Disziplinarverfahren/Todesurteile gegen U-Boot-Männer im 2.WK

Begonnen von wirbelwind, 27 Februar 2013, 17:36:51

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wirbelwind

Hallo
hätte folgende Frage an das Forum. Der Zusammenhalt und die Disziplin der U-Boot. Männer ist legendär. Deshalb würde mich interessieren, ob es gegen U-Boot-Fahrer Todesurteile wegen ,,Feigheit vor dem Feind" gegeben hat. Habe vor längerer Zeit gelesen, dass ein U-Boot-Kommandant aufgrund einer Denuziation seines 1. WO zum Tode verurteilt wurde. Name ist mir leider entfallen. Der Vater des U-Boot-Kommandanten, selbst dekorierter Marineteilnehmer des 1.WK, hatte bei Dönitz persönlich interveniert. Ohne Erfolg. Der Denunziant fiel später als U-Boot-Kommandant. Wer war der verurteilte Kommandant, gab es noch ähnliche Fälle und wie sah es überhaupt mit de :?äufigkeit der kriegsgerichtlichen Ahndungen bei der U-Boot-Waffe aus? :? Bedanke mich schon mal für Eure Bemühungen!
MfG Wirbelwind

t-geronimo

Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

wirbelwind

Hallo Thorsten,
vielen Dank für Deine Hinweise. Habe, bevor ich meine Frage ins Forum stellte, natürlich über Suchanfrage versucht abzuklären, ob es dazu schon etwas gibt. Leider gab es keine Ergebnisse. Ist sicherlich auch abhängig davon. wie die Anfrage gestellt wird. Läßt sich vielleicht die Häufigkeit der Disziplinarverstöße der U-Boot- Waffe im Verhältnis zu den anderen Heeresteilen herausfinden?
MfG Wirbelwind

Arche

Hallo Wirbelwind,
Läßt sich vielleicht die Häufigkeit der Disziplinarverstöße der U-Boot- Waffe im Verhältnis zu den anderen Heeresteilen herausfinden?
Ich weiß nicht, ob sich diese frage beantworten lässt. Wenn ein Marinesoldat ein Disziplinarverstoß beging, dann kam dies in die Stammrolle. Ein großer Teil ist in Berlin damals verbrannt. Einige wenige Akten konnten rekonstruiert werden. Meistens dann, wenn irgendwo eine Abschrift vorhanden war. Dies war dann der Fall, wenn ein Marinegericht ermittelte. Hier gibt es einen größeren Bestand in Freiburg. Was Du nun unter Disziplinarverstoss verstehst, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht mal ein paar Beispiele.
5 Tage geschärfter Arrest wegen unrechtmäßiger Mitnahme von U-Bootproviant (Mundraub)
7 Tage Bordarrest und 3 Wochen Ausgehbeschränkung mit der Verpflichtung um 19Uhr an Bord zu sein (Wegen unmilitärischen Benehmen gegenüber eines Vorgesetzten)
3 Tage geschärfter Arrest (Wegen belügens eines Vorgesetzten und unmilitärischen benehmen gegen einen Vorgesetzten im Wiederholungsfall)
Dies aus einer Stammrolle eines U-Bootfahrers. Führungszeugnis schlecht

Da meines Wissen nur bei Angehörigen der KM es so genau dokumentiert ist, wird ein Vergleich nicht möglich sein.

Gruß
Heinz-Jürgen

wirbelwind

Hallo Heinz-Jürgen,
vielen Dank für Deine Antwort. Merke schon, dass ich noch einiges lernen muss, um präzisere Anfragen zu stellen, weil es sonst schwer wird darauf zu antworten. Vielleicht läßt sich noch in Erfahrung bringen, wie es sich mit den Todesurteilen in dieser Beziehung verhielt und damit meine ich alle Dienstgrade in der U-Boot-Waffe. Von den Kommandanten waren es ja wohl zwei, wie thorsten mitgeteilt hat.
MfG Wirbelwind

FAlmeida

Liste der U-Kommandanten Vergehen         
         
Name / Boot      
Gerhard Nolte / U-1194              Mißhandlung Untergebener / 6 Wochen verschärfter Arrest

August-Wilhelm Hewicker / U-671       Anstiftung zur Straftat, Ungehorsam, Falschmeldungschwerer Diebstahl / 6 Monate, Entlassung aus dem Offiziersstand, Degradierung

Helmut Franzke / U-3   widernatürliche Unzucht mit Untergebenen,
6 Monate+3 Monate, Degradierung

Hartmuth Schimmelpfennig / U-1004   widernatürliche Unzucht mit Untergebenen Strafe 1 Jahr und 6 Monate, Rangverlust

Hugo Förster / U-501   Feigheit vor dem Feind   Krieggefangenschaft im Kriegsgefangen Lager. Repatriiert und, wo es unter Haftangeklagten der Feigheit vor dem Feind in Wilhelmshaven gestellt wurde. Selbstmord durch das Schießen während der Verzögerung in Wilhelmshaven.

