Französische Doktrin zur Feuerleitung von 1897

Begonnen von Leutnant Werner, 05 August 2014, 10:52:36

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Spee

@Urs,

die Russen haben ausgiebig Pulversorten getestet (mit z.T. üblem Erfolg für die Tester). Sie verwendeten wet cotton und black powder statt dem instabilen Poudre B und ähnlichen "Selbstvernichtern".

@Ekke,

da Dewa aus achterner Position zur russischen Linie aufschloss, kann der 12"er faktisch nur von "Poltawa" gekommen sein. Ansonsten wäre die Entfernung noch größer als die unglaublichen 13.000+ Meter. "Poltawa" hat vorher schon auf 8,5km+ zwei Treffer auf "Mikasa" und einen auf "Nisshin" erzielt. Selbst diese Entfernung war damals mehr als jenseitig.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Leutnant Werner

@Matrose 71:
1885 Erstes Schießen auf große Entfernungen (bis 5000 m) durch das Panzerschiff Bayern
1891-93 Schießversuche mit dem Panzerkanonenboot Brummer und der gedeckten Korvette Carola zur Entwicklung von Schießverfahren und Schießlisten
Ab 1893 Schießprogramme für die Manöverflotte
Ab 1894 Einführung von Fernrohrvisieren zum Bestimmen der Gefechtsentfernung
1897 Einführung eines so genannten Standgerätes für die Entfernungsunterschiedsbestimmung
Ab 1905 Einführung stereoskopischer Entfernungsmeßgeräte Fa Carl Zeiss Jena, ab 1908 flächendeckende Ausrüstung der Schiffe mit diesen "Basisgerät" genannten Apparaten
Ab 1908 Einführung eines EU/SV-Anzeiger genannten Gerätes. Hierbei handelte es sich um eine Art mechanischen Computer zur Bestimmung des Entfernungsunterschieds, der Entfernungsunterschieds-Änderungsrate und mithin des Vorhaltewinkels der Batterie für das Gefecht auf große Entfernungen (deutscher "Dumaresq").
Kwelle: Schmalenbach


Leutnant Werner

@Spee:
Wg. Yakumo-Treffer bei Yellow Sea, 15.40 h. Ich habe den ersten Teil des neuen Standard-Werks von Petr Olender, und der Treffer wird darin nicht explizit erwähnt.

Ich habe mal weiter geschaut, und siehe da: Ich habe den Forczyk auch :-D
Sogar in Papierform :MLL:

Aber da wird nur der Treffer erwähnt, und nicht, wer ihn erzielt hat...

@Matrose 71: Die Deutschen waren nach meiner Einschätzung genauso wie die Franzosen den Russen und Japanern zur Zeit des Russisch-Japanischen Krieges in der Feuerleitung weit überlegen. Aber das ist ja meinem vorherigen Beitrag leicht entnehmbar. Sie befanden sich zusammen mit den Österreichern und Engländern hier in der Spitzengruppe vor dem 1WK. Russland hat aus dem Krieg gegen Japan gelernt und in diese Spitzengruppe aufgeholt. Die Amerikaner, Japaner und Italiener blieben dagegen etwas zurück. Soweit meine 5 cents.

Spee

@Ekke,

Aber da wird nur der Treffer erwähnt, und nicht, wer ihn erzielt hat...

Schlußschiff der russischen Linie war "Poltawa" und Dewa kam von achtern auf. Damit bleibt nur "Poltawa" als "Schütze". Hätte ein anderes russisches Schiff geschossen, wäre der Treffer auf 14-15.000m erzielt worden. Noch unwahrscheinlicher, wenn auch nicht ganz auszuschliessen.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Matrose71

Danke ersteinmal an Alle für die ausführlichen Antworten und insbesondere an Leutnant Werner für die Darstellung der deutschen Entwicklungen.

Ich fand den Thread und auch die französchischen Entwicklungen sehr interessant gerade in Bezug auf die russische Flotte.

Ich hatte insbesondere auch deshalb nach den deutschen Entwicklungen gefragt, weil im NavWeapons Forum die Frage gestellt wurde, wie sich die HSF 1905 anstelle der Japaner gegen die russische Flotte in der Ostsee schlagen würde.

