige (Diesel-) Maschine, bzw. einen Festpropeller verfügen ?

Wäre bei solchen Giganten auf See es nicht besser, wenn diese über zwei Maschinen / Schrauben verfügen würden, um im Falle eines Ausfalles nicht mit herunter gelassenen Hosen da zu stehen, um das bildchlich auszudrücken.
Denn so ein riesiges Schiff ggf. antriebslos umher treiben zu lassen, am besten noch mit explosiver, verderblicher- oder Terminfracht, stelle ich mir als Ernst zunehmendes Problem vor.
Ebenso könnten, wenn diese Schiffe über zwei Maschinen verfügen würden, diese abwechselnd gesteuert werden, was die Lebensdauer, bzw. die Wartungsintervalle wesentlich vergrößern würden, oder ?

Gibt es diesbezüglich vielleicht Erfahrungswerte oder eine Faustformel, nach welcher Zeit / Strecke ein solches Containerschiff / Tanker bezüglich seiner Maschine ins Dock muss ?

Herzlichen Dank für Eure Hilfe.

Matze
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

RonnyM

...anders rum gefragt Matze, kannst du die (vielen) Havarien aufzählen, wo dieser Fall eingetreten ist :? Die Bugsier hatte mal am Kap in Südafrika ihre Bergungsschlepper stationiert wo der Suezkanal geschlossen war.Die sind "verhungert".

Mit anderen Worten, du darfst ruhig weiter schlafen. Die "einzel" Maschine schaffen die Distanzen ohne Probleme. :O/Y

Grüße Ronny
...keen Tähn im Muul,
over La Paloma fleuten...

Baunummer 509

Die Antwort muss und kann eigentlich nur sein:

Weil es unterm Strich die wirtschaftlichste Lösung ist.
Wäre sie es nicht, würde man es anders machen.

Moti1980

Moin Matze,

Der Hauptgrund dürfte (wie so vieles...) das Kostenargument sein. Zum einen wird ein Frachtschiff auf eine bestimmte (Reise-)Geschwindigkeit hin geplant. Um diese dann zu erreichen, ist eine gewisse Antriebsleistung von Nöten. Dabei verbraucht eine große Hauptmaschine weniger Brennstoff als zwei kleinere. Auch kann man davon ausgehen, dass die Kosten für den (Maschinen-) Neubau und Wartung höher sind.

Ein Komplettausfall der Hauptmaschine ist zwar nicht auszschließen, kommt aber zum Glück nicht sehr häufig vor. Grund hierfür dürfte vor allen die relativ geringe Drehzahl (80-120 U/Min) der Maschine sowie das günstige Fahrprofil (geringe Drehzahländerungen während der Fahrt) des Frachtschiff sein. Wenn aber Mal eine Hauptmaschine total ausfallen sollte, dann muss halt Notgeankert werden. Entweder man bekommt die Maschine mit Bordmitteln wieder flott oder man wartet auf die Schlepper...

Ein Frachtschiff besitzt diverse Schiffszertifikate. Diese werden in der Regel für 5 Jahre ausgestellt. Damit diese Zertifikate ihre Gültigkeit behalten, sind jährliche Zwischenbesichtigungen vorgesehen. In dem "Safety Construction Certificate" ist darüber hinaus vorgesehen, dass in dem 5 Jahreszeitraum ein Schiffs oder unterrichten durchgeführt wird. Diese findet dann im Dock statt. Für die normale Wartung (nach Betriebsstunden) der Hauptmaschine ist jedoch kein Docken notwendig. Lediglich für den Austausch muss gedockt (seitliches Öffnen des Schiffsrumpfes).

Stefan

Moti1980


Rheinmetall

So, da bin ich wieder !

Wow, alles sehr interessant.  top
Herzlichen Dank für die sehr aufschlussreichen Antworten.

Matze
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

FAUN

Der Hauptgrund ist, wie schon vorstehend von den Mitforisten erwähnt, die Wirtschaftlichkeit. So gelang es mit den 2-Takt-Langsamläufern die gewünschte Leistung bei gleichzeitig optimierten Tribstoffverbräuchen zu realisieren. Und der wichtigste Punkt, heute der am meisten genannte Kritikpunkt, ist die Möglickeit auch Schweröle mit hoher Viskosität = geringeren Kosten einsetzen zu können. Unterstützend auch die bereits erwähnten Betriebsbedingungen, zB. tagelanges Fahren mit konst. Drehzahl. Ausfälle, also Stopper oder Blackouts gibt es durchaus, nur sind sie fast immer mit Bordmittel behebbar. So etwas wird auch nur erwähnt, wenn es in kritischen Bereichen auftritt, siehe festliegen in der Elbe. Mehrmotorenanlagen erfordern auch mehr Aufwand, was direkt auf die Personalkosten durchschlägt. Allerdings sind bestimmte Schiffstypen gezwungen, mehrere Motoren zu verwenden, alleine aus der Bauform heraus, siehe Ro-Ro-Schiffe.
Der Einsatz von Verstellpropellern ist auch eine Kosten- aber auch eine Leistungsfrage. So liegt meines Wissens die Grenze irgendwo zwischen 30-40.000 PS, darüber hinaus sind die Kräfte an den Propellerblättern für den Verstellmechanismus zu groß. Verstellpropeller sind sinnvoll bei relativ kurzen Seezeiten aber häufigen Manöver- bzw. Revierfahrten, zB. Containerschiffe im Feederdienst. Zusammen mit den Bugstrahlrudern vermeiden sie so den Einsatz von Schleppern (wieder Kosten).

