Schockdämpfung auf Kriegsschiffen

Begonnen von Langensiepen, 19 Juni 2006, 15:11:16

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Langensiepen

Anmerkung zum Thema Schockdämpfung bei der Kriegsmarine in 1940 / 41. Neben den Fischkisten auf  einem Teil der Zerstörer ( hab Fotos davon auf Z6) wurden `nachweislich ` gefahren ..auf den V-Booten und HS-Booten ,die ja gern auf Minen liefen, beschlagnahmte neutrale Autositze, Frisörstühle u.ä. Da diese kleinen Fischereifahrzeuge in keiner Weise für einen Minenkrieg ausgelegt waren musste man sich eben behelfen. Besondert bei den HS Booten waren die  `Kommandanten ` meißt sehr eigenwillige Fischerleute. Ich weiß von J.Küpers und D.Mewes das die sich immer auf Tau-Fender gesetzt haben. Der Sicherheit wegen. Mein Schwiegervater war um dieses Zeit 2. Offizier auf der Ludolf Oldendorf . Dort an Bord schwor man auf  umgedrehte Kohlekörbe aus Weidengeflecht. Irgendwann in 1941 ging der Spuk von Bord. Wohl weil man gemerkt hatte, das diese Hausmittel keinen Schutz boten. So alles ohne Smarties, oder wie und ohne Ironie oder doch.
PS
Habe gerade vorstehende Anfrage gelesen. Ich werde heute noch darauf zurück kommen. Muß aber genau abgrenzen, da ja B+V einen Sicherheitsobermacker hat. Mit dem ( ist es immer noch Herr Töter ? ) hatte ich ja schon vor Jahren hirnlose Auseinandersetzungen über die Frage `was ist geheim `.

Langensiepen

#1
Das REP System von B+V sowie das Gurken- System von Rest der Welt.
Also stellen wir uns einen leeren Raum auf einem Schiff vor. Im Weiterem ohne Kabel, Lüftung, Wasser, Isolierung ,das macht die Sache einfacher zum erklären.  Auf dem Deck bringe ich nun ein raumausfüllendes Raster auf. 500x500 bis 800x800mm je nach Wunsch auf. In den Kreuzungspunkten setze ich Gewindehülsen.   In diese Gewindehülsen schraube ich je einen kegelförmigen Schockdampfer . Jetzt ist erst mal Zigarettenpause. An Land wurde in dieser Zeit ein Trägersystem erstellt. Sagen wir mal einfach ne 20mm starke Alu-Sandwich Platte. Diese Platte hat die Raumabmaße und natürlich auch das Raster. Im Raum lege ich die Platte auf die Schockdämpfer und verschraube beide. Die Schockdämpfer sind so 120 – 150mm hoch. Also kann die Platte sich jetzt nach oben und unten bewegen. Zur Seite nicht. Wir haben ja die Platte so groß gemacht wie der Raum. Also schneide ich am Umfang der Platte einen 50 – 100mm Breiten Streifen ab. Jetzt kann die Platte sich in alle Richtungen bewegen.  Der Raum ist Schockgesichert. Halt! So einfach ist es auch nicht. Ich muß jetzt die schweren Geräte einbringen. Sagen wir mal 3,5t Gerätegewicht. Die stehen ja auch überall im Raum und nicht an einer Stelle. Ich muß jetzt meine Schockdämpfer so anordnen, das sie unter den Geräten so 60 Shore in den Bereich wo man läuft aber nur 15Shore haben. Auch benötige ich nicht an jedem Schnittpunkt einen Schockdämpfer. Alles das macht man natürlich schon vorher. So nun haben ich eine schwingenden Boden. Schön war ( ist )immer, wenn Leute den Raum zum ersten mal betreten. Der Boden bewegt sich natürlich etwas, ist halt ungewohnt. Das ist natürlich eine recht einfache Erklärung.
Das Gurken System ist im Prinzip genauso aufgebaut, aber man rastert den Boden nicht auf sondern setzt die Schockdämpfer mal hier mal da. Natürlich nach vorhergehender Berechung. Der Unterschied ist einfach der. Beim B+V Raster können über die gesamte Lebensdauer beliebig Geräte ausgetauscht oder neue Geräte eingesetzt werden. Da ja an jedem Rasterpunkt eine Verschraubungsmöglichkeit für den Schockdämpfer besteht. Beim Gurken-System muß ich heiße Arbeiten vornehmen und die sind teuer. Alles verstanden? Wenn nicht, mal bei B+V anfragen die haben bestimmt was darüber.