Heinz Hirsacker / U-572   Feigheit vor dem Feind   Todesstrafe

Oskar Kusch / U-154   Wehrkraftzersetzung   Todesstrafe

Heinz-Günther Scholz / U-283    Wehrkraftzersetzung  (Anklage war in Vorbereitung, vorher Selbstmord)   Kein Verschulden Dritter, event. Selbstmord aus pers. Gründen (Liebeskummer)

Günther Zedelius / U-637   Mißhandlung Untergebener, 6 Wochen verschärfter Arrest

Karl Heinrich Harlfinger / U-269  Verfahren wegen Selbstmord, Verfahren wegen Wehrdienstentziehung war angekündigt   Mehrere Arreststrafen, kein Verschulden Dritter    Selbstmord am 21.03.44

Hans-Ulrich Scheltz / U-D5   Unterdrückung einer Meldung,   6 Wochen Arrest

Guido Hyronimus / U-670   Fahrlässige Tötung,   6 Monate Gefängnis

Bernhard Schwarting / U-1102   Fahrlässige Tötung/Schiffsbeschädigung, 5 Monate Gefängnis

Wolfgang Schwartzkopf / U-2   Fahrlässige Tötung/Schiffsbeschädigung, 6 Monate Gefängnis

Karl-Heinrich  Feufel  / U-1301  Ungehorsam,   6 Wochen verschärften Kammerarrest

Peter Zschech / U-505  Verfahren wegen Selbstmord , kein Verschulden Dritter festgestellt

Walter Köhntopp / U-995  Verfahren wegen Feigheit von Suhren unterdrückt Arreststrafe (unzurechnuingsfähig)

Hans Heinrich Ketels / U-571   Ungehorsam (Geschlechtskrankheit), 3 Wochen Arrest

Ortwin Hensellek / U-298  Ungehorsam,    3 Monate Gefängnis

Frerks, Paul / U 975   Mißhandlung Untergebener, 3 Monaten Gefängnis verurteilt § 330 RStGB OKM bestand auf Degradierung zum Matrosen.


Gruß, Fernando

Urs Heßling

moin, Fernando,

Zitat von: FAlmeida am 02 März 2013, 00:09:43
Liste der U-Kommandanten Vergehen               
...
Oskar Kusch / U-154   Wehrkraftzersetzung   Todesstrafe
Der Begriff "Vergehen" wäre m.E. durch den Begriff "Anklage" zu ersetzen, Kusch hat keine Wehrkraftzersetzung "begangen".

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Schorsch

Hallo Wirbelwind!

Es gibt eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1993, die sich wissenschaftlich mit der Marinegerichtsbarkeit auseinandersetzt. Es wurden dort etwa 4000 Urteile ausgewertet, von denen 375 Verfahren Angehörige der U-Boot-Waffe betrafen. Das erwähnte Buch stammt von Ludwig C.R. Hannemann und heißt "Die Justiz der Kriegsmarine 1939 – 1945; im Spiegel ihrer Rechtsprechung".
Einige Inhalte des nicht ganz einfach erhältlichen Werkes sind in Svein Aage Knudsen: ,,Deutsche U-Boote vor Norwegen 1940 – 1945" wiedergegeben, so z.B. die Erfassung einzelner Deliktgruppen im Bereich der U-Bootwaffe, verglichen mit der gesamten Kriegsmarine.


DeliktKM gesamtU-Boot-Personal
militärischer Diebstahl
14,5%
16,1%
unerlaubte Entfernung
10,7%
7,3%
Diebstahl
9,0%
4,2%
Wehrkraftzersetzung
8,5%
4,2%
Kameradendiebstahl
7,5%
7,7%
Wachvergehen
7,1%
11,3%
Fahnenflucht
6,7%
5,3%
militärischer Ungehorsam
6,7%
15,2%
Unzucht
3,5%
2,9%
tätlicher Angriff
3,2%
0,0%
unbefugtes Ordentragen
0,0%
3,1%

Ob es ähnliche Veröffentlichungen gibt, die diese Vergleiche auf Heer oder Luftwaffe ausdehnen, ist mir nicht bekannt.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

wirbelwind

Hallo,
Dank an FAlmeida und Schorsch für die Bereitstellung der Fakten. Die angegebenen Bücher werde ich mir natürlich versuchen zu besorgen. Vielleicht wäre auch ein Blick in die Verurteilung von Angehörigen der Luftwaffe und des Heeres zur Versetzung ins Strafbataillon 99 im Verhältnis zur Verurteilung von U-Boot-Männern in eine vergleichbare Einheit der Kriegsmarine (glaube das war die Schiffsstammabteilung IV Wilhelmshafen)   machbar :?
MfG Wirbelwind

Arche

Hallo zusammen,
zur Ergänzung noch.
Paul Frerks wurde meines Wissens wg. einer Vollrauschtat verurteilt. Er hatte dabei eine Wache mit der Pistole bedroht.
Karl Feufel fuhr verbotenerweise durch Minenfeld
Werner Joachim Bach wurde vergessen. Er bekam als Kommandant 4 Wochen verschärften Arrest wg. Mißachtung seiner Aufsichtspflicht.


