Wilfried bei der Bundesmarine - wie alles begann ..

Begonnen von Wilfried, 17 Juni 2006, 19:21:24

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Scharnhorst66

@Wilfried ,


super ... nur zwei Worte dazu



MEHR DAVON
" Fehler sind normal , Irrtümer üblich , Informationen selten vollständig , oft unzutreffend und häufig irreführend "
Sound Military Decision 1936
Gruss Micha

egima

Moin,

Klasse Wilfried, mach weiter!!! Mit jedem Beitrag werde ich mind. 5 Jahre jünger

Grüße :MG:
Frank


Wilfried

So, nun fehlten nur noch ein paar Kleinigkeiten, die aus mir einen Matrosen machen sollten. Kulani in Sommer- und Winterversion, Stahlhelm und natürlich die entsprechende Bewaffnung. Und so ging es wieder zugweise durch die verschiedenen Blocks, bis wir alles zusammenhatten. Gewehr G-3, Patronentaschen, Klappspaten und das sehr wichtige Essgeschirr waren schnell besorgt.
Dann wurden wir von unserem drahtigen Maat unterwiesen, wie denn die einzelnen Kleidungsstücke zu einer Einheit am Mann getragen wurden. Wenn es hieß, antreten in Oliv, dann bedeutete es dies auch. Es gehörte also kein Sporthemd unter das Moleskine-Päckchen. Selbstverständlich auch keine Bordschuhe und Schiffchen, sondern Seestiefel und Stahlhelm. Wie wichtig diese kleinen Unterschiede sind, wird hier noch Erwähnung finden.
Mittlerweile hatten wir uns auch an den rauhen Ton gewöhnt; bauten unser Bett, pardon, Koje so, daß auch die am Fußende liegende Wolldecke den Schriftzug Bundeseigentum in der richtigen Leserichtung aufwies. Unsere Spinde waren allzeit so korrekt, daß selbst spontane Kontrollen durch unsere Vorgesetzten keine Mängel aufzeigten.
Die tägliche Routine unserer Ausbildung konnten wir nun einem Dienstplan entnehmen, der für jeden Zug am Haupteingang, neben der Wachstube, angeschlagen war. Wenn dort stand, 10.30 Handwaffenausbildung auf der Stube, bedeutete das, Kleidung oliv; war angeschlagen 14.30 Seemannsknoten, eben Kleidung weißes Takelpäckchen und dann, waren auch die Bordschuhe angesagt.
Auch für die Freizeitbeschäftigung wurde nun gesorgt. Denn jedes von uns empfangene Kleidungsstück mußte mit unserem Namen gezeichnet werden; so erhielten wir eine große Stoffrolle mit unserem Namen - selbstverständlich von unserem ersten Sold abgezogen.
"Und damit Sie gleich Bescheid wissen, die Schilder werden eingenäht; wen ich erwische, daß er sie eingeklebt hat, darf sich auf eine Zusatzbeschäftigung freuen!". Und er gab auch gleich schon einmal die Termine vor, an denen die entsprechenden Teile von ihm kontrolliert wurden. Ja, richtig - so war er, unser Maat Wolf.
Und so begannen dann 8 Matrosen, statt sich einen ordentlichen Hieb in der Kantine zu gönnen, auf der Stube mit Nadel und Faden an ihren Kleidungsstücken zu hantieren. Die Flüche, mit denen diese Tätigkeit begleitet wurde, mag ich hier nicht wiedergeben. Und ich muß sagen, hier trennte sich die Spreu vom sprichwörtlichen Weizen. Wo Mama immer geholfen hatte - hier war sie einfach nicht vorhanden. Für manchen der erste Schritt in die Selbständigkeit ...
Der Wunsch, die Kaserne zu verlassen wurde immer größer - aber wie? "So lange, wie sie nicht Grüßen gelernt haben, kommen Sie nicht an Land!"
Das sollten wir in der Formalausbildung erst einmal lernen ... und das haben wir dann auch!
... Tradition pflegen, bedeutet nicht, Asche aufzubewahren sondern Glut am Glühen zu halten ...
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http://www.forum-marinearchiv.de - wenn Marine Dein Ding ist!

ufo

Danke!
Genial! :MG:

Wiewohl - da lob' ich mir ganz wie Thorsten meinen RTW! :-D

Ciao,
Ufo

t-geronimo

Jepp!