t-geronimo

So, ich habs mal verschoben, weil das Thema zu gut ist, um in einem anderen Thema unterzugehen. ;-)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Torpedo

Klasse! Schön erklärt, danke dafür!
Uli "Torpedo"   [WoW Nic: Torpedo_uas]

"Man muss seine Geschichte kennen, um nicht die gleichen Fehler zu wiederholen"

Restaurierungsbericht des SEELÖWE, 20er Jollenkreuzer Baujahr 1943
http://facebook.com/r167seeloewe

Zerstörerfahrer

Ich schliess mich Torpedo an, gut und informativ. Danke.
Gehört hatte ich ja von so einem System schon vorher, natürlich keine Einzelheiten, sondern nur von der Existens.
Daher war ich ( andere allerdings auch ) der Meinung, dass dieses System dem Ausgleich der Schiffsbewegung dient, um die OPZ möglichst ruhig zu halten. Es ist beruhigend zu wissen, das was für die Sicherheit getan wird.
Bleibt für mich noch die Frage, ob die 122er Fregatten auch so ein oder ein ähnliches System zur Schockdämpfung haben ?


Spee

Ah, also eine frei schwingende Bodenplatte auf Dämpfern. Danke für die Erklärung.
Beschränkt sich der Nutzen nur auf Einheiten bis zu einer gewissen Größe?
Waren die schweren Einheiten der Kaiserlichen Marine/Kriegsmarine weniger empfindlich wegen ihrer Größe oder hätte es da ebenfalls Sinn gemacht, etwas ähnliches einzubauen? Oder ist sowas eher speziell für leichtere Einheiten.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Scheer

Aus welchem Material waren die Schockdämpfer?
Wenn ich mir diese aus einer Art Gummi vorstelle, dann könnte es doch eine etwas stärkere seitliche Bewegung gegeben haben. Und es müsste ja auch ein starker Verschleiss stattgefunden haben. Wurden diese Dämpfer turnusmäßig erneuert?

Langensiepen

Ich hoffe nix Falsches zu sagen: Schockgesicherte Geräte und Arbeitsplätze sind wohl ne alte Sache.
Gummidämpfer gab es schon zur Zeit der Kaiserlichen, ich hab aber bisher noch nix von deren Einsatz vor ca. 1930 gehört. Natürlich ist die Frage der Schockwirkung  abhängig von der Sprengkraft und der Masse des Schiffes. 100kg  Sprengkraft wirken auf eine Ruderboot anders als auf einen Flugzeugträger. Wenn ich mich nicht irre wurden die ersten Dämpfer mehr im E-Maschinenbau  als Schwingungsdämpfer eingesetzt. Es folgte dann die Aufstellung von Großgeräten mit oder ohne Arbeitsplatz auf Schockdämpfern. Die Idee mit den schocksicheren Räumen kam wohl von B+V. Jedenfalls als dort 1982 herum (YAVUZ) zum ersten Mal die  gesamte OPZ so ausgeführt wurde gab es so was noch nicht. Oder? Lange Zeit später hab ich mal einen Entwurf aus Holland gesehen, bei dem das System durchgängig angewandt wurde. Also man konnte von der Brücke über OPZ, Funkraum, Maschinenleitstand usw durch alle Gänge und Bereiche laufen ohne den schocksicheren Boden zu verlassen. Die Sache ist aber ne Frage von Geld. ``Raster-Böden`` sind nun mal teuer. Das Material der Schockdämpfer ist eine Kautschuk
Mischung. Das müsste aber bekannt sein, da es in der Masse zivil genutzt wird. In Hamburg ist es die Firma Willbrandt, es dann noch Loggers aus Holland und auch ein Laden in Frankreich. Die F122 hat solle Räume nicht. Natürlich sind dort die Größgeräte und die dazugehörigen Arbeitsplätze ausgerüstet, aber der gesamte Raum nicht.  .Die Boote sollen ( werden ) 2010 oder so umgerüstet werden. Untersuchungen zur Auslegung auf Rasterböden war meine letzte Arbeiten bei B+V.  Die Lebensdauer der Dämpfer ist groß. 1983 wurden die ersten auf der YAVUZ eingebaut und bis 2005 habe ich jedenfalls ne gehört das welche ausgebaut wurden mussten. Auch ein seitliches Ausweichen kommt im Normalfall nicht vor. Natürlich gibt es zu jeden Dämpfer Typ Datenblätter und Kurven. Danach werden vorher die Typen ausgewählt. Bisher ( solange ich dabei war ) kann ich mich nicht daran erinnern, das es Ausrutscher gab. Was vergessen?

