"Kaperfahrt nach Quiriquina"

[harold]

,,Im Jahre 1913 [...] wurde der junge Schmied Christian Stöckler zur Ableistung seiner militärischen Dienstpflicht bei der Marine eingezogen", so beginnen die 256 Seiten.
Als mir dieses Buch im Antiquariat ins Auge stach, dachte ich zuerst, bei dem Titel

Letzte Kaperfahrt nach Quiriquina

und dem Erscheinungsjahr 1936 werde es sich um nazi-angehauchten Edel-Kitsch handeln.

Weit gefehlt!

Es sind die Erinnerungen eines bei Kriegsausbruch knapp 21-jährigen Heizers der ,,Dresden", der aus seiner sehr persönlichen Perspektive die Ausfahrt von Kiel über Mexiko, die Maghellan-Straße bis zur Osterinsel, Coronel (das er ,,Santa Maria" nennt), das Falkland-Gefecht, die Flucht und das Versteckspiel der ,,Dresden" und die Internierung auf der chilenischen Insel Quiriquina beschreibt.
Er selbst? –nein!, denn sein Ghostwriter (ein damals noch eher seltener Beruf) ist der dänische Schriftsteller Christian P. Christiansen, der sein Werk unter dem Titel
,,Kejserens lidste Kaperkrydser. Fire aar paa Qiriquina"
veröffentlichte, der vorliegende Text ist die deutsche Übersetzung von Victor Witte.

Eben deshalb ist diese recht schlichte, ,,unheldenhafte" Erzählung von eher weniger bekannten Einzelheiten, wie ich meine, auf eine wohltuende Art weder deutschtümelnd geschönt noch besserwisserisch-nachlebend mit (Un-)Sinn befrachtet.

Die von Christiansen in literarische Form gebrachte Geschichte hat ihre faktendichten Teile, was die Seefähigkeit, die Maschinenleistung etc. aus der Sicht eines Mannes von der schwarzen Crew angeht, und für unsere Diskussionen (Graf Spee-Optionen, zB) ist Vieles an Material dabei;
aber der für mich interessanteste Teil war die Schilderung des selbstverwalteten Lagerlebens in der Internierung, das neben bäuerlichen und  handwerklichen Betrieben auch eine Art  ,,Insel-Bank" sowie eine Tourismusindustrie hervorgebracht hatte...

Wie gesagt, für mich ein ,,Weißer Rabe" in der seekriegsbezogenen deutschsprachigen Literatur der Dreißigerjahre.

Da ich annehme, dass dieser Text eher antiquarischen Seltenheitswert besitzt, erlaube ich mir, mein eben gelesenes Exemplar als einen der Preise für den von Kalli betreuten Modellbauwettbewerb zur Verfügung zu stellen, und wünsche dem Gewinner schon jetzt eine interessante Lektüre!

Harold

[schiffbauer]

Servus Harold,

das finde ich eine gute Idee !
Danke dafür. (Weil ich, natürlich, davon ausgehe, dass ich dieses Buch gewinne! :mrgreen:  :mrgreen:  :mrgreen:
Gruß
Schiffbauer

[t-geronimo]

Endlich mal jemand mit ein wenig Selbstbewußtsein!!

[Torpedo]

Ein super Buch! Ich bin nämlich im Besitz eines Exemplares und habe es vor kurzem gelesen. Auch ich dachte ob des Erscheinungsjahres an Propaganda, aber es ist m.E. eine der besten Beschreibungen der Zeit und vor allem mal aus Sicht des "einfachen Heizers" und nicht eines Offiziers.

Ein SEHR empfehlenswertes Buch und gut von von harold vorgestellt!

[kalli]

Da Harold mir das Buch zur Vergabe an einen Gewinner des Modellbauwettbewebs überlassen hat, habe ich es natürlich auch gelesen.
Mein Eindruck ist mit Harolds wunderschöner Beschreibung schon wiedergegeben. Ich war teilweise richtig gerührt.
Der Gewinner kann sich freuen.

[Zerstörerfahrer]

Schade, das ich kein Modellbauer bin. Da muss ich mir wohl das Buch selber kaufen.

Schönen Sonntag noch.