Aber trotzdem kann ich kaum erwarten, wie es bei Wilfried weiterging!  :TT/(
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Wilfried

Und wir lernten ... jeden Tag, den uns der Herrgott schenkte.
"Zwoter Zuug"; und schon ging es mit der Formale los. Alles stürzte wie gehabt, in Oliv auf den Hof. "Richt' Euch, ohne Tritt Marsch ..." und schon waren wir unterwegs über die Bataillonsstraße direktewegs auf den großen Platz gegenüber der Sporthalle.
Maat Wolf nahm vor der Front Aufstellung. Jetzt ging es um die Optik. Wenn es heißt, richt' Euch, wird eine Linie mit dem Nebenmann gebildet, der Abstand sollte so sein, daß bei angewinkeltem Arm der Nebenmann berührt wird. Die Füße bilden einen Winkel von 45 Grad, der Oberkörper ist gerade und die Hände liegen mit gebildeter Faust, der Daumen zeigt nach vorne und die Arschbacken werden so zusammengekniffen, daß ein Fünf-Mark-Stück die Prägung verliert. Und daß mußte natürlich ausgiebig geübt werden. Zwoter Zug, im Laufschritt im Kreis .. Achtung! Antreten... marsch, marsch .. und so weiter und so fort. Und dann kamen die Sondereinlagen... Alaarm, hinlegen .... und schon lag der gesamte Zug im Dreck.. Sprung auf, marsch .. und kreisen... Daß werde ich nie vergessen, das Kreisen. "Meine Herren, nehmen Sie Haltung an, wir sind hier doch nicht beim Fernsehballett ...!"
"In 3er-Reihe angetreten...." " Im Gleichschritt ... marsch, marsch ..!" "Fliegeralarm .. und schon wieder lag der Zwote Zug am Boden ...
Und dann wurde gegrüßt; Männchen bauen, rechte Hand an den Helm, den Arm schön angewinkelt und die flache Hand bildete ein Sonnendach von 30 Grad, damit es nicht hineinregnete. Die linke Hand - wie schon beschrieben - an die Hosennaht gepreßt. So wurde im Stillstand gegrüßt. Und dann das Ganze, wenn der gesamte Zug im Marschtempo am Vorgesetzten vorbeizog ... ein Bild für die Götter.
Es war völlig klar, daß es nicht zur Zufriedenheit unseres Maates ablief. Wenn dann auch noch Kommentare von uns kamen ... "Meine Herren, ich habe den Eindruck, Sie nehmen daß hier nicht ernst. Das üben wir heute abend!"
Und wir haben wieder geübt; vor allem, wenn unser Maat Innendienst hatte und abends nicht an Land kam. Dann konnte er seinen Testosteron-Spiegel nicht außerhalb der Kaserne regulieren.
Die Auswirkungen haben uns die nächsten 3 Monate beschäftigt.
Und wenn ich dachte, daß sich 10 Jahre später etwas verändert hatte - im positiven Sinne für die Rekruten - weit gefehlt:

Der Spind, fast genauso ... obwohl schon ein paar Kleidungsstücke fehlen;




Oben auf dem Spind ... die Reisetasche, sie ist immer noch Bestandteil der Ausrüstung.




Die Koje .. naja, fast so gut wie meine.




Und der Weg durchs Gelände mit Begleitung ...




Gerd Deutschländer hat mir diese Fotos zur Verfügung gestellt; ich hatte damals noch keine Kamera, weil eben das Geld fehlte.
Sie sollen meine Zeilen illustrieren; ich ich danke ihm dafür.
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t-geronimo

Gruß, Thorsten

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(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Wilfried

#22
Nach 2 Wochen hatten wir die Routine voll im Griff. Wir agierten wie dressierte Affen; nach dem Frühstück auf den Dienstplan schauen und uns dann entsprechend kostümieren. Der Verstand war weitgehend ausgeschaltet. Nach dem Mittagessen das Antreten auf dem Hof im Block. Richt' Euch, die Augen geradeaus .. zur Meldung an den Kompaniefeldwebel ... und dann wurde die Post verteilt... und ab in die Stuben. Ein kurzer Verholer, und dann ging es weiter... Handwaffenausbildung auf der Stube; immer eine schöne Sache mit Obermaat Härtling. Die Jungs wieder in Oliv gekleidet. Er erklärte uns, wie man dieses Gewehr auseinandernimmt, was beim Verschießen einer Gewehrgranate zu beachten ist .. ließ uns üben ... und irgendwann - das hatten wir herausgefunden, denn irgendwie war er Seemann und kein Kommisskopp, eher einer, der seine Fahrzeit liebte, kam die Frage: "Herr Obermaat, sie sind doch Fletcher-Fahrer, erzählen Sie doch mal von Ihrer Bordzeit" Und dann wurde es doch noch ein schöner Nachmittag. Er konnte phantastisch aus seiner Bordzeit berichten - unser aller Augen hingen an seinem Mund ... und nahmen begierig auf, was wir alle hofften, auch einmal selber zu erleben ...
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rosenow

