Unbekanntes, gesunkenes Schiff bei Donau-Ufer

Begonnen von dayworker, 22 Februar 2015, 10:28:42

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LWittgenstein

So, die 11 Seiten von "Die letzte Fahrt der AT 916" sind mit Hilfe von @TW transliteriert. Der volle Text befindet sich im Anhang.

Einige Bemerkungen noch dazu:

Die Ortsangabe des Ausgangspunkts der letzten Fahrt kann nicht stimmen. Die Signalstelle Rote Mühle liegt bei der Einmündung des Tiefenbachs in die Donau am oberen Eingang in die Engstelle des Struden und nicht in der Nähe von Mauthausen. Möglicherweise hat der Autor das mit dem Signalhaus Mauthausen verwechselt.

Warum die drei Schiffe AT 916, AT 917 und der Schlepper "Oder" noch am 6.5.1945 naDch Ybbs an der Donau beordert wurden ist mir total rätselhaft.

Die in das Gefecht verwickelten Panzer kamen wahrscheinlich über die heutige Bundesstraße 3 aus dem Mühlviertel bei ihrem Vorstoß Richtung Grein in die Nähe der Donau.

Anscheinend sind schon vor dem Ablegen des Verbands am Nachmittag einige Besatzungsmitglieder an Land geblieben, andere haben nach dem Gefecht das Weite gesucht. Wahrscheinlich war mein Vater bei der letzten Fahrt der AT 916 und 917 gar nicht mehr dabei.

Nur AT 917 hatte noch Funkverbindung mit Ybbs. Möglicherweise waren sie auf über den Stand des Vormarsches der Amerikaner besser informiert als auf AT 916.

Die beiden mehr oder weniger schwer getroffenen Artillerieträger wurden von den Besatzungen mit vorbereiteten Wasserbomben versenkt. Die Besatzung des Motorschleppers "Oder" hatte anscheinend nicht vor, bis nach Ybbs zu fahren und ihr Schiff ebenfalls versenkt. Ob dieses überhaupt Treffer abbekommen hat ist nicht klar.

Am Gefecht nahm anscheinend nur AT 917 teil, von AT 916 wurde kein Schuss abgegeben. Vielleicht haben sie die Panzer nicht so gut gesehen, oder das 10,5 cm Geschütz war bereits beschädigt.

Jetzt sollte auf jeden Fall klar sein, welches Wrack von welchem Schiff stammt.

Wenn noch jemand die gescannten Seiten haben will, dann kann ich sie über wetransfer gerne zur Verfügung stellen.

Darius


Peter K.

Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

TD

Tolle Sache !

Es findet sich alles !

Wie viele Jahre, Jahrzehnte, haben viele Mitstreiter verwendet um etwas genaues zu finde !

Danke Allen.

Theo
...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

LWittgenstein

Update:

Ich habe jetzt alle 23 Seiten des Tagebuchs, die ich bis jetzt bekommen habe, noch einmal durchgesehen und versucht, weitere Fehlstellen aufzufüllen.

Es sollte jetzt alles noch klarer und besser verständlich sein.

Im Anhang ist die Transliteration.

TD

Zu den wie schon geschrieben viele Fragen beantwortenden Beitrag
noch eine Frage.

Im Text steht:

Am 8.5. ganz früh kam Berger mit der Nachricht das wir
Bedingungslos kapituliert hätten. Nach dem Morgen Essen kamen
auch schon die Lazarett Schiffe herab und winkten uns zu
da wir an der Donau unsere Morgenwäsche durchführten.

Welche Lazarettschiffe ( 1 Schiff ? ) sind hier gemeint ?


Schönes Wochenende

Theo
...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

LWittgenstein

Das war leider ein Lesefehler. Es muss richtig heißen:

Am 8.5. ganz früh kam Berger mit der Nachricht das wir Bedingungslos kapituliert hätten. Nach dem Morgen Essen kamen auch schon die Lazarett Schiffe hoch und wingten uns zu da wir an der Donau unsere Morgenwäsche durchführten.

Soweit ich das bis jetzt herausfinden konnte, waren mehrere Raddampfer der DDSG als Lazarettschiffe auf der Donau im Einsatz.

Im Netz kann man ganz wenig dazu finden. Wahrscheinlich lagen die nachts am Ufer, wie alle anderen Schiffe an der Donau, und fuhren dann tagsüber. Die Lazarettschiffe dienten dazu, die Verwundeten vor den Russen, die ja in Wien Halt gemacht hatten, in Sicherheit zu bringen und sie auf amerikanisches Gebiet zu bringen.

dayworker

Hui...ich hab ja schon lange nicht mehr nachgesehen was sich hier tut und bin erfreut über die sehr wertvollen Beiträge.
Da nun hier in Ardagger dieses Thema gerade wieder aktuell geworden ist und das öffentliche Interesse über die Aufklärung des Wracks wieder angestiegen ist, habe ich ein Projekt ins Leben gerufen, welches die Geschichte des Wracks ein für alle mal lückenlos aufklären will. Rücksprache mit Behörden und ViaDonau ist bereits gehalten und in absehbarer Zeit ist ein Tauchgang geplant, der das Wrack vermessen und untersuchen soll.
Ich würde mich freuen, wenn sich jemand dem Projekt anschließen möchte und somit hilft einen kleinen aber wesentlichen Teil der historischen Aufklärung von den Geschehnissen vom Kriegsende 1945 hier bei uns in Ardagger leistet.

t-geronimo

Bist du jetzt mit zwei Zugängen hier vetreten?
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Peter K.