Zu der Aufstellung von Herrn Hannemann.
Das Verhältnis wird sich sicherlich nicht verändert haben. Was wahrscheinlich mehr einfließen müsste, ist die Anzahl der Verfahren.
Einige Delikte sind nicht aufgeführt z.B. Hehlerei und Kapitalverbrechen. Ich möchte hier an den Vorfall auf U 428 erinnern. Die verurteilten Soldaten mussten ihre Strafe noch weit nach Kriegsende absitzen. Der Kommandant war auch nicht straffrei. (Ungehorsam).
Beim tätlichen Angriff auf Vorgesetzte sind mittlerweile auch Fälle in
der U-Bootwaffe bekannt.

Für Wirbelwind:
das Strafbatallion 999 war eine Bewährungseinheit für politisch Verurteilte. Angehörige der Luftwaffe, des Heeres und der Kriegsmarine wurden nach der Verurteilung in ein Wehrmachtsgefängnis gebracht. Grundsätzlich gab es mehrere Faktoren, die dann  eine Frontbewährung ermöglichen.
Bisherige Führung, Führung im Wehrmachtsgefängnis und Vergehen. Marinesoldaten mit guter Führung wurden oft nach 6 Wochen Gefängnis wieder zur Frontbewährung aufs Schiff versetzt. In der regel aber nicht auf das Boot, wo sie vorher Dienst machten. War die Führung schlecht, kam es nach kurzer Zeit im Wehrmachtsgefängnis zur Feldstrafgefangenenabteilung an die Front. Bei Verurteilungen über ein Jahr kam der Soldat eher nach Torgau und z.B. zum Inf.Bat. 500 zbV. Ab 1945 wurden verurteilte Soldaten (auch KM) fast nur noch zu den 500ern geschickt. Bei Verurteilungen von über 2 Jahren musste mit der Entlassunf aus der Wehrmacht gerechnet werden und der Soldat wurde ins Moorlager überstellt. (Hiermal kurz zusammengefasst. Das Prozedere war wie immer in Deutschland etwas komplizierter und dauerte immer seine Zeit)

Gruß

Heinz-Jürgen   

FAlmeida

Bach, Joachim-Werner
24/09/1944-09/05/1945 Kommandant  "U 1110" / 8. U-Flottille, Danzig später 5. U-Flottille, Kiel. Frontboot ohne Einsatz. Keine Unternehmungen.
Am 03.01.1945 4 Wochen Kammerarrest wegen Verletzung der Aufsichtspflicht  § 147 Militärstrafgesetzbuchs. Ermahnung wegen Alkoholproblemen.


Gruß
Fernando

Arche

Hallo Fernando,


Heinz-Günther Scholz / U-283    Wehrkraftzersetzung  (Anklage war in Vorbereitung, vorher Selbstmord)   Kein Verschulden Dritter, event. Selbstmord aus pers. Gründen (Liebeskummer)

Eine kleine Korrektur aus meiner Sicht. Wehrkraftzersetzung war hier wohl nicht gemeint; eher Wehrmittelbeschädigung. nach 2 Haverien befürchtete Scholz nach der dritten Haverie Schaden seiner Karriere.
(Das war die Vermutung des Gerichts. Während des Verfahrens gab es zusätzliche Informationen wg. Liebeskummer).

Gruß

Heinz-Jürgen

wirbelwind

Hallo,
noch eine kleine Frage nachgeschoben. Was hatte es mit der Strafkompanie Plön für straffällige Marineangehörige auf sich :? Lüth soll einem neuen Besatzungsmitglied angedroht haben, entweder er ist nach der Törn sein Freund oder er landet bei der Strafkompanie Plön.
MfG Rüdiger

Arche

#13
Hallo Rüdiger,

die Ausbildungsabteilung Plön hatte u.a. auch eine "sogenannte" Strafkompanie, die regelmäßig zum Fronteinsatz in Richtung Osten geschickt wurde. U-Bootfahrer, die die Disziplin auf einen Boot gefährdeten, wurden dort zur "Nachschulung" geschickt. Wie immer im Leben, gab es Vorgesetzte, die sich stärker darum kümmerten. Lüth gehörte wohl dazu.

Gruß
Heinz-Jürgen

wirbelwind

Hallo Heinz-Jürgen,
danke für Deine Auskunft. Was für mich noch offen ist, bedeutete der Einsatz im Osten Rußland und in welcher Form :? Doch sicherlich nicht Landeinsatz. Gab es noch andere Strafkompanien bei der DKM :? Das Lüth eine gut eingefahrene, disziplinierte Besatzung gehabt haben muß steht ausser Zweifel, sonst wären seine Erfolge nicht machbar gewesen.
MfG Rüdiger

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