Sauber Wilfried ! Buchverdächtig!

Ist dir eigentlich aufgefallen, dass man nach einer Weile des Aufenthaltes bei der Armee anfängt seine Peiniger zu achten und zu schätzen? Erste Vertraulichkeiten werden aufgebaut und das Verhältnis bessert sich und man wird zu einer Einheit zusammen geschweist.
Oder gab es bei euch auch welche die einfach nicht zu ertragen waren?
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Wilfried

Unser Obermaat Härtling; er verbrachte sein letztes Vierteljahr vor dem Beginn seiner Berufsförderung bei uns. Er war es, dem Respekt und Achtung entgegengebracht wurde. Er war es auch, der mich und einige Kameraden zu sich nach Hause einlud. Er wollte nach seiner aktiven Zeit zurück nach München und dann Filme machen; seinen Namen las ich vor vielen Jahren einmal in einem Nachspann einer Fernsehproduktion.
Unser Maat Wolf war ein Landungsbootfahrer, der uns immer wieder spüren ließ, daß wir als Soldaten einfach noch nicht taugten, solange wir nicht seine erlebten Strapazen durchmacht hatten. Dann gab es noch einen Hauptgefreiten, der die Maatenausbildung nicht geschafft und deshalb hier als Ausbildungsgefreiter sein Gnadenbrot für den Rest seiner 8jährigen Verpflichtung bekam. Unser Zugführer, Leutnant Wolf, war vor 37 Jahren ein erster Vorläufer einer aalglatten Karrierezunft. Er erklärte in einem privaten Gespräch, was selten genug vorkam - daß er die Stationierung hier nur als eine Stufe zum Fregattenkapitän sah.
Da gab es eine Kluft - und die wurde auch nicht überbrückt; Humor war etwas, daß wir uns  nach Dienstschluß gönnten. Wehe, es wurde während der Formale oder während anderer Ausbildungseinheiten gelacht ... "Sie nehmen daß wohl noch nicht ernst genug; meine Herren, daß üben wir nach Dienstschluß".
Egal, an welchem Ort und zu welcher Zeit - immer gab es Überraschungen und Schikanen. Das hat sich auch nach den vielen Jahren bei mir noch nicht verklärt, daß ich sagen könnte, eigentlich hat es Spaß gemacht?!
Ein Pfiff auf dem Flur nach Dienstschluß; "Spindmusterung!" Stube mit 8 Mann angetreten ... na, daß hatte ich ja schon beschrieben ... "Öffnen Sie bitte Ihren Spind!" "Was ist denn das hier? Zeigen Sie einmal Ihren Wachanzug."
Der Wachanzug war die sogenannte 2. Geige blau. Kolani und blaue Marinehose mit 2 halben Schlägen. Der Kolani wurde mit Koppel umgurtet und beim Wacheinsatz mit Seestiefel' getragen. Es war völlig klar, daß sich in dem Umschlag immer etwas Staub oder Sand befand. War der Staubbefall eines wichtigen Kleidungsstückes das einzige, was zu bemängeln Anlaß fand, ging es mit einer Ermahnung ab. Fand sich noch ein zweiter oder dritter Bemängelungsgrund, hieß' es "Matrose W., legen Sie bitte Ihre Wolldecke vor den Spind". Dann faßten zwei Matrosen den geöffneten Spind an den oberen Stirnseiten und kippten ihn so, daß der Inhalt - sofern nicht  gesichert - auf die Wolldecke fiel. Wie die Freizeitgestaltung bis zu "Feuer und Lunten aus - Ruhe im Schiff" dann aussah...
Nun hatten wir also das Grüßen geübt; einen Truppenausweis hatten wir noch nicht, aber es gab einen vorläufigen, der uns ausgehändigt wurde.
Und damit war die vage Hoffnung verbunden, nach Dienstschluß die Kaserne zu verlassen.
Daß war unsere Hoffnung, einmal etwas anderes als Rotsteinklinker und Vorgesetzte zu sehen ... leider wußten wir noch nicht, wie hoch die Hürden waren ....
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rosenow