Peter K.

Seeehr interessanter Beitrag - DANKE !!!!
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Zerstörerfahrer


Scharnhorst66

Super erklärt - hab sogar ich verstanden 
Danke schön ...
" Fehler sind normal , Irrtümer üblich , Informationen selten vollständig , oft unzutreffend und häufig irreführend "
Sound Military Decision 1936
Gruss Micha

Spee

Verstehe ich das richtig, das man das System erst auf einer MEKO200 für ein anderes Land eingebaut hat? So nach dem Motto: "Mal sehen, ob es sich bewährt, dann können wir es ja für uns verwenden." Oder war das einfach nur Zufall, das gerade die "Yavuz" das erste Schiff damit war?
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

rosenow

Klasse Beiträge Herr Langensiepen, das gefällt!

Das ganze erinnert mich an schwimmende Fußböden. 
Wäre ein mit Schaumgummiröllchen ausgelegter Raum auf den eine Platte schwimmend darauf liegt, nicht billiger und hätte den gleichen Effekt?
Aber das ist bestimmt zu einfach gedacht von mir.
Findet ihre Konstruktion noch wo anders Anwendung?
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Langensiepen

#13
Es ist schon so lange her , damals mit der YAVUZ.  Mein damaliger und bis zum Schluß direkter Vorgesetzter ( der beste Konstrukteur den ich bei B+V angetroffen habe ) war auf der ständigen Suche das bisherige System der Geräte-Schocksicherung zu verbessern. Es war wohl seine Idee den gesamten OPZ Bereich  aufzurastern und schocksicher auszulegen. Damals liefen ja auch die ersten MEKO Waffen- und Geräte Container an ( nahm alles in einem kleine Büro mit  6- 10 Leuten Gestallt an) Die F 122 war ja schon in Bau, so das YAVUZ das erste Schiff mit Rasterboden wurde.  Die F123 erhielt dann das System. Ist aber schon so lange her und die Erinnerung verblasst langsam. Das mit der Gummimatte oder so hätten wir gern übernommen, weil so billig. Aber überleg mal selbst worum es nicht geht. Ich war - ganz unbescheiden- der Rastermensch für alle mit diesem System bei B+V gebauten Schiffe. Ich wurde durch freundliche Leihkräfte unterstütz. Diese habe ich so gut angelernt, das einer davon nun meine Arbeit weiterführt. Da Klagen bisher nicht an mein Ohr gedrungen sind geht es mit dem Raster weiter. Man sieht daran, das jeder zu ersetzen ist. Ich hab jetzt mit 40.000tdw Rohöltankern zu tun , die weder Rasterböden noch VL-Schächte benötigen.Dafür stinkt
mein Carport-Schuppen jetzt nach Öl. Auch meien Enkel fanden es bei B+V lustiger. Ich hab beide letzte Woche mal mit auf ein Tanklager genommen. Fanden beide mega langweilig. Man sieht, Kinder lassen sich auch weiterhin durch Waffen blenden.
So, morgen früh 8.00h Vopak LT 1006  (für nicht Hamburger- Hafen menschen: Vopak is ne riesengroße Tanklagerfirma in Rotterdam, W `haven und auch in HH-Harburg und LT 1006 ist Landtank 1006. Die müssen große Nummern haben da ganz viele davon rumstehen und fast alle gleich aussehen. Also bis morgen Abend

t-geronimo

@ Spee:

Wie heftig auch große Einheiten auf starke Erschütterungen reagieren konnten, hat man doch z.B. bei den Minentreffern auf Scharnhorst während des Kanaldurchbruchs gesehen, als sich die Fundamente der Maschinen verschoben hatten (ich hoffe, das ist von einem technischen Laien einigermaßen richtig wiedergegeben). Was man aber erst in der Werft festgestellt hatte.

@ Bernd:
Wie ist das denn heute mit den Maschinenanlagen? Sind die auch irgendwie geschützt gegen solche Erschütterungen?
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Impressum & Datenschutzerklärung