Ein Chief sagte mir einmal, es war auf einem Schiff mit einem Sulzer-Langsamläufer, wenn man in den Maschinenraum käme, unter sich die Hauptmaschine, über sich das Gewölbe des bis oben offenen Schornsteinschachts, hätte er das Gefühl eine Kathedrale zu betreten. Vielleicht hat nicht jeder solche sakralen Momente, aber die Ansicht hat was für sich.

Urs Heßling

moin,

Zitat von: FAUN am 02 Februar 2017, 13:47:01
.. ist die Möglickeit auch Schweröle mit hoher Viskosität = geringeren Kosten einsetzen zu können.
Ja :  Da wird Treibstoff verfahren, der erst einmal angewärmt werden muß, damit er überhaupt durch die Leitungen fließt ... kurz gesagt, ein ziemlicher Dreck ...   :roll:

... was an manchen Schornstein- bzw. Abgas-Qualmwolken auch der Öffentlichkeit gezeigt wird  :x

Von den damit verbundenen Umweltproblemen gar nicht zu reden  :sonstige_154:
https://de.wikipedia.org/wiki/Emissionen_durch_die_Schifffahrt

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Matrose71

Hallo Urs,

so viel ich mal in einer Reportage gesehen habe, gibt es auch dafür die richtigen Filtersysteme, man muss es nur halt gesetzlich, am Besten weltweit durchsetzen, freiwillig macht das keiner oder nur sehr sehr wenige.

Allerdings bin ich ganz froh, dass die Schiffe mit Schweröl fahren, somit bleibt nach dem Raffinieren nicht viel übrig, stell dir vor, für den "Scheiss" gäbe es keine Verwendung?!Oder das müßte man alles verheizen.......
Wo soll man das entsorgen? Wieder zurück in die Erde pumpen?
Viele Grüße

Carsten

halina

Zu der allgemeinen Aussage , dass nun Containerschiffe mit nur einem Antrieb wirtschaftlicher zu
betreiben sind , hat die Reederei Maersk aber eine andere Meinung in die Tat umgesetzt mit dem
Bau von 20 Grosscontainerschiffen der Baureihe Triple-E-Klasse die über einen 2 Motorenantrieb
verfügen mit einer Gesamtantriebsleistung von ca. 60.000 KW mit Diesel-Zweitakter und einer
Propellerdrehzahl von nur 80 U/min. Für die Schiffe der Emma-Maersk-Klasse mit viel geringerer
Tragfähigkeit wurden Motoren als Einzelantrieb mit einer Leistung von ca. 80.000 KW eingebaut !
                 Abgesehen von der weitaus höheren Betriebssicherheit die der 2 Motorenantrieb bietet
ergeben sich auch Treibstoffkosteneinsparungen laut Berechnungen von Maersk von über 20 %
gegenüber der Einmotoren-Ausführung  der Emma-Maersk-Klasse .
Maersk berechnet den Treibstoffverbrauch für ein Containergewicht von 14 t auf einer Fahrtstrecke
von 100 Km bei 24 Kn , dieser Wert beträgt bei der Triple-E-Klasse 2,1 Ltr. pro Container und bei
der Emma-Klasse sogar 2,7 Ltr.
Wegen den guten Erfahrungen mit der E-Klasse hat die Maersk-Reederei 2015 weitere 11 Schiffe
bei der Daewoo-Werft in Korea in Auftrag gegeben , die in modifizierter Bauweise mit bis zu einer
Aufnahme von 19.630 TEU und einer Tragfähigkeit von 206.000 t bis 2017/18 ausgeliefert werden.

                                                                                                                        :MG:   halina
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

FAUN

Warum sollten 2-Motorenanlagen nicht wirtschaftlicher sein? Maersk hat das gesamte Konzept geändert. Wenn man die Geschwindigkeit reduziert und außerdem noch die Containerkapazität erhöht, ändern sich auch die spez. Verbräuche bzw. Kosten.
Die 1-Motorenanlagen haben natürlich auch ihre Grenzen, die Leistung muß auch in's Wasser gebracht werden, einmal locker formuliert. Der Wirkungsgrad des Propellers steigt quasi mit sinkender Drehzahl und vergrößertem Durchmesser. Wir befinden uns hier aber fast schon bei 10m Durchmesser und um einiges über der 100t Marke beim Gewicht. Auch wenn die Mecklenburger Metallgießer ihr Bestes geben, solche Propeller müssen machbar sein.
Was nutzt der beste Motorenwirkungsgrad, wenn der Gesamtwirkungsgrad wegen des Propellers im Endeffekt sinkt?

Rheinmetall

Wow !

Bei Euch lernt man nie aus.  top
Heißt es eigentlich jetzt Propeller oder Schraube ?

Und habe ich das jetzt richtig mit, dass je schwerer dieser ist, desto besser es ist ?
Bloß das mit dem Wirkungsgrad welcher bei sinkender Drehzahl steigt, habe ich jetzt nicht ganz begriffen...

Matze
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

Matrose71

Nein,

der Durchmesser bestimmt das Derhmoment und auch Vortrieb, aber dem sind physikalische Grenzen im Bereich Gewicht gesetzt!

Man kann wahrscheinlich eine bestimmmte Größe nicht mehr gießen, ohne extremen Aufwand!
Viele Grüße

Carsten

ede144

Zitat von: Matrose71 am 03 Februar 2017, 00:49:55
Nein,

der Durchmesser bestimmt das Derhmoment und auch Vortrieb, aber dem sind physikalische Grenzen im Bereich Gewicht gesetzt!

Man kann wahrscheinlich eine bestimmmte Größe nicht mehr gießen, ohne extremen Aufwand!

Gießen vielleicht schon noch, aber bearbeiten wird dann immer schwieriger.

kalli


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