Wie hoch waren sie, die "Hürden" meine ich!  :WM0:
mit freundlichen Gruß
Michael


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Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Wilfried

Die Uniform der Marine entstammt britischer Tradition. Seit altersher tragen die Mannschaften eine blaue Bluse mit einem tiefen Ausschnitt ohne Knöpfe und die entsprechende Klapphose mit dem weit ausgestellten "Schlag". Der "Schlag", ungefähr  Schuhlänge des Matrosen, soll beim Arbeiten in der Takelage dazu dienen, die Füße vor herabfallenden Gegenständen, Marlspieker, Bordmesser oder ähnlichen Dingen zu schützen. So wurde uns berichtet. Unsere Marinehose bestand aus einem dicken Wollstoff, der eine Bügelfalte haben mußte, die dem Wachhabenden, wenn er unser Erscheinungsbild an der Wachstube abnahm, direkt ins Auge schnitt.
Hier kam nun das von mir bereits geschilderte, schwere Bügeleisen zum Einsatz.
Dicker Wollstoff hat die Eigenschaft, sich im Regelfall nicht zu einer scharfen Kante zu formen. Darum muß man mit "Fremdstoffen" nachhelfen. Auch darf er nicht so heiß gebügelt werden, daß er zu glänzen beginnt!
Also wird die Hose auf links gedreht, und von innen, an den entsprechenden Stellen, mit einem Stück Kernseife die Naht nachgezogen. Dann wieder auf rechts gedreht, mit Wasser eingesprenkelt, ein Geschirrtuch dient als Schutz vor dem Glänzen und dann mit dem erhitzten Bügeleisen etappenweise vorgegangen.
Selbstverständlich erfolgte diese Tätigkeit nach Dienstschluß und möglichst so, daß sie vom Vorgesetzten nicht wahrgenommen werden konnte.
Diese Hürde war also genommen; aber es gab noch weitere!
Wir befanden uns jahreszeitlich Ende Oktober; es galt also die "Winteruniform", das heißt, blaue Bluse mit dem separaten Exerzierkragen. Meist trugen wir im Dienst als Takelpäckchen ausgediente Oberteile der Tropen- bzw. Paradeuniform. Dort war der Exerzierkragen Teil der Bluse. Für die blaue Bluse war jedoch ein separater erforderlich. Das Fluchen, als ich das erste Mal versuchte, ihn anzuziehen, dann die blaue Bluse darüberzustülpen - diese hatte auch einen Kragen, der aber mußte unter dem Ex-Kragen liegen, gebe ich hier nicht wieder.
Aber man erlangte eine gewisse Routine. Vielleicht schon einmal die 3 weißen Streifen, die ihn umrandeten, hinterfragt?
Richtig! Auch hier wieder Tradition. Sie symbolisieren die 3 Seeschlachten von Lord Nelson.
Beim Kleidungsempfang hatten wir ein schwarzes Seidentuch - in Folie verpackt - empfangen. Daraus mußte nun eine Art Knoten gestaltet werden; in dieser Form wird es ähnlich einer Krawatte getragen.
Hier bekamen wir allerdings eine prima Hilfe von unserem Obermaaten. Keiner von uns hätte dieses kunstvolle Gebilde zustandegebracht. Auf diesem Tuch befindet sich ein hellblauer Streifen; ganz entscheidend ist, wie es dann gerollt und geformt wird.
Bei einem Soldaten, der an der Nordsee Dienst tut, zeigt der Streifen von links oben nach rechts unten - von vorn gesehen. Bei den Kameraden aus dem Ostseebereich ist es natürlich andersherum.
Der untere Teil des Knotens bekommt eine weiße Schleife; wie diese Schleife gebunden wird - dieses Geheimnis habe ich nie ergründet. Nur daß die beiden Enden immer die Eigenschaft hatten, sich nach oben zu rollen. In damaliger Zeit sah man viele Matrosen in Zügen, die ihre Fahrkarte als Schutz davor geschoben hatten...
Die erste Schleife bekam man sozusagen als Grundausstattung; die weiteren mußte man sich kaufen. Dieses sensible Stück gab es aber auch in der Kantine als geklebtes Teil mit Gummiband und mußte nur auf den unteren Knotenteil geschoben werden. Wehe, einer der Rekruten wurde damit erwischt .... ich ließ mir die Nachfolger der ersten Schleife immer gegen kleines Geld von einem geschickten Kameraden binden ...
Ach ja, auch das Knotentuch hat natürlich eine Geschichte; es steht für die Trauerzeit nach Nelsons Tod, die dann durch die weiße Schleife wieder aufgehoben wurde ...
Und dann gab es ja auch noch die Kopfbedeckung - die Tellermütze. Zu unserer Zeit gab es zwei Versionen, die weiße für den Sommer und eben die dunkelblaue. Beide bekamen ihre Forum durch den inneren Drahtbügel, der immer darin zu sein hatte. Mir fliegt der Draht aus der Mütze ... aus dieser Richtung muß diese Redensart kommen ...
Und dann endlich - das Mützenband. Gelbgoldene Schrift auf schwarzem Grund ... leider nur "Marienausbildungsbataillon"  und keine Bordeinheit! Zusätzlich erhielten wir noch ein zweites mit der Aufschrift "Bundesmarine". Das sollte für den Ernstfall sein, damit keiner unserer Feinde erkennen konnte, welcher Einheit wir zugehörig waren.
Am Anfang hat so ein Mützenband ja noch die Eigenschaft, ausreichende Länge zu besitzen und auch die, daß  sich die Enden aus unerfindlichen Gründen immer wieder aufrollten. Das mochten unsere Vorgesetzten gar nicht gerne an uns sehen.
Also, wurden sie wieder mit einem Schrägschnitt versehen, nasses Zeitungspapier daraufgelegt und gebügelt ...
Solange, bis der Kantinenwirt sich freute, uns wieder ein neues verkaufen zu können...
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Zerstörerfahrer