Nach meinen Recherchen verwendeten die Russen ja hauptsächlich französisches Equipment, hatten aber lange Probleme mit der Panzerplatten Fertigung. Ausser Poltava, als einziges Schiff ihrer Klasse,
Revitzan, Zessarewitsch und die Borodino Klasse hatten keine anderen Schiffe nach meiner Recherche Krupp Cemented Panzerung (Potomkin mal außen vor da im Schwarzen Meer, Einsatzbereitschaft?), alle anderen fuhren Harvey Platten oder normale Nickelplatten. Die Borodinos hatten nach mehreren Quellen erhebliche Probleme mit ihrem Gewicht und der Gürtelpanzer lag unterhalb der Wasserlinie, wenn sie Kriegsbeladung fuhren.

Insoweit war meine Analyse, dass wenn die HSF 4 Braunschweigs bis Mitte 1905 einsatzbereit bekommt, die Braunschweig Klasse der große Trumpf in solch einem Gefecht sein könnte, da sowohl die Kaiser Friedrich III Klasse als auch die Wittelbach Klasse auf weite Entfernung (8000yards +), wohl erhebliche Probleme mit einem Durchschlag hätte, mit den 24cm Geschützen.

Insoweit war es für mich sehr interessant zu erfahren, wie die Feuerleitung und die Trefferaussichten auch auf weite Entfernung (8000yards +) der HSF im Vergleich zur russischen Flotte um diese Zeit eingeschätz wird.

Ich halte Revitzan und Zessarewitsch für gute und ausbalancierte Schiffe, die sehr gefährlich sind, die Borodino's eher weniger, dass große plus der deutschen Schiffe sehe ich in der durchgehenden Krupp Cemented Panzerung ab der Kaiser Friedrich III Klasse und durch die neuen Turmentwicklungen ab 1898 in der schnellen Feuergeschwindigkeit, wenn man trifft.
Allerding halte in solch einem imaginären Szenario die Braunschweig Klasse für essentiell und als den entscheidenden Vorteil, durch ihr Panzerlayout, Schussfolge und 28cm Kaliber.
Das alles natürlich nur, wenn es zu einer offenen Seeschlacht der beiden Flotten in der Ostsee kommen würde. Mich interessierte dieses what if Thema ausschließlich von der technischen Seite in Bezug auf Schiffsentwicklung, Panzerung, Kanonen und Feuerleitung.

Sorry Leutnant Werner, dass ich etwas deinen Thread gekapert habe, ich hoffe du siehst es mir nach, allerdings hast du bereits "versteckt" deine Meinung zu diesem Thema geäußert.

Kann man nach deinen Aussagen in diesem Thread,
http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,11614.msg129668.html#msg129668

davon ausgehen, dass die HSF 1905 noch keine Abfeuergeräte hatte?
Viele Grüße

Carsten

Leutnant Werner

Nein, Abfeuergeräte gabs nicht in 1905, das war jetzt aber nicht so schlimm, da ein geübter Geschützführer wusste, wann er zu feuern hatte, und diese Geschützplattformen zum Beispiel in der Ostsee wohl selten stark rollten und schlingerten.

In einer Schlacht gegen die Japanische oder die russische Flotte schätze ich die Braunschweigs als allen gegnerischen Schiffen überlegen ein. Grund: Standfestigkeit.
Selbst die Brandenburgs und die Wettins würden sich halten können. Ein bisschen ungünstiger beurteile ich die alte Kaiser-Klasse, da deren Panzerung einen "durchschlagenden Erfolg" des Gegners mit HE-Munition praktisch im kompletten Überwasserschiff zugelassen hätte.

Bei den Schiffen jener Zeit gab es mehrere Punkte, die sie verwundbar machten. Nicht nur Treffer, die den Gürtelpanzer in Höhe der Wasserlinie durchschlugen. Diese Schiffe waren nicht gut genug gegen "plunging fire" durch ihre Panzerdecks geschützt. Ein großes Problem bestand darin, dass Teile des Überwasserschiffs, namentlich an den Schiffsenden und in den Aufbauten, vertikal nicht gepanzert waren. Bei Beschuss mit HE-Munition selbst durch des Gegners Mittelartillerie konnten leicht großflächige Brände entstehen. In einem brennenden Schiff kann man nur schwer kämpfen, siehe KNJAZ SUVOROV.

Egal, ob Creusot, Harvey oder KC: Forczyk meint, dass Japaner und Russen die gegnerischen Gürtelpanzer mit ihren 12- und 10-Zöllern auf eine Entfernung jenseits 50 hm nicht mehr durchschlagen konnten.

RJETVIZAN und TSESAREVITCH waren wohl mit die besten Schlachtschiffe ihrer Zeit. Insbesondere der TSESAREVITCH ist sehr beeindruckend. Er soll bei Überlast über kurze Strecken 19,5 Knoten erreicht haben und steckte auch sonst voller Novitäten.


