Kreuzeraufgaben

Begonnen von jost_brune, 01 November 2016, 12:01:29

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jost_brune

,,Kreuzeraufgaben"

Grafische Lösung Seetaktischer Aufgaben

Die ,,Kreuzeraufgabe" wird von Kapitänleutnant Kurt Meusemann und Dr. Kurt Stange in ,,Mathematik und Marine" Band 89 behandelt. [Mathematisch Physikalische Bibliothek Teubner Leipzig - Berlin 1936]
Dr. Kurt Stange war Studienrat an der Marineschule Flensburg-Mürwik.

Der österr. Mathematiker Walter Wunderlich, der auch Bahnberechnungen für akustische Torpedos und Radar gelenkter Raketen entwickelte, erweiterte und vereinfachte in den 40er Jahren die Darstellung der ,,Kreuzeraufgabe".

,,Kreuzeraufgabe" ?

Die eigentliche ,,Kreuzeraufgabe" nach Meusemann-Stange, lautet:
Ein Linienschiff L, dessen Höchstgeschwindigkeit v beträgt, sichtet im Abstand x0 einen Kreuzer K mit bekannter Höchstgeschwindigkeit u > v. Gesucht wird der kleinste Abstand x1, den L zum schnelleren Kreuzer K erreichen kann, wenn K seinen Kurs nicht ändert.

Etwas einfacher: welchen Kurs muss das Linienschiff steuern um noch eine Salve auf den Kreuzer abgeben zu können. Da U-Boote unter Wasser häufig langsamer sind als ihre Ziele, Torpedos  ausreichend schnell aber nur eine begrenzte Reichweite haben, wäre es hilfreich den Punkt mit dem kürzt möglichen Abstand zum Ziel zu kennen an dem es sich lohnt einen Torpedo los zu machen.

Die Nachfolgende Anleitung bezieht sich auf die Ausführungen von Wunderlich.
Im Fall 1 wird ein Abfangkurs ermittelt bei dem v > u ist, im 2. Fall, der eigentlichen ,,Kreuzeraufgabe" (Boot getaucht) ist v < u. Das ganze umgesetzt in Silent Hunter 3.

Fall 1
Wir erhalten eine Meldung über eine feindliche Einsatzgruppe nordwestlich unserer Position mit Ost Kurs und 14 Knoten Fahrt. Unser Boot kann den Gegner mit 16 Knoten abfangen.
Auf der Karte zeichnen wir den Gegner Kurs (kg) ein sowie eine Linie (bg) zwischen unserem Boot (B) und dem Gegner (G).

Auf der Linie kg Markiert man einen Punkt an dem der Gegner nach einer bestimmten Zeit sein wird (G1). Für unser Boot zeichnen wir einen Kreis mit der Entfernung die das Boot im selben Zeitraum zurücklegt (k).
Durch die Variation von k kann man bei einem langsameren Gegner sich entscheiden zwischen dem schnellsten und dem wirtschaftlichsten Abfangkurs oder das Abfangen zu einer bestimmten Zeit.

Am Punkt G1 wird eine Parallele bg1 gezeichnet.
Am Schnittpunkt bg1 und k legen wir unseren Kurs an und haben so einen Abfangkurs.



Fall 2
Nach dem Sichten der Einsatzgruppe taucht das Boot sofort, steht aber zuweit südlich für einen direkten Anlauf. Mit der ,,Kreuzeraufgabe" können wir ausrechnen ob wir einen Punkt erreichen der ausreicht für einen Torpedoschuß.

Als erstes markieren wir die Position des Bootes und des Gegners, zeichnen eine Linie für den Gegnerkurs und eine Hilfslinie (h1) die parallel zum Gegnerkurs verläuft, allerdings vom Boot in entgegengesetzter Richtung.

An der Markierung B wird ein Kreis (k1) mit der Entfernung die der Gegner in einer bestimmten Zeit zurücklegt eingezeichnet. Am Schnittpunkt k1 – h1 wird ein Kreis (k2) mit der Entfernung die unser Boot im gleichen Zeitraum zurücklegt gezeichnet.
Von der Markierung B zeichnen wir eine zweite Hilfslinie (h2) die k2 in Richtung G berührt.

Zwischen G und der Hilfslinie h2 wird ein rechter Winkel gezeichnet.
Dies ist der kürzest mögliche Abstand x1 den das Boot zum Gegner erreichen kann.
Die Linie x1 wird verlängert und nach B verschoben. Diese Linie ist unser Kurs zum kürzt möglichen Abstand, dieser liegt am Punkt B2.



Anders als das Linienschiff feuert ein U-Boot seine Torpedos aber nicht am Punkt B2 sondern wenn der Schusswinkel (sw) 0° beträgt , der Torpedo also entlang der Kurslinie läuft. Im Beispiel ist x1 = 6000 Meter, die Entfernung bei sw 0° beträgt 7000 Meter, gerade ausreichend für einen TIII.

Dazu gibt es auch noch ein Video.
https://www.youtube.com/watch?v=Yvt1-Thkgn8

Peter K.

Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

FAUN

Nur zum Verständnis. Wurde es auch so auf der Schiffen gemacht, oder wollte man mit solchen Aufgaben nur die Lehrgangsteilnehmer "quälen"?

Schorsch

#3
Hallo Faun,

zumindest hätte Röntgentechniker in dieser --/>/> Diskussion mathematisch Kontra gegeben werden können. :wink:

Abgesehen davon, beinhalteten die Ausgaben des vom Oberkommando der Marine im Jahre 1943 herausgegebenen "Lehrbuches der Navigation" z.B. die Lösung derartiger Kreuzeraufgaben in verschiedenen Varianten. Deutsche U-Boote führten im zweiten Weltkrieg sogenannte Angriffsscheiben (kreisförmige Rechenschieber) mit, die auf Grundlage dieser Berechnungen arbeiteten und es gestatteten, Abfangkurse gezielt zu berechnen. Allerdings waren nicht alle Kommandanten in der Lage, deren Potential vollständig auszunutzen und arbeiteten lieber "aus der hohlen Hand".

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

jost_brune

Zitat von: FAUN am 01 November 2016, 15:08:46
Nur zum Verständnis. Wurde es auch so auf der Schiffen gemacht, oder wollte man mit solchen Aufgaben nur die Lehrgangsteilnehmer "quälen"?
Hallo Faun

Mit dem Hinweis das es sich um einen Roman handelt, ein Zitat aus "Das Boot"
ZitatDer Obersteuermann gibt sich der Betrachtung seiner Fingernägel hin, während der Kommandant auf der Karte Winkel anlegt und mit dem Zirkel Entfernungen mißt: die Kreuzeraufgabe.

Gruß

FAUN

Erst einmal vielen Dank. Nur als Ergänzung, die notwendigen Daten kommen woher? Den eigenen Kurs und Geschwindigkeit sollten bekannt sein, aber die gegnerischen Werte bekam der Kommandant alleine durch den Blick durch Periskop? Also Kurs, Geschwindigkeit und Entfernung? Solche Beispielaufgaben kranken häufig daran, daß alle notwendigen Daten vorgegeben sind, aber wenn man es dann in der Wirklichkeit selber machen soll, sofort die Suche nach ihnen beginnt.

chattius

Wie ich es mir als Landratte denke:
Masthöhe aus Bestimmungsbuch
Entfernung mit Stadimeter bei bekannter Masthöhe
Geschwindigkeit aus gemessener/gelauschter Schraubendrehzahl und Bestimmungsbuch
Geschwindigkeit ist bekannt, dann wird sie in eine Komponente direkt vom eigenen Schiff weg und eine senkrecht dazu zerlegt.
Die Veränderung des Abstandes zum eigenen Schiff kann man messen.
Damit kann man bei bekannter Gegnerfahrt die Komponente senkrecht zum Lot bestimmen und hat den Kurs.

Schorsch

#7
Hallo Faun,

Josts Beispiel aus "Das Boot" beinhaltet die Beurteilung einer möglichen Reagierens von U A auf eine Kontaktmeldung eines Kameradenbootes. Insoweit bedeutet das Lösen der Kreuzeraufgabe, den besten Annäherungskurs an ein Ziel zu finden, das einem bei ungünstigen Geschwindigkeitsverhältnis und ungeschickter eigener Kurswahl eventuell durch die Lappen gehen könnte. Hier erhält das Boot seine Daten für das Abfangen des Gegeners von anderer Stelle. Eine andere Anwendungsmöglichkeit wäre die getauchte Annäherung an einen Convoy, dessen Daten vielleicht über eine längeren Zeitraum bereits erfasst worden sind und wo es die taktischen Gegebenheiten (z.B. plötzliche Kursänderung) es nicht zulassen, sich einfach in den Schiffsverband einsacken zu lassen.

Und ehrlich gesagt, die Artikel von Wunderlich und auch die ihnen zugrundeliegende Arbeit von Stange und Meusemann sind auch vom rein mathematischen Gesichtspunkt her sehr interessant, also herauszufinden, warum ein Verfahren funktioniert und weshalb es genauso ausgeführt werden muss, wie es in den Lehrwerken erklärt wird.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

FAUN

Hallo Schorsch,

hier muß ich Dir im vollen Maße zustimmen. Aus einer Rechenproblem, siehe auch den von Dir angesprochenen Rechenschieber, eine elegante zeichnerische Lösung zu machen, hat etwas. Meine Fragen kommen daher, daß mir bis heute die Existenz einer "Kreuzeraufgabe" völlig unbekannt war. Aber zum Glück wird einem ja hier geholfen.
Diese runden Rechenschieber, mit veränderter Skalierung, waren wohl auch bei den Navigatoren, so lange es sie gab, in der Luftfahrt beliebt. Es gab sie aber auch für den "normalen" Gebrauch. Leider habe solch einen nie besessen, wäre schon interessant gewesen.

Gruß

Gerd

mhorgran

Zu diesem Thema gibts von Thomas Müller ein lesenswertes Buch mit dem Titel "Analogrechner auf deutschen U-Boote des 2.Weltkrieges". Technikgeschichte und mathematische Grundlagen.