Viel Erfolg bei dem schönen Projekt!
Konkrete Fragen sind hier sicherlich gut aufgehoben ...
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

dayworker

Ja ich habe nun einen zweiten Account weil ich LEIDER meine Zugangsdaten vergessen habe und sich meine E-Mail Adresse geändert hat. Daher blieb nur dieser Ausweg.  :BangHead: :BangHead:

dayworker

Nun ist es so weit. Wir haben das Wrack untersucht. Anbei mein Bericht:

Seit 75 Jahren liegt im Gemeindegebiet von Ardagger, beim Stromkilometer 2088,7
am rechten Donauufer, das vermutliche Wrack des Marinefährprames AT916. Dieser
,,Fährpram" war in den letzten beiden Jahren des Zweiten Weltkrieges ein Bestandteil
der Donauflottille der deutschen Kriegsmarine. Ursprünglich wurde dieser Schiffstyp
für das Unternehmen ,,Seelöwe" – der Einnahme Großbritanniens auf dem Seeweg –
als Landungsschiff gebaut, um Truppen und Nachschub ans britische Festland zu
bringen. Da das Unternehmen nie umgesetzt wurde, hatte man für diese Schiffe keine
weitere Verwendung mehr.
Aufgrund ihrer guten Seetauglichkeit, dem verfügbaren Frachtraum und ihrer
modularen Bauweise wurden weiterhin Fährprame in deutschen Werften gebaut. So
wurde im Jahre 1943 auch der AT916 in den Linzer Schiffswerften in Auftrag gegeben
und ab 1944 im heute österreichischen Donauabschnitt eingesetzt. Hauptsächlich

diente der AT916 für Versorgungsfahrten. Zusätzlich wurde er mit zwei 8,8-cm-
Kanonen, einem 7,5-cm-Geschütz und zwei 2-cm-Vierlings-Fliegerabwehrkanonen für

die Selbstverteidigung ausgerüstet.
Am Morgen des 6. Mai 1945 lag die AT916 vor Anker. Das handschriftliche
Tagebuch des leitenden Maschinisten überliefert uns, dass das Schiff vom linken
Uferseite von US-Amerikanischen Einheiten beschossen und schwer beschädigt
wurde. Es handelte sich um eine US-Aufklärungseinheit, die an diesem Tag bis Grein
stieß. Die Besatzung gab daraufhin das Schiff auf. In der Abenddämmerung gab sie
der Zivilbevölkerung die Möglichkeit, alles Brauchbare vom Schiff zu schaffen.
Dieses war randvoll mit Munition und Versorgungsgütern, die nach Ybbs geschifft
werden sollten. Für die Bevölkerung war es ein äußerst risikoreiches Unterfangen,
Güter vom Schiff zu holen, da der Beschuss des Wracks durch die US-Armee anhielt.
Den Besatzungsmitgliedern war offensichtlich klar, dass der Krieg verloren war und
sie wussten, dass die sowjetischen Verbände, die zu diesem Zeitpunkt noch bei St.
Pölten standen, bald vor Ort sein würden. So führten sie ihren letzten Befehl aus, der
in der Deutschen Wehrmacht allgemein bekannt war. Sie sprengten das Schiff, damit
es nicht von den Kriegsgegnern verwendet werden konnte. Anschließend setzten sie
sich nach Westen ab, wo sie in amerikanische Kriegsgefangenschaft gingen.

Seit diesem Zeitpunkt, liegt das Wrack der AT916 an jener Stelle und Teile davon sind
bei niedrigem Wasserstand zu erkennen. Am 6. Mai 2020, auf den Tag genau 75 Jahre
nach der Sprengung des Schiffes, erhielt ich das Tagebuch des leitenden Maschinisten,
mit dem sich die historischen Begebenheiten der letzten Kriegstage 1945
rekonstruieren lassen. Mit der Unterstützung der Tauchgruppe West der NÖ
Freiwilligen Feuerwehr möchte ich letzte Zweifel bereinigen und bestätigen, dass
jenes Wrack bei Stromkilometer 2088,7 tatsächlich jenes der AT916 ist. Ein erster
Tauchgang mit Vermessungsarbeiten fand am 16. August 2020 statt. Weitere werden
folgen.

Link zum Zeitungsartikel mit Fotos:
https://www.noen.at/amstetten/artillerietraeger-in-donau-mostviertler-tauchten-zu-kriegsschiff-aus-ns-zeit-ab-ardagger-reinhard-tagwerker-feuerwehrtaucher-bernhard-ebenfuehrer-schiffswrack-219796312

t-geronimo

Klasse!!  :TU:)

Vielen Dank für die neuen Infos! :O/Y


P.S.:
Ich habe Deine Beiträge jetzt alle diesem Account zugeordnet und den neuen gelöscht.  :wink:
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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dayworker

Für etwaige Korrekturen in meinem Beitrag wäre ich euch sehr dankbar. Bin mir nicht ganz sicher ob die Angaben zur Bewaffnung stimmen. Fotos findet ihr im angegeben Link.

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