Spee

Servus,

Ich hatte insbesondere auch deshalb nach den deutschen Entwicklungen gefragt, weil im NavWeapons Forum die Frage gestellt wurde, wie sich die HSF 1905 anstelle der Japaner gegen die russische Flotte in der Ostsee schlagen würde.

Die russische Ostseeflotte war m.E. die schlechteste der 3 russischen Flotten, z.B. wurden die "Borodino's" völlig übereilt in Dienst gestellt, ohne Training für die Besatzungen usw. Viele Einheiten des 2.Geschwaders waren faktisch kaum einsatzfähig und es ist bemerkenswert, dass alle Schiffe den Pazifik erreicht haben.
Dazu ein z.T. recht unfähiges Offizierskorps und völlig untrainierte Besatzungen.
Gegen die ohne Frage gut trainierte deutsche Flotte sehe ich die russischen Ostseeflotte von 1905 auf der Verliererseite.
Anders wäre es, wenn die Schwarzmeer- oder Pazifikflotte unter entsprechender Führung (Makarov o.ä.) angetreten wäre.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Matrose71

Magst du das noch ein wenig ausführen?

Bei einer imaginären Schlacht bin ich schon davon ausgegangen das RJETVIZAN und TSESAREVITCH bei der Baltic Flotte wären.
Schätzt du anders als ich und Ekke die Braunschweig Klasse schwächer ein oder Makarov so viel stärker als deutsche Admiräle?

Oder ist für dich der Ausgang der Schlacht einfach offen?
Mir geht es hier eher um technische Dinge die Besatzungen sehe ich eher als gleich stark.
Viele Grüße

Carsten

Leutnant Werner

Bevor der Thomas, was da zu sagt, hier noch einige Punkte, die für die HSF sprechen:


  • Die Besatzungen sind unterschiedlich zu bewerten: Beim Russen praktisch kein Unteroffizierskorps vorhanden.
  • Die Technik auf den deutschen Schiffen wurde besser instand gehalten und funktionierte besser. Die russischen Schiffe, Ausnahme die von Dir genannten, blieben bei der Geschwindigkeit immer hinter den Erwartungen zurück und ständig gab es Havarien. Bei den Deutschen war das nicht so. So legte das Schlachtschiff S.M.S Kaiser Friedrich der III. anlässlich eines fleet review vor der Isle of Wight in 1899 die Strecke Wilhelmshaven-Portsmouth mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 18 Knoten zurück!
    Ich wiederhole mich hier gerne: In 1910 absolvierten die Schlachtschiffe S.M.S. Kurfürst Friedrich Wilhelm und S.M.S. Weißenburg, beide seit 16-17 Jahren in Dienst, die Abnahmefahrt vor den Türken auf dem Marmarameer mit 16,5 Knoten, was die Konstruktionsgeschwindigkeit darstellte. Die Überführungsfahrt von Wilhelmshaven nach Istanbul war mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 12 Knoten problemlos von Statten gegangen. Von sowas konnten die Russen nur träumen. Die Höchstgeschwindigkeit bei Yellow Sea betrug 14 Knoten, bei Tsushima 9 Knoten.

Die Russen hatten zwar streng genommen mit den 12-Zöllern schwerere Geschütze in der Hauptbatterie als die Deutschen, in den 330 kg schweren Granaten steckte aber ein eher harmloser Sprengstoff, die Granaten fragmentierten schlecht und capped AP-Munition war praktisch nicht vorhanden. Die Feuerleitung mit dem Liuzhol-Entfernungsmesser und dem Geisler-Transmitter war kompliziert und langsam. Die Deutschen hatte eine gescheite Munition, eine gescheite Feuerleitung (Eingabeln von Zielen im Fernkampf innerhalb von 5 Minuten wurde angestrebt) und konnten schneller schießen. S.M.S. Braunschweig und S.M.S. Elsass, die 1904 in Dienst stellten und daher ins Szenario passen, hatten 28cm-Geschütze, die ein 300 kg schweres Geschoss mit einer Mündungsgeschwindigkeit von 840 m/s (Russen 790 m/s) verschoss und daher dem russischen 30,5-cm-Geschütz als überlegen angesprochen werden muss.

Außerdem hatten die Deutschen zweifelsohne Vorteile im Manövrieren im Geschwader, ein in einer Seeschlacht nicht zu unterschätzender Faktor.

Zusammenfassung: In 1904 hatten die Deutschen nicht die besseren, aber die technisch stabileren und schnelleren Schiffe, die besseren Besatzungen, sie zielten und schossen besser und schneller als die Russen und manövrierten besser.
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