Danke Wilfried, da kehren gerade Erinnerungen wieder.
Zu meiner Zeit gabs nur noch die weisse Tellermine und soweit ich gehört habe, gibts jetzt kein blaues Hemd mehr .
Also nix mehr mit Sommer- und Winterbefehl. :-D

Wilfried

#28
Und Du stehst dann an einem Freitag nach Dienstschluß - Herz in der Hand - in der langen Schlange vor der Wachstube.
Allerbest eingekleidet und baust Dein Männchen. Matrose W; ich erbitte meinen Urlaubsschein?
Prüfender Blick des Wachhabenden; rühren, stehen Sie bequem. Es scheint alles makellos und dann die Frage: "Zeigen Sie einmal Ihr Taschentuch!" ... "Habe ich vergessen" - "So, so, dann heben Sie einmal Ihren Fuß, damit ich unter Ihren Schuh gucken kann". "Ja, was ist das denn? Den Steg nicht geputzt! Sie korrigieren daß jetzt und melden sich noch einmal!"
Und wieder zurück auf die Stube, Korrekturen vorgenommen und wieder in die Reihe eingegliedert.
Ok., für mich war es nicht so dramatisch, ich mußte nur nach Bremen. Ich konnte stündlich fahren. Und dann ganz bequem mit der Straßenbahn nach Hause. Aber meine Kameraden aus dem Süden Deutschlands? Auch hier gab es eine Hürde.
Zwischen dem Standort und dem Weg zum Bahnhof gab es eine Schranke. Die galt es, rechtzeitig zu queren. Denn die "roten Brummer" - Nahverkehrszüge aus Nordenham nach Bremen, mit Anschluß an die Fernzüge ins Ruhrgebiet und in die weiteren südlichen Lagen - hielten nur kurz. Erreichte man diesen nicht, war es dann Essig mit dem langen Wochenende in der Heimat. Denn die Fernverkehrszüge in Bremen Hbf warteten nicht auf die kleinen Einheiten ... Für viele war es immer eine Trainingseinheit, den Zug noch rechzeitig zu erreichen. Denn jede Stunde nach jedem Ort, mit InterCity an jedes Ziel - das gab es 1969 noch nicht ...
Und alle vierzehn Tage war nur ein "langes Wochenende" drin. Mein Freund Siegfried aus Freiburg ... hatte nur die Chance, einmal im Monat nach Hause zu kommen. Aus Kostengründen. Eine Freifahrt gab es nur einmal im Quartal. Und bei 90 Mark Wehrsold betrug die Fahrt dorthin - auch nach Vergünstigung von 50 % des Fahrpreises - immer noch die Hälfte eines Monatssalärs eines Matrosen ...
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Wilfried