(http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,24617.msg278488/topicseen.html#msg278488)
"Wer an der Ukraine-Erzählung zweifelt, der gilt als Feind des Westens als Freund Russlands, als Gefahr für die Demokratie, wird diskreditiert, zensiert, eliminiert."
https://sciencefiles.org/2022/03/28/kriegsverbrechen-in-der-ukraine-von-den-angeblich-guten/

beck.Schulte

zumindest hätte Röntgentechniker in diesen Diskussion mathematisch Kontra gegeben werden können Ohne jetzt hier in die Diskussion einzusteigen. Nur mal soviel zu dem Herrn aus Sachsen. Wir hatten vor Jahren mit ihm betr. der Vögele Arie einen längeren Disput. Dem Manne mangelt es an nautischen und marinetechnischen Grundkenntnissen. Seine Berechnungen sind was U20 betreffen schlicht falsch. Es geht schon damit los, das er nicht in der Lage war zu erklären wo sich denn der Kommandant tatsächlich befand und ähnlichem mehr.  Wir haben dann eine weitere Diskussion mit ihn abgebrochen.

jost_brune

Ich habe mich hinreißen lassen ein neues Video zum Thema Kreuzeraufgaben zu erstellen. Im Gegensatz zum allerersten mit erklärendem Kommentar, in besserer Auflösung und auf größerer Karte. Diesmal verzichte ich aber auf das Ausführen der Manöver, da dies am Zeitaufwendigsten ist. Das Aufzählungszeichen deutet auf eine Fortsetzung, die ich je nach Zeit und Laune nachliefern werde.

Im Teil 1 werden behandelt
◦ Sammeln in Vorgeschriebener Zeit
◦ Sammeln mit Höchstgeschwindigkeit
◦ Torpedokurs/Vorhaltewinkel
◦ Kreis des Apollonius

https://www.youtube.com/watch?v=-I9FDWVIdpg

Schorsch

#12
Hallo Jost,

zunächst erst einmal ein fettes Dankeschön für Deine Aufarbeitung dieses interessanten Themas. :TU:)

Dann habe ich - Wie könnte es anders sein!? - noch zwei kleine Anmerkungen zu dem von Dir ein- und vorgestellten Video.

ad 1. Eine weitere, sehr lesenswerte Ausarbeitung ist neben den von Dir genannten Werken von Meldau/Steppes, Meusemann/Stange und Wunderlich von Dr. Ludwig Hänert: ,,Geometrische Grundlagen der Seetaktik" von 1933 (1. Auflage) bzw. 1937 (2. Auflage). Ich besitze die Auflage von 1933. Ist zwar nur ein schmales Heft von etwas über 50 Seiten; es wird deshalb aber auch alles sehr konsequent und systematisch auf den Punkt gebracht. (--/>/> Klick!)

ad 2. Im Falle der Annäherung mit vorgeschriebener Geschwindigkeit als auch bei der Arbeit mit dem Kreis des Apollonius' hast Du zur Ermittlung der notwendigen Winkel auf Weglängen zurückgegriffen, die sich aus den jeweils 30-minütigen Fahrtstrecken der beteiligten Fahrzeuge ergeben und wegen der verwendeten Einheiten ziemlich krumme Streckenmaße (im Video 7410 m und 16 650 m) zur Folge haben. Da aber letztlich nur das Verhältnis der beiden Geschwindigkeiten von Gegner-/Führerschiff und eigenem Schiff bzw. das Verhältnis der von beiden Fahrzeugen zurückgelegten Strecken für die Konstruktion maßgeblich ist, kann die Konstruktion ebenso mit Streckenlängen von z.B. 8000 m und 18 000 m oder meinethalben auch mit 4000 m und 9000 m durchgeführt werden. So spart man sich unter dem Aspekt eines schnellen Arbeitens zumindest einen Blick in die Fahrttabelle.

Mit freundlichen Grüßen (und in der Hoffnung, dass weitere Videos schon in Arbeit sind)
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

jost_brune

Hallo Schorsch

Danke für den Lesetip. Mit dem Hinweis zum Verhältnis der Wegstrecken hast Du - Wie könnte es anders sein! - natürlich recht.
Das nächste Video ist noch nicht absehbar, da ich noch an einem anderen SH3 Projekt gebunden bin. Also noch ein bisschen Geduld.

Gruß

Götz von Berlichingen

Zitat von: FAUN am 01 November 2016, 21:44:33Diese runden Rechenschieber, mit veränderter Skalierung, waren wohl auch bei den Navigatoren, so lange es sie gab, in der Luftfahrt beliebt. Es gab sie aber auch für den "normalen" Gebrauch. Leider habe solch einen nie besessen, wäre schon interessant gewesen.

Auch in der Luftwaffe:

»Dreieckrechner zur Berechung des Flugkurses unter Berücksichtigung von Windrichtung und Windstärke. Deutsches Reich 1943«

https://www.youtube.com/watch?v=O3paBwoCmyE   (Min. 2:17)

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