Was ein Rekrut in der Grundausbildung absepartout nicht gebrauchen kann, ist Freizeit in jedweder Form. Möglicherweise an Land gehen, sich ein paar Bier gönnen, sich mit fremden Frauen einlassen? Wenn es ihm denn gelungen war, die Hürden zu überqueren und es aber auch absolut nichts an seinem Äußeren auszusetzen gab und der Ausgang gewährt werden mußte?
Ein Marinesoldat mehrere Stunden ohne Aufsicht und ohne Anleitung?
Dem mußte einfach entgegengewirkt werden. Und ein probates Mittel ist die Anziehübung. Sie fand - richtig - nach Feierabend statt.
Nur ist solch' eine Veranstaltung - von uns als Maskenball bezeichnet - ja nicht einfach so anzusetzen. Es muß ein Grund dafür her.
Und der fand sich immer. Vor allem dann, wenn unser Maat einmal wieder als UvD eingeteilt und somit nicht aus der Kaserne kam.
Der Formaldienst außerhalb der Kaserne war immer wieder ein gern genommener Auslöser. Mal klappte das Antreten nicht schnell genug; oder die Marschformation wurde nicht so ausgeführt, wie gern gehabt oder der Ausbilder hatte einfach schlechte Laune an einem Vormittag.
Die allgemeine Vorgabe muß - uns zwar nie mitgeteilt - aber intern immer gelautet haben, die Jungs müssen auf Geschwindigkeit trainiert werden.
Und das in allen militärischen Belangen.
19 Uhr auf dem Flur im Block Hamburg.
"Zwooter Zug! Im Sportanzug in 5 Minuten auf dem Boden angetreten!"
Auf dem Flur wäre ja zu einfach gewesen; das war ja direkt vor unseren Türen. Nein, da ging es dann über den Flur und zwei Halbtreppen noch eine Etage höher - und der Boden bot viel Platz zum Antreten in 3er-Reihe ...
Das Takelpäckchen vom Körper reißen, auf die Koje schmeißen. Das Sporthemd mit dem Bundesadler auf der Brust, die blaue, dazu passende Hose und die entsprechende Bluse aus dem Spind nebst den Socken und den Sportschuhen ... zack, zack  - und auf dem Weg nach oben.
Angetreten, die Augen geradeaus ...
"Matrose P., was haben Sie denn für Schuhe an, wissen Sie nicht das zum Sportanzug die Sportschuhe und nicht die Bordschuhe gehören?"
"Das üben wir noch einmal! In 5 Minuten angetreten im Wachanzug"
Der komplette Zug stürmt wieder in die Stuben. Die Sportkleidung ausgezogen - und rein in die 2te Geige blau. Bluse, Hose mit zwei halben Schlägen, Seestiefel und natürlich entsprechende Socken, den Kolani - das Koppel nicht vergessen, die blaue Tellermütze auf den Kopf und wieder auf den Boden gestürmt.
Gleiche Abfolge wie schon geschildert; und selbst wenn die Geschwindigkeit ok. war. Immer war ein Dödel dabei, der dann die Ausgehschuhe oder statt der Tellermütze ein Schiffchen aufhatte.
Und so konnte wunderbar variiert werden. Wir hatten ja genug Kleidungs- und Ausrüstungsstücke.
Wie es nach einer halben Stunde in einer 8-Mann-Stube aussah, kann sich sicherlich jeder nun vorstellen.
Es lag alles auf der Koje, meistens aber auf dem Boden. Steigerungsfähig war diese Art des Trainings unseres Erinnerungsvermögens noch, wenn der erstgenannte Sportanzug wieder an die Reihe kam. Dann begann das Suchen .... scheiße, wo ist denn mein Sporthemd.
Denn, es wurde auch in den Kragen geschaut, ob der Inhaber mit dem Träger identisch war ...
Wenn so richtig "Alarm" war - und das kam einige Male vor, hieß es: "Ende der Anziehübung - in einer Viertelstunde ist Spindmusterung!" ...
... Tradition pflegen, bedeutet nicht, Asche aufzubewahren sondern Glut am Glühen zu halten ...
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